Urteil des BVerwG vom 08.02.2005

Allgemeine Geschäftsbedingungen, Gemeinde, Wiedereröffnung, Erlass

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 109.04
VGH 22 B 01.2468
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Februar 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht
van S c h e w i c k und Dr. D e t t e
beschlossen:
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts-
hofs vom 25. Mai 2004 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 766 937,82 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe des
§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO liegen nicht vor.
1. Die von der Klägerin gerügten Verfahrensmängel, auf denen das angefochtene
Urteil beruhen soll, sind nicht gegeben (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
1.1 Das Berufungsgericht war bei Erlass des angefochtenen Urteils nicht vorschrifts-
widrig besetzt (§ 138 Nr. 1 VwGO). Die Auffassung der Klägerin, durch eine fehler-
hafte Entscheidung über ihr Ablehnungsgesuch gegen den Richter am VGH Dr. Zöll-
ner sei ihr Anspruch auf den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG
verletzt worden, geht fehl. Dabei kommt es hier nicht darauf an, dass nach der stän-
digen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die unrichtige Ablehnung
eines Befangenheitsantrages durch das Berufungsgericht nicht ausreicht, einen Ver-
fahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu begründen. Nach § 173
VwGO i.V.m. § 557 Abs. 2 ZPO und § 146 Abs. 2 VwGO unterliegt die Entscheidung
über die Ablehnung von Gerichtspersonen nicht der Beurteilung des Revisionsge-
richts; sie kann daher auch nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl. Beschlüsse
vom 14. Mai 1999 - BVerwG 4 B 21.99 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO
Nr. 20 = NVwZ-RR 2000, 260, vom 3. Februar 1992 - BVerwG 2 B 11.92 - Buchholz
310 § 132 Nr. 305 und vom 8. August 1984 - BVerwG 9 CB 828.82 - Buchholz 310
§ 54 Nr. 32; ebenso Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. § 54 Rn. 22; Redeker/von
Oertzen, VwGO, 13. Aufl., § 54 Rn. 19). Nur wenn die Ablehnung des Befangen-
heitsgesuchs schlechterdings nicht nachvollziehbar und mithin willkürlich ist, stellt
sie eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar und eröffnet als Verfahrens-
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fehler den Zugang zur Revisionsinstanz (vgl. Urteil vom 16. April 1997 - BVerwG 6 C
9.95 - DVBl 1997, 1235, 1236 = NJW 1998, 323).
Auf diese Unterscheidung kommt es hier nicht an, weil das dem Berichterstatter des
Berufungsgerichts vorgeworfene Verhalten nicht einmal ansatzweise geeignet war,
Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen und damit die
Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Nach der übereinstimmenden Darstellung
des Prozessbevollmächtigten der Klägerin und des betroffenen Richters hat Letzterer
den Rechtsanwalt angerufen und ihn informiert, dass der Senat im Rahmen seiner
Beratung von der in der mündlichen Verhandlung den Parteien gegenüber
geäußerten, der Klägerin günstigen Rechtsauffassung abgegangen sei und die Beru-
fung nunmehr für unbegründet halte. Er hat dies verbunden mit dem Hinweis, dass
der Senat die Sache für entscheidungsreif und die Wiedereröffnung der mündlichen
Verhandlung nicht für notwendig erachte, dass er aber einem Wunsch der Klägerin
nach Wiedereröffnung Rechnung tragen werde. Nachdem der Prozessbevollmäch-
tigte in dem Telefonat die Wiedereröffnung verlangt hatte, ist entsprechend verfahren
worden. Dieses Verfahren war Ausdruck eines offenen und vertrauensvollen
Umgangs mit den Parteien und zielte darauf, unter voller Beachtung der berechtigten
Interessen der Klägerin den sachgerechten Fortgang des Verfahrens vorzubereiten.
Sowenig die Offenlegung der rechtlichen Bewertung des Berufungsgerichts in der
mündlichen Verhandlung Anlass zu Zweifeln an der Unparteilichkeit des Gerichts bot,
sowenig können sich bei unvoreingenommener Betrachtung solche Zweifel aus der
anschließenden Mitteilung ergeben, das Gericht halte an seiner ursprünglichen
Bewertung nicht mehr fest. Es ist nicht erkennbar, welchen Gewinn in dieser Hinsicht
die von der Klägerin für notwendig gehaltene Verfahrensweise gehabt hätte, die Be-
teiligten im Beschlusswege über den Sinneswandel des Gerichts zu informieren.
1.2 Fehl geht auch die Rüge, das Berufungsgericht habe seine Aufklärungspflicht
nach § 86 VwGO verletzt, weil es den von der Klägerin beantragten Sachverständi-
genbeweis nicht eingeholt habe, dass die Verbuchung der Investition einschließlich
der nicht bezahlten Erschließungskosten buchhalterisch, steuerrechtlich und sub-
ventionsrechtlich korrekt erfolgt sei. Offensichtlich falsch ist in diesem Zusammen-
hang der Vorwurf, das Berufungsgericht habe unter Verstoß gegen § 86 Abs. 2
VwGO über diesen Beweisantrag nicht förmlich entschieden. Der Beschluss auf Sei-
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te 12 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 14. Mai 2004 lehnt die-
sen Antrag ausdrücklich ab, weil es auf die buchhalterische und steuerliche Korrekt-
heit der Verbuchung nicht ankomme und die subventionsrechtliche Korrektheit vom
Gericht zu beurteilen sei. Das Beschwerdevorbringen ist insoweit umso unverständli-
cher, als der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf diesen Beschluss hin aus-
drücklich zu Protokoll bestätigt hat, dass damit keine Beweisanträge mehr unbe-
schieden seien.
Zu Unrecht meint die Klägerin, das Berufungsgericht sei zur Einholung des beantrag-
ten Sachverständigenbeweises verpflichtet gewesen, weil ihm zur Beurteilung der
unter Beweis gestellten Tatsachen die notwendige Sachkunde gefehlt habe. Die
Klägerin leitet dies aus den bilanzmäßigen und steuerrechtlichen Implikationen des
Beweisthemas her. Dem ist nicht zu folgen. Die Frage, was zum förderfähigen Inves-
titionsaufwand gehört, beurteilt sich nach Subventionsrecht, dessen Auslegung und
Anwendung dem zuständigen Gericht obliegt. Sie ist völlig unabhängig von der Fra-
ge, wie bestimmte Vorgänge bilanzmäßig zu erfassen sind. Das liegt für den vorlie-
gend gegebenen Sachverhalt auf der Hand: Es mag durchaus sein, dass die Er-
schließung des Betriebsgrundstücks der Klägerin einen bilanzierungsfähigen Vorteil
eingebracht hat, obwohl die Gemeinde von vornherein auf die Zahlung der Erschlie-
ßungskosten durch die Klägerin verzichtet hatte. Dies ist aber völlig unabhängig von
der Frage, ob ein Beitragsbescheid der Gemeinde, der mit dem Hinweis ergeht, we-
gen des erfolgten Beitragsverzichts sei keine Zahlung vorzunehmen, einen Investiti-
onsaufwand begründet, zu dem von dritter Seite eine Zuwendung in Form eines ver-
lorenen Zuschusses in Anspruch genommen werden darf. Es kann nicht ernsthaft
zweifelhaft sein, dass die verneinende Antwort des Berufungsgerichts die einzig
mögliche ist.
2. Die Rechtssache hat auch nicht die ihr von der Klägerin beigelegte grundsätzliche
Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
2.1 Die Klägerin sieht es als grundsätzlich klärungsbedürftig an, ob es einen Ermes-
sensfehler darstellt, wenn im Subventionsrückforderungsverfahren die Rechtsauf-
sichtsbehörde selbst die materielle Rückforderungsentscheidung trifft, obwohl sie die
Akten der Subventionsbehörde nicht beigezogen hat und ihr somit nicht alle ermes-
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sensrelevanten tatsächlichen Grundlagen vorliegen können. Diese Frage geht in ih-
rem letzten Halbsatz von einer Prämisse aus, die den tatsächlichen Feststellungen
des Berufungsgerichts widerspricht und die daher nach § 137 Abs. 2 VwGO nicht
Grundlage eines Revisionsverfahrens sein kann. Auf Seite 16 des Berufungsurteils
ist festgehalten, dass dem zuständigen Referatsleiter des Ministeriums alle für den
Widerruf entscheidungsrelevanten Informationen vorgelegen haben. Diese Feststel-
lung wird durch die Beschwerde nicht mit Verfahrensrügen angegriffen. Sie ist daher
für das Revisionsgericht bindend. Auf dieser Grundlage ist für die Annahme, die
Nichtbeiziehung der Akten der Subventionsbehörde könne einen Ermessensfehler
begründen, kein Raum.
2.2 Keine grundsätzliche Bedeutung kommt auch der von der Klägerin aufgeworfe-
nen Frage zu, ob im Bereich des richtliniengeregelten Subventionsrechts die Be-
stimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches über allgemeine Geschäftsbedingun-
gen (§§ 305 ff. BGB) analoge Anwendung zu finden haben. Diese Frage wird selbst
für die Subventionsvergabe durch öffentlich-rechtliche Verträge überwiegend verneint
(vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 62 Rn. 25; Kopp/Ramsauer, VwVfG,
8. Aufl., § 62 Rn. 7c). Für den hier interessierenden Bereich der Subventionsvergabe
durch Verwaltungsakt bedarf es keiner Klärung, ob es in den §§ 305 bis 310 BGB
irgendeine Vorschrift gibt, deren entsprechende Anwendung bei der hoheitlichen
Subventionsvergabe und Rückforderung in Betracht gezogen werden könnte. Für die
von der Klägerin angezogene Unklarheitenregelung (§ 305c BGB) kommt dies
jedenfalls nicht in Betracht, da § 37 Abs. 1 VwVfG die erforderliche Bestimmtheit von
Verwaltungsakten eigenständig regelt. Auch für eine Heranziehung des Verbots
unangemessener Benachteiligung (§ 307 BGB) ist kein Raum, da der verfas-
sungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz den Schutz des Adressaten des
Verwaltungsaktes gewährleistet.
2.3 Die Beschwerde wirft schließlich keine klärungsbedürftigen Fragen von grund-
sätzlicher Bedeutung auf, soweit sie die Verhältnismäßigkeit der Rückforderung der
gesamten Subvention von 1,5 Mio. DM wegen des zweckverfehlten Einsatzes eines
anteiligen Betrages von 32 730 DM zur Prüfung stellt. Die Frage würde sich in der
von der Beschwerde vorgebrachten Form nicht stellen, weil das Berufungsgericht
- zu Recht - in die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit die gesamten Umstände des
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Falles einbezogen hat. Dabei hat es einerseits das Verhältnis des fehlverwendeten
Betrages zur Gesamtsumme der Subvention berücksichtigt. Andererseits hat es das
insoweit vorliegende Maß der Pflichtverletzung und ihren das Vertrauen zerstörenden
Charakter ebenso in Rechnung gestellt wie den Umstand, dass die Klägerin weitere
subventionserhebliche Tatsachen, insbesondere den Niedergang der Einzelfirma des
Geschäftsführers der Klägerin parallel zum Aufbau von deren Geschäftsbetrieb, der
Subventionsbehörde nicht mitgeteilt hat. Schließlich hat es in die Beurteilung
einbezogen, dass der Klägerin ein ergänzendes Darlehen von über 5,0 Mio. DM ge-
währt worden ist, das durch die Subventionsrückforderung nicht berührt wird. Ob
unter diesen Umständen der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet worden ist, ist
eine Frage der Bewertung im Einzelfall, der keine grundsätzliche Bedeutung im Sin-
ne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zukommt.
Im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erhält der Fall auch nicht deshalb
grundsätzliche Bedeutung, weil den Behörden bei Erlass des Bewilligungsbeschei-
des für die Zuwendung der Beitragsverzicht der Gemeinde bekannt war. Nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin den Eindruck erweckt, die von
ihr geltend gemachten Erschließungskosten seien zusätzlich zu den durch den Bei-
tragsverzicht der Gemeinde gedeckten Teil der Erschließungskosten angefallen. Auf
Anfrage hat der Geschäftsführer der Klägerin damit schriftlich die erhebliche Über-
schreitung des ursprünglichen Ansatzes für Grundstückskosten gerechtfertigt. Das
Berufungsgericht hat folglich die objektive Täuschung seitens der Klägerin in der
fälschlichen Geltendmachung zusätzlicher Erschließungskosten gesehen. Unter die-
sen Umständen können sich aus der Kenntnis der Behörden vom ursprünglichen Bei-
tragsverzicht der Gemeinde keine klärungsbedürftigen Fragen ergeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung
beruht auf § 52 Abs. 3 GKG n.F.
Prof. Dr. Driehaus van Schewick Dr. Dette