Urteil des BVerwG vom 23.01.2003

Geschwindigkeit, Gewinnung, Erkenntnis, Fahreignung

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BESCHLUSS
BVerwG 3 B 174.02
VGH 11 B 02.937
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. Januar 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundes-
verwaltungsgericht van S c h e w i c k und
Dr. B r u n n
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nicht-
zulassung der Revision in dem Beschluss des
Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom
10. September 2002 wird zurückgewiesen.
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Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdever-
fahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das
Beschwerdeverfahren auf 8 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde ist unbegründet. Mit dem Streitverfahren ver-
binden sich keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sin-
ne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Die Beschwerde will sinngemäß als rechtsgrundsätzlich geklärt
wissen, ob wegen einer mit drei Punkten im Verkehrszentralre-
gister eingetragenen Verkehrsordnungswidrigkeit eine auf zwei
Jahre befristete Verlängerung der Fahrerlaubnis (Klassen D 1,
D 1 E, D und DE) zulässig ist. Dem liegt zugrunde, dass der
Beklagte mit tatsachengerichtlicher Billigung dem Antrag auf
Verlängerung der Fahrerlaubnis des Klägers nur eingeschränkt
stattgegeben hat; anstelle einer Regelbefristung im Sinne des
§ 24 Abs. 1 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 FeV (längstens
fünf Jahre) hat der Beklagte eine Verkehrsordnungswidrigkeit
des Klägers (ungenügender Sicherheitsabstand bei einer Ge-
schwindigkeit von 106 km/h auf einer Autobahn; 150 DM Geldbu-
ße, drei Punkte) zum Anlass genommen, die Fahrerlaubnis ledig-
lich für weitere zwei Jahre zu verlängern.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
(vgl. etwa Beschluss vom 19. Januar 1981 - BVerwG 8 B 25.81 -
Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 193 m.w.N.) weist eine Sache dann
keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung auf, wenn die sich stel-
lenden Rechtsfragen keiner fallübergreifenden, sondern äußers-
tenfalls einer einzelfallbezogenen Beantwortung zugänglich
sind. So liegt es im Streitfall. Die Beschwerde anerkennt,
dass durch die Verwendung des Wortes "längstens" in § 23
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Abs. 1 Satz 2 FeV auch in den Fällen des § 23 Abs. 1 Satz 2
Nr. 3 FeV unterschiedliche Verlängerungsfristen normativ vor-
gesehen sind, so dass sich im Allgemeinen und im Streitfall
nur die Frage stellt, unter welchen Voraussetzungen von der
längsten zulässigen Verlängerungsfrist von fünf Jahren und un-
ter welchen von kürzeren Verlängerungsfristen Gebrauch gemacht
werden darf. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und des
Verhältnismäßigkeitsgebots liegt es in diesem Zusammenhang zu-
nächst nahe anzunehmen, dass eine Verlängerung um fünf Jahre
keinen Ausnahme-, sondern den Regelfall darstellt, sofern kei-
ne auf die Fahreignung bezogenen Besonderheiten sichtbar sind.
Was sodann die Frage kürzerer Verlängerungsfristen anlangt, so
gibt gerade für die in § 23 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 FeV und im
Streitfall in Rede stehenden Klassen D und D 1 die Vorschrift
des § 11 Abs. 1 Satz 4 FeV einen maßgeblichen Anhalt; hiernach
müssen Bewerber um die Fahrerlaubnis der Klasse D oder D 1
"auch die Gewähr dafür bieten, dass sie der besonderen Verant-
wortung bei der Beförderung von Fahrgästen gerecht werden". Es
versteht sich nämlich von selbst und bedarf deshalb keiner
vertieften Begründung, dass die zu den "Voraussetzungen für
die Erteilung einer Fahrerlaubnis" zu zählende Vorschrift des
§ 11 Abs. 1 Satz 4 FeV auch in den Zusammenhängen der Vor-
schriften der §§ 23 und 24 FeV Geltung beansprucht, welche zu
den Vorschriften über das "Verfahren bei der Erteilung einer
Fahrerlaubnis" zu rechnen sind.
Vor diesem Hintergrund kann im rechtlichen Ansatz nicht zwei-
felhaft sein, dass begangene Verkehrsverstöße, die zwar noch
nicht die Annahme rechtfertigen, der Betreffende sei zum Füh-
ren eines Kraftfahrzeugs ungeeignet, aber gleichwohl berech-
tigterweise gewisse Zweifel an der Eignung aufkommen lassen,
von den zuständigen Behörden zum Anlass genommen werden dür-
fen, Fahrerlaubnisse mit Fristen von weniger als fünf Jahren
zu versehen; dies gilt nach dem Vorstehenden auch und gerade
für Fahrerlaubnisse, die zur Personenbeförderung befähigen.
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Ebenfalls von selbst versteht es sich und bedarf keiner weite-
ren Begründung, dass eine nach den vorstehenden Darlegungen
normativ vorgeprägte Verwaltungspraxis dem Verhältnismäßig-
keitsgebot genügen muss und nicht willkürlich sein darf. Wei-
tere verallgemeinerungsfähige Erkenntnisse könnten auch in dem
von der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren nicht ge-
wonnen werden, denn dass ein zu dichtes Auffahren eines Busses
bei einer Geschwindigkeit von über 100 km/h, welches mit drei
Punkten bewertet worden ist, nicht zu den von vornherein zu
vernachlässigenden Verkehrsordnungswidrigkeiten zu zählen ist,
ist eine Erkenntnis, zu deren Gewinnung es nicht erst eines
Revisionsverfahrens bedarf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Bei der
Streitwertfestsetzung folgt der beschließende Senat der beru-
fungsgerichtlichen Festsetzung.
Prof. Dr. Driehaus van Schewick Dr. Brunn