Urteil des BVerwG vom 30.03.2005

Verordnung, Kommission, Widerspruchsverfahren, Euratom

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 18.05
OVG 10 LC 153/03
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. März 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht
L i e b l e r und Prof. Dr. R e n n e r t
beschlossen:
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Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberver-
waltungsgerichts vom 28. Oktober 2004 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 8 836,53 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche
Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage mit dem Verwaltungsgericht für begründet
erachtet und die Berufung der Beklagten daher zurückgewiesen, weil die von der Be-
klagten vorgenommene Prämienkürzung über das vom Kläger akzeptierte Maß hin-
aus zu Unrecht erfolgt sei. Der Kläger habe zwar im Jahr 1996 versäumt, Zu- und
Abgänge im Bullenbestand in seinem Register zu verzeichnen. Nach Art. 10c Abs. 2
VO (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission vom 23. Dezember 1992 mit Durchführungs-
bestimmungen zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte ge-
meinschaftliche Beihilferegelungen (ABl Nr. L 391/36) in der Fassung von Art. 1
Ziff. 12 VO (EG) Nr. 2801/1999 der Kommission vom 21. Dezember 1999 (ABl
Nr. L 340/29) werde aber bei Versäumnissen betreffend die Eintragungen in das Re-
gister eine Kürzung der Prämie nur vorgenommen, wenn derartige Tatbestände bei
mindestens zwei Kontrollen innerhalb eines Zeitraums von 24 Monaten festgestellt
wurden. Diese Fassung der Verordnung sei nach dem in Art. 2 Abs. 2 VO (EG;
EURATOM) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 (ABl Nr. L 312/1) ent-
haltenen Günstigkeitsprinzip anzuwenden, weil sie für den Kläger günstiger sei als
die vorhergehende und als die nachfolgende Regelung. Das Versäumnis des Klägers
sei nur bei einer Kontrolle, nämlich am 27. November 1996, festgestellt worden;
schon am 3. Dezember 1996 habe der Kläger ein korrektes Register vorgelegt.
Die Beklagte hält den Rechtsstreit zum einen wegen der Frage für grundsätzlich be-
deutsam, "ob Art. 10c Abs. 2 VO (EG) Nr. 2801/1999 wegen des Rückwirkungsge-
bots auf Wirtschaftsjahre und Prämienzeiträume vor dem 1. Oktober 2000 anzuwen-
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den ist". Damit ist eine klärungsfähige Rechtsfrage nicht bezeichnet. Die genannte
Bestimmung ist am 1. Januar 2000 in Kraft getreten und betrifft Anträge, die sich auf
die Wirtschaftsjahre oder Prämienzeiträume ab 1. Januar 2000 beziehen (Art. 2
VO/EG Nr. 2801/1999). Eine Anwendung auf frühere Wirtschaftsjahre oder Prämien-
zeiträume hat das Berufungsgericht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 VO (EG; EURATOM)
Nr. 2988/95 hergeleitet. Nach dieser Vorschrift gelten bei späterer Änderung der in
einer Gemeinschaftsregelung enthaltenen Bestimmungen über verwaltungsrechtliche
Sanktionen die weniger strengen Bestimmungen rückwirkend. Das Berufungsgericht
hat näher ausgeführt, dass die vorliegend in Betracht kommende verwaltungsrechtli-
che Sanktion nach der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 in der Fassung der Verord-
nung (EG) Nr. 2801/1999 für den Kläger günstiger ist als in der zuvor geltenden Fas-
sung. Inwiefern dies grundsätzlich klärungsbedürftige Fragen aufwirft, legt die Be-
klagte nicht dar.
Die Beklagte wirft zum anderen die Frage auf, ob unter "Versäumnissen betreffend
die Eintragungen in das Register" im Sinne von Art. 10c Abs. 2 VO (EWG)
Nr. 3887/92 auch vollständig fehlende Eintragungen zu verstehen sind. Auch hiermit
ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargetan. Die Beklagte
lässt schon die gebotene Auseinandersetzung mit der vom Berufungsgericht für sei-
ne Auffassung gegebenen Begründung vermissen. Das Berufungsgericht hat darauf
abgehoben, dass Art. 10c Abs. 2 VO (EWG) Nr. 3887/92 i.d.F. der Verordnung (EG)
Nr. 2801/1999 - insofern anders als in der Vorgängerbestimmung des Art. 10 Abs. 4
VO (EWG) Nr. 3887/92 i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 1678/98 der Kommission vom
29. Juli 1998 (ABl Nr. L 212/23) und anders als in der Nachfolgebestimmung des
Art. 39 i.V.m. Art. 36 Abs. 4 Buchst. b VO (EG) Nr. 2419/2001 der Kommission vom
11. Dezember 2001 (ABl Nr. L 327/11) - schon nach dem Wortlaut "Fehler" und "Ver-
säumnisse" in Bezug auf das Register als Ganzes erfasse und damit nicht nur für
fehlerhafte, sondern auch für fehlende (versäumte) Eintragungen im Register gelte.
Hierauf geht die Beklagte nicht ein; der Rückgriff auf die anderslautende Vorgänger-
regelung vermag dies ebenso wenig zu ersetzen wie ein Hinweis auf die - nicht näher
begründete - Rechtsauffassung der Europäischen Kommission. Doch mag das da-
hinstehen. Die Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 in der Fassung der Änderungsver-
ordnung (EG) Nr. 2801/1999 ist mit dem 31. Dezember 2001 außer Kraft getreten,
und die Regelung des Art. 10c VO (EG) Nr. 3887/92 wurde in die Nachfolgeverord-
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nung (EG) Nr. 2419/2001 nicht unverändert übernommen. Damit betrifft die von der
Beklagten aufgeworfene Rechtsfrage ausgelaufenes Recht. Rechtsfragen zu ausge-
laufenem Recht haben aber regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung, weil die
Zulassungsvorschrift des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur eine für die Zukunft geltende
Klärung herbeiführen soll (stRspr; vgl. Beschluss vom 20. Dezember 1995 - BVerwG
6 B 35.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9 = NVwZ-RR 1996, 712
m.w.N.). Anderes gilt zwar ausnahmsweise dann, wenn die ausgelaufene Vorschrift
noch für eine größere Zahl von Altfällen von Bedeutung ist. Hierfür ist der Beschwer-
deführer aber darlegungspflichtig (vgl. ebenda). An einer derartigen Darlegung fehlt
es. Die Beklagte behauptet zwar, die von ihr aufgeworfene Rechtsfrage sei noch
"aufgrund einer Vielzahl von anhängigen Widerspruchsverfahren im Land Nieder-
sachsen von Bedeutung". Das wird jedoch nicht näher belegt. Hierfür hätte umso
mehr Anlass bestanden, als die Anhängigkeit einer Vielzahl von Widerspruchsverfah-
ren, die noch vor dem 31. Dezember 2001 auslaufende Prämienzeiträume betreffen,
angesichts der seither vergangenen geraumen Zeit als eher ungewöhnlich erschei-
nen muss.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streit-
werts auf § 52 Abs. 3 GKG.
Prof. Dr. Driehaus Liebler Prof. Dr. Rennert