Urteil des BVerwG vom 09.01.2006

Öffentliche Aufgabe, Einzelrichter, Gemeinde, Freizeit

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 125.05
VG 15 A 208.03
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. Januar 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht K l e y und die
Richter am Bundesverwaltungsgericht L i e b l e r und Prof. Dr. R e n n e r t
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom
4. Juli 2005 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die
Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
G r ü n d e :
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen
nicht vor.
1. Die Revision ist nicht wegen der behaupteten Verfahrensfehler zuzulassen (§ 132
Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
a) Die Klägerin meint, die Sache weise besondere Schwierigkeiten tatsächlicher und
rechtlicher Art auf und habe zudem grundsätzliche Bedeutung, weshalb die Kammer
des Verwaltungsgerichts sie nicht habe dem Einzelrichter übertragen dürfen (§ 6
Abs. 1 Satz 1 VwGO). Damit ist ein Verfahrensfehler nicht dargetan.
Es ist bereits zweifelhaft, ob damit ein Verfahrensmangel bezeichnet ist, der in einem
Revisionsverfahren durch das Revisionsgericht überprüft werden könnte. Denn nach
§ 557 Abs. 2 ZPO, der gemäß § 173 VwGO im verwaltungsgerichtlichen Verfahren
entsprechend anzuwenden ist, unterliegen die dem Endurteil vorausgehenden unan-
fechtbaren Entscheidungen nicht der Beurteilung des Revisionsgerichts. Der Be-
schluss über die Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter aber ist gemäß
§ 6 Abs. 4 Satz 1 VwGO unanfechtbar. Das hat grundsätzlich zur Folge, dass das
Rechtsmittelgericht an diese Entscheidung gebunden ist und entsprechende Verfah-
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rensrügen einer inhaltlichen Überprüfung entzogen sind (Beschlüsse vom 4. De-
zember 1998 - BVerwG 8 B 187.98 - und vom 15. Oktober 2001 - BVerwG 8 B
104.01 - Buchholz 310 § 6 VwGO Nrn. 1 und 4 m.w.N.).
Anderes gilt nur dann, wenn ein Verstoß gegen § 6 VwGO zugleich eine Verletzung
einer prozessualen Gewährleistung der Verfassung darstellt (Urteil vom 10. Novem-
ber 1999 - BVerwG 6 C 30.98 - BVerwGE 110, 40 <44>). Die Klägerin sieht in dem
behaupteten Verstoß gegen § 6 VwGO zugleich eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1
Satz 2 GG. Das ist freilich nicht stets der Fall. Der Schutzbereich des Art. 101 Abs. 1
Satz 2 GG ist enger als die einfachgesetzlichen prozessrechtlichen Vorschriften.
Nicht jede fehlerhafte Anwendung des Prozessrechts verstößt daher zugleich gegen
das Verfassungsgebot des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Grenze zur Verfassungs-
widrigkeit ist vielmehr erst überschritten, wenn die fehlerhafte Auslegung oder An-
wendung des einfachen Rechts willkürlich oder manipulativ ist (Urteil vom 10. No-
vember 1999, a.a.O. <46>; Beschluss vom 15. Oktober 2001, a.a.O. <4>; jeweils
m.w.N.). Hierzu hat die Klägerin nichts vorgetragen; es ist auch nichts ersichtlich.
b) Auch eine Verletzung der gerichtlichen Pflicht, den Sachverhalt zu erforschen
(§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO), hat die Klägerin nicht dargetan. Insofern rügt sie, dass
das Gericht diejenigen Tatsachen, die sie selbst für bedeutsam hält, im Tatbestand
des angefochtenen Urteils nur als Teil ihres Parteivortrags wiedergegeben, sich aber
nicht durch eigene Feststellungen von ihrer Richtigkeit überzeugt habe. Daraus ergibt
sich kein Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO. Das Verwaltungsgericht hat den
klägerischen Sachvortrag als zutreffend angesehen und seiner Entscheidung zug-
runde gelegt. Dass es hieraus nicht die rechtlichen Schlüsse gezogen hat, die die
Klägerin für richtig hält, betrifft § 86 VwGO nicht.
2. Der Sache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die Verpach-
tung von Grundstücken an Private zum Bau von Wochenend- oder Ferienhäusern
keine Aufgabe ist, die nach der Rechtsordnung des Grundgesetzes im Rahmen der
kommunalen Selbstverwaltung wahrgenommen wird. Darum gehören derartige
Grundstücke nicht nach Art. 21 Abs. 1 und 2 EV zum kommunalen Verwaltungsver-
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mögen und auch nicht zum kommunalen Finanzvermögen im Sinne von Art. 22
Abs. 1 Satz 1 EV i.V.m. § 1 Abs. 1 Sätze 2 und 3 TreuhG. Daran ändert es nichts,
wenn die Gemeinde eine ordnende und überwachende Funktion wahrnimmt, etwa
das Gelände erschließt und überplant, die Errichtung und den Unterhalt der Gebäude
finanziell fördert oder die Grundstücke nicht an beliebige Private verpachtet, sondern
ihre Einwohner oder andere Nutzergruppen bevorzugt (Beschlüsse vom 22. April
1997 - BVerwG 3 B 129.96 -, vom 29. Januar 2002 - BVerwG 3 B 5.02 - und vom
3. Dezember 2002 - BVerwG 3 B 133.02 - Buchholz 111 Art. 22 EV Nrn. 26, 34
und 37).
Das Beschwerdevorbringen zeigt nicht auf, inwiefern diese Rechtsprechung der
Überprüfung und Fortentwicklung in einem Revisionsverfahren bedürfte. Die Klägerin
meint im Wesentlichen, ihre Tätigkeit stelle sich als Schaffung und Entwicklung der
örtlichen Freizeit- und Erholungseinrichtungen dar, was zu den gemeindlichen
Selbstverwaltungsaufgaben zu rechnen sei. Damit ist ein weiterführender Klärungs-
bedarf nicht dargetan. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist
geklärt, dass die Verbesserung der örtlichen Freizeit- und Erholungsbedingungen
durchaus zu den legitimen kommunalen Aufgaben gerechnet werden kann, dass
hierzu aber ein sozialer oder öffentlicher Bezug unerlässlich ist, wie er etwa gegeben
ist, wenn Grundstücke zum Zwecke der Förderung des Kleingartenwesens zur Ver-
fügung gestellt werden, der hingegen fehlt, wenn die Überlassung der Grundstücke
zur ausschließlich privatnützigen Verwendung durch beliebige Einzelpersonen und
zu Bedingungen erfolgt, die sich in keiner Weise von entsprechenden, allein auf Ge-
winnerzielung gerichteten Verträgen zwischen Privaten unterscheiden (Beschluss
vom 29. Januar 2002 a.a.O.). Daran ist festzuhalten. Allein aus der Größe des Wo-
chenendhausgebiets und der Zahl der verpachteten Grundstücke oder aus dem Um-
stand, dass die Klägerin ihrer - auch unter dem Grundgesetz selbstverständlichen -
öffentlichen Aufgabe der Erschließung und Überplanung des Baugebiets nachge-
kommen ist, ergibt sich der soziale oder öffentliche Bezug der pachtweisen Überlas-
sung der Grundstücke jedenfalls nicht. Anderes folgt auch nicht daraus, dass der Rat
der Klägerin die Errichtung der Wochenend- und Ferienhäuser selbst organisiert hat.
Das lag bei der Nutzung von volkseigenem Vermögen in der Rechtsträgerschaft des
Rates einer Gemeinde zu Zeiten der DDR nahe, besagt aber nichts für die Qualifizie-
rung der pachtweisen Überlassung der Grundstücke an private Nutzer als kommuna-
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le Aufgabe nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes. Dass die Klägerin die
weitere Entwicklung des Ferienhausgebiets selbst nicht (mehr) als öffentliche Aufga-
be ansieht, zeigt im Übrigen der Umstand, dass sie die Hausgrundstücke alsbald
nach dem 3. Oktober 1990 an die Pächter verkauft hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden
nicht erhoben. Wegen des Gegenstandswerts wird auf § 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG hin-
gewiesen.
Kley
Liebler
Prof. Dr. Rennert
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