Urteil des BVerwG vom 27.06.2008

Erbengemeinschaft, Enteignung, Anwendungsbereich, Rechtsnatur

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 101.07
VG 12 K 3143/04
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. Juni 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Dette und Prof. Dr. Rennert
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dres-
den vom 20. Juli 2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Der Kläger begehrt die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung der Erbengemein-
schaft nach seinem Vater wegen der Enteignung eines der Erbengemeinschaft
gehörenden Grundstücks. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage gegen die
ablehnenden Verwaltungsentscheidungen abgewiesen. Da der Kläger, der im
Zeitpunkt der Klageerhebung nicht zur Erbengemeinschaft gehörte, geltend
gemacht hatte, testamentarischer Erbe eines zwischenzeitlich verstorbenen
Mitglieds der Erbengemeinschaft geworden zu sein, hat das Verwaltungsgericht
insoweit eine Verletzung eigener Rechte des Klägers für möglich gehalten. Es
hat die Klagebefugnis allerdings im Hinblick auf die gegenüber den übrigen Mit-
gliedern der Erbengemeinschaft ergangenen Entscheidungen für zweifelhaft
angesehen, dies aber dahingestellt sein lassen, weil die Klage jedenfalls insge-
samt unbegründet sei; denn die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen
die auf die Vorschriften des Aufbaugesetzes gestützte Enteignung wiedergut-
zumachen sei, sei allein nach den Vorschriften des Vermögensgesetzes zu be-
urteilen.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem
Urteil bleibt ohne Erfolg.
1. Dem vorab gestellten Antrag des Klägers, das Verfahren bis zu einer Ent-
scheidung über seinen Erbscheinsantrag beim Amtsgericht D. nach § 94 VwGO
auszusetzen, kann nicht stattgegeben werden, weil jenes Verfahren hier nicht
vorgreiflich ist. Das Verwaltungsgericht hat die Erbenstellung des Klägers un-
terstellt und die Klage allein aus Sachgründen abgewiesen. Eine Aussetzung
des Verfahrens käme daher von vornherein nur in Betracht, wenn die vom Klä-
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ger erhobenen Rügen an sich berechtigt wären, aber wegen seiner nicht ab-
schließend geklärten Erbenstellung offen wäre, ob sie in einem Revisionsver-
fahren entscheidungserheblich werden können. So liegt es hier jedoch nicht;
denn es ist weder die nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO behauptete Abweichung
von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erkennbar, noch hat
die Rechtssache die hilfsweise dazu geltend gemachte grundsätzliche Bedeu-
tung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
2. a) Der Kläger sieht die Abweichung des angegriffenen Urteils von der Recht-
sprechung des Bundesverwaltungsgerichts darin, dass das Verwaltungsgericht
die Enteignung vom Anwendungsbereich des Verwaltungsrechtlichen Rehabili-
tierungsgesetzes ausgenommen und dem Vermögensgesetz zugeordnet habe,
weil sie bereits begrifflich den Verlust des Eigentums bezwecke, während das
Bundesverwaltungsgericht in mehreren Entscheidungen den Grundsatz aufge-
stellt habe, dass Rehabilitierungsbegehren, die auf die Rückgängigmachung
von Vermögensentziehungen gerichtet seien, nicht schon deswegen dem Ver-
mögensgesetz unterfielen.
Die gerügte Abweichung ist nicht erkennbar. Zwar gibt der Kläger den vom Se-
nat in seinem Urteil vom 21. Februar 2002 - BVerwG 3 C 16.01 - (BVerwGE
116, 42 <44>) aufgestellten Rechtssatz zutreffend wieder. Das Verwaltungsge-
richt hat seine Entscheidung jedoch weder unmittelbar noch mittelbar auf einen
dazu im Widerspruch stehenden Rechtssatz gestützt.
Nach der Rechtsprechung des Senats, auf die sich das Verwaltungsgericht
ausdrücklich beruft, hängt die nach § 1 Abs. 1 Satz 2 des Verwaltungsrechtli-
chen Rehabilitierungsgesetzes - VwRehaG - einander ausschließende An-
wendbarkeit des Vermögensgesetzes oder des Verwaltungsrechtlichen Rehabi-
litierungsgesetzes von dem Zweck und dem Ziel der Maßnahme ab, die zum
Verlust des Vermögensgegenstandes geführt hat (zuletzt Urteil vom 28. Fe-
bruar 2007 - BVerwG 3 C 18.06 - Buchholz 428.6 § 1 VwRehaG Nr. 9, unter
Berufung auf die Urteile vom 21. Februar 2002 a.a.O. und vom 23. August 2001
- BVerwG 3 C 39.00 - Buchholz a.a.O. Nr. 3 = VIZ 2002, 25). Ansprüche nach
dem Vermögensgesetz setzen Maßnahmen voraus, die zielgerichtet den
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Entzug des zurückverlangten Gegenstandes bezweckt haben. Demgegenüber
zielten die in § 1 VwRehaG angesprochenen Unrechtsmaßnahmen, selbst
wenn sie ebenfalls Vermögensverluste ausgelöst haben, primär auf andere
Zwecke und sind durch grob rechtsstaatswidrige Eingriffe in die Persönlich-
keitssphäre des Geschädigten gekennzeichnet. Die vom Kläger beanstandete
Aussage des Verwaltungsgerichts, Enteignungen seien als zielgerichtete Eigen-
tumszugriffe von der verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung ausgeschlossen,
kann vor dem Hintergrund dieser vom Verwaltungsgericht zitierten Rechtspre-
chung des Senats und unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten
Falles nur dahin verstanden werden, dass solche Maßnahmen immer dann dem
Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes zuzuordnen sind, wenn sie durch
den Eigentumsentzug gekennzeichnet sind, dieser also nicht bloße, wenn auch
nicht unbeabsichtigte Nebenfolge eines auf die Person gerichteten Angriffs ist.
Dies trifft typischerweise auf Enteignungen zu, die - wie hier - auf die
Vorschriften des Aufbaugesetzes gestützt waren; denn deren gesetzlich
vorgegebener Zweck war von der Person des Eigentümers unabhängig. War
dieser Zweck im Einzelfall nur vorgeschoben, ist die Maßnahme als unlautere
Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 Vermögensgesetz - VermG - zu qualifi-
zieren; ihrer Rechtsnatur nach bleibt sie auch in diesem Fall ein Eigentums-
zugriff nach dem Aufbaugesetz, der von den Vorschriften des Vermögensge-
setzes erfasst wird. Nur in diesem Sinne können die Ausführungen des Verwal-
tungsgerichts begriffen werden. Damit stehen sie auch nicht im Widerspruch zu
dem Rechtssatz des Senats, dass Rehabilitierungsbegehren, die auf die Rück-
gängigmachung von Vermögensentziehungen gerichtet sind, nicht allein des-
wegen dem Vermögensgesetz unterfallen; denn sie schließen keineswegs aus,
dass sich die Wiedergutmachung eines Eigentumszugriffs, der sich - anders als
hier - als Nebenfolge einer gegen die Person gerichteten Verfolgungsmaßnah-
me darstellt, nach den Vorschriften des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitie-
rungsgesetzes richtet.
b) Da der Rechtsstreit insoweit auch keine Fragen aufwirft, die in der bisherigen
höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht geklärt sind, kommt die hilfsweise be-
gehrte Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ebenfalls nicht in
Betracht.
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Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat gemäß
§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestset-
zung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG.
Kley
Dr. Dette
Prof. Dr. Rennert
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