Urteil des BVerwG vom 28.09.2004

Diplom, Verfahrensmangel, Aufklärungspflicht, Mitwirkungspflicht

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 43.04
VG 6 K 1510/98
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. September 2004
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht van S c h e w i c k ,
Dr. D e t t e und L i e b l e r
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom
26. Februar 2004 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 4 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde ist nicht begründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe des
Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung
der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor.
Mit der Rehabilitierungsbescheinigung des Sächsischen Landesamtes für Familie
und Soziales vom 20. Oktober 1997 wurde dem Kläger bescheinigt, dass er Verfolg-
ter im Sinne des § 1 BerRehaG ist, Ausschließungsgründe nach § 4 BerRehaG nicht
vorliegen und die Verfolgungszeit vom 22. März 1984 bis 19. September 1985 (Haft)
und vom 20. September 1985 bis 3. Dezember 1986 (Arbeitslosigkeit und Minder-
verdienst) dauerte. In Ziffer 5 der "Bescheinigung nach § 17 i.V.m § 22 BerRehaG
zum Zwecke der Rentenversicherung" als Bestandteil der Rehabilitierungsbescheini-
gung wurde der Kläger für den Zeitraum vom 22. März 1984 bis 3. Dezember 1986
als selbstständiger Grafiker in die Qualifikationsgruppe 4 des Bereiches 12 eingrup-
piert. Der Kläger begehrt darüber hinaus seine Einstufung in die Qualifikationsgrup-
pe 1 als Diplom-Grafiker.
1. Entgegen der Auffassung des Klägers führt seine Verfahrensrüge nicht auf einen
Zulassungsgrund für die begehrte Revision. Ein Verfahrensmangel im Sinne des
§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nur dann "bezeichnet" (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO),
wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner
rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (vgl. Beschluss vom 10. November
1992 - BVerwG 3 B 52.92 - Buchholz 303 § 314 ZPO Nr. 5; Wejreuther, Revisionszu-
lassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bun-
desgerichte, 1971, Rn. 222 m.w.N.). Er setzt voraus, dass die zur Begründung vorge-
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tragenen Tatsachen, ihre Richtigkeit unterstellt, die Mängel ergeben (Beschluss vom
18. März 1982 - BVerwG 9 CB 1076.81 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 35).
Die Beschwerde hält dem Verwaltungsgericht einen Verstoß gegen die aus § 86
VwGO folgende Aufklärungspflicht vor, da es lediglich aufgeklärt habe, ob der Kläger
im Sinne des Satzes 1 der Definition das Qualifikationsmerkmal "Hochschulabsol-
vent" gemäß der Qualifikationsgruppe 1 erfüllte. Da zumindest die Möglichkeit beste-
he, dass der Kläger im Sinne des Satzes 2 der Definition die Voraussetzungen für die
Einstufung in die Qualifikationsgruppe 1 oder wenigstens die Qualifikationsgruppe 3
erfüllte, hätte das Gericht dahingehende Ermittlungen anstellen müssen.
Das Verwaltungsgericht hat - entgegen der Auffassung des Klägers - seine Pflichten
aus § 86 Abs. 1 VwGO nicht verletzt. Dem Gericht erwächst zwar eine Pflicht, weitere
Ermittlungen anzustellen, nicht nur durch Beweisanträge der Beteiligten (Beschluss
vom 27. Dezember 1988 - BVerwG 3 B 29.88 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO
Nr. 36 m.w.N.). Es erforscht vielmehr nach § 86 Abs. 1 VwGO den Sachverhalt von
Amts wegen; die Beteiligten sind dabei gemäß § 86 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz VwGO
heranzuziehen. Nach seinem eigenen Vorbringen hat der Kläger hier seiner diesbe-
züglichen Mitwirkungspflicht nicht genügt, obgleich ihm die Mitwirkung zumutbar ge-
wesen wäre. Auch wenn das Gericht an das Vorbringen der Beteiligten nicht gebun-
den ist, wird der Streitstoff doch dadurch vorgezeichnet. Hier hat der Kläger selbst
durch seinen strittigen Tatsachenvortrag, einen Abschluss als Diplom-Grafiker erwor-
ben zu haben, die Klage auf die Einstufungsmöglichkeit nach Satz 1 der Definition
des Qualifikationsmerkmals "Hochschulabsolvent" gemäß der Qualifikationsgruppe 1
zugeschnitten. Daher musste sich dem Gericht nicht aufdrängen, Tatsachen zu erfor-
schen, die eine vom Kläger selbst nicht vorgebrachte Einstufungsmöglichkeit betra-
fen.
2. Grundsatzbedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist ebenfalls nicht
gegeben. Die von der Beschwerde für den unterstellten Fall einer dahingehenden
Rechtsauffassung des Gerichts für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltene Frage,
ob "es bei der Feststellung und Bescheinigung der beruflichen Qualifikation im Rah-
men des § 22 Abs. 1 Nr. 6 b BerRehaG ausschließlich auf den erworbenen berufli-
chen Abschluss - Qualifikationsmerkmal im Sinne des Satzes 1 der Definition der
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Qualifikationsgruppen nach Anlage 13 zum SGB VI - ankommt" würde sich in einem
Revisionsverfahren nicht stellen, weil fiktive Rechtsfragen nicht zum Gegenstand
einer Revision gemacht werden können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streit-
wertes folgt aus Art. 1 § 72 KostRMoG, § 14 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 2
GKG.
van Schewick Dr. Dette Liebler