Urteil des BVerwG vom 23.07.2015

Pflege, Bundesgesetz, Abnahme, Wohngemeinschaft

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 27.15
OVG 4 L 51/14
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. Juli 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wysk und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann
beschlossen:
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
des Landes Sachsen-Anhalt vom 10. Februar 2015 wird
zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens
einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigela-
denen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
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G r ü n d e :
Die Klägerin wendet sich gegen die Feststellung des Beklagten, dass es sich
bei der von den Gesellschaftern der Beigeladenen bewohnten Wohngemein-
schaft um den Teil einer stationären Einrichtung im Sinne des § 3 des Gesetzes
über Wohnformen und Teilhabe des Landes Sachsen-Anhalt - WTG LSA - han-
dele. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der
Klägerin und der Beigeladenen hat das Oberverwaltungsgericht dieses Urteil
und den Feststellungsbescheid aufgehoben, weil es an der durch die genannte
landesrechtliche Norm für stationäre Einrichtungen geforderten rechtlichen Ver-
bundenheit der Leistungen "Wohnraumüberlassung" und "Pflege oder Betreu-
ung" fehle.
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in die-
sem Urteil bleibt ohne Erfolg. Es ist weder die nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO
behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache erkennbar (1.) noch
weicht die angegriffene Entscheidung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO
von der vom Beklagten herangezogenen Rechtsprechung des Bundesverwal-
tungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts ab (2.).
1. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sieht der Beklagte offenbar
darin, dass das Berufungsgericht entgegen dem Wortlaut des § 3 WTG LSA
zwischen einer rechtlichen und tatsächlichen Verpflichtung zur Abnahme von
Wohnraumüberlassung und Pflege- oder Betreuungsleistungen unterscheide
und damit gegen anerkannte Auslegungsregeln verstoße. Selbst wenn man in
diesem Vortrag eine hinreichend konkrete Fragestellung sieht, ist diese nicht
geeignet, die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu recht-
fertigen, weil es sich nicht um eine Rechtsfrage des revisiblen Rechts handelt,
auf dessen Verletzung nach § 137 Abs. 1 VwGO eine Revision allein gestützt
werden könnte. Vielmehr geht es ausschließlich um die den Landesgerichten
obliegende Auslegung einer Norm des Landesrechts, ohne dass sich dabei klä-
rungsbedürftige oder klärungsfähige Fragen des Bundesrechts stellen, ge-
schweige denn, solche vom Beklagten formuliert werden.
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2. Auch die gerügte Divergenz zu bundesgerichtlicher Rechtsprechung besteht
nicht.
a) Soweit der Beklagte eine Abweichung von dem Beschluss des Bundesver-
waltungsgerichts vom 19. Dezember 2008 (8 B 50.08 - juris) rügt, ist ihm ein
Versehen unterlaufen, weil jene Streitsache und insbesondere die vom Beklag-
ten genannte Randnummer 5 der Beschlussbegründung keinerlei Bezug zum
vorliegenden Rechtsstreit aufweisen.
b) Rügen will der Beklagte in Wirklichkeit - wie sich aus seinem Hinweis auf das
der Divergenzentscheidung vorausgegangene Urteil des Verwaltungsgerichts-
hofs Mannheim ergibt - eine Abweichung zu dem Beschluss des Bundesverwal-
tungsgerichts vom 12. Februar 2004 (6 B 70.03 - juris). Einander widerspre-
chende Rechtssätze, die jenem Beschluss und dem angegriffenen Urteil zu-
grunde liegen, zeigt der Beklagte jedoch schon deswegen nicht auf, weil es in
der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts um die Auslegung einer
Norm des Heimgesetzes des Bundes geht, während hier das richtige Verständ-
nis einer Bestimmung des Landesheimrechts in Rede steht, das als eigenstän-
dige Regelung das Bundesgesetz abgelöst hat. Abgesehen davon stimmen
weder der Wortlaut der herangezogenen Normen noch die Systematik der Ge-
setze vollständig überein, so dass auch aus diesem Grund eine rügefähige Di-
vergenz ausscheidet.
c) Soweit der Beklagte schließlich eine Abweichung von den Voraussetzungen
einer verfassungskonformen Auslegung, von den Anforderungen an eine er-
gänzende Gesetzesauslegung und von anerkannten Auslegungsgrundsätzen
rügt, unterlässt er es, Rechtssätze herauszuarbeiten, die diese Divergenz be-
gründen sollen. Er begnügt sich damit, im Einzelnen zu beanstanden, dass das
Oberverwaltungsgericht die Grenzen zulässiger Auslegung, die in mehreren
von ihm herangezogenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
formuliert worden seien, nicht eingehalten habe. Mit der Behauptung solcher
Subsumtionsfehler wird aber eine Divergenz im Rechtssinne nicht dargetan.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO; die
Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52
Abs. 2 GKG.
Kley
Dr. Wysk
Dr. Kuhlmann
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