Urteil des BVerwG vom 26.02.2014

Grundstück, Rückforderung, Unterlassen, Erbe

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 31.13
VG 2 K 2197/10
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Februar 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wysk und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts des
Saarlandes vom 24. April 2012 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 13 464,87 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Hauptentschädigung, die
seiner 1994 verstorbenen Großtante für den Wegnahmeschaden an einem
Grundstück in Berlin-Friedrichshain gewährt worden war.
Die Großtante des Klägers konnte ab dem Zeitpunkt der Wiedervereinigung
wieder über das Grundstück verfügen und übertrug es aufgrund eines Schen-
kungsvertrages vom 4. September 1991 auf den Kläger. Ende Juli 2009 leitete
das Ausgleichsamt Saarbrücken ein Rückforderungsverfahren gegen den Klä-
ger ein und forderte mit Bescheid vom 27. Oktober 2009 von ihm als Rechts-
nachfolger die seiner Großtante gewährte Hauptentschädigung zurück. Der
Kläger wandte hiergegen ein, die Ausschlussfrist für die Rückforderung von vier
Jahren sei abgelaufen. Das Ausgleichsamt habe bereits 1998 gewusst, dass
gegen ihn ein Rückforderungsanspruch bestehe. Der Sachbearbeiter des Aus-
gleichsamtes habe ihm dies in einem in diesem Jahr geführten Telefonat im
Zusammenhang mit einem anderen Rückforderungsfall erklärt. Den Inhalt die-
ses Telefonats könne seine Ehefrau bestätigen. Überdies habe das Ausgleichs-
amt ausweislich einer Meldebestätigung Mitte 2003 nach seiner Adresse ge-
forscht. Beschwerde und Klage gegen den Rückforderungs- und Leistungsbe-
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scheid blieben erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung ausge-
führt, die zwischen den Beteiligten allein streitige Frage der Rückforderungsfrist
nach § 349 Abs. 5 Satz 3 bis 5 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) sei zulas-
ten des Klägers zu entscheiden. Die für die Ingangsetzung der vierjährigen
Ausschlussfrist erforderliche positive Kenntnis vom Schadensausgleich und der
Person des Rückzahlungsverpflichteten (§ 349 Abs. 5 Satz 4 LAG) habe das
Ausgleichsamt nach Aktenlage erst durch ein Schreiben des Landesamtes zur
Regelung offener Vermögensfragen Berlin am 19. Juni 2009 erlangt. Für die
vom eindeutigen Akteninhalt abweichenden Behauptungen des Klägers fehle es
an objektiven Anhaltspunkten.
Die zulässige Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem
Urteil bleibt ohne Erfolg. Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3
VwGO, auf dem die Entscheidung beruhen kann, liegt nicht vor.
Der Kläger rügt als Verfahrensmangel, das Verwaltungsgericht habe seine Be-
weisanträge zur Frage der Kenntnis des zuständigen Sachbearbeiters über-
gangen und es unter Verstoß gegen die Aufklärungspflicht unterlassen, die bei-
den angebotenen Zeugen und ihn als Partei zu dieser Frage zu vernehmen.
1. Diese Rüge geht zunächst insofern fehl, als der Kläger in der mündlichen
Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ausweislich der darüber gefertigten
Niederschrift keineswegs (unbedingte) Beweisanträge gestellt hat. Er hat es
auch unterlassen, zumindest durch eine bloße Beweisanregung in Gestalt eines
so genannten Hilfsbeweisantrags auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung
hinzuwirken, deren Unterbleiben er nun rügt. Die vermeintlich übergangenen
Anregungen zur Partei- und Zeugenvernehmung sind lediglich in seinen vorbe-
reitenden Schriftsätzen enthalten, wie das Verwaltungsgericht zu Recht hervor-
hebt (UA S. 13). Unzutreffend ist auch, dass das Verwaltungsgericht die Anre-
gungen übergangen hat. Es hat sie ausdrücklich aufgegriffen, in der mündlichen
Verhandlung erörtert und in seine Sachverhalts- und Beweiswürdigung einbe-
zogen (UA S. 12 ff.). Das damit verbundene Absehen von weiterer Beweiserhe-
bung verletzt nur dann die Pflicht zur Amtsermittlung, wenn sich dem Gericht
die von der Beschwerde bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein Hinwirken
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des Klägers von sich aus hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. nur Be-
schlüsse vom 15. Februar 2013 - BVerwG 8 B 58.12 - juris Rn. 23, vom 17. Ja-
nuar 2013 - BVerwG 7 B 18.12 - juris Rn. 15, vom 24. September 2012
- BVerwG 5 B 30.12 - juris Rn. 4, vom 20. Dezember 2011 - BVerwG 7 B
43.11 - Buchholz 445.4 § 58 WHG Nr. 1 Rn. 20, vom 19. Oktober 2011
- BVerwG 8 B 37.11 - ZOV 2011, 264 und vom 19. August 2010
- BVerwG 10 B 22.10 - juris Rn. 10).
2. Das Verwaltungsgericht musste das Vorbringen des Klägers nach diesem
Maßstab nicht zum Anlass für weitere Ermittlungen nehmen. Es war ihm nicht
verwehrt, die bezeichneten Beweismittel auf ihre Relevanz zu überprüfen und
sie dabei in einem Zusammenhang mit den bereits vorliegenden Beweismitteln,
die es im Wege des Urkundsbeweises verwertet hat, zu stellen. Wenn das Ge-
richt zu dem Ergebnis kommt, dass der Akteninhalt eindeutig sei und für die
davon abweichende Behauptung des Klägers objektive Anhaltspunkte fehlten,
hat es die Beweisanregungen des Klägers in der Sache für unsubstanziiert er-
achtet. Diese Bewertung rechtfertigt es grundsätzlich, von weiterer Sachver-
haltsaufklärung abzusehen (stRspr, Beschluss vom 29. März 1995 - BVerwG
11 B 21.95 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 266).
Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, das diese Einschätzung des
Verwaltungsgerichts mit seiner Pflicht zur Sachaufklärung nach § 86 Abs. 1
VwGO unvereinbar war, weil sich ihm die vom Kläger gewünschte Beweisauf-
nahme hätte aufdrängen müssen. Zwar hat der Kläger in seiner Klagebegrün-
dung wie schon im vorausgehenden Verwaltungsverfahren behauptet, dass ihm
der Sachbearbeiter des Lastenausgleichsamts anlässlich einer Rückfrage we-
gen eines anderen, damit nicht im Zusammenhang stehenden Lastenaus-
gleichsverfahrens angekündigt habe, dass er noch einen Lastenausgleichsfall in
Arbeit habe, der das hier in Rede stehende Anwesen betreffe und in dem der
Kläger ebenfalls einen Rückforderungsbescheid zu erwarten habe. Bereits die-
se Behauptung allein - unterstellt man sie als wahr - muss nicht zwingend zu
dem Schluss führen, dass der Behörde bereits 1998 alle Rückforderungsvo-
raussetzungen gemäß § 349 Abs. 5 Satz 4 LAG in einer Weise bekannt waren,
wie es für den Lauf der Rückforderungsfrist geboten ist (vgl. Urteil vom 30. April
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2008 - BVerwG 3 C 17.07 - Buchholz 427.3 § 349 LAG Nr. 15 = NVwZ-RR
2008, 732; Beschluss vom 3. November 2009 - BVerwG 3 B 41.09 - ZOV 2010,
31 m.w.N.); denn der Sachbearbeiter soll den Fall nach seinem Bekunden „in
Arbeit“ gehabt haben, womit nicht ausgeschlossen war, dass sich bei der Be-
arbeitung ein anderes als das von ihm erwartete Ergebnis zeitigen würde, es
also nicht zu der Rückforderung gegenüber dem Kläger kommen würde, etwa
auch deswegen, weil die erforderlichen Unterlagen für das Geltendmachen
eines solchen Anspruchs nicht ausreichten. Dies ist jedoch nicht entscheidend
für die Verneinung eines Sachaufklärungsmangels, sondern vielmehr die Tat-
sache, dass das zuständige Ausgleichsamt diese Unterlagen nach den Fest-
stellungen des Verwaltungsgerichts erst durch das Schreiben des Berliner Lan-
desamtes zur Regelung offener Vermögensfragen aus Juni 2009 erhalten hat
und diese Feststellungen auch durch das Beschwerdevorbringen nicht mit der
erforderlichen Plausibilität erschüttert wird. Das Verwaltungsgericht hebt über-
zeugend hervor, dass nicht nachvollziehbar sei, aus welchen Umständen dem
Sachbearbeiter der Schadensausgleich an dem Grundstück in Berlin-
Friedrichshain früher als 2009 hätte bekannt sein können (UA S. 13). Hierfür
bietet auch die Beschwerde keine Erklärung. Dabei ist auch zu sehen, dass die
Berliner Finanzverwaltung das Ausgleichsamt noch 1996 über einen anhängi-
gen Antrag der Großtante des Klägers auf Rückübertragung des fraglichen
Grundstücks nach dem Vermögensgesetz informiert hatte, woraus das Aus-
gleichsamt auf das Ausstehen eines Schadensausgleichs schließen musste
(vgl. § 349 Abs. 3 LAG). Zudem wurde das Feststellungsverfahren nach dem
Beweissicherungs- und Feststellungsgesetz (BFG), das in Teilen noch anhän-
gig war, Anfang 1999 eingestellt, weil die Erben der Großtante des Klägers
nicht ermittelt werden konnten. Den Lastenausgleichsbehörden war demnach
ausweislich der Akten auch zu jener Zeit nicht bekannt, dass der Kläger als Er-
be in Betracht kam.
Vor diesem Hintergrund bedurfte es deutlicher Hinweise dafür, dass und vor
allem auf welchem Wege der Sachbearbeiter von dem Bestehen des streitigen
Rückforderungsanspruchs gegen den Kläger gleichwohl bereits im Jahre 1998
erfahren haben konnte, um eine Ermittlungspflicht des Gerichts auszulösen.
Solche Hinweise zeigt die Beschwerde nicht auf. Dass es außer der Mitteilung
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eines Vermögensamtes andere Anstöße und Grundlagen für ein Rückforde-
rungsverfahren geben kann, trifft zwar zu, bleibt im Falle des Klägers aber eine
fernliegende theoretische Möglichkeit, deren Wahrheitsgehalt keine für die Not-
wendigkeit einer Beweisaufnahme erforderliche Wahrscheinlichkeit für sich hat-
te. Nichts anderes ergibt der Umstand, dass der Sachbearbeiter des Aus-
gleichsamtes zugleich das Rückforderungsverfahren wegen Schadensaus-
gleichs an einem Grundstück des Vaters des Klägers in Alt-Blankenburg be-
arbeitete, dessen Erbe der Kläger ebenfalls war. Dass sich aus den Akten bei-
der Lastenausgleichsfälle Verbindungslinien zwischen den Verfahren ergaben,
die dem Sachbearbeiter Kenntnisse hinsichtlich des streitigen Anspruchs hätten
vermitteln können, hat das Verwaltungsgericht nicht festgestellt und wird auch
mit der Beschwerde nicht geltend gemacht.
Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat nach § 133
Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des
Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.
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