Urteil des BVerwG vom 26.02.2007

Rechtsmittelbelehrung, Beschwerdefrist, Laie, Gespräch

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 120.06 (3 PKH 23.06)
VG 3 K 112/03
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 26. Februar 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht van Schewick und Dr. Dette
beschlossen:
Der Antrag des Klägers, ihm wegen Versäumens der Frist
zur Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Chem-
nitz vom 7. September 2006 Wiedereinsetzung in den vo-
rigen Stand zu gewähren, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem genannten Urteil wird verworfen.
Der Antrag des Klägers, ihm für das vorliegende Verfah-
ren Prozesskostenhilfe zu gewähren und Rechtsanwältin
Brosey beizuordnen, wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
G r ü n d e :
Der Kläger begehrt Rehabilitierung nach dem Beruflichen Rehabilitierungsge-
setz (BerRehaG). Das Verwaltungsgericht hat seine Klage abgewiesen, weil er
weder die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 3 BerRehaG noch die des § 1
Abs. 1 Nr. 4 BerRehaG erfülle.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Ver-
waltungsgerichts ist bereits unzulässig. Soweit der Kläger durch sein von ihm
persönlich verfasstes Schreiben vom 11. Oktober 2006 Beschwerde erhoben
hat, mag zwar die Einlegungsfrist gemäß § 133 Abs. 2 VwGO (Monatsfrist) ein-
gehalten worden sein, welche mit der Zustellung des angefochtenen Urteils bei
dem Bund der Mitteldeutschen, Landesverband Berlin e.V. als Prozessbevoll-
mächtigten des Klägers in der Vorinstanz am 16. September 2006 zu laufen
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begann und am 16. Oktober 2006 endete. Gleichwohl kann es sich hierbei
schon nicht um eine zulässige Beschwerde handeln, weil dem Vertretungser-
fordernis gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO nicht genügt worden ist. Auch
durch das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Vorinstanz vom 12. Ok-
tober 2006, das ohnehin ausdrücklich nicht als Rechtsmittel verfasst war, ist
dem Vertretungserfordernis gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwGO nicht ge-
nügt worden.
Soweit die jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers mit anwaltlichem Schrift-
satz vom 30. Oktober 2006 eine Beschwerde angebracht hat, ist damit die Ein-
legungsfrist des § 133 Abs. 2 VwGO nicht gewahrt. Eine Anwendung des § 58
Abs. 2 VwGO scheidet aus, da der Kläger auf den Vertretungszwang und die
geltenden Fristen in der dem Urteil beigefügten Rechtsmittelbelehrung in ord-
nungsgemäßer Weise hingewiesen worden ist. Dadurch, dass das Gericht im
zweiten Absatz der Rechtsmittelbelehrung gemäß dem Wortlaut des § 67 Abs. 1
Satz 1 und 2 VwGO ausdrücklich formulierte, dass der Vertretungszwang „auch
für die Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision“
gelte, hat es den unabdingbaren Vertretungszwang unmissverständlich und
ohne Raum für Zweifel zum Ausdruck gebracht.
Dem Kläger kann auch keine Wiedereinsetzung in die versäumte Einlegungs-
frist im Sinne des § 60 Abs. 1 VwGO gewährt werden. Zur Begründung seines
Wiedereinsetzungsgesuchs hat der Kläger darlegen lassen, als juristischer Laie
sei er davon ausgegangen, mit seinem Schreiben vom 11. Oktober 2006 die in
der Rechtsmittelbelehrung genannte Frist eingehalten zu haben. Die Rechtsmit-
telbelehrung habe ihm „suggeriert“, die Erhebung der Beschwerde beim Ver-
waltungsgericht sei noch ohne Anwalt möglich, während der Vertretungszwang
lediglich für die Erhebung der Revision selbst gelte. Zudem habe seine Bevoll-
mächtigte in der Vorinstanz ihm das Urteil erst am 27. September 2006 zu-
kommen lassen, so dass er es frühestens am 28. September 2006 habe zur
Kenntnis nehmen können. Als juristischer Laie sei er wiederum davon ausge-
gangen, dass die Frist erst mit seiner Kenntnisnahme zu laufen beginne. Seine
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Bevollmächtigte in der Vorinstanz habe ihn nicht entsprechend aufklären kön-
nen, da sie ebenfalls juristischer Laie sei. Dieser Vortrag entschuldigt das ver-
spätete ordnungsgemäße Einlegen der Beschwerde nicht. Wie dargelegt, war
das Urteil mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehen. Der
dem Wortlaut des Gesetzes folgende ausdrückliche Hinweis, dass der Vertre-
tungszwang „auch für die Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung
der Revision“ gilt, müsste auch einem juristischen Laien den unabdingbaren
Anwaltszwang verdeutlichen. Hinsichtlich der Handlungen und Kenntnisse der
Bevollmächtigten der Vorinstanz scheitert eine Berücksichtigung von deren et-
waigen Versäumnissen schon daran, dass sich der Kläger deren Auswahl voll-
umfänglich zurechnen lassen muss.
Auch der Vortrag im Zusammenhang mit den im Anschluss an das persönliche
Schreiben des Klägers vom 11. Oktober 2006 erfolgten Hinweisen des Gerichts
belegt nicht, dass der Kläger ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche
Einlegungsfrist zu wahren. Da er das Schreiben vom 13. Oktober 2006 nach
eigenem Vortrag erst am 24. Oktober 2006, also nach Ablauf der Einlegungs-
frist erhalten hat, konnte dieses Schreiben in keiner Weise ursächlich für eine
Entscheidung des Klägers gewesen sein. Davon abgesehen hat das Gericht
durch seine Schreiben vom 13. Oktober und 20. Oktober 2006 im Gegensatz
zur Auffassung der Beschwerde keineswegs den Rechtsschein gesetzt, dass
die Beschwerdefrist verlängert werden könne. Vielmehr wird in dem Schreiben
vom 13. Oktober 2006 auf die Rechtsmittelbelehrung am Ende des Urteils und
insbesondere darauf verwiesen, „dass die Einlegung der Beschwerde durch ei-
nen Rechtsanwalt zu erfolgen hat“. Auch das Schreiben vom 20. Oktober 2006
verhält sich nicht zu einer Verlängerung der Beschwerdefrist. Der Kläger wird
lediglich zu einer Stellungnahme zum Schreiben des Gerichts vom 13. Oktober
2006 aufgefordert, wobei ihm für diese Stellungnahme eine Frist bis zum 26.
Oktober 2006 gesetzt wird. Ausweislich eines Vermerks der Richterin der
Vorinstanz über ein Gespräch mit dem Kläger vom 26. Oktober 2006 habe die-
se ihm „nochmals die Rechtsmittelbelehrung im Urteil erklärt und ihn darauf
hingewiesen, dass eine Beschwerde durch einen Rechtsanwalt nicht fristgemäß
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eingelegt wurde“. Mit dem Kläger sei dann vereinbart worden, dass er „morgen
mitteilt, ob er mit dem ‚Widerspruch’ den Rechtsweg gegen das Urteil weiter
beschreiten will oder das Verfahren nicht weiter betreiben will“. Ausweislich
eines weiteren Vermerks der Richterin der Vorinstanz über ein Gespräch mit
einem vom Kläger zu einer weiteren Anfrage beauftragten Rechtsanwalt sei
diesem der Inhalt des Gesprächs mit dem Kläger geschildert worden. Dieser
Rechtsanwalt habe daraufhin mitgeteilt, er habe zwar von der „Materie Reha-
Recht keine Ahnung“, aber da es hier nur auf die Förmlichkeiten des Rechtsmit-
tels ankomme, würde seiner Ansicht nach ein Festhalten an dem „Widerspruch“
nur weitere Kosten produzieren.
Es ist möglich, dass der Kläger trotz dieser Erläuterungen glaubte, nicht die
Äußerungsfrist über die Aufrechterhaltung seines „Widerspruchs“ bis zum
27. Oktober 2006, sondern die Beschwerdefrist selbst bis zu diesem Zeitpunkt
noch wahren zu können. So ist jedenfalls zu erklären, dass er sich am 27. Ok-
tober 2006 nochmals von seiner ihn seit 1999 behandelnden Nervenärztin un-
tersuchen ließ. Diese bescheinigte ihm dann auch, er sei „z.Zt. erneut in einer
schweren depressiven Episode“ und habe die „ihm aufgegebenen kurzen Fris-
ten nicht einhalten“ können. Es mag sein, dass mit diesem Attest bescheinigt
wird, dass er die ihm aufgegebene Äußerungsfrist nicht einhalten konnte. Die-
ses Vorbringen führt jedoch nicht schlüssig auf ein begründetes Wiedereinset-
zungsbegehren. Das aufgrund der Untersuchung vom 27. Oktober ausgestellte
Attest trifft keine Aussage dazu, ob der Kläger in der eigentlichen Einlegungs-
frist vom 16. September bis 16. Oktober 2006 nicht in der Lage war, die Frist
einzuhalten. Jedenfalls konnte er am 11. Oktober noch selbst ein persönliches
Rechtsmittelschreiben fertigen. Er konnte auch am 26. Oktober 2006 die Rich-
terin der Vorinstanz anrufen, einen Rechtsanwalt aufsuchen und diesen bei
Gericht anrufen lassen. Am 27. Oktober 2006 konnte er zweimal ein persönlich
verfasstes Schreiben mit der Bitte um Fristverlängerung per Fax an das Gericht
senden, ein ärztliches Attest einholen und eine Rechtsanwältin aufsuchen und
mit der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde beauftragen. Warum er ge-
rade in der Einlegungsfrist ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehin-
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dert gewesen sein soll, wird demzufolge nicht glaubhaft gemacht. Wiederein-
setzung in den vorigen Stand ist auch nicht etwa deshalb zu gewähren, weil der
Kläger innerhalb der Beschwerdefrist einen ordnungsmäßig begründeten und
vollständigen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt hätte. Dies
ist nicht der Fall. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ging eben-
falls außerhalb der Beschwerdefrist ein.
Dem Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung eines Beschwerdeverfahrens
gegen die Nichtzulassung der Revision Prozesskostenhilfe zu bewilligen und
Rechtsanwältin Brosey beizuordnen, kann nicht entsprochen werden, weil die
von ihm beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den vorstehenden Gründen keine
hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Von der Erhebung von
Gerichtskosten wird für das Beschwerdeverfahren gemäß § 21 Abs. 1 Satz 3
GKG abgesehen.
Kley van Schewick Dr. Dette
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