Urteil des BVerwG vom 14.02.2006

Rückzahlung, Begriff, Rechtsnachfolger, Geschäftsführer

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 105.05
VG W 6 K 04.916
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Februar 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht K l e y und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht van S c h e w i c k und Dr. D e t t e
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der
Revision im Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts
Würzburg vom 20. April 2005 wird zurückgewiesen.
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Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 247 012,58 € festgesetzt.
G r ü n d e :
1. Die Klägerin wehrt sich gegen ihre Inanspruchnahme auf Rückzahlung von Las-
tenausgleich wegen erfolgten Schadensausgleichs.
Die unmittelbar geschädigte Frau L. B. war gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihrer
Mutter Eigentümerin eines Fabrikbetriebes in W./H. Wegen Entziehung dieses Be-
triebes durch die DDR stellte das Ausgleichsamt im Jahr 1976 einen Schaden von
2 360 200 Mark Ost fest. Die Hauptentschädigung nach dem Lastenausgleichsgesetz
in Höhe von insgesamt 570 980,10 DM wurde Frau B. ausgezahlt, die die beiden
anderen unmittelbar Geschädigten inzwischen beerbt hatte. Nach der Wieder-
vereinigung wurde das Betriebsvermögen an Frau B. zurückübertragen. Am 16. April
1991 erteilte Frau B., die inzwischen 93 Jahre alt war, dem Geschäftsführer der Klä-
gerin unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB die notarielle Voll-
macht zur Vertretung in allen Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Rücküber-
tragung des Betriebes. Aufgrund dieser Vollmacht veräußerte der Geschäftsführer
mit notariellem Vertrag vom 23. Juni 1992 sämtliche Geschäftsanteile von Frau B. an
dem Betrieb an die Klägerin zum Kaufpreis von 500 000 DM. Durch weiteren nota-
riellen Vertrag vom selben Tag veräußerte er namens der Klägerin die Geschäftsan-
teile zum Preis von 1 500 000 DM an einen Dritterwerber.
Frau B. verstarb am 10. Juni 1993. Aufgrund des eingetretenen und bestandskräftig
festgestellten Schadensausgleichs am gesamten Betriebsvermögen erließ die Regie-
rung von Unterfranken - Ausgleichsamt - gegen sämtliche Erben von Frau B. ent-
sprechend der jeweiligen Erbquote Rückforderungs- und Leistungsbescheide vom
30. Januar 2004 über insgesamt 247 012,59 €. Mit drei Leistungsbescheiden vom
2. Februar 2004 nahm die Regierung von Unterfranken zusätzlich die Klägerin über
diesen Betrag als sonstige Rechtsnachfolgerin der Geschädigten gesamtschuldne-
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risch in Anspruch. Das Verwaltungsgericht hat die nach erfolgloser Beschwerde er-
hobene Anfechtungsklage abgewiesen.
2. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Dabei kann offen bleiben, ob sie bereits unzu-
lässig ist, weil sie dem Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht
genügt. Zu Recht weist der Beklagte auf die insoweit bestehenden Bedenken hin, da
die Beschwerdebegründung keinerlei Bezug zu den Zulassungsvoraussetzungen des
§ 132 Abs. 2 VwGO herstellt. Das bedarf hier jedoch keiner weiteren Erörterung, da
die Beschwerde jedenfalls unbegründet ist. Die aufgrund der Beschwerdebegrün-
dung allenfalls in Erwägung zu ziehenden Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nrn. 1
und 3 VwGO liegen nicht vor.
2.1 Das verwaltungsgerichtliche Urteil beruht nicht auf einem Verfahrensmangel
(§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Entgegen der Ansicht der Klägerin hat das Verwaltungs-
gericht nicht gegen seine Verpflichtung aus § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO verstoßen, im
Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen
sind. Das gilt insbesondere für die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Klägerin
sei hinsichtlich der Schadensausgleichsleistung Rechtsnachfolgerin von Frau B. im
Sinne des § 349 Abs. 5 Satz 2 LAG geworden. Das Verwaltungsgericht hat insoweit
zunächst durch Bezugnahme auf seine Ausführungen in der vorangegangenen Eil-
entscheidung dargelegt, dass die Klägerin durch den Kauf sämtlicher Geschäftsan-
teile an dem Betrieb nach allgemeinem Sprachgebrauch Rechtsnachfolgerin von
Frau B. geworden ist. Dem im Klageverfahren erhobenen Einwand der Klägerin, Sinn
und Zweck der Regelung ließen ihre Einordnung als Rechtsnachfolgerin nicht zu, ist
das Verwaltungsgericht mit der Aussage entgegengetreten, der vorliegende Fall sei
geradezu der klassische Fall, den der Gesetzgeber bei der Einfügung des Satzes 2
in § 349 Abs. 5 LAG im Auge gehabt habe, um einen Einnahmeausfall des Aus-
gleichsfonds zu verhindern. Dabei hat es ersichtlich auf die mehrfach angesproche-
nen auffälligen Transaktionen der Klägerin abgestellt, die zur Folge hatten, dass Frau
B. nur ein Drittel des für den zurückgegebenen Betrieb erzielten Kaufpreises erhielt,
während zwei Drittel an die Klägerin flossen. Die Zweifel der Klägerin an der
Richtigkeit dieser Argumentation haben nichts mit der Frage zu tun, ob das Verwal-
tungsgericht die für seine Entscheidung maßgebenden Gründe im Urteil niedergelegt
hat. Das steht hier außer Frage.
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2.2 Die Ausführungen der Klägerin zum Begriff des Rechtsnachfolgers in § 349
Abs. 5 Satz 2 LAG in der Fassung des 33. ÄndG LAG vom 16. Dezember 1999
(BGBl I S. 2422) verleihen der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sin-
ne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Beschwerde wirft insoweit keine Rechtsfragen
auf, die der Klärung in einem Revisionsverfahren bedürften. Die Antworten ergeben
sich vielmehr eindeutig und ohne Möglichkeit eines Zweifels unmittelbar aus dem
Gesetz.
In erster Linie vertritt die Klägerin die Meinung, unter den Begriff des Rechtsnachfol-
gers falle lediglich der erb- und schenkungsrechtliche Rechtsnachfolger aufgrund
Erbeinsetzung, Erbvertrags, Vermächtnis oder Schenkung von Todes wegen, wäh-
rend ein Käufer der Schadensausgleichsleistung davon nicht erfasst werde. Dazu
behauptet die Klägerin, der Begriff des Rechtsnachfolgers sei im Wesentlichen erb-
rechtlich besetzt. Das trifft nicht zu.
Schon vom Wortsinn her ist Rechtsnachfolger derjenige, der in die Rechtsstellung
eines anderen eintritt oder sie übernimmt. Der Rechtsgrund des Erwerbs spielt dabei
keine Rolle. Insbesondere steht die Übertragung im Wege der Veräußerung der An-
nahme einer Rechtsnachfolge nicht entgegen. Das belegt § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO,
der gerade für einen solchen Fall den Erwerber als Rechtsnachfolger tituliert.
Die Klägerin meint, die Reduzierung des Begriffs im Rahmen des § 349 Abs. 5
Satz 2 LAG auf erb- und schenkungsrechtliche Erwerbsvorgänge ergebe sich aus
dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Auch dem ist nicht zufolgen. Nach der Begrün-
dung zum Entwurf des 33. Änderungsgesetzes zum LAG (BTDrucks 14/866 in
Mitt BAA 2000 S. 17) soll die Regelung dem Missstand begegnen, dass die Ansprü-
che auf Rückzahlung von Lastenausgleich nach erfolgtem Schadensausgleich oft-
mals dadurch notleidend werden, dass die Schadensausgleichsleistung ohne ange-
messene Gegenleistung an einen Dritten weitergerecht wird, der seinerseits für die
Rückzahlung nicht einzustehen hat. Der Fall des Erwerbs durch Erbgang war dabei
erklärtermaßen nicht gemeint, denn er war zuvor bereits in § 349 Abs. 5 Satz 1 LAG
geregelt. Diese Zielsetzung wäre nicht zu erreichen, wenn die Haftung des Erwerbers
auf die Fälle einer erb- oder schenkungsrechtlichen Übertragung beschränkt wäre.
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Der Rückzahlungsanspruch kann ebenso gut durch eine rechtsgeschäftliche
Veräußerung zu einem unangemessenen Preis notleidend werden. Gerade deshalb
knüpft das Gesetz nicht an einen unentgeltlichen Erwerb sondern an einen solchen
ohne angemessene Gegenleistung an.
Unrichtig ist auch die Ansicht der Klägerin, der Begriff des Rechtsnachfolgers stehe
im Widerspruch zu der im Gesetz angeordneten Rechtsfolge des Schuldbeitritts. Die
Rechtsnachfolge in § 349 Abs. 5 Satz 2 LAG bezieht sich auf die Schadensaus-
gleichsleistung, also die zurückgegebenen Vermögensgegenstände. Es ist nicht er-
kennbar, wieso eine solche Rechtsnachfolge logisch die gesamtschuldnerische Haf-
tung für die Pflicht zur Rückzahlung erhaltener Lastenausgleichsleistungen aus-
schließen soll.
Letztlich ist die Klägerin der Auffassung, eine Haftung nach § 349 Abs. 5 Satz 2 LAG
komme nur in Betracht, wenn der primär zur Rückzahlung Verpflichtete aufgrund
seiner (sonstigen) Vermögenssituation zur Erfüllung der Verpflichtung nicht in der
Lage sei. Eine solche Einschränkung enthält das Gesetz jedoch nicht. Sie ließe sich
auch praktisch kaum umsetzen, weil sie die zuständigen Behörden mit der Aufklä-
rung von Umständen belasten würde, die regelmäßig außerhalb ihres Kenntnis- und
Einflussbereichs liegen. Außerdem würde eine solche Einschränkung keinen Bezug
zum Haftungsgrund des § 349 Abs. 5 Satz 2 LAG haben, der im Erwerb von im Bei-
trittsgebiet belegenen und dem früheren Berechtigten zurückgegebenen Vermö-
gensgegenständen zu unangemessenen Bedingungen besteht.
Die Kostenentscheidung folgt auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung be-
ruht auf § 52 Abs. 1 GKG.
Kley van Schewick Dr. Dette
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