Urteil des BVerwG vom 11.11.2010
Verfahrensmangel, Gegenleistung, Verkehrswert, Geschwister
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 19.10
VG 6 K 3478/07
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. November 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Dr. Wysk
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts
Gelsenkirchen vom 1. Dezember 2009 wird zurückgewie-
sen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 31 258,08 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Lastenausgleichsleistun-
gen. Der Lastenausgleich war ihm neben seiner - mittlerweile verstorbenen -
Mutter und seinen drei Geschwistern unter anderem wegen des Verlustes von
landwirtschaftlichem Vermögen zuerkannt worden. Nach der Wiedererlangung
der Verfügungsgewalt über das landwirtschaftliche Anwesen und nachdem sei-
ne Geschwister dem Kläger ihre Anteile an dem Grundbesitz rechtsgeschäftlich
übertragen hatten, verlangte der Beklagte von ihm als Gesamtschuldner nach
§ 349 Abs. 5 Satz 2 des Lastenausgleichsgesetzes - LAG - die Rückzahlung
der Lastenausgleichsbeträge, die der Beklagte von den Geschwistern zurück-
gefordert hatte; denn der Kläger habe die Anteile der Geschwister an dem
landwirtschaftlichen Anwesen ohne angemessene Gegenleistung erhalten. Das
Verwaltungsgericht hat die gegen die Leistungsbescheide des Beklagten ge-
richtete Klage abgewiesen.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem
Urteil bleibt ohne Erfolg. Das Beschwerdevorbringen lässt die nach § 132
Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend gemachten Verfahrensmängel nicht erkennen.
1. Der Kläger rügt eine Verletzung der gerichtlichen Sachaufklärungspflicht
nach § 86 Abs. 1 VwGO, weil das insoweit nicht sachkundige Verwaltungsge-
richt den Verkehrswert des Anwesens bestimmt habe, ohne das von seinem
Prozessbevollmächtigten beantragte Sachverständigengutachten einzuholen
und ohne weitere Beweise zu erheben, obwohl weitere Beweisanträge gestellt
worden seien.
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Die Rüge ist nicht berechtigt. Soweit der Kläger beanstandet, dass das Gericht
seinen Beweisanträgen nicht nachgegangen sei, vernachlässigt er, dass er
ausweislich der Sitzungsniederschrift in der mündlichen Verhandlung vor dem
Verwaltungsgericht keine entsprechenden Anträge gestellt, sondern diese An-
träge nur in seinen Schriftsätzen formuliert hat. Dass das Verwaltungsgericht
diesen - von ihm zutreffend so bewerteten - Beweisanregungen nicht nachge-
gangen ist, ist nicht zu beanstanden. Ein Verfahrensmangel läge mangels for-
meller Antragstellung in der mündlichen Verhandlung nur vor, wenn sich dem
Gericht die angeregte Einholung eines Verkehrswertgutachtens oder die He-
ranziehung weiterer Beweismittel hätte aufdrängen müssen. Eine solche für das
Gericht ohne Weiteres erkennbare Notwendigkeit einer Beweisaufnahme zeigt
der Kläger mit seinem Beschwerdevorbringen jedoch nicht einmal ansatzweise
auf. Obwohl das Verwaltungsgericht in den Gründen seiner Entscheidung mit
großer Sorgfalt und unter Nennung mehrerer sachverständiger
Erkenntnisquellen eingehend darlegt, wie es zu seiner Flächenbewertung
kommt, und im Übrigen darauf hinweist, dass der ermittelte Betrag weit unter
der maximal denkbaren Gegenleistung liegt und bestimmte verkehrswerterhö-
hende Umstände in die Berechnung nicht einmal eingestellt worden seien, be-
schränkt sich der Kläger darauf, pauschal die mangelnde Sachkunde des Ge-
richts zu rügen und zu beanstanden, dass es sich mit fragmentarischen Aus-
künften begnügt habe. Substantiierter Vortrag dazu, in welchen konkreten
Punkten trotz der herangezogenen Quellen ein entscheidungserhebliches Auf-
klärungsdefizit bestehe, fehlt. Der bloße Hinweis darauf, dass die eingeholten
Auskünfte allenfalls die Bestimmung eines Durchschnittswerts erlaubten, geht
daran vorbei, dass das Gericht auf orts- und gegenstandsbezogene Umstände
eingeht, ohne dass der Kläger darlegt, inwieweit eine weitere Klärung bestimm-
ter Einzelheiten vom materiellrechtlichen Standpunkt des Gerichts aus für das
Ergebnis der Entscheidung von Belang gewesen wäre.
2. Mit dem daneben geltend gemachten Verstoß gegen die Denkgesetze, den
der Kläger wiederum in der Art der Verkehrswertermittlung durch das Gericht
und der Verwertung der dafür herangezogenen Erkenntnisquellen sieht, wird
der Sache nach kein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO
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gerügt. Vielmehr hält der Kläger seine eigene Beurteilung des Sachverhalts der
Feststellung und Würdigung der Tatsachen durch das Gericht entgegen, die er
gemessen am Ziel eines wirklichkeitsnahen Verkehrswerts für denkfehlerhaft
hält. Ein als Verfahrensmangel rügefähiger Verstoß gegen eine ordnungsge-
mäße richterliche Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 VwGO wird auf die-
se Weise nicht dargetan; denn die Frage, wie - das heißt anhand welcher Fak-
toren - der Verkehrswert hätte ermittelt werden müssen, betrifft die Anwendung
materiellen Rechts, die nur einer Sachrüge zugänglich ist.
Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat nach § 133
Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestset-
zung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.
Kley
Liebler
Dr. Wysk
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