Urteil des BVerwG vom 08.11.2004

Berufsfreiheit, Zukunft, Gesundheit, Beschränkung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 36.04
VGH 21 B 00.2569
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. November 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht
van S c h e w i c k und Prof. Dr. R e n n e r t
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts-
hofs vom 19. Januar 2004 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 15 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die allein auf den Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache
(§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwer-
devorbringen rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision.
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn zu erwarten ist,
dass die Entscheidung im künftigen Revisionsverfahren dazu dienen kann, die
Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts
zu fördern (Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90
<91>). Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die
Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revi-
sionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die
Angabe voraus, worin die allgemeine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung
bestehen soll. Diesen Voraussetzungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
a) Die Beschwerde hält die "Frage der Verfassungsmäßigkeit des Art. 31 Abs. 2
BayRDG" für klärungsbedürftig. Sie ist der Auffassung, die Vorschrift verstoße gegen
Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).
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Damit ist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht den gesetzlichen An-
forderungen entsprechend dargelegt. Die Beschwerde setzt sich nicht damit ausein-
ander, dass es sich bei Art. 31 Abs. 2 BayRDG um eine Übergangsvorschrift handelt.
Entsprechend dem Zweck der Grundsatzrevision, eine für die Zukunft richtung-
weisende gesetzliche Klärung herbeizuführen, rechtfertigen nach ständiger Recht-
sprechung des Bundesverwaltungsgerichts Rechtsfragen, die sich nur aufgrund von
ausgelaufenem Recht oder Übergangsrecht stellen, regelmäßig nicht die Zulassung
der Grundsatzrevision (vgl. z.B. Beschlüsse vom 9. Juni 2000 - BVerwG 4 B 19.00 -
juris und vom 23. Januar 2003 - BVerwG 1 B 467.02 - Buchholz 402.240 § 102a
AuslG Nr. 1). Eine Ausnahme ist anerkannt, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage
noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von
Bedeutung ist. Dass dies vorliegend der Fall ist, hat die Klägerin weder dargelegt
noch ist hierfür etwas ersichtlich. Die nach altem Recht für die Dauer von höchstens
sechs Jahren zu erteilenden Genehmigungen (vgl. Art. 9 Abs. 3 BayRDG 1990) sind
zwischenzeitlich ausgelaufen, so dass eine Anwendbarkeit der Übergangsvorschrift
des Art. 31 Abs. 2 BayRDG auf zukünftige Fälle nicht mehr in Betracht kommt.
b) Die Beschwerde hält ferner die "Frage der Vereinbarkeit des Art. 19 Abs. 1
BayRDG i.V.m. Art. 18 BayRDG mit Art. 12 Abs. 1 GG" für grundsätzlich bedeutsam.
Das Bayerische Rettungsdienstgesetz ist irrevisibles Landesrecht, dessen Nachprü-
fung dem Revisionsgericht versagt ist (§ 137 Abs. 1 VwGO). Nach ständiger Recht-
sprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermag die Nichtbeachtung von Bundes-
recht bei der Auslegung und Anwendung von Landesrecht die Zulassung der Revisi-
on allenfalls dann zu begründen, wenn die Auslegung der bundesrechtlichen Norm
ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Wird eine Vor-
schrift des Landesrechts als bundesverfassungsrechtlich bedenklich angesehen, ist
im Einzelnen darzulegen, gegen welche verfassungsrechtliche Norm verstoßen wird
und ob sich bei der Auslegung dieser bundesrechtlichen Bestimmung Fragen grund-
sätzlicher Bedeutung stellen, die sich nicht aufgrund bisherigen oberstgerichtlicher
Rechtsprechung - insbesondere des Bundesverwaltungsgerichts - beantworten las-
sen (vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 9. Oktober 1997 - BVerwG 6 B 42.97 -
Buchholz 406.39 Denkmalschutzrecht Nr. 8 und vom 27. August 2003 - BVerwG 6 B
53.03 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 38).
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Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht. Die von der Kläge-
rin sinngemäß aufgeworfene verfassungsrechtliche Frage, ob die Errichtung eines
Verwaltungsmonopols im Bereich der Notfallrettung und die bevorzugte Übertragung
der Durchführung des Rettungsdienstes auf bestimmte Hilfsorganisationen die Be-
rufsfreiheit privater Rettungsunternehmer aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt, ist nicht von
grundsätzlicher Bedeutung. Denn sie ist bereits durch die Rechtsprechung des Bun-
desverwaltungsgerichts geklärt. Der erkennende Senat hat bereits entschieden, dass
die Erklärung der Notfallrettung zur Ordnungsaufgabe und ihre Zuweisung an die
staatliche Feuerwehr in § 5 Abs. 1 des Berliner Rettungsdienstgesetzes nicht gegen
Art. 12 Abs. 1 GG verstoße (BVerwG, Urteil vom 3. November 1994 - BVerwG 3 C
17.92 - BVerwGE 97, 79 <84>). Zwar sei für private Unternehmer die Verstaatlichung
einer Tätigkeit durch Schaffung eines Verwaltungsmonopols die schärfste Form ihrer
Beschränkung. Die Erklärung der Notfallrettung zur hoheitlichen Aufgabe sei aber
unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zum Schutze eines
überragend wichtigen Gemeinschaftsguts - unmittelbar bedrohten Lebens und be-
drohter Gesundheit - nach Art. 12 Abs. 1 GG gerechtfertigt. Der Senat hat es im Hin-
blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unbeanstandet gelassen, wenn der
Landesgesetzgeber im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative davon ausgehe,
dass Private im freien Wettbewerb die Aufgabe der Notfallrettung nicht mit der glei-
chen Wirksamkeit bedarfsgerecht erfüllen wie die öffentliche Hand oder die von die-
ser beauftragten Hilfsorganisationen (vgl. BVerwGE 97, 79 <85>). Soweit die Kläge-
rin in diesem Zusammenhang geltend macht, es sei in der Rechtsprechung nicht
geklärt, ob dem Gesetzgeber bei der Festlegung objektiver Berufszulassungsrege-
lungen ein Prognosespielraum zustehe, führt dies ebenfalls nicht zum Erfolg der Be-
schwerde. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung offen gelassen,
ob die Schaffung eines Verwaltungsmonopols für die Notfallrettung in die Be-
rufsausübungs- oder die Berufswahlfreiheit der privaten Rettungsunternehmer ein-
greift. Dem liegt die Annahme zu Grunde, dass es für die Anerkennung eines Ein-
schätzungsspielraums des Gesetzgebers nicht darauf ankommt, in welchen Gewähr-
leistungsbereich der Berufsfreiheit die staatliche Maßnahme eingreift. Hiervon geht
im Übrigen auch die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung aus, die dem
Gesetzgeber ungeachtet des jeweils betroffenen Grundrechts eine Einschätzungs-
prärogative einräumt und für die verfassungsrechtliche Kontrolle differenzierte Maß-
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stäbe benennt (vgl. BVerfGE 50, 290 <333>). Eine klärungsbedürftige verfassungs-
rechtliche Rechtsfrage hat die Klägerin somit nicht dargetan.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streit-
wertes folgt aus § 14 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F. i.V.m. § 72
GKG i.d.F. des KostRMoG vom 5. Mai 2004 (BGBl I S. 718).
Prof. Dr. Driehaus van Schewick Prof. Dr. Rennert