Urteil des BVerwG vom 04.04.2006

Original, Ausbildung, Afghanistan, Beweiswert

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 180.05
VGH 11 UE 923/04
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. April 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht van Schewick und Dr. Dette
beschlossen:
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung
der Revision im Urteil des Hessischen Verwaltungs-
gerichtshofs vom 19. September 2005 wird zurückgewie-
sen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Der Kläger, der die afghanische Staatsangehörigkeit besitzt und seit 1997 in
Deutschland lebt, begehrt nach § 10 Abs. 1 BÄO die Erlaubnis zur vorüberge-
henden Ausübung des ärztlichen Berufs in Deutschland. Das Berufungsgericht
hat den Beklagten zur Neubescheidung dieses Antrags verpflichtet mit der Be-
gründung, der Kläger habe nachgewiesen, dass er in Afghanistan die Ausbil-
dung für den ärztlichen Beruf abgeschlossen gehabt habe. Die Beschwerde des
Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg. Der allein
geltend gemachte Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht
vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.
Der Beklagte sieht die Rechtsfrage als grundsätzlich klärungsbedürftig an, ob
abweichend von § 39 Abs. 2 der Approbationsordnung für Ärzte (ÄAppO) Se-
kundärnachweise zum Nachweis einer abgeschlossenen ärztlichen Ausbildung
auch dann zulässig und ausreichend sind, wenn der (ausländische) Antragstel-
ler in der Lage war, sich ein Original-Studienabschlusszeugnis im Heimatland
nachträglich ausstellen zu lassen und der deutschen Behörde vorzulegen, ins-
besondere dann, wenn der Wahrheitsgehalt der vorgelegten aktuellen Be-
scheinigung auf Grund von Unstimmigkeiten keineswegs als gesichert anzuse-
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hen ist und die Nachprüfung der vorgelegten Nachweise im Ausland äußerst
schwierig ist. Diese Frage würde sich jedoch in einem Revisionsverfahren auf
der Grundlage des vom Berufungsgericht festgestellten und vom Beklagten
nicht in Zweifel gezogenen Sachverhalts nicht stellen. Sie baut auf der Unter-
scheidung zwischen Original-Studienabschlusszeugnis, das vorliegend fehle,
und Sekundärnachweisen auf, die der Kläger vorgelegt habe. Diese Unter-
scheidung ist hier jedoch deshalb unergiebig, weil in Afghanistan in den Jahren
1985 bis 1987 und damit in der Zeit, in der der Kläger sein Studium abge-
schlossen hat, im Fach Medizin keine Studienabschlusszeugnisse ausgestellt
wurden. Ob unter diesen Umständen eine nachträglich von der zuständigen
Behörde ausgestellte Bescheinigung über den erfolgreichen Studienabschluss,
wie der Kläger sie in Form des „Certificate“ vorgelegt hat, eine Originalurkunde
ist, wie sie § 39 Abs. 2 Satz 1 ÄAppO verlangt, oder ein Sekundärnachweis,
kann offen bleiben. Jedenfalls macht es für diese rechtliche Einordnung keinen
Unterschied, ob die Bescheinigung noch unter der Herrschaft der Taliban oder,
wie im Fall des Klägers, nach deren Vertreibung ausgestellt worden ist. Der
Beklagte sieht einen solchen Unterschied allein deshalb, weil nach der Vertrei-
bung der Taliban aller Wahrscheinlichkeit nach die behördlichen Akten über die
Studienergebnisse nicht mehr vorhanden gewesen seien. Der Beklagte misst
deshalb einer danach ausgestellten Bescheinigung ungeachtet ihrer Echtheit
einen geringeren Beweiswert bei als einer früheren Bescheinigung. In der Sa-
che wendet er sich damit gegen die Beweiswürdigung durch das Berufungsge-
richt, das die Bescheinigung unter Würdigung aller Umstände inhaltlich für rich-
tig erachtet hat. Das betrifft die Ebene der den Tatsachengerichten vorbehalte-
nen Sachverhaltsfeststellung, die in der Revisionsinstanz nur mit Verfahrensrü-
gen angegriffen werden kann. Solche hat der Beklagte hier nicht erhoben.
Stattdessen versucht er, die Glaubwürdigkeit der vorgelegten Dokumente in
eine Rechtsfrage umzudeuten. Dem ist nicht zu folgen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestset-
zung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.
Kley
van Schewick
Dr. Dette
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