Urteil des BVerwG vom 24.10.2011

Berufliche Tätigkeit, Masseur, Bademeister, Physiotherapie

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 31.11
VGH 21 B 10.188
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. Oktober 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungs-
gerichtshofs vom 10. Februar 2011 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 15 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Der Kläger ist Masseur und medizinischer Bademeister. Er begehrt eine auf die
selbständige Ausübung dieser Tätigkeit beschränkte Heilpraktikererlaubnis un-
ter Freistellung von der Verpflichtung, die Berufsbezeichnung „Heilpraktiker“ zu
führen. Das Verwaltungsgericht hat seiner Klage stattgegeben und den Beklag-
ten zur Erteilung einer entsprechenden Erlaubnis verpflichtet. Auf die Berufung
des Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof dieses Urteil geändert und die
Klage abgewiesen. Zur Begründung hat er sich im Wesentlichen den Ausfüh-
rungen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg in seinem Urteil vom
19. März 2009 (9 S 2518/08 - juris) angeschlossen, nach denen die selbständi-
ge Ausübung dieses Berufs nicht der Erlaubnispflicht nach dem Heilpraktiker-
gesetz - HeilprG - unterfalle, weil es sich nicht um die Ausübung der Heilkunde
im Sinne des § 1 Abs. 2 dieses Gesetzes handele.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem
Berufungsurteil bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache weist nicht die geltend ge-
machte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf;
dies gilt auch unter Berücksichtigung der nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erho-
benen Verfahrensrüge (1.). Ebenso wenig ist die nach § 132 Abs. 2 Nr. 2
VwGO geltend gemachte Abweichung von der Rechtsprechung des Bundes-
verwaltungsgerichts erkennbar (2.).
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1. Der Kläger hält für klärungsbedürftig,
ob ein Masseur und medizinischer Bademeister Heilkunde
im Sinne des § 1 Heilpraktikergesetz ausübt, wenn er
Leistungen nach § 3 des Gesetzes über die Berufe in der
Physiotherapie - MPhG - und der dazu gehörenden Aus-
bildungs- und Prüfungsverordnung für Masseure erbringt,
und verbindet dies mit der Frage,
ob die Grundsätze aus dem Urteil des Bundesverwal-
tungsgerichts vom 26. August 2009 - BVerwG 3 C 19.08 -
(BVerwGE 134, 345 ff.) für den Beruf des Masseurs ent-
sprechend anwendbar sind.
Diese Fragen verleihen der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im
Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Eine gegen das Urteil des Verwaltungsge-
richtshofs Baden-Württemberg vom 19. März 2009 (a.a.O.) gerichtete Nichtzu-
lassungsbeschwerde hat der Senat mit einem, den Beteiligten bekannten Be-
schluss vom 28. Oktober 2009 - BVerwG 3 B 39.09 - (juris) zurückgewiesen.
Dabei hat er Folgendes ausgeführt (a.a.O. Rn. 3):
„Der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts
wirft keine grundsätzlichen Rechtsfragen auf. Es ist in
Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtspre-
chung davon ausgegangen, dass unter dem Gesichts-
punkt der Verhältnismäßigkeit nur solche Heiltätigkeiten
der Erlaubnispflicht des Heilpraktikergesetzes unterfallen,
die gesundheitliche Schäden verursachen können; heil-
kundliche Verrichtungen, die keine nennenswerten Ge-
sundheitsgefahren zur Folge haben, fallen nicht unter die
Erlaubnispflicht des Heilpraktikergesetzes, auch wenn sie
ärztliche Fachkenntnisse erfordern (s. nur Urteil vom
25. Juni 1970 - BVerwG 1 C 53.66 - BVerwGE 35, 308
<311> = Buchholz 418.04 Heilpraktiker Nr. 10 S. 23). In
tatsächlicher Hinsicht hat das Berufungsgericht ange-
nommen, dass von der Tätigkeit eines Masseurs und me-
dizinischen Bademeisters keine nennenswerten Gefahren
ausgehen. Diese Feststellung greift der Kläger nicht an.
Sie wäre für den Senat in einem Revisionsverfahren bin-
dend (§ 137 Abs. 2 VwGO) und stünde der Annahme ei-
ner Erlaubnispflicht nach dem Heilpraktikergesetz entge-
gen.“
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Dasselbe gilt hier, weil das Berufungsgericht nicht nur die rechtlichen Ausfüh-
rungen, sondern auch die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsge-
richtshofs Baden-Württemberg zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht
hat. Daraus ergibt sich zugleich, dass die im Urteil des Senats vom 26. August
2009 (a.a.O.) entwickelten Grundsätze zu der Erlaubnispflicht nach dem Heil-
praktikergesetz für die eigenverantwortliche Tätigkeit ausgebildeter Physiothe-
rapeuten hier nicht entsprechend anwendbar sind.
Die Auffassung des Klägers, anders als der Beschwerdeführer in dem Verfah-
ren gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsge-
richtshofs Baden-Württemberg habe er eine Verfahrensrüge erhoben, so dass
die tatsächlichen Feststellungen zu den von der Tätigkeit eines Masseurs und
medizinischen Bademeisters ausgehenden Gefährdungen von Patienten in ei-
nem Revisionsverfahren nicht bindend wären, geht fehl. Zwar trifft es zu, dass
der Kläger eine Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Ge-
hörs nach Art. 103 Abs. 1 GG gerügt hat. Diese Rüge richtet sich aber vor-
nehmlich dagegen, dass das Berufungsgericht entgegen der Auffassung beider
Verfahrensbeteiligter die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verneint
und dabei den Vortrag der Beteiligten dazu außer Acht gelassen habe. In die-
sem Zusammenhang verkennt der Kläger, dass Mängel der Revisionszulas-
sungsentscheidung der Vorinstanz allein die Zulassung der Revision nicht
rechtfertigen können; denn diese Nebenentscheidung ist weder Gegenstand
der angestrebten Revision noch kann die Sachentscheidung, mit der sich das
Revisionsverfahren zu befassen hat, auf dieser Nebenentscheidung beruhen
(vgl. auch Pietzner/Buchheister, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO,
Rn. 98 zu § 132 m.w.N.); vielmehr ist das Bundesverwaltungsgericht im Falle
der Nichtabhilfe zu einer eigenen Entscheidung über die Zulassung der Revisi-
on aufgerufen, die sich ausschließlich daran auszurichten hat, ob die Sachent-
scheidung der Vorinstanz Revisionszulassungsgründe aufweist.
Soweit das Vorbringen des Klägers bei wohlwollender Auslegung auch dahin
verstanden werden kann, dass er die vom Verwaltungsgerichtshof Baden-
Württemberg übernommenen Feststellungen des Berufungsgerichts zur Heil-
kundequalität der Tätigkeit eines Masseurs und medizinischen Bademeisters
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angreift, weil es sich diese Feststellungen zu eigen gemacht habe, ohne sich
hinreichend mit seinem Gegenvorbringen auseinanderzusetzen, erhebt er
ebenfalls keine durchgreifende Verfahrensrüge; denn dazu reicht es nicht aus,
pauschal auf dieses Gegenvorbringen zu verweisen. Vielmehr ist es erforder-
lich, in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotenen Weise konkreten Vor-
trag zu bezeichnen, den das Gericht erkennbar nicht zur Kenntnis genommen
oder in Erwägung gezogen hat und auf dessen Nichtberücksichtigung die an-
gegriffenen Feststellungen beruhen können. Dies leistet der Kläger nicht. Er
beruft sich insoweit im Wesentlichen darauf, auf die normativen Anforderungen
an den in Rede stehenden Beruf hingewiesen zu haben, aus denen er das die
Heilkundequalität begründende Gefährdungspotenzial der Tätigkeit entnimmt;
eine Auffassung, die das Berufungsgericht unter Heranziehung der Ausführun-
gen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, der sich durchaus mit
den normierten Ausbildungszielen dieses Berufs auseinandersetzt, nicht teilt.
Der Kläger wendet sich daher der Sache nach dagegen, dass das Gericht sei-
nen Argumenten im Ergebnis nicht gefolgt ist. Dass es dabei möglicherweise
nicht jede Einzelheit seines Vorbringens in den Entscheidungsgründen be-
schieden hat, begründet noch keine Verletzung seines Anspruchs auf Gewäh-
rung rechtlichen Gehörs (BVerfGE 22, 267 <274>; stRspr), solange - wie hier -
das wesentliche Vorbringen in den Entscheidungsgründen verarbeitet worden
ist (BVerfGE 47, 182 <189>).
2. Die gerügte Abweichung von dem Urteil des Senats vom 26. August 2009
(a.a.O.) ist ebenfalls nicht feststellbar.
a) Diese Divergenz soll zunächst darin begründet sein, dass nach der Auffas-
sung des Senats unter Randnummer 12 seines Urteils die Erlaubnispflicht nach
dem Heilpraktikergesetz nicht deshalb entfalle, weil der dortige Kläger ausge-
bildeter Physiotherapeut sei, während unter Randnummer 24 der angegriffenen
Entscheidung des Berufungsgerichts die Auffassung des Verwaltungsgerichts-
hofs Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 19. März 2009 (a.a.O.) zitiert
werde, wonach weder den Berufsgesetzen selbst noch einer anderen ersichtli-
chen Rechtsbestimmung eine Beschränkung der Berufsausübung auf unselb-
ständige, erst nach ärztlicher Verordnung zulässige Maßnahmen entnommen
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werden könne. Genau dieser Auffassung, dass schon aus der Berufsausbildung
auch ein Tätigkeitsschutz herrühre, sei der Senat für den Bereich Physiothera-
pie nicht gefolgt. Es sei deshalb nicht ersichtlich, warum für den Bereich des
Masseurs etwas anderes gelten solle.
Die Abweichung besteht schon deshalb nicht, weil die Ausführungen des Se-
nats - wie der Kläger selbst einräumt - sich auf ausgebildete Physiotherapeuten
beziehen, während die Darlegungen des Berufungsgerichts einen Masseur und
medizinischen Bademeister, also einen anderen Beruf zum Gegenstand haben.
Zwar meint der Kläger, die Ausführungen des Senats könnten auf diesen Beruf
übertragen werden. Abgesehen davon, dass das eine vergleichende Bewertung
voraussetzt, die bereits die Annahme einer Divergenz im Rechtssinne aus-
schließt, unterliegt der Kläger einem Missverständnis: Die Erlaubnispflicht für
Physiotherapeuten hat der Senat allein deswegen bejaht, weil unter Berücksich-
tigung der gesetzlichen Aufgabenstellung des Berufs die eigenverantwortliche
Anwendung physiotherapeutischer Methoden zur Krankenbehandlung wegen
der damit verbundenen Gefahren gesundheitlicher Schäden Ausübung der Heil-
kunde ist. Nennenswerte Gefahren für die Patienten hat das Berufungsgericht
in Hinblick auf die Tätigkeit eines Masseurs und medizinischen Bademeisters
aber gerade verneint.
b) Ebenso wenig ergibt sich eine Divergenz bei der Beantwortung der Frage,
wie heilkundliche Tätigkeit festzustellen oder abzugrenzen ist. Nach Auffassung
des Klägers soll die Abweichung hier darin liegen, dass der Senat unter Rand-
nummer 24 seines Urteils eine auf die selbständige Ausübung der Heilkunde
bezogene Lücke in den Vorschriften über die Ausbildung von Physiotherapeu-
ten festgestellt, diese Ausbildungslücke also normativ ermittelt habe, während
das Berufungsgericht bei der Beurteilung der Tätigkeit des Masseurs und medi-
zinischen Bademeisters das Berufsgesetz und die Ausbildungs- und Prüfungs-
verordnung gerade nicht herangezogen habe. Hätte das Berufungsgericht dies
getan, hätte es von Heilkunde ausgehen müssen.
Diese Rüge geht daran vorbei, dass - worauf bereits oben unter 1. hingewiesen
worden ist - der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg sich in den vom
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Berufungsgericht zitierten Passagen durchaus mit den an seiner Aufgabenstel-
lung orientierten gesetzlichen Ausbildungszielen des Masseurs und medizini-
schen Bademeisters befasst und damit weder ausdrücklich noch konkludent die
Selbstverständlichkeit bezweifelt hat, dass das gesetzliche Berufsbild zur Beur-
teilung der Frage, ob es sich bei der beruflichen Tätigkeit um Ausübung der
Heilkunde im Sinne des § 1 Abs. 2 HeilprG handelt, heranzuziehen ist. Ebenso
zweifelsfrei ist allerdings auch - und dies war Grundlage der Zurückweisung der
Nichtzulassungsbeschwerde in dem Beschluss des Senats vom 28. Oktober
2009 (a.a.O.) -, dass zur Beantwortung der Frage, ob die im gesetzlich vorge-
gebenen Rahmen ausgeübte berufliche Tätigkeit wegen der Gefahren gesund-
heitlicher Schäden heilkundliche Fachkenntnisse erfordert und daher nach dem
Heilpraktikergesetz erlaubnispflichtig ist, tatsächliche Feststellungen notwendig
sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestset-
zung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
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Liebler
Dr. Kuhlmann
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