Urteil des BVerwG vom 09.04.2009

Psychologisches Gutachten, Republik, Mitgliedstaat, Anerkennung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 117.08
OVG 16 A 1200/07
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. April 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Buchheister
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsge-
richts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. August
2008 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechts-
sache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde des Klägers, der von
einer ihm in der Tschechischen Republik erteilten Fahrerlaubnis im Bundesge-
biet Gebrauch machen will, bleibt ohne Erfolg. Die erforderlichen Zulassungs-
voraussetzungen liegen nicht vor.
Dem Kläger war in der Zeit von November 2000 bis September 2003 wegen
Trunkenheitsfahrten mit Blutalkoholkonzentrationen von 3,19 und 2,48 Promille
zweimal die Fahrerlaubnis entzogen worden; die zuletzt verhängte Wiederertei-
lungssperre lief am 2. März 2005 ab. Am 30. März 2005 erwarb der Kläger in
der Tschechischen Republik eine Fahrerlaubnis der Klasse B; im dort ausge-
stellten Führerschein war sein Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland
angegeben. Als der Kläger ein von ihm angefordertes medizinisch-psycholo-
gisches Gutachten nicht beibrachte, erkannte ihm der Beklagte mit Bescheid
vom 20. Februar 2006 das Recht ab, von seiner tschechischen Fahrerlaubnis
im Bundesgebiet Gebrauch zu machen. Die Klage und die Berufung des Klä-
gers blieben ohne Erfolg; beide Vorinstanzen hielten die Aberkennung für
rechtmäßig.
1. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache will der Kläger zum einen
damit begründen, dass fraglich sei, wer Adressat der vom Europäischen Ge-
richtshof in seinen Urteilen vom 26. Juni 2008 (Rs. C-329/06 und C-343/06,
Wiedemann u.a. und Rs. C-334/06 bis C-336/06, Zerche u.a.) erstmals formu-
lierten Nichtanerkennungsbefugnis ist. Diese Frage ist jedoch bereits revisions-
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gerichtlich beantwortet. In seinen Urteilen vom 11. Dezember 2008 - BVerwG
3 C 26.07 und 3 C 38.07 - juris, hat der Senat hierzu ausgeführt (a.a.O. Rn. 36
und Rn. 34):
„Bei dem den Mitgliedstaaten vom Europäischen Ge-
richtshof zugestandenen Recht, in ihrem Hoheitsgebiet die
Anerkennung einer von einem anderen Mitgliedstaat
ausgestellten Fahrberechtigung unter den genannten
Voraussetzungen abzulehnen (‚kann’), handelt es sich um
eine rechtliche Befugnis der Mitgliedstaaten zu einer ent-
sprechenden Gestaltung ihres innerstaatlichen Rechts und
nicht etwa um die Begründung eines Ermessensspiel-
raums der Verwaltungsbehörden. Das folgt schon daraus,
dass der Europäische Gerichtshof hier Regelungen einer
Richtlinie ausgelegt hat, also eines Instruments des se-
kundären Gemeinschaftsrechts, das, wie Art. 249 EG zu
entnehmen ist, gerade auf die Umsetzung durch die Mit-
gliedstaaten angelegt ist und sich an sie richtet.“
Die Beschwerdebegründung zeigt keinen weiteren Klärungsbedarf auf. Den
genannten Entscheidungen des Senats ist zu entnehmen, dass sich - entgegen
den Ausführungen in der Beschwerdebegründung - aus Art. 8 Abs. 4 der Richt-
linie 91/439/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 über den Führerschein nicht
herleiten lässt, dass die Fahrerlaubnisbehörde bei der Fahrerlaubnisentziehung
eine Ermessensentscheidung zu treffen gehabt hätte. Soweit der Kläger die
Anwendbarkeit von § 28 Abs. 4 FeV in Zweifel zieht, war dies weder für die Ent-
scheidung des Berufungsgerichts von Bedeutung noch wäre diese Frage in ei-
nem Revisionsverfahren über das hinaus zu klären, was dazu in den Urteilen
des Senats vom 11. Dezember 2008 schon ausgeführt wurde (vgl. dort Rn. 25
und 22).
2. Außerdem stellt sich aus Sicht des Klägers die Frage, ob die Prüfung der
Eignungs- und Wohnsitzvoraussetzungen durch die Behörde und die nachfol-
gende Entziehung des Rechts, von der ausländischen Fahrerlaubnis im Inland
Gebrauch zu machen, tatsächlich von der vom Europäischen Gerichtshof in
seinen beiden Urteilen vom 26. Juni 2008 erstmals formulierten Nichtanerken-
nungsbefugnis gedeckt seien. Auch diese Frage wurde in den genannten Urtei-
len des Senats vom 11. Dezember 2008 jedoch bereits geklärt, so dass sie die
begehrte Revisionszulassung nicht rechtfertigt. Auch in den damals entschie-
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denen Fällen hatte die Fahrerlaubnisbehörde aus der unterbliebenen Vorlage
eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auf die mangelnde Fahreignung
des Inhabers einer in der Tschechischen Republik unter offensichtlichem Ver-
stoß gegen das Wohnsitzerfordernis erteilten Fahrerlaubnis geschlossen und
dem Betroffenen deshalb das Recht aberkannt, von dieser Fahrerlaubnis im
Bundesgebiet Gebrauch zu machen. Der Senat hat ausgeführt, dass der
gemeinschaftsrechtliche Anerkennungsgrundsatz dieser Aberkennung und der
ihr vorangegangenen Eignungsüberprüfung nicht entgegenstand, nachdem
- wie hier - die Voraussetzungen vorlagen, unter denen der Aufnahmemitglied-
staat nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes be-
rechtigt ist, die Anerkennung der ausländischen Fahrerlaubnis zu verweigern.
Soweit der Kläger auf die aus seiner Sicht unnötigen Kosten für eine Begutach-
tung und eine daran anschließende Fahrerlaubnisentziehung verweist, ist eine
Klärung ebenfalls schon in den Urteilen des Senats vom 11. Dezember 2008
erfolgt. Der Senat hat dort entschieden, dass die Klärung von Eignungszweifeln
und auch eine förmliche Fahrerlaubnisentziehung nicht zu beanstanden sind,
wenn sich der Betroffene - wie dies hier auch beim Kläger der Fall war - auf die
Geltung der in einem anderen EU-Mitgliedstaat erteilten Fahrerlaubnis berufen
hat. Dazu wird ausgeführt (vgl. BVerwG a.a.O. Rn. 25 und Rn. 22):
„Im Hinblick auf die Auslegung, die der gemeinschafts-
rechtliche Anerkennungsgrundsatz bis dahin in der Recht-
sprechung des Europäischen Gerichtshofes gefunden hat-
te (vgl. unten, Abschnitt d), konnte der Beklagte nicht mit
Gewissheit davon ausgehen, dass er dem Kläger die in
§ 28 Abs. 4 FeV geregelten Ausnahmen von der Geltung
einer EU-Fahrerlaubnis entgegenhalten durfte. Gleichwohl
musste er sicherstellen, dass der Kläger, sollte sich seine
fehlende Eignung erweisen, in Deutschland kein Kraft-
fahrzeug würde führen dürfen. Ausgehend davon war es
dem Beklagten nicht verwehrt, in Übereinstimmung mit
dem Kläger die Geltung der tschechischen Fahrerlaubnis
im Inland zu unterstellen und ein förmliches Aberken-
nungsverfahren durchzuführen. Dabei war er an die recht-
lichen Voraussetzungen eines solchen Verfahrens gebun-
den, zu denen insbesondere der Nachweis fehlender Eig-
nung gehört. Demgegenüber kann der Kläger sich nicht
darauf berufen, dass die Klärung von Eignungszweifeln
mit von ihm zu tragenden Kosten verbunden ist; denn er
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ist es, der sich der Geltung seiner tschechischen Fahr-
erlaubnis auch im Inland berühmt.“
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des
Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2
GKG.
Kley
Liebler
Buchheister
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