Urteil des BVerwG vom 07.11.2002

Anfang, Treppenhaus, Rechtseinheit, Obliegenheit

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BESCHLUSS
BVerwG 3 B 102.02
VG 6 K 712/00
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. November 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundes-
verwaltungsgericht Dr. B o r g s - M a c i e j e w s k i
und Dr. B r u n n
beschlossen:
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die
Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des
Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 26. März 2002
wird zurückgewiesen.
Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwer-
deverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das
Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf die Zulassungsgründe der Divergenz sowie der grundsätzli-
chen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nrn. 2 und 1 VwGO)
gestützte Beschwerde erfüllt nicht die hierfür geltenden Voraus-
setzungen.
1. Die Divergenzrüge hat keinen Erfolg, weil sie nicht hinreichend
"bezeichnet" ist (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Hierzu hätte es der
Benennung eines inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entschei-
dung tragenden abstrakten Rechtssatzes bedurft, mit dem die Vorin-
stanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung des Bundesverwaltungs-
gerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvor-
schrift widersprochen hat (vgl. Beschluss vom 21. Juni 1995
- BVerwG 8 B 61.95 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 18); für behaup-
tete Abweichungen von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes
gilt Entsprechendes (vgl. Beschluss vom 21. Januar 1994
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- BVerwG 11 B 116.93 - Buchholz 442.16 § 15 b StVZO Nr. 22). Das
Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von
Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Recht-
sprechung aufgestellt hat, genügt weder den Zulässigkeitsanforde-
rungen einer Divergenz- noch denen einer Grundsatzrüge (vgl. Be-
schluss vom 17. Januar 1995 - BVerwG 6 B 39.94 - Buchholz 421.0
Prüfungswesen Nr. 342, S. 55).
Die Beschwerde behauptet zwar eine Abweichung vom Urteil des Bun-
desverwaltungsgerichts vom 15. Dezember 1994 – BVerwG 7 C 57.93 -
(Buchholz 111 Art. 22 EV Nr. 7) sowie von den Beschlüssen vom
4. Dezember 1995 - BVerwG 7 B 407.95 - (Buchholz 111 Art. 21 EV
Nr. 13) und vom 11. November 1998 - BVerwG 3 B 140.98 - (Buchholz
428.2 § 11 Nr. 21). Sie übersieht dabei aber bereits, dass diese
Entscheidungen andere Vorschriften betrafen als die im angefochte-
nen Urteil entscheidungstragend herangezogene Vorschrift des § 1 a
Abs. 4 VZOG (i.V.m. Art. 22 Abs. 4 EV; vgl. hierzu Beschluss vom
11. Dezember 1995 - BVerwG 7 B 414.95 - Buchholz 428.2 § 1 a
Nr. 2). Eine Abweichung i.S. des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt in-
dessen regelmäßig unterschiedliche Maßstäbe zur gleichen Vor-
schrift voraus und liegt nicht bereits dann vor, wenn ein einzel-
nes Tatbestandsmerkmal (hier: Nutzung bzw. genutzt) in zwei ver-
schiedenen Vorschriften verwendet und in Entscheidungen angewendet
wird.
Die Beschwerde ergeht sich im Übrigen größtenteils in Angriffen
gegen die tatsächlichen Annahmen und rechtlichen Bewertungen des
Verwaltungsgerichts. Mit bloßer Kritik an dem angefochtenen Urteil
- selbst wenn sie berechtigt sein sollte - wird aber der Obliegen-
heit eines Beschwerdeführers, einen Zulassungsgrund zu bezeichnen,
nicht Genüge getan.
2. Auch die Grundsatzrüge hat keinen Erfolg.
Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat
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eine Rechtssache nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge-
richts nur, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung
dazu beitragen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhal-
ten oder die weitere Entwicklung des Rechts zu fördern. Die aufge-
worfene Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und in dem erstrebten
Revisionsverfahren entscheidungserheblich sein.
Die Beschwerde möchte geklärt wissen, ob als Arbeiterwohnunter-
künfte genutzte Wohnblöcke dem kommunalen Finanzvermögen zuzurech-
nen sind. Diese Frage entbehrt - jedenfalls im Rahmen des Be-
schwerdeverfahrens - deshalb der grundsätzlichen Bedeutung, weil
ihr eine Wertung zugrunde gelegt wird, die das Verwaltungsgericht
so nicht vorgenommen hat. Die Beschwerde unterstellt nämlich, die
Vorinstanz habe derartige Wohnblöcke generell dem kommunalen Fi-
nanzvermögen zugerechnet. In Wirklichkeit hat das Verwaltungsge-
richt aber entscheidungstragend auf die Besonderheiten des konkre-
ten Falles abgestellt. So wird auf Seite 8 des Urteils ausgeführt,
es habe sich "tatsächlich um selbständige Wohnungen (gehandelt),
da sie aus mehreren Räumen bestanden, einen eigenen Wohnungsein-
gang unmittelbar vom Treppenhaus her hatten und über eigene Küchen
und Nasszellen verfügten". Das Gericht geht ferner von der Annahme
aus, die betreffenden Wohnungen seien von Anfang an als Dauermiet-
wohnungen und nur vorübergehend als Arbeiterwohnunterkünfte vorge-
sehen gewesen (vgl. S. 9 f. des Urteils). Somit handelt es sich
nach Ansicht des Verwaltungsgerichts bei den streitbefangenen Ob-
jekten gar nicht um typische Arbeiterwohnunterkünfte, sondern um
Wohnungen anderen - eventuell gemischten - Charakters. Die aufge-
worfene Frage erweist sich somit als nicht entscheidungserheblich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streit-
wertfeststellung auf § 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG.
Prof. Dr. Driehaus Dr. Borgs-Maciejewski Dr. Brunn