Urteil des BVerwG vom 30.07.2003

Abtretung, Kvg, Übertragung, Formerfordernis

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 26.03
VG 15 A 284.01
In der Verwaltungsstreitsache
- 2 -
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. Juli 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. D r i e h a u s
sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. B r u n n und L i e b l e r
beschlossen:
Die Beschwerde der Beigeladenen zu 2 gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom
27. November 2002 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladene zu 2 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens
einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1
sowie der Beigeladenen zu 3; die Beigeladene zu 4 trägt ihre außer-
gerichtlichen Kosten selbst.
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren
auf 5 000 € festgesetzt.
- 3 -
G r ü n d e :
Die Beschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdevorbringen führt nicht auf einen Revisi-
onszulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO. Namentlich verbindet sich mit dem
Streitfall keine Frage von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
1. Soweit die Beschwerde im Schwerpunkt geklärt wissen will, ob Ansprüche nach § 4 Abs. 2
KVG durch Gemeinden rechtswirksam an Private abgetreten werden können und die Zuord-
nungsbehörden befugt sind, solche Kapitalanteile als Folge einer (Mitteilung einer) Abtretung
an Private zu übertragen (zuzuordnen), mag es sich zwar insoweit um abstrakt klärungsfähi-
ge und -bedürftige Rechtsfragen des revisiblen Rechts handeln, welche aber in dem von der
Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren nicht beantwortet werden würden, weil ein
anderer Gesichtspunkt zwingend einem Erfolg der Beigeladenen zu 2 entgegenstehen wür-
de:
a) Wie der beschließende Senat in dem den Verfahrensbeteiligten bekannten Beschluss vom
3. Juli 2003 - BVerwG 3 B 32.03 - dargelegt hat, müssen rechtsgeschäftliche Abtretungen
von (gesetzlichen) Ansprüchen auf Zuordnung von Kapitalanteilen an Energieversor-
gungsunternehmen durch Gemeinden an (private) Dritte dem Erfordernis des § 15 Abs. 3
i.V.m. Abs. 4 GmbHG genügen. Auch im Streitverfahren leitet die Beigeladene zu 2 ihre An-
sprüche nicht etwa aus einer Abtretung (Übertragung) durch Hoheitsakt, sondern aus rechts-
geschäftlichen Abtretungserklärungen bzw. -vereinbarungen ab, welche in einfacher Schrift-
form und nicht notariell festgehalten worden sind, was zwischen den Verfahrensbeteiligten
unstreitig ist. Deshalb müsste ein Revisionsbegehren der Beigeladenen zu 2, welches auf
Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Urteils und damit auf den rechtlichen Bestand des
Bescheids vom 20. Juli 2001 gerichtet wäre, von vornherein daran scheitern, dass ihr ein
- auf Abtretungen durch Gemeinden beruhender - Übertragungsanspruch auf Geschäftsan-
teile im Sinne des § 4 Abs. 2 KVG selbst unter der Voraussetzung nicht zustehen kann, dass
Ansprüche gemäß § 4 Abs. 2 KVG abtretungsfähig sein sollten und darüber hinaus Zuord-
nungsbehörden solchen Abtretungen bei ihren Zuordnungen Rechnung tragen dürfen.
b) Soweit die Beschwerde im Schriftsatz vom 18. Juli 2003 um eine Modizifierung der im
Beschluss vom 3. Juli 2003 entwickelten Grundsätze bittet, geben die hierfür angegebenen
Gründe dazu keinen Anlass. In dem Beschluss hat der Senat dargelegt, dass der Zweck des
von § 15 Abs. 3 und Abs. 4 GmbHG aufgestellten Erfordernisses auch und gerade dann
erfüllt ist, wenn eine Gemeinde ihr zustehende Ansprüche auf Geschäftsanteile an Energie-
versorgungsunternehmen abtritt. Denn der in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
unter Billigung des überwiegenden Schrifttums (vgl. die im Beschluss vom 3. Juli 2003 zitier-
- 4 -
ten Nachweise) herausgearbeitete Zweck der Form ist es zum einen, einen leichten und
spekulativen Handel mit Geschäftsanteilen zu verhindern, und zum anderen, eine erfolgte
Abtretung besser belegen zu können.
Während es sich zwar mit guten Gründen vertreten ließe, dass eine (originäre) Übertragung
von Geschäftsanteilen aus dem ursprünglichen Bestand der Treuhand bzw. BvS als Trägerin
der Kapitalgesellschaft auf eine Gemeinde außerhalb dieser vorbenannten Zwecke liegt und
daher nicht formbedürftig ist, kann aber nicht mit Aussicht auf Erfolg angezweifelt werden,
dass Abtretungsgeschäfte zwischen Gemeinden und privaten Dritten über gesetzliche An-
sprüche auf Gesellschaftsanteile die Gefahr eines leichten und spekulativen Handels mit
Geschäftsanteilen bergen, welcher durch das Formerfordernis begegnet werden soll. Des-
halb sind alle Versuche der Beschwerde vergeblich, Entscheidungen des Bundesgerichts-
hofs, die in vermeintlich ähnlichen Verfahren ergangen sind, für die den Streitfall prägende
Konstellation fruchtbar zu machen. Insbesondere kann keine Rede davon sein, dass im
Streitfall eine Übertragung von Geschäftsanteilen kraft Gesetzes oder kraft Hoheitsakts in
Rede stünde. Schließlich vermag die Beschwerde auch nicht aufzuzeigen, was es rechtferti-
gen könnte, zwar eine Abtretung von bereits infolge einer behördlichen Übertragung inne-
gehabten gemeindlichen Geschäftsanteilen durch eine Gemeinde an einen Dritten dem
Formerfordernis des § 15 Abs. 3 und Abs. 4 GmbHG zu unterwerfen, was auch die Be-
schwerde offensichtlich nicht in Zweifel ziehen kann bzw. will, aber die Vorstufe der Abtre-
tung einer Rechtsstellung, nämlich die Abtretung eines Anspruchs auf Verschaffung dieser
Rechtsstellung, nicht dem Formerfordernis zu unterstellen; der Umstand allein, dass bei ei-
ner Zuordnung eines abgetretenen Anspruchs auf Geschäftsanteile zwangsläufig eine Zu-
ordnungsbehörde mitwirkt, rechtfertigt - unbeschadet der offenen Fragen, ob solche Abtre-
tungen zulässig und die Zuordnungsbehörden befugt sind, ihnen zu entsprechen - jedenfalls
keine derartige Unterscheidung.
2. Was schließlich die vom Verwaltungsgericht bejahte Frage anbelangt, die die Beschwerde
ferner grundsätzlich geklärt wissen will, ob Inhaber von Geschäftsanteilen an Energieversor-
gungsunternehmen sich gegen eine rechtswidrige Zuordnung von Geschäftsanteilen an Drit-
te und damit gegen eine Begründung einer (weiteren) Gesellschafterstellung befugtermaßen
(§ 42 Abs. 2 VwGO) zur Wehr setzen dürfen, bedarf es nicht erst der Durchführung eines
Revisionsverfahrens, um den rechtlichen Ansatz des Verwaltungsgerichts als zutreffend zu
beurteilen.
a) Zwar ist es richtig, dass eine vertiefte Prüfung, ob subjektive eigene Rechte oder zumin-
dest anderweitig rechtlich geschützte Interessen verletzt sein könnten, (regelmäßig nur)
- 5 -
dann erforderlich ist, wenn ein Kläger – wie im Streitfall die Klägerin – nicht unmittelbarer
Adressat eines angegriffenen Verwaltungsakts ist (vgl. etwa Beschluss vom 21. Januar 1993
- BVerwG 4 B 206.92 - Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 188 S. 39 f. m.w.N.). Indessen kann
die Klägerin im Streitfall berechtigterweise zumindest rechtlich geschützte bzw. schutzwürdi-
ge Interessen vorbringen.
b) Wie der beschließende Senat im Beschluss vom 3. Juli 2003 - BVerwG 3 B 32.03 - aus-
geführt hat, versteht man unter einem Geschäftsanteil, welcher in den Fällen des § 4 Abs. 2
KVG übertragen wird, den mitgliedschaftlichen Anteil eines einzelnen Gesellschafters, nach
dem sich die Rechte und Pflichten im Verhältnis zur GmbH und zu den anderen Gesellschaf-
tern bestimmen. Von dieser Erkenntnis ist es kein weiter Weg zur Schlussfolgerung, dass
(sowohl die Gesellschaft selbst als auch) ein Gesellschafter regelmäßig ein berechtigtes
Interesse daran geltend machen kann, dass nicht in rechtswidriger Weise Dritte durch ver-
mögenszuordnungsrechtliche Maßnahmen zu (neuen bzw. weiteren) Gesellschaftern ge-
macht werden, weil dadurch zwangsläufig die mitgliedschaftlichen Anteile zueinander und
untereinander anders gestaltet werden; mit anderen Worten verändert eine vermögenszu-
ordnungsrechtliche Erzeugung neuer Gesellschafter mit Geschäftsanteilen unmittelbar die
mitgliedschaftliche Stellung der anderen Gesellschafter, was zur Folge haben muss, dass
diese solche Erzeugungen auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen lassen dürfen.
Von einer weiteren Begründung sieht der beschließende Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2
VwGO ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwert-
festsetzung ergibt sich aus § 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG.
Prof. Dr. Driehaus Dr. Brunn Liebler