Urteil des BVerwG vom 23.11.2006

Öffentliche Sicherheit, Staat, Betreiber, Flughafen

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 26.06
VGH 8 S 774/05
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. November 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Prof. Dr. Rennert
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Gerichtsbescheid des Verwaltungs-
gerichtshofs Baden-Württemberg vom 21. Dezember 2005
wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens
einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigela-
denen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 1 095 500 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Klägerin wendet sich gegen die Auferlegung von Sicherungsmaßnahmen
nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Luftsicherheitsgesetzes - LuftSiG - auf dem
von ihr betriebenen Flughafen. Der Verwaltungsgerichtshof hat ihre Klage ab-
gewiesen, weil die angegriffene Verfügung die sich aus dem Gesetz ergebende
Verpflichtung zur Eigensicherung konkretisiere und diese gesetzliche Pflicht
keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegne.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem
Gerichtsbescheid bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache weist weder die geltend
gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO
auf, noch ist die nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO gerügte Abweichung von der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erkennbar.
1. Die Klägerin hält für klärungsbedürftig, ob die in § 8 Abs. 1 Satz 1 LuftSiG
statuierten Pflichten verfassungswidrig sind. Diese Frage verleiht der Rechtssa-
che keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
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Stellen würde sie sich in einem Revisionsverfahren ohnehin nur im Hinblick auf
die in § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 LuftSiG geregelten Pflichten. Nach dieser Vor-
schrift ist der Unternehmer eines Verkehrsflughafens zum Schutz des Flugha-
fenbetriebs vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs verpflichtet, eigene
Mitarbeiter, Mitarbeiter anderer auf dem Flugplatz tätiger Unternehmen und
andere Personen vor dem Zugang zu den sensiblen Teilen der nicht allgemein
zugänglichen Bereiche zu durchsuchen oder in sonstiger geeigneter Weise zu
überprüfen sowie von diesen mitgeführte Gegenstände und Fahrzeuge zu
durchsuchen, zu durchleuchten oder in sonstiger geeigneter Weise zu überprü-
fen, wobei dies auch für auf andere Weise in diese Bereiche eingeführte Waren
und Versorgungsgüter gilt. Nur diese Kontrollpflichten sind hier im Streit. Inso-
weit liegt es jedoch auf der Hand und bedarf nicht der Überprüfung in einem
Revisionsverfahren, dass der Staat den Unternehmer in der geschehenen Wei-
se in die Pflicht nehmen darf. Der Verwaltungsgerichtshof weist zutreffend dar-
auf hin, dass die umstrittenen Kontrollen einen engen Personenkreis betreffen,
nämlich die auf dem Flughafen beruflich Tätigen, also nicht die Fluggäste, und
dass schon deswegen nicht erkennbar ist, weshalb eine in diesem engen Sinne
„innerbetriebliche“ Gefahrenabwehr rechtlich und faktisch über das hinausgrei-
fen soll, was mit den Mitteln des Hausrechts bewältigt werden kann. Dasselbe
gilt für die Kontrolle in nicht allgemein zugängliche Bereiche eingeführter Ge-
päckstücke. Mit dieser Inpflichtnahme des Unternehmers verletzt der Staat nicht
die ihm als Kehrseite seines Gewaltmonopols obliegende Schutzpflicht; denn
diese gebietet auch bei Flughäfen nicht die ausschließliche Wahrnehmung der
Objektsicherung durch den Staat. Der Staat muss vielmehr die von ihm selbst
und die vom Betreiber des Objekts wahrzunehmenden Sicherungsaufgaben
ermessensgerecht voneinander abgrenzen, ohne dabei allerdings die ihm
obliegende Verantwortung für die öffentliche Sicherheit zu vernachlässigen.
Dass der Gesetzgeber dieses ihm eingeräumte Ermessen verletzt hätte, ist
nicht erkennbar; es ist vielmehr eine an der Natur der Sache ausgerichtete und
damit ermessensgerechte Erwägung, die Eigenkontrollmaßnahmen auf nicht
allgemein zugängliche Bereiche und auf die im Betrieb beruflich tätigen Perso-
nen und damit auf solche „innerbetriebliche“ Vorgänge zu konzentrieren, bei
denen die Eigenverantwortung des Unternehmens als Betreiber der Einrichtung
im Vordergrund steht.
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2. Die angegriffene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs weicht auch
nicht im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts ab. Das Vorbringen der Klägerin erfüllt insoweit
schon nicht die Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Begrün-
dung einer solchen Rüge.
Die Klägerin sieht eine Divergenz zu dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
zur Rechtmäßigkeit einer an einen Kernkraftwerksbetreiber gerichteten Auflage,
einen bewaffneten Wehrschutz einzureichen (Urteil vom 19. Januar 1989
- BVerwG 7 C 31.87 - BVerwGE 81, 185). In der dortigen Entscheidung sei das
Verlangen nach einer solchen, vom Betreiber einzurichtenden Objektsicherung
nur für eine Übergangszeit bis zum Eintreffen der Polizei und nur mit Rücksicht
darauf, dass es sich bei Kernkraftwerken um nicht öffentlich zugängliche, fes-
tungsartige Betriebe handele, für zulässig erklärt worden; demgegenüber sei für
Verkehrsanlagen mit unüberschaubarem Publikumsverkehr auch hinsichtlich
der nicht allgemein zugänglichen Bereiche ein bewaffneter Werkschutz nicht
ausreichend und auch nicht geboten, weil keine Übergangszeit bis zum Eingrei-
fen der alarmierten Polizei überbrückt werden müsse.
Divergierende Rechtssätze, auf denen die angegriffene und die herangezogene
Entscheidung beruhen, werden durch diesen Vortrag nicht ausgezeigt. Dassel-
be gilt, soweit die Klägerin zur Begründung ihrer Rüge pauschal auf die Urteile
des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Oktober 1995 - BVerwG 4 C 76.82 -
(DVBl 1986, 360) sowie vom 3. März 1994 - BVerwG 4 C 1.93 - (BVerwGE 95.
188) verweist. Hier unternimmt die Klägerin nicht einmal den Versuch darzule-
gen, woraus sich die Abweichung ergeben soll. Sie behauptet lediglich, dass
der angegriffene Gerichtsbescheid sich nicht auf diese Rechtsprechung stützen
könne. Dies reicht zur Begründung einer Abweichungsrüge nicht aus.
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Die Kostenentscheidung folgt § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO; die Streit-
wertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1
GKG.
Kley Liebler Prof. Dr. Rennert
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