Urteil des BVerwG vom 05.07.2006

Eingriff, Anbieter, Markt, Rechtspflicht

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 44.06
VGH 4 BV 04.482
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. Juli 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Prof. Dr. Rennert
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungs-
gerichtshofs vom 15. Dezember 2005 wird verworfen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 24 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Sie ist unzulässig. Die Klägerin legt die von
ihr in Anspruch genommenen Zulassungsgründe nicht schlüssig dar, obwohl
dies geboten gewesen wäre (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
1. Die Klägerin beruft sich in erster Linie auf den Zulassungsgrund einer grund-
sätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Hierzu be-
darf es der Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, die für die Entscheidung
des Berufungsgerichts erheblich war, sowie der näheren Darlegung, inwiefern
diese Frage der höchstrichterlichen Klärung bedarf, inwiefern mit dieser Klärung
in dem angestrebten Revisionsverfahren zu rechnen ist und inwiefern hiervon
die Fortentwicklung der Rechtsprechung zu erwarten steht. Das leistet die
Klägerin nicht. Sie wirft zwar sinngemäß die Frage auf, ob § 6 des Betreu-
ungsbehördengesetzes (BtBG) vom 12. September 1990 (BGBl I S. 2002,
2025) - heute: § 6 Abs. 1 BtBG - einem anerkannten Betreuungsverein einen
Rechtsanspruch auf finanzielle Zuwendung oder doch jedenfalls auf Teilhabe
an in den Haushalt - hier: einer Gemeinde - eingestellten Fördermitteln ver-
schafft. Dabei hält sie offenbar vor allem für klärungsbedürftig, ob nach § 1908 f
BGB anerkannte Betreuungsvereine zu den von § 6 BtBG genannten „gemein-
nützigen und freien Organisationen“ zählen. Sie legt indessen nicht dar,
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inwiefern sich diese Frage in dem angestrebten Revisionsverfahren stellen soll-
te. Das ist auch nicht erkennbar. Das Berufungsurteil hat den Klaganspruch
nicht deshalb verneint, weil die Klägerin nicht zu den von § 6 BtBG angespro-
chenen Organisationen gehören würde. Im Übrigen liegt auf der Hand, dass ein
nach § 1908 f BGB anerkannter Betreuungsverein eine „gemeinnützige oder
freie Organisation“ im Sinne dieser Vorschrift ist (vgl. Bienwald, Betreuungs-
recht, 2. Auflage 1994, Rn. 3 zu § 6 BtBG).
Eine andere Frage ist, ob § 6 BtBG - von Bundesrechts wegen - die nach Lan-
desrecht zuständigen Betreuungsbehörden dem Grunde nach zur finanziellen
Förderung gemeinnütziger und freier Organisationen verpflichtet und ob diesen
Organisationen hieraus ein entsprechender Rechtsanspruch erwächst. Das
Berufungsgericht hat diese Frage verneint, während die Klägerin sie offenbar
bejahen möchte. Auch insofern fehlt es jedoch an jeder Darlegung, inwiefern
sich die Frage in dem angestrebten Revisionsverfahren stellen sollte. Dass die
Beklagte dem Grunde nach zur Förderung gemeinnütziger und freier Betreu-
ungsorganisationen verpflichtet ist, steht zwischen den Beteiligten nämlich nicht
im Streit; auch das Berufungsgericht hat eine solche prinzipielle Rechtspflicht,
wenn auch nicht aus § 6 BtBG, so doch aus der bisherigen Förderpraxis der
Beklagten hergeleitet, wie sie vor allem in deren Förderrichtlinien begründet ist.
Zwischen den Beteiligten umstritten ist lediglich, ob die Beklagte ihr hierdurch
eröffnetes Förderermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt hat. Dass sich auch inso-
fern aus § 6 BtBG Anhaltspunkte herleiten ließen, legt die Klägerin indes nicht
dar.
2. Auch den Zulassungsgrund der Abweichung (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) legt
die Klägerin nicht hinlänglich dar.
Insofern beruft sie sich zum einen auf das Urteil des Bundesverwaltungsge-
richts vom 13. Mai 2004 - BVerwG 3 C 45.03 - (BVerwGE 121, 23). Dort hat der
Senat ausgesprochen, dass die Förderung eines Konkurrenten in einer be-
stimmten Größenordnung zu einer Wettbewerbsverzerrung führen könne, die
andere - private - Anbieter auf Dauer vom Markt zu verdrängen drohe und damit
als Eingriff in die Berufsfreiheit anzusehen sei (a.a.O. S. 28). Die Klägerin legt
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indes nicht dar, dass das Berufungsgericht seiner Entscheidung einen hiervon
abweichenden Rechtssatz in der Auslegung von Art. 12 Abs. 1 GG zugrunde
gelegt hätte. Sie rügt lediglich, dass es nicht die nach ihrer Ansicht gebotene
Konsequenz aus dieser Rechtsprechung gezogen habe, indem es einen Eingriff
in Art. 12 Abs. 1 GG in ihrem konkreten Falle verneint habe. Damit ist eine
Abweichung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht dargetan.
Zum anderen sieht die Klägerin eine Abweichung von dem Urteil des Bundes-
verwaltungsgerichts vom 27. April 1984 - BVerwG 1 C 24.82 - (Buchholz 451.20
§ 70 GewO Nr. 1 = NVwZ 1984, 585 = GewArch 1984, 265), indem das Beru-
fungsgericht eine - auf Richtlinien gegründete - Verwaltungspraxis der Beklag-
ten billige, die der Klägerin keine Chance auf Teilhabe an der städtischen För-
derung lasse. Dieses Vorbringen vermag eine Divergenz im Sinne von § 132
Abs. 2 Nr. 2 VwGO schon deshalb nicht zu begründen, weil das Urteil vom
27. April 1984 zu § 70 GewO ergangen ist, der im vorliegenden Rechtsstreit
nicht einschlägig ist. So zeigt die Klägerin denn auch insofern keinen abwei-
chenden Obersatz des Berufungsgerichts auf, sondern rügt lediglich eine nach
ihrer Auffassung unzutreffende Rechtsanwendung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des
Streitwerts auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 sowie
§ 72 Nr. 1 GKG.
Kley Liebler Prof. Dr. Rennert
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