Urteil des BVerwG vom 24.09.2009

Ermessen, Ausnahme, Akte, Sperre

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 20 F 6.09
OVG 8 F 432/08
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts für Entscheidungen nach
§ 99 Abs. 2 VwGO
am 24. September 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke
und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Buchheister
beschlossen:
Das Zwischenverfahren wird eingestellt.
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des
Saarlandes vom 15. Mai 2009 ist mit Ausnahme der
Streitwertfestsetzung wirkungslos.
Die Kosten des gesamten Zwischenverfahrens werden
gegeneinander aufgehoben. Ausgenommen sind die
außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser
selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Das Verfahren ist durch den Tod des Klägers nicht gemäß § 173 Satz 1 VwGO
in Verbindung mit § 239 Abs. 1 ZPO unterbrochen worden; denn der Kläger war
durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten und dieser hat keinen Ausset-
zungsantrag gestellt (vgl. § 246 Abs. 1 ZPO). In einem solchen Fall wird das
Verfahren mit Wirkung für und gegen die - noch unbekannten - Erben fortge-
führt (BGH, Urteile vom 19. Februar 2002 - VI ZR 394/00 - NJW 2002, 1430 f.,
vom 8. Februar 1993 - II ZR 62/92 - NJW 1993, 1654 f. und vom 5. Februar
1958 - IV ZR 204/57 - MDR 1958, 319 f.; Greger, in: Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009,
§ 246 Rn. 2b; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2005, § 246 Rn. 9; vgl. auch
VGH Mannheim, Beschluss vom 16. Februar 1983 - 10 S 1178/80 - NJW 1984,
195 f.).
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Nachdem das Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO in der Hauptsache für erledigt
erklärt wurde, ist es entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Die
Erledigungserklärung des Prozessbevollmächtigten des verstorbenen Klägers,
dessen Prozessvollmacht gemäß § 86 ZPO fortbesteht, ist als Erklärung der
- noch unbekannten - Erben wirksam. Die Vorentscheidung ist mit Ausnahme
der Streitwertfestsetzung wirkungslos (§ 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1
ZPO).
Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem
Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu
entscheiden. In der Regel entspricht es billigem Ermessen, gemäß dem Grund-
satz des § 154 Abs. 1 VwGO dem Beteiligten die Verfahrenskosten aufzuerle-
gen, der ohne die Erledigung in dem Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen
wäre. Der in § 161 Abs. 2 VwGO zum Ausdruck kommende Grundsatz der Pro-
zesswirtschaftlichkeit befreit jedoch nach Erledigung des Verfahrens das Ge-
richt von dem Gebot, anhand eingehender Erwägungen doch noch über den
Streitstoff zu entscheiden. Der vorliegende Fall betraf die Berechtigung der Zu-
rückhaltung von zahlreichen unterschiedlichen Schriftstücken. Der Senat hatte
eine erste Sperrerklärung des Beigeladenen mit Beschluss vom 26. Mai 2008
(BVerwG 20 F 45.07) für rechtswidrig erachtet, weil ohne nähere Differenzie-
rung der gesamte Akteninhalt gesperrt worden war. Mit der nunmehr streitge-
genständlichen Sperrerklärung hat der Beigeladene eine differenzierte Ent-
scheidung getroffen, in der bezogen auf jede einzelne Seite der umfangreichen
Akte eine vollständige oder teilweise Freigabe oder eine Sperre ausgesprochen
und begründet worden ist. Ob und inwieweit diese Sperrerklärung voraussicht-
lich rechtmäßig gewesen ist, lässt sich nicht ohne weiteres feststellen, sondern
bedürfte einer in die Einzelheiten gehenden Prüfung. Es ist jedoch nicht Aufga-
be der Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO, der Frage weiter nach-
zugehen, zu welcher Entscheidung das Gericht in einem rechtlich nicht eindeu-
tigen Streitfall ohne das erledigende Ereignis voraussichtlich gekommen wäre.
Bei einer solchen Lage entspricht es vielmehr billigem Ermessen, die Kosten
des gesamten Verfahrens gegeneinander aufzuheben (vgl. Beschlüsse vom
28. Oktober 1992 - BVerwG 11 C 30.92 - Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 98 und
vom 28. Juni 1991 - BVerwG 1 C 15.89 - RdE 1992, 114).
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Die Entscheidung über die Kosten des Beigeladenen beruht auf § 162 Abs. 3
VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG.
Dr. Bardenhewer
Dr. Bumke
Buchheister
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