Urteil des BVerwG vom 16.03.2006

Medizin, Teilnichtigkeit, Übergangsregelung, Bestimmtheit

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 31.06
VGH 9 S 767/04
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. März 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht K l e y und die
Richter am Bundesverwaltungsgericht van S c h e w i c k und
Dr. D e t t e
beschlossen:
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der
Revision im Urteil des Verwaltungsgerichts Baden-Württemberg
vom 14. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 10 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Klägerin erstrebt das Recht zur Führung der Gebietsbezeich-
nung "Fachärztin für psychotherapeutische Medizin" aufgrund der Übergangs-
regelung in der Weiterbildungsordnung der Beklagten (WBO) vom 17. März
1995. Die Vorinstanzen haben den geltend gemachten Anspruch verneint, weil
die Klägerin nicht die Voraussetzung erfülle, nach Erwerb der Zusatzbezeich-
nung "Psychotherapie" über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren über-
wiegend psychotherapeutische Medizin ausgeübt zu haben.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unbe-
gründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nrn. 1
und 3 VwGO liegen nicht vor.
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne
des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Grundsätzlich bedeutsam ist eine Sache nur,
wenn sie eine über den Einzelfall hinausgehende Frage zur Auslegung revi-
siblen Rechts aufwirft, die zur Wahrung der Rechtseinheit oder zur Fortentwick-
lung des Rechts der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Fragen zur
Auslegung und Anwendung von Landesrecht scheiden insoweit aus, da auf die
Verletzung von Landesrecht die Revision grundsätzlich nicht gestützt werden
kann (§ 137 Abs. 1 VwGO).
Hiernach sind die den weit überwiegenden Teil der Beschwerdebe-
gründung ausmachenden Erörterungen zur Auslegung des § 22 Abs. 9 WBO
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nicht geeignet, dem Verfahren grundsätzliche Bedeutung zu verleihen. Diese
Bestimmung ist dem Landesrecht zuzurechnen, weil sie auf einer landesge-
setzlichen Ermächtigung beruht und von einer Landesbehörde erlassen worden
ist.
Einen bundesrechtlichen Bezug mag zwar die von der Beschwerde
aufgeworfene Frage der Nichtigkeit oder Teilnichtigkeit der streitigen Über-
gangsregelung haben. In dieser Richtung fehlt es aber an der von § 133 Abs. 3
Satz 3 VwGO geforderten Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung, da der
Beschwerde nicht nachvollziehbar zu entnehmen ist, warum die Regelung ganz
oder in Teilen unwirksam sein soll. Die Klägerin zitiert zwar die Aussage des
Berufungsgerichts, § 22 Abs. 9 Satz 3 WBO sei "unklar formuliert". Möglicher-
weise will sie daraus die mangelnde Bestimmtheit herleiten. Dann hätte es aber
einer Auseinandersetzung mit dem Umstand bedurft, dass das Berufungsge-
richt gleichwohl aus dem Wortlaut, dem systematischen Zusammenhang und
insbesondere aus Sinn und Zweck der Regelung zu einer aus seiner Sicht ein-
deutigen Auslegung gefunden hat. Stattdessen begnügt sich die Beschwerde
damit, die Teilnichtigkeit zu unterstellen und daraus der Klägerin günstige Fol-
gerungen abzuleiten.
2. Das angefochtene Urteil beruht auch nicht auf Verfahrensfehlern
im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
2.1 Das Berufungsurteil ist keine Überraschungsentscheidung. Das
Berufungsgericht hat in der mündlichen Verhandlung die Bedenken, die aus
seiner Sicht einem Erfolg der Klage entgegenstanden, den Beteiligten ausführ-
lich zur Kenntnis gebracht und die entsprechenden Ausführungen in das Proto-
koll aufgenommen. Damit hatten die Beteiligten die Möglichkeit, sich damit
auseinander zu setzen. In Kenntnis dieser Überlegungen des Berufungsgerichts
hat der Klägervertreter für den Fall des Widerrufs des von den Parteien
geschlossenen Vergleichs auf eine weitere mündliche Verhandlung verzichtet.
Er hat sodann nach erfolgtem Widerruf des Beklagten vor Erlass des angefoch-
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tenen Urteils schriftsätzlich zu den Überlegungen des Senats Stellung genom-
men.
2.2 Aus demselben Grund geht auch der Vorwurf der Versagung
des rechtlichen Gehörs fehl. Es trifft nach dem Gesagten nicht zu, dass die
Klägerin zu dem vom Berufungsgericht in der mündlichen Verhandlung ange-
sprochenen Merkmal der "täglichen" Berufsausübung nicht habe Stellung neh-
men können. Selbst wenn es anders wäre, könnte darauf die Revision nicht
gestützt werden, denn das angefochtene Urteil greift diesen Gesichtspunkt nicht
auf. Es geht vielmehr von berücksichtigungsfähigen und von durch aner-
kennungsfähige Unterbrechungen verlängerten Zeiträumen aus, in denen die
Tätigkeit zu mehr als der Hälfte in der Ausübung psychotherapeutischer Medi-
zin bestanden haben muss.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streit-
wertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.
Kley
van Schewick
Dr. Dette