Urteil des BVerwG vom 29.03.2005

Vertrauensschutz, Kommission, Verordnung, Rückzahlung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 117.04
VGH 10 S 557/04
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. März 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht
L i e b l e r und Prof. Dr. R e n n e r t
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs
Baden-Württemberg vom 22. Juni 2004 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 1 666,48 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Be-
deutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Der Kläger wirft die Frage auf, ob Art. 14 Abs. 4 und 5 VO (EWG) Nr. 3887/92 der
Kommission vom 23. Dezember 1992 (ABl EG Nr. L 391/36) in der Fassung von
Art. 1 Ziff. 7 VO (EG) Nr. 1678/98 der Kommission vom 29. Juli 1998 (ABl EG
Nr. L 212/23) den dem Begünstigten einer rechtswidrigen Beihilfe gegenüber deren
Rückforderung zustehenden Vertrauensschutz abschließend regelt und daher § 10
Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 MOG i.V.m. § 48 Abs. 2 VwVfG verdrängt. Diese Frage
rechtfertigt die Durchführung des angestrebten Revisionsverfahrens nicht. Sie ist
- mit dem Berufungsgericht - zweifelsfrei zu bejahen. Art. 14 VO (EWG) Nr. 3887/92
regelt die Verpflichtung des Betriebsinhabers zur Rückzahlung zu Unrecht gezahlter
Beträge im Anwendungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 3508/92 des Rates vom
27. November 1992 (ABl EG Nr. L 355/1). In ihrer ursprünglichen Fassung enthielt
die Vorschrift keine Bestimmungen zum Vertrauensschutz. Deshalb war insoweit
gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 MOG auf § 48 Abs. 2 VwVfG zurückzugreifen.
Die Vorschrift wurde jedoch durch die Verordnung (EG) Nr. 1678/98 der Kommission
vom 29. Juli 1998 neu gefasst. Dabei wurden Regelungen zum Vertrauensschutz
getroffen. Gemäß Art. 14 Abs. 4 gilt die Verpflichtung zur Rückzahlung gemäß
Absatz 1 nicht, wenn die Zahlung auf einen Irrtum der zuständigen Behörde selbst
oder einer anderen Behörde zurückzuführen ist, der vom Betriebsinhaber, der sei-
nerseits in gutem Glauben gehandelt und alle Bestimmungen der geltenden Verord-
nung eingehalten hat, billigerweise nicht erkannt werden konnte. Geht der Irrtum je-
doch auf sachliche Tatbestände zurück, die für die Berechnung der betreffenden
Zahlung relevant sind, so gilt dies nur, wenn der Rückforderungsbescheid nicht in-
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nerhalb von zwölf Monaten nach der Zahlung übermittelt worden ist. Bei alldem wird
dem Betriebsinhaber jeder Dritte gleichgestellt, dessen Handlungen ihm zuzurechnen
sind. Nach Art. 14 Abs. 5 gilt Absatz 4 nicht bei Vorschüssen sowie bei Zahlungen,
deren Rückzahlung infolge der Anwendung einer der in den Artikeln 8, 9 oder 10
vorgesehenen Sanktionen oder einer anderen gemeinschaftlichen oder einzelstaatli-
chen Vorschrift gefordert wird. Dieses Regelwerk ist abschließend; für nationale Be-
stimmungen ist daneben kein Raum. Das zeigt schon der Wortlaut. Es folgt aber
auch aus dem 6. Erwägungsgrund zu der Änderungsverordnung: "Damit bei der
Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge der Grundsatz des Vertrauens-
schutzes in der Gemeinschaft einheitlich gehandhabt wird, sollte festgelegt werden,
unter welchen Bedingungen dieser Grundsatz (...) geltend gemacht werden kann."
Das sollte zwar unbeschadet der Behandlung der unregelmäßigen Ausgaben in An-
wendung insbesondere der Art. 5 und 8 VO (EWG) Nr. 729/70 des Rates vom
21. April 1970 (ABl EG Nr. L 94/13) geschehen. Aus diesen Bestimmungen ergibt
sich aber kein Vorrang, sondern nur die subsidiäre Geltung des nationalen Verwal-
tungsverfahrensrechts.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streit-
werts auf § 52 Abs. 3 GKG.
Prof. Dr. Driehaus Liebler Prof. Dr. Rennert
Sachgebiet:
BVerwGE: nein
Landwirtschaftsrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
VO (EWG) Nr. 3887/92 Art. 14
MOG
§ 10
VwVfG
§ 48 Abs. 2
Stichwörter:
Landwirtschaftsrecht; gemeinsame Marktorganisation; Beihilfeantrag Tiere; Beihilfe-
antrag Flächen; Integriertes Verwaltungs- und Kontrollsystem; Rücknahme; Rückfor-
derung; Vertrauensschutz.
Leitsatz:
Art. 14 Abs. 4 und 5 VO (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission vom 23. Dezember
1992 (ABl EG Nr. L 391/36) in der Fassung von Art. 1 Ziff. 7 VO (EG) Nr. 1678/98 der
Kommission vom 29. Juli 1998 (ABl EG Nr. L 212/23) regelt den dem Begünstigten
einer rechtswidrigen Beihilfe gegenüber deren Rückforderung zustehenden Vertrau-
ensschutz abschließend und verdrängt daher § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 MOG
Beschluss des 3. Senats vom 29. März 2005 - BVerwG 3 B 117.04
I. VG Freiburg
vom 24.04.2003 - Az.: VG 6 K 1174/01 -
II. VGH Baden-Württemberg vom 22.06.2004 - Az.: VGH 10 S 557/04 -