Urteil des BVerwG vom 10.06.2014

Dolus Directus, Zusicherung, Beweislastverteilung, Wiederherstellung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 26.13
OVG 3 B 10.12
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. Juni 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Wysk und Rothfuß
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
Berlin-Brandenburg vom 20. November 2012 wird zurück-
gewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 121 831,56 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Der Kläger begehrt die Gewährung von Zuwendungen aus dem Agrarumwelt-
programm des Landes Brandenburg (KULAP 2000) für den Förderzeitraum
2002/2003. Das Oberverwaltungsgericht hat seine Berufung gegen das klag-
abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen, weil er absichtlich
falsche Angaben gemacht habe.
Die auf Verfahrensmängel und eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Er-
folg.
1. Der Revisionszulassungsgrund eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3
VwGO) ist überwiegend bereits nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet
(§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) und liegt im Übrigen nicht vor.
a) Der Kläger rügt, das Berufungsgericht habe eine Überraschungsentschei-
dung getroffen und ihm damit das rechtliche Gehör versagt (§ 108 Abs. 2
VwGO). Er habe nicht damit rechnen müssen, dass das Berufungsgericht von
einer absichtlichen Falschangabe ausgehe. Das Verwaltungsgericht habe ledig-
lich grobe Fahrlässigkeit angenommen und die Berufung im Hinblick auf das
Günstigkeitsprinzip der Verordnung (EG) Nr. 2988/95 zugelassen. Einen Hin-
weis habe das Berufungsgericht nicht gegeben (§ 86 Abs. 3 VwGO).
Mit diesem Vorbringen ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht darge-
legt. Aufgabe des Berufungsgerichts ist es, den Streitfall innerhalb des Beru-
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fungsantrags im gleichen Umfang wie das Verwaltungsgericht zu prüfen; es ist
zweite Tatsacheninstanz und als solche verpflichtet, den Sachverhalt eigen-
ständig zu würdigen (§ 128 VwGO). Treten keine besonderen Umstände hinzu,
so darf ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter deshalb nicht darauf
vertrauen, das Berufungsgericht werde von dem Urteil der Vorinstanz nicht ab-
weichen. Entgegen der Auffassung des Klägers ist das rechtliche Gehör daher
nicht schon dann verletzt, wenn die Entscheidungsgründe nicht im Einklang mit
denen der Vorinstanz stehen. Berechtigte Erwartungen der Prozessbeteiligten
werden vielmehr erst dann enttäuscht, wenn das Berufungsurteil auf Gründe
gestützt wird, mit denen nach dem Sach- und Streitstand des Berufungsverfah-
rens nicht zu rechnen war. Das Bundesverwaltungsgericht hat dementspre-
chend in dem vom Kläger zitierten Urteil vom 14. März 1991 entscheidend da-
rauf abgestellt, dass der Kläger Gesichtspunkte, die im vorausgegangenen Ver-
fahren weder gesehen noch erörtert worden waren, als unstreitig ansehen durf-
te (BVerwG 10 C 10.91 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 43, vgl. auch
§ 139 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Nicht anders wird in dem Urteil vom 25. März 1980
ein Gehörsverstoß damit begründet, dass das Berufungsgericht seine Ent-
scheidung auf wesentlich andere Überlegungen gestützt hatte, als die zuvor
erörterten, ohne hierzu einen Hinweis gegeben zu haben (BVerwG 4 C 87.77
- Buchholz 310 § 104 VwGO Nr. 13). So liegen die Dinge hier jedoch nicht.
Aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts lässt sich eine Überraschungsent-
scheidung des Berufungsgerichts schon deshalb nicht ableiten, weil die Frage
einer absichtlichen Falschangabe bereits im Verwaltungsverfahren sowie im
Verfahren vor dem Verwaltungsgericht streitig war und dies auch während des
Berufungsverfahrens geblieben ist. Der Beklagte ist in seinem Berufungserwi-
derungsschriftsatz vom 9. November 2012 ausdrücklich der Würdigung des
Verwaltungsgerichts entgegengetreten und hat daran festgehalten, dass der
Kläger nicht nur grob fahrlässig, sondern vorsätzlich falsche Angaben gemacht
haben müsse. Zwar hat der Kläger in seinem Schriftsatz vom 16. November
2012 darauf verwiesen, der Beklagte mache in seinem Schriftsatz vom 14. No-
vember 2012 eine vorsätzliche Falschbeantragung nicht mehr geltend, sondern
werfe ihm lediglich eine nicht ordnungsgemäße Bewirtschaftung vor. Dass er
hierauf vertraut habe, hat der Kläger mit seiner Beschwerde aber bereits nicht
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geltend gemacht. Er konnte diesen Schluss aus dem Schriftsatz vom 14. No-
vember 2012 auch nicht ernstlich ziehen; denn mit ihm kam der Beklagte er-
sichtlich der Bitte des Berufungsgerichts vom 7. November 2012 nach, den Zu-
wendungsbetrag mitzuteilen, der bewilligt worden wäre, wenn die „Frage der
Sanktionen wegen grob fahrlässiger bzw. vorsätzlicher Falschangaben“ ausge-
blendet werde. Alleine in diesem Zusammenhang stand die Aussage, dass die
beiden Flächen - auf die sich der Vorwurf von Falschangaben bezog - noch he-
rauszurechnen wären, weil sie nicht ordnungsgemäß bewirtschaftet worden
seien. Hätte der Kläger diese Aussage gleichwohl missverstanden, so wäre im
Übrigen seinem Irrtum spätestens mit der mündlichen Verhandlung die Grund-
lage entzogen gewesen, weil der Beklagte mit seinem Berufungsantrag unver-
ändert jegliche Zuwendung abgelehnt hat.
Eine Überraschungsentscheidung lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass
die Erklärung des Zeugen B. in einer Weise ausgelegt worden sei, mit der nicht
zu rechnen gewesen wäre. Der Kläger zielt damit auf die Feststellung des Beru-
fungsgerichts, dass der Schlag 2054-0 während des Förderzeitraums
2002/2003 kein förderfähiges Grünland gewesen sei. Diese Feststellung stützt
sich unter anderem darauf, dass der Zeuge in seiner vom Kläger vorformulier-
ten schriftlichen Erklärung vom 17. Januar 2005 angegeben hat, der Kläger ha-
be ihn im März 2003 zweimal gebeten, das Grünland „wiederherzustellen“ (UA
S. 15). Dieses Begründungselement kann aber schon deshalb nicht überra-
schen, weil bereits das Verwaltungsgericht die Erklärung des Zeugen als Beleg
dafür angesehen hat, dass der Schlag auch nach Auffassung des Klägers bei
Antragstellung im Mai 2003 kein Grünland gewesen sei (UA S. 12). Das Verwal-
tungsgericht hat eine absichtliche Falschangabe (nur) deshalb verneint, weil
nicht zu widerlegen sei, dass der Kläger auf die Zusicherung der Wiederherstel-
lung des Grünlands vertraut habe. Demgegenüber hat das Berufungsgericht
zwar nicht die Erklärung des Zeugen als Grundlage möglichen Vertrauens in
Abrede gestellt, es hat sich aber darauf gestützt, dass dem Kläger wegen der
Dürre im Frühjahr und Sommer 2003 bewusst gewesen sei, dass kein Grünland
entstehen konnte (UA S. 18). Hierzu verhält sich die Beschwerdebegründung
nicht.
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Soweit die Beschwerde mit dem Hinweis auf „zahlreiche“ Parallelverfahren gel-
tend machen möchte, es handele sich im Lichte dieser Verfahren um eine Über-
raschungsentscheidung, fehlt es an näheren Ausführungen. Falls damit das
Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 18. November 2008 in dem Ver-
fahren 3 K 984/03 angesprochen sein soll, ist dessen Bedeutung für das vorlie-
gende Verfahren entsprechend den Ausführungen des Berufungsgerichts (UA
S. 16) und wegen des abweichenden Förderzeitraums nicht erkennbar; nichts
anderes gilt für den Beschluss des Berufungsgerichts vom 6. Juli 2012 in dem
Verfahren 3 N 56.12, das ebenfalls einen anderen Gegenstand betraf.
Das Oberverwaltungsgericht musste auf die Möglichkeit, die Angaben des Klä-
gers als absichtlich falsch zu bewerten, auch nicht deshalb hinweisen, weil es
den schriftsätzlichen Beweisangeboten des Klägers nicht nachgegangen ist. Ein
Gericht ist grundsätzlich nicht verpflichtet, vorab auf seine Rechtsauffassung
oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffes hinzuweisen, zumal sich
diese in ihren Einzelheiten erst in der abschließenden Beratung ergibt (stRspr,
vgl. Beschlüsse vom 26. Juni 1975 - BVerwG 6 B 4.75 - Buchholz 232 § 26
BBG Nr. 17 und vom 13. Januar 2009 - BVerwG 9 B 64.08 - Buchholz 310 § 86
Abs. 1 VwGO Nr. 372 m.w.N.). Geht ein Gericht Beweisangeboten eines Betei-
ligten nicht nach, so erlaubt dies im Allgemeinen nur den Schluss, dass es dies
im Rahmen seiner Amtsermittlung nicht für geboten erachtet. Ein gewissenhaf-
ter und kundiger Prozessbeteiligter darf hieraus aber ohne Hinzutreten beson-
derer Umstände nicht folgern, das Gericht werde den Prozessstoff in einer ihm
günstigen Weise würdigen. Etwas anderes kann in Betracht zu ziehen sein,
wenn sich dem Gericht im Lichte seiner Würdigung eine weitere Beweiserhe-
bung hätte aufdrängen müssen, es diese aber gleichwohl unterlässt. In einem
solchen Fall mag die Verletzung der Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen
aufzuklären (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO), mit einer Überraschungsentscheidung
verbunden sein. Eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht im Zusammenhang
mit den verschiedenen, in den Schriftsätzen des Berufungsverfahrens enthal-
tenden Beweisangeboten hat der Kläger aber bereits nicht in der erforderlichen
Weise dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
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b) Ebenso wenig genügt es den Anforderungen an die Bezeichnung eines Ver-
fahrensmangels, soweit der Kläger nähere Ermittlungen zur Klärung der Fragen
vermisst, wie die an den Zeugen B. gerichtete Aufforderung, Grünland wieder-
herzustellen, zu verstehen gewesen sei, ob der Kläger gutgläubig auf die Zusi-
cherung des Zeugen B. vertraut habe und ob nicht schon aus dem Jahr 2002 im
Wege der Selbstbegrünung ausreichend Grünland vorhanden gewesen sei.
Weder führt die Beschwerde aus, auf welche Weise eine weitere Aufklärung
hierzu möglich gewesen wäre, noch wird ersichtlich, weshalb sich diese dem
Gericht auf der Grundlage seiner materiellen Rechtsauffassung hätte aufdrän-
gen müssen.
Soweit gerügt wird, das Berufungsgericht hätte sich im Vorfeld seiner informato-
rischen Befragung über den gesundheitlichen Zustand des Klägers vergewis-
sern müssen, gilt nichts anderes. Es fehlt schon jeder Hinweis darauf, weshalb
dem Gericht der geltend gemachte physisch und psychisch schlechte Zustand
des Klägers offenkundig sein musste, zumal hierzu - soweit erkennbar - nichts
vorgetragen war.
c) Der Beschwerde kann auch nicht gefolgt werden, soweit sie eine Verletzung
des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) geltend macht.
Dabei ist zu beachten, dass eine fehlerhafte Sachverhalts- und Beweiswürdi-
gung grundsätzlich nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht
zuzurechnen ist. Die verfahrensmäßige Verpflichtung des Gerichts, nach seiner
freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu
entscheiden, ist aber ausnahmsweise dann verletzt, wenn das Urteil auf einer
aktenwidrigen, gegen die Denkgesetze verstoßenden oder sonst von objektiver
Willkür geprägten Sachverhaltswürdigung beruht (stRspr, vgl. Beschlüsse vom
13. Februar 2012 - BVerwG 9 B 77.11 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO
Nr. 73, vom 29. Juni 2011 - BVerwG 6 B 7.11 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen
Nr. 410 und vom 8. April 2008 - BVerwG 9 B 13.08 - Buchholz 451.29 Schorn-
steinfeger Nr. 44 sowie Urteil vom 19. Januar 1990 - BVerwG 4 C 28.89 -
BVerwGE 84, 271 <272 f.>).
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Soweit sich die Ausführungen des Klägers überhaupt der Behauptung eines
Verstoßes gegen die Denkgesetze zuordnen lassen, ist diese Rüge bereits
deshalb nicht tragfähig, weil sich seinem Vortrag nicht entnehmen lässt, dass
das Gericht einen Schluss gezogen hat, der schlechterdings nicht gezogen
werden kann. Der Kläger meint, es lasse sich nicht nachvollziehen, wie das Be-
rufungsgericht allein aufgrund des Begriffs „Wiederherstellen“ habe ausschlie-
ßen können, dass nicht eine Optimierung als Grünland gemeint gewesen sei.
Abgesehen davon, dass das Berufungsgericht sich nicht ausschließlich auf die
Erklärung des Zeugen B. gestützt hat, er werde das Grünland wiederherstellen,
und es sich durchaus mit der Aussage des Klägers, es sei lediglich um eine
Optimierung gegangen, auseinandergesetzt hat, ist damit allenfalls eine alterna-
tive Auslegungsmöglichkeit, nicht jedoch ein Verstoß gegen Denkgesetze auf-
gezeigt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Behauptung, dass bereits
im Vorjahr eine Selbstbegrünung erfolgt sei, denn hiervon ist das Berufungsge-
richt tatsächlich nicht ausgegangen. Das Berufungsgericht hat seiner Entschei-
dung auch nicht den - eher fernliegenden - Ansatz zugrunde gelegt, dass eine
landwirtschaftlich genutzte Fläche bereits mit Einsaat oder Selbstaussaat Grün-
land im Sinne des Agrarumweltprogramms sei. Entsprechend bleibt der Kläger
eine Erklärung dafür schuldig, weshalb die Zusicherung der Wiederherstellung
von Grünland nur dahin habe verstanden werden können, dass eine Verbesse-
rung vorhandenen Grünlands gemeint gewesen sei.
Darüber hinaus macht der Kläger geltend, das Gericht habe auf der Grundlage
sachfremder Kriterien auf die Unglaubwürdigkeit des Klägers und die Unglaub-
haftigkeit seiner Äußerungen geschlossen. Soweit er damit eine von objektiver
Willkür geprägte Beweiswürdigung geltend machen will, fehlt es an der hierfür
gebotenen Darlegung. Der Kläger führt in diesem Zusammenhang aus, das Be-
rufungsgericht habe verkannt, dass von keinem Menschen erwartet werden
könne, zehn Jahre zurückliegende Vorgänge detailliert und widerspruchsfrei
wiederzugeben. Er geht damit aber bereits daran vorbei, dass das Berufungs-
gericht seine Unglaubwürdigkeit entscheidend aus seinem Aussageverhalten
abgeleitet hat. Hinzu kommt, dass es unabhängig hiervon die Unglaubhaftigkeit
seiner Aussagen auf die „zeitnahen“ Angaben seines Widerspruchsschreibens
vom 20. Januar 2004 gestützt hat (UA S. 17 f.).
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Vor diesem Hintergrund ist eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes
auch nicht unter dem Aspekt ersichtlich, dass ein Gericht das Gebot verletzt,
seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu
legen, wenn es gewichtige, in das Verfahren eingeführte Tatsachen nicht in Be-
tracht zieht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müs-
sen. Der Kläger meint zwar, das Berufungsgericht hätte angesichts der über-
langen Verfahrensdauer zumindest auf etwaige Erinnerungslücken und angeb-
liche Widersprüchlichkeiten näher eingehen müssen. Er setzt sich jedoch - wie
aufgezeigt - bereits nicht hinreichend mit der Beweiswürdigung des Berufungs-
gerichts auseinander, zumal ihm Erinnerungslücken nicht vorgehalten werden
und das Berufungsgericht ersichtlich die Bedeutung des Zeitablaufs in Erwä-
gung gezogen hat. Unzutreffend ist im Übrigen der angefügte Vorhalt, das Be-
rufungsgericht habe völlig lebensfremd das Vorbringen, der in Rede stehende
Schlag 2054-0 stelle aufgrund seiner geringen Größe keinen Schwerpunkt dar,
als Schutzbehauptung zurückgewiesen. Vielmehr hat das Berufungsgericht die-
ses Vorbringen seiner Würdigung zugrunde gelegt, aber auch unter Berücksich-
tigung dessen die Einlassung als Schutzbehauptung gewertet, der Kläger habe
auf die Wiederherstellung des Grünlandes beziehungsweise die erfolgreiche
Selbstbegrünung vertraut (UA S. 18). Schließlich führt auch der Vortrag nicht
weiter, eine unzulängliche Aktenlage habe die Erfassung des Sachverhalts
schon aus formalen Gründen unmöglich gemacht. Der Kläger zeigt bereits nicht
auf, weshalb der vom Berufungsgericht als entscheidungserheblich festgestellte
Sachverhalt von Mängeln der vorgelegten Akten beeinflusst worden sein könn-
te.
d) Darüber hinaus rügt der Kläger als verfahrensfehlerhaft, dass sich das Beru-
fungsgericht nicht mit der Frage der Beweislastverteilung befasst habe. Damit
verkennt er jedoch, dass die Beweislast erst dort zum Tragen kommt, wo ent-
scheidungserhebliche Tatsachen unaufklärbar bleiben. Das Berufungsgericht
hat aber keine Entscheidung nach den Grundsätzen der Beweislastverteilung
getroffen, sondern festgestellt, der Kläger habe eine absichtliche Falschangabe
gemacht. Im Übrigen ist die Frage der Beweislastverteilung eine solche des
materiellen Rechts und nicht des Verfahrensrechts.
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2. Die Rechtssache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung
im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für
die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts (§ 137
Abs. 1 VwGO) aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des
Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf.
Die Frage:
„Wie die Begriffe ‚absichtliche Falschangaben’ im Rahmen
des Art. 63 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 445/2002 und Art. 16
Abs. 5 der VO (EG) Nr. 1975/2006 bzw. ’vorsätzliche
Übererklärungen’ im Rahmen des Art. 16 Abs. 6 der VO
(EU) Nr. 65/2011 auszulegen sind, d.h. wie absichtliche
Falschangaben von fahrlässigen abzugrenzen sind,“
zielt darauf zu klären, ob der im deutschen Recht als Vorsatzform anerkannte
Eventualvorsatz für eine „absichtliche Falschangabe“ oder eine an deren Stelle
getretene „vorsätzliche Übererklärung“ im Sinne der genannten unionsrechtli-
chen Vorschriften genügt. Sie hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie sich
in einem Revisionsverfahren nicht stellen würde. Das Berufungsgericht hat sei-
ne Feststellung einer absichtlichen Falschangabe in bindender Weise darauf
gestützt, dass sich der Kläger bei der Antragstellung im Mai 2003 bewusst ge-
wesen sei, dass Grünland wegen der extremen Wetterbedingungen des Früh-
jahrs und Sommers nicht entstehen werde. Danach hat der Kläger nicht nur die
Möglichkeit einer Falschangabe gesehen, wie es für den Eventualvorsatz kenn-
zeichnend ist, sondern war sich einer Falschangabe gewiss. Dies entspricht
dem Vorsatz in Form des dolus directus 2. Grades (sicheres Wissen). Entspre-
chend ist die aufgeworfene Frage für das angegriffene Urteil nicht entschei-
dungserheblich.
Die weitere Frage:
„ob die Agrarreform 2003 der Europäischen Union eine
rückwirkende Anwendung der neuen weniger strengeren
Sanktionsbestimmungen auf Maßnahmen innerhalb der
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‚zweiten Säule’ der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach
dem Günstigkeitsprinzip gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 2 VO
(EG, EURATOM) Nr. 2988/1995 ausschließt“,
rechtfertigt gleichermaßen nicht die Zulassung der Revision, denn sie hätte sich
nur dann als entscheidungserheblich gestellt, wenn das Berufungsgericht ledig-
lich von einer grob fahrlässigen Falschangabe ausgegangen wäre.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestset-
zung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 3, § 43 Abs. 1 GKG.
Kley
Dr. Wysk
Rothfuß
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