Urteil des BVerwG vom 28.06.2007

Kriminalpolizei, Zusammenarbeit, Rüge, Akteneinsicht

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 117.06
VG 2 A 371/05 HAL
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 28. Juni 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht van Schewick und Dr. Dette
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Halle
vom 24. August 2006 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Mit Bescheid vom 25. November 2005 stellte das Landesverwaltungsamt
Sachsen-Anhalt - Nebenstelle Dessau - fest, dass der Kläger politisch Verfolg-
ter im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 BerRehaG sei und die Verfolgungszeit vom
1. September 1974 bis zum 30. Juni 1980 gedauert habe. Der darüber hinaus-
gehende Antrag auf Erteilung einer Rehabilitierungsbescheinigung nach § 17
Abs. 1 i.V.m. § 22 Abs. 1 des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes (BerRehaG)
wurde unter Verweis auf § 4 BerRehaG abgelehnt. Der Kläger habe zum einen
in der Zeit vom 7. November 1984 bis zum 16. Mai 1988 aufgrund handschriftli-
cher Verpflichtung freiwillig für das Arbeitsgebiet I der Kriminalpolizei unter dem
Decknamen „…“ konspirativ gearbeitet. Zum anderen habe er sich am
12. Oktober 1988 freiwillig handschriftlich zu einer konspirativen Tätigkeit unter
dem Decknamen „…“ für das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen
DDR verpflichtet und bis zu dessen Auflösung ausführlich zur Person und Fa-
milie der Operativen Personenkontrolle (OPK) „…“ berichtet; für seine guten
Tätigkeiten habe er 1988/1989 Prämien und Präsente im Gesamtwert von
960 M/DDR erhalten.
Das Verwaltungsgericht hat die gegen diesen Bescheid erhobene Klage zu-
rückgewiesen, da Ausschließungsgründe nach § 4 BerRehaG vorlägen.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Ver-
waltungsgerichts bleibt ohne Erfolg. Ein Verfahrensfehler im Sinne des § 132
Abs. 2 Nr. 3 VwGO, auf dem das Urteil beruht, liegt nicht vor.
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Die Beschwerde hält dem Verwaltungsgericht eine Verletzung der Aufklärungs-
und Ermittlungspflicht sowie die Verletzung rechtlichen Gehörs vor. Der Kläger
habe im Vorverfahren keine vollständige Akteneinsicht erhalten und erst in der
mündlichen Verhandlung von einem Rundschreiben seines früheren Arbeitge-
bers erfahren, woraus sich nach Ansicht des Beklagten ergeben habe, dass der
Kläger nach dem 30. Juni 1980 keine Benachteiligung im Sinne des Rehabilitie-
rungsgesetzes erlitten habe. Nach entsprechender Akteneinsicht während einer
Sitzungsunterbrechung habe er dann sinngemäß ausführt, auch nach dem
30. Juni 1980 sei er im Hydrierwerk lediglich als Arbeitsnormer eingesetzt ge-
wesen und aufgrund von Warnungen gezwungen gewesen, die kriminellen
Vorgänge der Kriminalpolizei zur Anzeige zu bringen. Diese Erklärung habe das
Gericht nicht zur Kenntnis genommen, sondern ausgeführt (S. 5 des Urteils),
der Kläger habe die Zusammenarbeit ohne erkennbaren Zwang fortgeführt und
ausgedehnt. Bei der Prüfung der Ausschließungsgründe nach § 4 BerRehaG
hätte das Gericht im Einzelnen die Situation des Klägers würdigen und die von
ihm vorgetragene und sich aus den Akten ergebende Zwangssituation berück-
sichtigen müssen.
Soweit der Kläger seine Rügen mangelnder Sachverhaltsaufklärung und Ver-
letzung rechtlichen Gehörs auf die Behauptung stützt, auch nach dem 30. Juni
1980 noch keine gleichwertige Tätigkeit ausgeübt zu haben, geht die Rüge ins
Leere. Denn nach der Feststellung der Dauer seiner Verfolgungszeit vom
1. September 1974 bis zum 30. Juni 1980 beschränkte sich der Streitgegen-
stand seiner Klage nach dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Klage-
antrag auf die Frage, ob in seiner Person Ausschließungsgründe gemäß § 4
BerRehaG vorliegen.
Auch die Rüge, das Verwaltungsgericht habe seinen Vortrag zur mangelnden
Freiwilligkeit der konspirativen Zusammenarbeit mit dem Arbeitsgebiet I der
Kriminalpolizei und dem MfS nicht zur Kenntnis genommen und gewürdigt, geht
fehl. Dieser Vortrag bezog sich im Wesentlichen auf die Situation bei seiner
Anwerbung durch das Arbeitsgebiet I der Kriminalpolizei im Jahre 1984. Das
Gericht hat ihn zusammenfassend dahin gewürdigt, es verkenne nicht die
schlechte betriebliche Situation, die sich besonders belastend auf den Kläger
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und seine Frau ausgewirkt habe. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem
klägerischen Vorbringen war insoweit nicht geboten, weil es nach den weiteren
Ausführungen des Urteils darauf nicht ankam. Dieses stellt nämlich entschei-
dend darauf ab, dass der Kläger die Zusammenarbeit später ohne erkennbaren
Zwang fortgeführt und ausgedehnt habe. Dazu weist es insbesondere auf die
Berichte des Klägers über Person und Familie „…“ hin. Dieser Vorgang stand
im Zusammenhang mit der im Oktober 1988 abgegebenen handschriftlichen
Verpflichtungserklärung als Inoffizieller Mitarbeiter (IMS) des Ministeriums für
Staatssicherheit. Dies hat das Gericht zu Recht als gravierende Ausdehnung
der Spitzeltätigkeit des Klägers gewertet. Der Kläger hat weder in der Vorin-
stanz noch mit der Beschwerde geltend gemacht, dass er sich dabei - noch - in
einer unausweichlichen Zwangslage befunden habe.
Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat nach § 133
Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des
Streitwertes folgt aus § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.
Kley van Schewick Dr. Dette
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