Urteil des BVerwG vom 23.05.2011

Treu Und Glauben, Restitution, Verpachtung, Grundbuch

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 21.11
VG 1 A 268/08 HAL
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. Mai 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Dr. Wysk
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Halle
vom 29. November 2010 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e :
Die Klägerin begehrt die Auskehr von Pachtzinsen, die der Beklagten in der Zeit
von September 1991 bis Dezember 2004 aus der Verpachtung eines früher in
Volkseigentum und in Rechtsträgerschaft des Rates der Gemeinde stehenden
Grundstücks zugeflossen sind. Dieses Grundstück ordnete die Treuhand-
anstalt/BvS der Klägerin mit Sammelzuordnungsbescheid vom 18. Juni 1996
zu; im August 2003 wurde sie als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Im
Juni 2006 wurde das Grundstück der Beklagten auf ihren bereits im Jahre 1991
gestellten Zuordnungsantrag gemäß Art. 21 Abs. 3 des Einigungsvertrages
- EV - zurückübertragen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil der von der Klägerin
geltend gemachte Anspruch nicht bestehe. Die Klägerin sei niemals Eigentüme-
rin des Grundstücks geworden; das Grundbuch sei insoweit falsch. Vielmehr sei
allein die Beklagte Berechtigte. Zunächst sei sie verfügungsbefugt gewesen
und später durch die Restitution Eigentümerin geworden. Gemäß § 11 Abs. 2
Satz 4 des Vermögenszuordnungsgesetzes - VZOG - blieben ihr demgemäß
die Nutzungen. Auch bürgerlich-rechtliche Ansprüche der Klägerin aus den
Vorschriften über das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis schieden mangels einer
Eigentümerstellung der Klägerin aus. Selbst wenn man ein vorübergehendes
Eigentum der Klägerin bejahe, stehe einer Geltendmachung von Ansprüchen
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der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen; denn die Zuordnungsstelle, die
ebenso wie die Klägerin der Bundesvermögensverwaltung angehöre, habe die
Vindikationslage unter anderem dadurch pflichtwidrig herbeigeführt, dass sie
über den Zuordnungsantrag der Beklagten nicht zeitgerecht entschieden habe.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem
Urteil bleibt ohne Erfolg. Die von ihr als grundsätzlich klärungsbedürftig im Sin-
ne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bezeichneten Fragen,
ob ein nach § 7 Abs. 5 VZOG auf der Grundlage eines
Sammelzuordnungsbescheides festgestellter Verfügungs-
berechtigter gegenüber demjenigen, der nach § 8 Abs. 1
VZOG verfügungsberechtigt ist, einen Anspruch auf
Auskehr von Nutzungen (hier: Erlöse aus einer Verpach-
tung) habe, wenn der Vermögenswert letzterem später als
Restitutionsvermögen nach Art. 21 Abs. 3 EV übertragen
werde,
und,
ob die Regelung des § 11 Abs. 2 Satz 4 VZOG so zu ver-
stehen sei, dass sie einer Auskehr von Erträgen aus ei-
nem Vermögenswert entgegenstehe, die der öffentliche
Restitutionsberechtigte noch vor einer rechtskräftigen
Restitution nach Art. 21 Abs. 3 EV in Bezug auf einen
Vermögenswert eingenommen habe,
rechtfertigen schon deswegen nicht die Zulassung des Rechtsmittels, weil das
Urteil eigenständig tragend auf die zusätzliche Erwägung gestützt ist, dass der
Geltendmachung von Ansprüchen der Grundsatz von Treu und Glauben entge-
genstehe, und die Klägerin insoweit keine Revisionszulassungsgründe geltend
macht. Ist die angefochtene Entscheidung aber - selbständig tragend - auf meh-
rere Begründungen gestützt, so ist die Revision nach ständiger Rechtsprechung
nur dann zuzulassen, wenn hinsichtlich jeder der verschiedenen Begründungen
ein Zulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (vgl. Beschluss vom
9. Dezember 1994 - BVerwG 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 4
VwGO m.w.N.). Zwar stellt die Klägerin in Abrede, dass die Erwägungen des
Verwaltungsgerichts über die Verwirkung etwaiger Ansprüche auch Gültigkeit
haben, wenn die von ihr als grundsätzlich bezeichneten Fragen in ihrem Sinne,
also anders als durch das Verwaltungsgericht beantwortet würden, weil dann
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wegen der rechtlichen Zuweisung des Grundstücks allein in den Vermögensbe-
reich der nach § 7 Abs. 5 VZOG Berechtigten bis zur Rechtswirksamkeit der
Restitution nicht denkbar wäre, dass die Geltendmachung derartiger Ansprüche
eine unzulässige Rechtsausübung darstelle. Diese Auffassung wird jedoch den
Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht gerecht. Dieses stellt klar heraus,
dass es bei zeitgerechter Bescheidung des Zuordnungsantrages der Beklagten
zu keinerlei Berechtigung der Klägerin, auch nicht zu der ohnehin unzulässigen
Sammelzuordnung gekommen wäre, und es daher nicht gerechtfertigt wäre, der
Klägerin irgendwelche Ansprüche zuzusprechen (vgl. S. 9 der Gründe des an-
gegriffenen Urteils).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten wer-
den gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 VZOG nicht erhoben. Wegen des Gegenstands-
werts wird auf § 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG hingewiesen.
Kley
Liebler
Dr. Wysk
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