Urteil des BVerwG vom 15.09.2008

Sitz im Ausland, Firma, Arzneimittel, Lagerung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 36.08
VGH 9 S 2850/06
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. September 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rennert und Buchheister
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs
Baden-Württemberg vom 2. Januar 2008 wird zurückge-
wiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
1. Die Klägerin betreibt einen Arzneimittelgroßhandel in der Rechtsform einer
Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz. Innerhalb der Europäischen Union
verfügt sie über keine eigene Betriebsstätte. Die Klägerin hat eine Rahmenver-
einbarung über die Lagerhaltung von Arzneimitteln mit der im Zuständigkeitsbe-
reich des Beklagten ansässigen Firma W. geschlossen, wonach dieses Unter-
nehmen als Auftragslagerhalter für die Klägerin tätig werden soll. Das Lager soll
der Klägerin dazu dienen, Arzneimittel für den von ihrem Firmensitz in der
Schweiz aus betriebenen Handel mit Unternehmen in Deutschland und der Eu-
ropäischen Union zwischenzulagern. Der Beklagte lehnte die beantragte Ertei-
lung einer Großhandelserlaubnis nach § 52a AMG ab. Mit ihrer Klage begehrt
die Klägerin die Feststellung, ohne behördliche Erlaubnis nach § 52a AMG Arz-
neimittel in der besagten Weise einlagern zu dürfen und mit ihnen Großhandel
zu betreiben, hilfsweise die Verpflichtung des Beklagten auf Erteilung einer Er-
laubnis nach § 52a AMG. Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben.
2. Die gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Berufungsge-
richts erhobene Beschwerde ist unbegründet. Der Rechtssache kommt die gel-
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tend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO nicht zu.
a) Die Klägerin hält erstens für grundsätzlich klärungsbedürftig,
ob auf ein Unternehmen mit Sitz in einem Staat, der nicht
Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Vertragsstaat
des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum
ist, die §§ 43 Abs. 1, 52a AMG anwendbar sind mit der
Folge, dass eine (betriebsbezogene) Großhandelserlaub-
nis auch dann erforderlich ist, wenn die von ihm ausgeüb-
ten rechtsgeschäftlichen bzw. rechtsgeschäftsähnlichen
Tätigkeiten im Sinne von § 4 Nr. 22 AMG im Ausland er-
folgen.
Der Sache nach geht es der Klägerin damit um die Frage, ob für die von ihr im
Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes entfaltete Tätigkeit, also insbesonde-
re das Zwischenlagern von gekauften oder zu verkaufenden Arzneimitteln bei
einer Fremdfirma, eine Großhandelserlaubnis nach § 52a AMG erforderlich ist,
obwohl die eigentliche Vertriebstätigkeit, namentlich der Abschluss der Han-
delsverträge, am Unternehmenssitz in der Schweiz erfolgt.
Diese Frage hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie bedarf zu ihrer Klärung
keines Revisionsverfahrens, sondern beantwortet sich unmittelbar aus dem
Gesetz. Nach § 52a Abs. 1 Satz 1 AMG bedarf einer Erlaubnis, wer Großhandel
mit Arzneimitteln betreibt. Darunter versteht das Gesetz jede berufs- oder ge-
werbsmäßige, zum Zwecke des Handeltreibens ausgeübte Tätigkeit, die in der
Beschaffung, der Lagerung, der Abgabe oder Ausfuhr von Arzneimitteln besteht
(§ 4 Abs. 22 AMG). Danach ist unter anderem das Lagern und die Abgabe von
Arzneimitteln zum Zwecke des Handeltreibens im Geltungsbereich des Arznei-
mittelgesetzes Großhandel mit Arzneimitteln und damit nach § 52a AMG
erlaubnispflichtig. Das Arzneimittelgesetz unterwirft nicht nur die Vertriebstätig-
keit in Form der rechtsgeschäftlichen Betätigung der Erlaubnispflicht, sondern
auch die Abwicklung der Handelsverträge, namentlich die Lagerung und die
Abgabe von Arzneimitteln zum Zwecke des Handeltreibens. Die mit dem Zwölf-
ten Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl I
S. 2031) eingeführte Erlaubnispflicht für den Arzneimittelgroßhandel diente der
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Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben in Art. 76 ff. der Richtlinie
2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November
2001 (ABl Nr. L 311/67) über den Großhandel mit Medikamenten. Die weit ge-
fasste Begriffsbestimmung des Arzneimittelgesetzes entspricht dem
Gemeinschaftsrecht, wonach unter Großhandelsvertrieb jede Tätigkeit zu ver-
stehen ist, die in der Beschaffung, der Lagerung, der Lieferung oder der Aus-
fuhr von Arzneimitteln besteht, soweit diese Tätigkeiten unter anderem mit Her-
stellern oder deren Kommissionären, Importeuren oder sonstigen Großhändlern
abgewickelt werden (Art. 1 Nr. 17 der Richtlinie). Daraus ergibt sich, dass die
von der Klägerin in Deutschland beabsichtigte Tätigkeit erlaubnispflichtig ist und
nur unter den Voraussetzungen des § 52a AMG erlaubt werden kann.
Daran ändert nichts, dass die als Lagerhalter beauftragte Firma W. für den von
ihr betriebenen Großhandel über eine Erlaubnis nach § 52a AMG verfügt. Der
Handel mit den zwischengelagerten Arzneimitteln wird nicht von jener Firma,
sondern von der Klägerin betrieben. Sie ist auch nach dem mit der Firma W.
geschlossenen Rahmenvertrag der in Bezug auf diese Arzneimittel verantwort-
liche Großhändler (§ 4 Abs. 2 des Rahmenvertrags).
b) Die Klägerin wirft außerdem die Frage auf,
ob ein Unternehmen mit Sitz im Ausland bei Erfüllung der
in § 52a AMG abschließend aufgeführten Genehmigungs-
voraussetzungen einen Anspruch auf Erteilung einer
Großhandelserlaubnis gemäß § 52a Abs. 1 AMG für die
im Geltungsbereich des Gesetzes gelegene Betriebsstätte
hat.
Diese Frage hat ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung. Sie wäre, nähme
man sie beim Wort, schon nicht entscheidungserheblich. Das Berufungsgericht
hat gerade nicht angenommen, dass die Klägerin alle Genehmigungsvoraus-
setzungen erfüllt, sondern keine Betriebsstätte im Sinne des § 52a Abs. 2 Nr. 1
AMG im Zuständigkeitsbereich des Beklagten benennen kann, für die die Er-
laubnis erteilt werden soll. Dem liegt die Erwägung des Berufungsgerichts
zugrunde, dass maßgebliche Betriebsstätte der Ort ist, an dem der Großhändler
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seine Handelsaktivitäten entfaltet, im Falle der Klägerin also der Sitz des
Unternehmens in der Schweiz.
Auch wenn man die Frage der Klägerin sinngemäß dahin versteht, ob diese
Auslegung des § 52a Abs. 2 Nr. 1 AMG zutreffend ist, kommt ihr keine grund-
sätzliche Bedeutung zu; denn sie lässt sich, soweit es für den Fall von Bedeu-
tung ist, ebenfalls beantworten, ohne dass es insoweit der Durchführung eines
Revisionsverfahrens bedarf.
Die Erlaubnis nach § 52a AMG ist sowohl personen- als auch betriebsbezogen.
Sie wird einem bestimmten Großhändler für (mindestens) eine bestimmte Be-
triebsstätte erteilt (§ 52a Abs. 2 Nr. 1 AMG), die im Zuständigkeitsbereich der
Erlaubnisbehörde liegen muss (§ 52a Abs. 3 Satz 1 AMG), wenn er unter ande-
rem Nachweise darüber vorlegt, dass er über geeignete und ausreichende
Räumlichkeiten, Anlagen und Einrichtungen verfügt, um eine ordnungsgemäße
Lagerung und einen ordnungsgemäßen Vertrieb zu gewährleisten (§ 52a Abs. 2
Nr. 2 AMG). Soweit anlässlich des vorliegenden Falles die Frage nach den
Anforderungen an das Vorhandensein einer Betriebsstätte im Sinne des § 52a
Abs. 2 Nr. 1 AMG beantwortet werden muss, erübrigt sich die Durchführung
eines Revisionsverfahrens; denn es liegt auf der Hand, dass die Voraus-
setzungen dieser Norm jedenfalls dann nicht erfüllt sind, wenn der Großhändler
- wie hier die Klägerin - sich darauf beschränkt, im Geltungsbereich des Geset-
zes Arzneimittel bei einer Fremdfirma einzulagern. Allein durch diesen Vorgang
wird die Betriebs- oder womöglich nur Lagerstätte dieser Fremdfirma nicht zur
eigenen Betriebsstätte. Die Verantwortung für die Einhaltung der betriebsstät-
tenbezogenen Anforderungen verbleibt bei der Fremdfirma (hier die Firma W.
- siehe auch § 1 Abs. 4 und Abs. 8 des Rahmenvertrages). Dies wird letztlich
auch von der Klägerin selbst nicht anders gesehen. Sie hat in ihrem Erlaubnis-
antrag und im Klageverfahren wiederholt betont, innerhalb der Europäischen
Union über keine eigene Betriebsstätte zu verfügen. So betrachtet richtet sich
ihr Begehren auf die Erteilung einer Großhandelserlaubnis für eine fremde Be-
triebsstätte. Das ist mit § 52a AMG nicht zu vereinbaren. Die von der Klägerin
sinngemäß aufgeworfene Frage, ob einem Großhandel mit einer Betriebsstätte
im Inland wegen seines Sitzes im Ausland die Großhandelserlaubnis nach
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§ 52a Abs. 2 Nr. 1 AMG verweigert werden kann, würde sich daher in einem
Revisionsverfahren nicht stellen.
Aus der vom Berufungsgericht erörterten, aber offengelassenen Frage, ob das
von der Firma W. betriebene Lager für den Fall, dass die Klägerin über eine
Betriebsstätte im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes verfügen würde,
zusätzlich benannt und in die Erlaubnis aufgenommen werden müsste, kann die
Klägerin nichts zu ihren Gunsten herleiten. Das Berufungsgericht hat damit
entgegen der Darstellung der Klägerin in der Zulassungsbegründung gerade
nicht zum Ausdruck gebracht, dass das Lager der Firma W. für sich genommen
eine für die Erlaubniserteilung an die Klägerin ausreichende Betriebsstätte im
Sinne des § 52a Abs. 2 Nr. 1 AMG sei.
Ein Widerspruch, den die Klägerin darin erblickt, dass für die Annahme einer
Großhandelstätigkeit bereits das Einlagern bei einer Fremdfirma zum Zwecke
des Handeltreibens ausreicht, für die Erlaubniserteilung hingegen das Vorhan-
densein einer Betriebsstätte gefordert wird, ergibt sich daraus nicht. Es ist le-
diglich so, dass die Klägerin eine im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes
erlaubnispflichtige Tätigkeit ausüben möchte, ohne die dafür vom Gesetz auf-
gestellten Voraussetzungen zu erfüllen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des
Streitwerts auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.
Kley
Prof. Dr. Rennert
Buchheister
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Sachgebiet:
BVerwGE:
nein
Verwaltungsprozessrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
Richtlinie 2001/83/EG
Art. 1 Nr. 17, Art. 76 ff.
AMG
§ 4 Abs. 22, § 52a
Stichworte:
Großhandel mit Arzneimitteln, Lagerung zum Zwecke des Handeltreibens, Er-
laubnis, Betriebsstätte im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes, Sitz des
Unternehmens außerhalb der EU und des EWR.
Leitsatz:
Ein Arzneimittelgroßhändler verfügt über keine Betriebsstätte im Sinne des
§ 52a Abs. 2 Nr. 1 AMG, wenn er im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes
lediglich Arzneimittel bei einer Drittfirma in deren Betriebsstätte zwischenlagert.
Beschluss des 3. Senats vom 15. September 2008 - BVerwG 3 B 36.08
I. VG Stuttgart
vom 19.10.2006 - Az.: VG 4 K 2196/06 -
II. VGH Mannheim vom 02.01.2008 - Az.: VGH 9 S 2850/06 -