Urteil des BVerwG vom 04.07.2008

Überprüfung, Beschränkung, Abrede, Rüge

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 19.08
OVG 13 A 3786/05
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. Juli 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Buchheister
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsge-
richts für das Land Nordrhein-Westfalen vom
20. November 2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 25 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
I
Der Kläger begehrt die Erteilung einer Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz.
Im Jahr 2001 unterzog er sich erstmals ohne Erfolg einer schriftlichen Überprü-
fung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten. Die daraufhin erfolgte Versagung der
Erlaubnis ist Gegenstand eines weiteren Verfahrens (OVG 13 A 3785/05;
BVerwG 3 B 18.08). Im Jahr 2003 nahm er erneut an einer Überprüfung teil. Er
beantwortete 43 von 60 Fragen richtig und erreichte damit nicht die vom Be-
klagten für eine Zulassung zur mündlichen Prüfung gesetzte Bestehensgrenze
von 75 % (entspr. 45 richtigen Antworten). Mit seiner gegen die Versagung der
Erlaubnis geführten Klage hat der Kläger die Verpflichtung des Beklagten be-
gehrt, ihm unter Aufhebung der Versagungsbescheide die Erlaubnis nach dem
Heilpraktikergesetz zu erteilen, hilfsweise, ihn zur mündlichen Prüfung zuzulas-
sen. Zur Begründung hat er unter anderem die Zulässigkeit bestimmter Fragen
sowie die Bewertung bestimmter Antworten als falsch gerügt und zu näher be-
zeichneten medizinischen Fachfragen Sachverständigenbeweis angeboten.
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Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 3. August 2005 die ablehnenden
Bescheide des Beklagten aufgehoben und die Klage im Übrigen - also hinsicht-
lich der Verpflichtungsbegehren - abgewiesen. Zur Begründung hat es ausge-
führt, das Verfahren der schriftlichen Überprüfung sei wegen der vorgesehenen
absoluten Bestehensgrenze ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Berufsfrei-
heit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Da das Ergebnis der Überprüfung keine verwertbare
Entscheidungsgrundlage biete, könne nicht festgestellt werden, dass der Kläger
über die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten verfüge. Eine Verpflichtung
des Beklagten zur Erteilung der Heilpraktikererlaubnis scheitere an der nicht
absolvierten mündlichen Prüfung und eine Zulassung zur mündlichen Prüfung
an der mangelnden Verwertbarkeit des Ergebnisses des schriftlichen Teils.
Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung hat der Kläger unter
anderem seine Rügen betreffend die Zulässigkeit bestimmter Fragen und die
Bewertung bestimmter Antworten wiederholt. Der Beklagte hat gegen das Ur-
teil, soweit es die Aufhebung der Versagungsbescheide betrifft, ebenfalls Beru-
fung eingelegt. Das Oberverwaltungsgericht hat durch Beschluss vom 20. No-
vember 2007 die Berufung des Klägers zurückgewiesen sowie auf die Berufung
des Beklagten das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage insgesamt
abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe keinen An-
spruch auf die beantragte Erlaubnis oder eine Zulassung zur mündlichen Prü-
fung. Dem stehe das Ergebnis seiner schriftlichen Überprüfung entgegen. Das
Überprüfungsverfahren sei nicht zu beanstanden, insbesondere sei entgegen
der Ansicht des Verwaltungsgerichts eine absolute Bestehensgrenze unbe-
denklich. Diese Grenze habe der Kläger nicht erreicht. Seine Einwände zur Zu-
lässigkeit bestimmter Fragen und der Bewertung bestimmter Antworten seien
unbegründet.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwal-
tungsgerichts richtet sich die Beschwerde des Klägers.
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II
Die auf sämtliche Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Be-
schwerde des Klägers ist unbegründet.
1. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132
Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Der Kläger macht geltend, das Berufungsgericht habe
die Überprüfung nicht als berufsbezogene Prüfung angesehen und sich damit
hinsichtlich der Rechtsnatur der Überprüfung und der Ordnungsgemäßheit des
Prüfungsverfahrens in Widerspruch zu einer Entscheidung des Sächsischen
Oberverwaltungsgerichts (Beschluss vom 10. Oktober 2002 - 4 BS 328/02 -
SächsVBl 2003, 62) gesetzt. Damit ist - unbeschadet weiterer Gründe - eine
grundsätzliche Bedeutung schon deshalb nicht aufgezeigt, weil der Kläger keine
konkrete Rechtsfrage formuliert, die in dem von ihm angestrebten
Revisionsverfahren geklärt werden könnte. Außerdem geht der Beschwerdevor-
trag an der Begründung des angegriffenen Beschlusses vorbei. Das Beru-
fungsgericht hat nicht den Charakter als berufsbezogene Prüfung verneint,
sondern aus der Eigenart der Überprüfung als Maßnahme der gesundheitspoli-
zeilichen Gefahrenabwehr sowie dem Umstand, dass es sich bei dem Heilprak-
tikergesetz um vorkonstitutionelles Recht handelt, das Fehlen einer die Durch-
führung des schriftlichen Teils der Überprüfung im Antwort-Wahl-Verfahren
ausdrücklich zulassenden Ermächtigungsgrundlage für unschädlich gehalten
(ebenso VGH Mannheim, Urteil vom 26. Oktober 2005 - 9 S 2343/04 - VBlBW
2006, 146; OVG Bremen, Urteil vom 12. Februar 2008 - 1 A 234/03 - juris;
s. auch BVerwG, Beschluss vom 27. Juni 1989 - BVerwG 3 B 18.89 - Buchholz
418.04 Heilpraktiker Nr. 15). Es hat deshalb die erwähnte Entscheidung des
Sächsischen Oberverwaltungsgerichts, die die Zulässigkeit von multiple-choice-
Fragen bei Hochschulprüfungen betrifft, für nicht einschlägig gehalten. Auf die-
se Aspekte geht der Kläger nicht ansatzweise ein. Auch der weitere pauschale
Hinweis des Klägers, das Berufungsgericht habe sich durch die Beurteilung von
Prüfungsfragen als zulässig in Widerspruch zum Bayerischen Verwaltungsge-
richtshof gesetzt, zeigt eine grundsätzliche Bedeutung nicht auf.
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2. Die vom Kläger gerügte Abweichung der Berufungsentscheidung von einer
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt
ebenfalls nicht vor. Der Kläger sieht eine Abweichung darin, dass das Beru-
fungsgericht sich allein auf die Ansicht des Beklagten bzw. von dessen Amts-
ärztin gestützt habe, obwohl der Behörde nach dem Urteil des Bundesverwal-
tungsgerichts vom 21. Dezember 1995 - BVerwG 3 C 24.94 - (BVerwGE 100,
221) keine Einschätzungsprärogative zukomme und das Gericht die Sache
spruchreif machen müsse. Dieser Einwand geht fehl. Das Berufungsgericht hat
in der angefochtenen Entscheidung auf die genannte Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts ausdrücklich hingewiesen und ausgeführt, dass der
Behörde bei der Entscheidung über die Erteilung der Heilpraktikererlaubnis kein
Ermessen und kein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungs-
spielraum zusteht. Von einer Divergenz kann danach keine Rede sein. Gleiches
gilt für die vom Kläger weiter angesprochene Beschränkung der Überprüfung
auf das Vorliegen gefährlicher Fehlvorstellungen im medizinischen Bereich;
auch insoweit weichen die vom Berufungsgericht aufgestellten Rechtssätze
nicht von den Rechtssätzen in der Entscheidung des Bundesverwal-
tungsgerichts ab. Ob demgegenüber die konkrete Fallprüfung des Berufungs-
gerichts den abstrakten Obersätzen gerecht wird, was der Kläger in Abrede
stellt, betrifft nicht die Frage einer Divergenz, sondern die Anwendung auf den
Einzelfall.
3. Die Verfahrensrüge des Klägers ist ebenfalls unbegründet. Der Kläger macht
in erster Linie geltend, er sei mit seinen Einwänden und Beweisanträgen zur
Zulässigkeit bestimmter Prüfungsfragen und zur Bewertung bestimmter Antwor-
ten nicht gehört worden. Sein Vortrag sei übergangen worden. Der angegriffene
Beschluss sage dazu nichts; dort fehle insoweit jegliche Begründung.
Aus diesen Ausführungen ergibt sich kein Verfahrensfehler, insbesondere keine
Verletzung des Anspruchs des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs
nach Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO. Das Oberverwaltungsgericht
hat sich in dem angegriffenen Beschluss des Näheren mit den auf konkrete
Fragen bezogenen Einwänden des Klägers befasst und unter anderem ausge-
führt, warum es die Fragen für zulässig erachte und warum bestimmte unter
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Beweis gestellte Behauptungen des Klägers nicht geeignet seien, die Zulässig-
keit in Zweifel zu ziehen (BA S. 16 ff.). Darin unterscheidet sich die hier ange-
griffene Berufungsentscheidung von der vom Kläger im Parallelverfahren mit
denselben Zulassungsgründen angegriffenen Entscheidung des Oberverwal-
tungsgerichts (s. dazu Beschluss des Senats vom heutigen Tage im Verfahren
BVerwG 3 B 18.08). Angesichts der hier in den Beschlussgründen vorhandenen
Auseinandersetzung mit Vortrag und Beweisanträgen des Klägers reicht das
Beschwerdevorbringen, sein Vortrag sei insgesamt übergangen worden, zur
Darlegung eines Gehörsverstoßes nicht aus. Der Kläger hätte aufzeigen müs-
sen, inwieweit trotz der Befassung des Oberverwaltungsgerichts mit seinen
Einwänden entscheidungserheblicher Vortrag unberücksichtigt geblieben ist.
Die weitere Rüge des Klägers, sein Vortrag zu den Verfahrensanforderungen
bei berufsbezogenen Prüfungen sei unberücksichtigt geblieben, trifft gleichfalls
nicht zu. Das Oberverwaltungsgericht hat sich im Einzelnen mit der verfahrens-
rechtlichen Ausgestaltung der Überprüfung, insbesondere der Zulässigkeit ei-
nes Antwort-Wahl-Verfahrens, befasst und in diesem Rahmen auch die vom
Kläger angeführte obergerichtliche Rechtsprechung berücksichtigt (BA S. 8 ff.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestset-
zung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
Kley
Liebler
Buchheister
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