Urteil des BVerwG vom 11.06.2009

Verfahrensmangel, DDR, Beruf, Verfolgter

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 134.08
VG 9 A 53.08
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. Juni 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und die
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Dette und Prof. Dr. Rennert
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin
vom 24. September 2008 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Der 1970 geborene Kläger absolvierte von 1992 bis 1998 erfolgreich ein Medi-
zinstudium. Er begehrt seine berufliche und seine verwaltungsrechtlichte Reha-
bilitierung, da er aufgrund seines familiären Hintergrundes und weil er sich habe
konfirmieren lassen benachteiligt worden sei; bei einem regulären Verlauf
seiner Schulausbildung hätte er bereits 1988 mit dem Medizinstudium beginnen
können. Zunächst war der Kläger mit Bescheiden vom 25. Oktober 2004 ver-
waltungsrechtlich und beruflich rehabilitiert worden. Auf seinen Widerspruch
wurden diese Bescheide mit Widerspruchsbescheiden vom 13. März 2006 auf-
gehoben. Mit Bescheiden vom 2. Januar 2007 wurden die begehrte berufliche
und verwaltungsrechtlichte Rehabilitierung mit der Begründung abgelehnt, dass
er weder politisch Verfolgter gemäß § 1 VwRehaG noch politisch verfolgter
Schüler nach § 3 Abs. 1 BerRehaG sei.
Die nach erfolglosen Widerspruchsverfahren erhobene Klage ist abgewiesen
worden. Das Verwaltungsgericht hat unter Bezug auf den Inhalt der angefoch-
tenen Bescheide und seinen Beschluss über das Prozesskostenhilfegesuch des
Klägers einen rehabilitationsfähigen Eingriff in den Beruf verneint. Die allein
geltend gemachte zeitliche Verzögerung der späteren tatsächlichen Aufnahme
seines Medizinstudiums sei bei Würdigung der Gesamtumstände nicht so gra-
vierend, dass von einem rehabilitierungsfähigen Unrecht ausgegangen werden
könne. In dem PKH-Beschluss hat es dazu unter Hinweis auf die Begründung
zum Beruflichen Rehabilitierungsgesetz (BTDrs 12/4994 S. 18) näher ausge-
führt, einer Rehabilitierung zugänglich seien nur solche Maßnahmen, die über
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die allgemeine ideologisch motivierte Reglementierung der DDR-Bevölkerung
auf beruflichem Gebiet hinausgingen.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem
Urteil bleibt ohne Erfolg. Es ist weder die nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO gerüg-
te Divergenz erkennbar (1.) noch liegt der nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 gerügte Ver-
fahrensmangel vor (2.).
1. Zur Begründung des Zulassungsgrundes der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2
VwGO) legt der Kläger nicht hinreichend dar, dass das angefochtene Urteil von
einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats
der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts
abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Hier-
zu wäre erforderlich gewesen, einen rechtlichen Obersatz aus der Rechtspre-
chung eines dieser Divergenzgerichte zu bezeichnen und ihm einen rechtlichen
Obersatz des Verwaltungsgerichts gegenüberzustellen, der davon abweicht und
der die angefochtene Entscheidung trägt. Das leistet der Kläger nicht. Er
bezieht sich zwar etwa auf die Urteile des Senats vom 19. Mai 2005 - BVerwG
3 C 36.04 -, vom 18. Oktober 2001 - BVerwG 3 C 35.01 - und vom 6. April 2000
- BVerwG 3 C 34.99 - sowie die Beschlüsse des Senats vom 2. Februar 2004
- BVerwG 3 B 103.03 -, vom 11. September 2007 - BVerwG 3 B 34.07 - und
vom 5. Dezember 2007 - BVerwG 3 B 47.07 -. Er legt jedoch nicht dar, inwie-
weit das Verwaltungsgericht sich mit einem tragenden Satz aus diesen Ent-
scheidungen in Widerspruch gesetzt hätte.
Soweit der Kläger in seinem Schriftsatz vom 23. Februar 2009 über seine bis-
herigen Ausführungen zur Abweichungsrüge hinaus vorträgt, der angefochte-
nen Entscheidung lasse sich auch „bei Aufwendung großer Kreativität kein er-
kennbarer Rechtssatz“ entnehmen, anschließend aber eine Reihe von „ableit-
baren Rechtssätzen“ auflistet, die „Gegenstand der Auseinandersetzung“ sein
würden, kann auch dies nicht zu der gewünschten Revisionszulassung führen.
Abgesehen davon, dass es sich bei diesen Ausführungen nicht um eine bloße
Interpretation des bisherigen Vorbringens handelt, sondern um eine sachliche
Änderung der Rüge, die nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist des
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§ 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO und damit verspätet eingereicht wurde, trifft es nicht
zu, dass das Verwaltungsgericht keine überprüfbaren Rechtssätze aufgestellt
hätte. Ersichtlich ist das Verwaltungsgericht zu der Annahme gelangt, dass der
Kläger wegen des Fehlens von Umständen, die eine individuelle, über die sys-
tembedingte Reglementierung der Berufswahl hinausgehende, politisch moti-
vierte Benachteiligung im Beruf oder in der Ausbildung erkennen lassen, mit der
Nichtzulassung zum Studium der Medizin ein nicht rehabilitierungsfähiges
allgemeines DDR-Schicksal geteilt hat. Es hat zudem angenommen, die Folgen
der Nichtzulassung des Klägers zur EOS und zum Medizinstudium wirkten
deswegen nicht im Sinne von § 1 Abs. 1 VwRehaG noch unmittelbar schwer
und unzumutbar fort, weil der Kläger das begehrte Studium nach der Wieder-
vereinigung in noch jungem Lebensalter habe aufnehmen und regulär ab-
schließen können.
2. Vom Kläger geltend gemachte Verfahrensfehler, können ebenfalls nicht zur
Zulassung der Revision führen. Der Kläger rügt als Verfahrensmangel sinnge-
mäß die Verletzung der Aufklärungs- und Amtsermittlungspflicht sowie einen
Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz. Unter Missachtung seiner Be-
gründungspflicht aus § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO legt er jedoch nicht näher dar,
inwiefern das Verwaltungsgericht dagegen verstoßen haben soll. Die Aufklä-
rungsrüge bleibt schon deshalb erfolglos, weil von einer anwaltlich vertretenen
Partei erwartet werden kann, dass sie eine von ihr für notwendig erachtete
Sachaufklärung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der gemäß
§ 86 Abs. 2 VwGO vorgesehenen Form beantragt. Versäumt sie dies, kann sie
eine mangelnde Sachaufklärung nicht mehr erfolgreich rügen (vgl. z.B. Urteil
vom 27. Juli 1983 - BVerwG 9 C 541.82 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO
Nr. 146). Ausweislich der Sitzungsniederschrift hat der Prozessbevollmächtigte
des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 24. September 2008 keine
Beweisanträge gestellt. Das Gericht hat in den Entscheidungsgründen des an-
gefochtenen Urteils die Situation, in der sich der Kläger seinerzeit befand, aus-
führlich behandelt. Es gibt auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich dem Ge-
richt eine weitere Aufklärung des Sachverhalts unabhängig von einem förmli-
chen Beweisantrag hätte aufdrängen müssen. Ausweislich der Niederschrift
wurde die Sache im Termin zur mündlichen Verhandlung vom Verwaltungsge-
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richt in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht erörtert. Mit den Beteiligten wurde
herausgearbeitet, durch welche Maßnahmen sich der Kläger insbesondere be-
nachteiligt sieht. Offenbar hatte der Kläger ausführlich Gelegenheit, seinen
Rechtsstandpunkt darzulegen. Der Kläger meint zwar, das Gericht wäre ver-
pflichtet gewesen, die beim Wehrkreiskommando Pankow der Nationalen
Volksarmee zu seiner Person geführten Unterlagen beizuziehen sowie seine
Zurückstellung von der Wehrpflicht zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwä-
gungen einfließen zu lassen. Dabei legt er jedoch nicht schlüssig dar, inwieweit
dies Ansatzpunkte für weitere Nachforschungen hätten sein müssen. Auch der
behauptete Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1
VwGO) ist demzufolge nicht gegeben. In der Sache wendet sich der Kläger
nicht gegen eine verfahrensfehlerhafte Sachverhaltsfeststellung des Verwal-
tungsgerichts. Vielmehr meint er, das Gericht habe den festgestellten Sachver-
halt falsch gewürdigt. Damit ist kein Verfahrensfehler dargetan, auch keine Ver-
letzung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung.
Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat nach § 133
Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestset-
zung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.
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