Urteil des BVerwG vom 31.05.2010

Überbau, Grundstück, Beigeladener, Bestandteil

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 29.10
VG 1 K 1331/06
In der Verwaltungsstreitsache
- 2 -
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 31. Mai 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert und
Dr. Wysk
beschlossen:
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulas-
sung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts
Potsdam vom 17. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfah-
rens.
G r ü n d e :
I
Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid des Bundesamtes für zentrale
Dienste und offene Vermögensfragen, mit dem ihr Antrag auf Feststellung
selbstständigen Gebäudeeigentums nach Art. 233 § 8 EGBGB abgelehnt wur-
de. Das betroffene Schulgebäude wurde in den Jahren 1984 bis 1986 auf ei-
nem volkseigenen Grundstück, dessen hier maßgebliche Teilfläche zwischen-
zeitlich der Klägerin zugeordnet wurde, und einem mittlerweile im Eigentum der
Beigeladenen stehenden Privatgrundstück errichtet. Der Antrag der Klägerin
1
- 3 -
wurde abgelehnt, weil ein Überbau vom ehemals volkseigenen Grundstück auf
das private Nachbargrundstück vorliege und daher das Eigentum an dem
Überbau der Klägerin als Eigentümerin des Stammgrundstücks zustehe; die
Entstehung von volkseigenem Gebäudeeigentum nach § 459 Abs. 1 Satz 1
ZGB sei daher nicht möglich gewesen.
Die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage der Klägerin, mit der sie ihr Be-
gehren auf Feststellung selbstständigen Gebäudeeigentums fortführt, hat das
Verwaltungsgericht abgewiesen, weil es keine vertragliche Grundlage für die
Nutzung des nicht in Volkseigentum umgeschriebenen Grundstücks gegeben
habe und deshalb selbstständiges Gebäudeeigentum nicht entstanden sei. Der
mithin bestehende Überbau sei lediglich Grundstücksbestandteil und kein
selbstständig zuordnungsfähiger Vermögenswert. Den neben ihrem Klageab-
weisungsantrag gestellten weiteren Antrag der Beigeladenen festzustellen, dass
der Zuordnungsbescheid der Beklagten nicht zu ihren Lasten feststelle, dass
das ehemals volkseigene Grundstück Stammgrundstück sei und sich das
Schulgebäude als wesentlicher Bestandteil auf diesem Stammgrundstück be-
finde, hat das Verwaltungsgericht als „nicht tenorierungsbedürftig“ beurteilt, weil
er gegenstandslos sei. Eine rechtliche Möglichkeit für die Beigeladene, unab-
hängig vom Willen der Klägerin auf den Klagegegenstand Einfluss zu nehmen,
bestehe nicht. Sie habe daher keine Möglichkeit, über den von der Klägerin
bestimmten Streitgegenstand hinausgehende Anträge zu stellen. Mithin könne
sie nur beantragen, dass die Klage, die im Ergebnis auf Zuordnung von selbst-
ständigem Gebäudeeigentum an der Schule gerichtet gewesen sei, abgewiesen
werde.
II
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in
diesem Urteil bleibt ohne Erfolg.
1. Die Beschwerde ist überwiegend, nämlich soweit sie die mit dem Urteil aus-
gesprochene Klageabweisung und die hierfür gegebene Begründung betrifft
2
3
4
- 4 -
(S. 6 bis 27 der Beschwerdebegründungsschrift), unzulässig, weil die Beigela-
dene dadurch nicht in ihren subjektiven Rechten betroffen wird. Eine solche für
die Rechtsmittelbefugnis eines Beigeladenen notwendige materielle Beschwer
(stRspr; vgl. Urteile vom 30.
Mai 1984 - BVerwG 4 C 58.81 - BVerwGE 69, 256
<258> = Buchholz 442.40 § 9 LuftVG Nr. 3 S. 3 f., vom 12. März 1987
- BVerwG 3 C 2.86 - BVerwGE 77, 102 <105> = Buchholz 418.711 LMBG
Nr. 15 S. 14 f. und vom 18. April 1997 - BVerwG 3 C 3.95 - BVerwGE 104, 289
<292 f.> = Buchholz 451.513 Sonst. Marktordnungsrecht Nr. 2 S. 16 f.; Be-
schluss vom 5. März 1998 - BVerwG 4 B 153.97 - Buchholz 310 § 66 VwGO
Nr. 8 sowie - zuletzt - Beschluss vom 16. Dezember 2009 - BVerwG 3 C 24.09 -
RdL 2010, 110) ergibt sich für die Beigeladene nicht daraus, dass in den Grün-
den des ablehnenden Zuordnungsbescheides ausgeführt wird, dass das Schul-
gebäude Bestandteil des ehemals volkseigenen Grundstücks sei. Abgesehen
davon, dass das Verwaltungsgericht in dem hier betroffenen Urteil (anders als
in dem am selben Tage entschiedenen Parallelverfahren) offengelassen hat,
welchem der benachbarten Grundstücke das Gebäude eigentumsrechtlich zu-
zuordnen ist, äußern die Ausführungen dazu keinerlei Bindungswirkung für die
zivilrechtliche Beurteilung der Eigentumssituation. Aus diesem Grunde hat auch
das Verwaltungsgericht die von der Beigeladenen selbst erhobene Klage gegen
den ablehnenden Zuordnungsbescheid als unzulässig abgewiesen (VG 1 K
1409/06); die dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat mit
einem ebenfalls am heutigen Tage ergangenen Beschluss zurückgewiesen
(BVerwG 3 B 28.10). Auf die dortigen Ausführungen wird ergänzend verwiesen.
2. Soweit die Beigeladene die Behandlung ihres eigenen Sachantrages zum
Gegenstand ihrer Beschwerde macht (S. 27 bis 33 der Beschwerdebegrün-
dung), ist ihr Rechtsbehelf demgegenüber zulässig; denn hier geht es um ihre
Rechtsstellung als Beigeladene und somit um eigene Rechtspositionen. Auch
insoweit bleibt der Beschwerde jedoch der Erfolg versagt.
a) Die Beigeladene sieht eine Verletzung der §§ 88, 107 und 117 Abs. 2 VwGO
darin, dass das Verwaltungsgericht ihren neben dem Klageabweisungsantrag
gestellten Sachantrag als gegenstandslos betrachtet und nicht über ihn im Te-
nor des Urteils entschieden habe.
5
6
- 5 -
Diese Verfahrensrüge greift im Ergebnis nicht durch. Zwar trifft es zu, dass das
Verwaltungsgericht über alle gestellten Sachanträge der Beteiligten zu befinden
hat. Dies ist hier jedoch geschehen, und zwar auch hinsichtlich des Antrages
der Beigeladenen, obwohl das Gericht ihn als gegenstandslos bezeichnet und
deshalb insoweit von einer Tenorierung seiner Entscheidung abgesehen hat.
Die Urteilsgründe verdeutlichen, dass das Gericht den Antrag keineswegs als
überholt oder aus anderen Gründen erledigt und daher nicht zur Entscheidung
stehend betrachtet hat. Es hat vielmehr die Beigeladene nicht für berechtigt
gehalten, einen solchen, nach Auffassung des Verwaltungsgerichts über den
Streitgegenstand hinausgehenden Antrag zu stellen, und damit den Antrag
zweifelsfrei als unzulässig beurteilt. Mit „gegenstandslos“ wollte das Verwal-
tungsgericht offenbar nichts anderes ausdrücken, als dass der Antrag keiner
Sachentscheidung zugänglich sei. Da das Gericht somit in Wahrheit über den
Antrag entschieden und ihn sinngemäß als unzulässig zurückgewiesen hat,
hätte es diese Entscheidung folgerichtig auch in die Urteilsformel nach § 117
Abs. 2 Nr. 3 VwGO aufnehmen müssen. Dieser Verfahrensmangel verhilft der
Rüge der Beigeladenen allerdings nicht zum Erfolg, weil die angegriffene Ent-
scheidung - hier die Zurückweisung des Antrages der Beigeladenen - nicht im
Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf der unterlassenen Tenorierung beru-
hen kann.
b) Ebenfalls unbegründet ist die in diesem Zusammenhang erhobene Diver-
genzrüge.
Die Beigeladene ist der Auffassung, das Verwaltungsgericht weiche mit dem
von ihm aufgestellten Rechtssatz, wonach ein Beigeladener keine Sachanträge
stellen dürfe, die von dem vom Kläger bestimmten Streitgegenstand abwichen,
von den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. April 1998 - BVerwG
7 C 32.97 - (BVerwGE 106, 310 = Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 9) und vom
16. Juli 1998 - BVerwG 7 C 39.97 - (Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 159) sowie
dem Beschluss vom 19. Mai 2008 - BVerwG 8 B 112.07 - (Buchholz 428 § 2
VermG Nr. 90) ab. Dort sei der Rechtssatz aufgestellt worden, dass ein im Sin-
7
8
9
- 6 -
ne des § 65 Abs. 2 VwGO notwendig Beigeladener abweichende Sachanträge
stellen dürfe.
Die gerügte Divergenz besteht nicht. Das Verwaltungsgericht hat nicht den
Rechtssatz aufgestellt, dass die Beigeladene keine abweichenden Sachanträge
stellen dürfe - dies erlaubt § 66 Satz 2 VwGO dem notwendig Beigeladenen
ausdrücklich -, sondern dass ihm über den Streitgegenstand hinausgehende
Anträge nicht erlaubt seien. Ausgehend von dieser Klarstellung ergibt sich kein
Widerspruch zu den herangezogenen Divergenzentscheidungen, die aus-
nahmslos in vermögensrechtlichen Streitigkeiten ergangen sind. Dort hat das
Bundesverwaltungsgericht dem beigeladenen Drittbetroffenen in einem Prozess
auf Rückübertragung des Vermögenswerts erlaubt, eine vom Kläger na-
turgemäß nicht angefochtene Berechtigtenfeststellung, die Grundlage seines
Rückübertragungsbegehrens war, im Nachhinein anzugreifen und zum Ge-
genstand der gerichtlichen Überprüfung zu machen. Damit hat das Bundesver-
waltungsgericht aber noch nicht entschieden, dass der notwendig Beigeladene
mit seinen Sachanträgen generell über den Streitgegenstand hinausgehen dür-
fe. Es hat lediglich für diese besondere Situation des vermögensrechtlichen
Rückübertragungsverfahrens dargelegt, dass der verfassungsrechtlich gebote-
ne Rechtsschutz des Drittbetroffenen gebiete, ihm diese „einem Anschluss-
rechtsmittel vergleichbare Befugnis“ einzuräumen (Urteil vom 16. Juli 1998
a.a.O. sowie Beschluss vom 19. Mai 2008 a.a.O.). Der beigefügte Klammerzu-
satz „(vgl. § 66 Satz 2 VwGO)“ soll darauf hinweisen, dass diese Konstellation
der eines abweichenden Sachantrages nach dieser Vorschrift vergleichbar ist
(so ausdrücklich Beschluss vom 19. Mai 2008 a.a.O. Rn. 8).
c) Die somit nach wie vor unentschiedene und von der Beigeladenen darüber
hinaus als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnete Frage, ob und gegebe-
nenfalls in welchem Umfang ein notwendig Beigeladener nach § 66 Satz 2
VwGO Sachanträge stellen darf, die über den Streitgegenstand der Klage hi-
nausgehen, führt ebenfalls nicht zur Zulassung des Rechtsmittels, weil sie in
einem Revisionsverfahren nicht beantwortet werden müsste.
10
11
12
- 7 -
Es liegt auf der Hand, dass der angegriffene Bescheid keine der im Sachantrag
der Beigeladenen genannten Feststellungen zu ihren Lasten trifft, sondern es
sich lediglich um Ausführungen zur Begründung der negativen Zuordnungsent-
scheidung handelt, die weder privatrechtsgestaltend noch in sonstiger Weise in
die Rechtsstellung der Beigeladenen eingreifen. Das ist bereits Gegenstand des
ebenfalls am heutigen Tage im Parallelverfahren ergangenen Beschlusses des
Senats, mit dem die Nichtzulassungsbeschwerde der Beigeladenen gegen die
Abweisung ihrer eigenen Klage gegen den ablehnenden Zuordnungsbescheid
zurückgewiesen worden ist (BVerwG 3 B 28.10). Auch die Zuordnungsbehörde
selbst hat in ihrem Bescheid darauf hingewiesen, dass sachenrechtliche
Ansprüche im Zivilrechtsweg zu klären seien und ihren zivilrechtlichen Er-
wägungen keine präjudizierenden Wirkungen zukämen. Da es der Beigelade-
nen daher offenbar an dem notwendigen Feststellungsinteresse fehlt, bestünde
in einem Revisionsverfahren kein Bedürfnis zu klären, ob sie wegen ihrer be-
sonderen prozessualen Stellung überhaupt berechtigt wäre, einen solchen
Sachantrag zu stellen.
Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat gemäß
§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und Abs. 3 VwGO. Gerichts-
kosten werden gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 VZOG nicht erhoben. Wegen des Ge-
genstandswerts wird auf § 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG hingewiesen.
Kley
Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert
Dr. Wysk
13
14