Urteil des BVerwG vom 22.03.2007

Hauptsache, Rechtliches Gehör, Gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung, Innerstaatliches Recht

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 20 F 4.06 (20 F 8.03)
OVG 13a D 80/02
BVerfG 1 BvR 2111/03
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts
für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO
am 22. März 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dawin
und Dr. Kugele
beschlossen:
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Die Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss
des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-
Westfalen vom 2. Oktober 2002 wird zurückgewiesen.
Die Kosten dieses Zwischenverfahrens trägt die Beigela-
dene.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zwischen-
verfahren auf 4 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
I
Gegenstand dieses Zwischenverfahrens ist ein Bescheid der Beklagten vom
11. Juni 2002 - 03d B 1961 -. Mit diesem hatte die damalige Regulierungsbe-
hörde für Telekommunikation und Post angeordnet, dass in dem Rechtsstreit
VG Köln 1 K 1749/99, in dem die Klägerinnen gegen die Festsetzung der Ent-
gelte für den Zugang zu Teilnehmeranschlussleitungen geklagt hatten, be-
stimmte Aktenstücke ihrer Verwaltungsvorgänge ungeschwärzt offengelegt
werden dürfen. Den Antrag der Beigeladenen auf Feststellung der Rechtswid-
rigkeit dieser Anordnung hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts für
Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO als unstatthaft verworfen. Die Be-
schwerde hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 15. August
2003 zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, der Antrag der Beigeladenen auf
Feststellung, dass die Offenlegung von Teilen der Behördenakten rechtswidrig
sei, sei bei gebotener verfassungskonformer Auslegung des § 99 Abs. 2 Satz 1
VwGO statthaft. Der Antrag sei jedoch unbegründet. Auf die Verfassungsbe-
schwerde der Beigeladenen hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt,
dass der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts sowie die Entscheidung
der damaligen Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom
11. Juni 2002 die Beigeladene in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG ver-
letzen. Das Bundesverfassungsgericht hat den Beschluss des Bundesverwal-
tungsgerichts aufgehoben und die Sache an das Bundesverwaltungsgericht
zurückverwiesen. Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt: Die Daten,
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deren Offenlegung das Bundesverwaltungsgericht gebilligt habe, seien durch
Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beige-
ladenen. Es bestehe ein Konflikt zwischen dem Staat in Gestalt der Regulie-
rungsbehörde, den Klägerinnen als potentiell zur Entgeltzahlung Verpflichtete
mit ihrem Interesse an effektivem Rechtsschutz bei der Überprüfung der Ent-
gelthöhe, die ihrerseits auf ihre Berufsausübung zurückwirke, sowie der Beige-
ladenen als Trägerin der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Betriebs- und
Geschäftsgeheimnisse und als Berechtigte zur Entgelterhebung, die ebenfalls
ein Interesse an effektivem Rechtsschutz im Rechtsstreit um die Entgeltge-
nehmigung habe. In diesem Interessenwiderstreit müssten die kollidierenden
Rechtsgüter und rechtlich geschützten Interessen mit dem Gewicht, dass sie in
der konkreten Situation hätten, gegeneinander abgewogen werden. Nicht zu-
lässig sei es, einem Gesichtspunkt, etwa dem des effektiven Rechtsschutzes
nach Art. 19 Abs. 4 GG, in der Weise von vornherein ein größeres Gewicht zu-
zusprechen, dass die Vorlage sämtlicher Unterlagen als die gesetzlich gewollte
Regel und die Verweigerung wegen Geheimnisschutzes als begründungsbe-
dürftige Ausnahme angesehen werde. So aber sei der Fachsenat verfahren.
Weil der Gesetzgeber das „in camera“-Verfahren ausdrücklich auf das Zwi-
schenverfahren beschränkt habe, sei eine analoge oder eine verfassungskon-
forme Auslegung des § 99 VwGO mit dem Ergebnis eines „in camera“-
Verfahrens auch in der Hauptsache nicht möglich.
II
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
1. Der mit ihr weiter verfolgte Antrag der Beigeladenen ist statthaft.
§ 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO beschränkt das Antragsrecht nicht auf die Verweige-
rung der Vorlage von Urkunden oder Akten durch die zuständige Behörde im
Verwaltungsstreitverfahren. Der missglückte Wortlaut dieser Vorschrift gibt da-
für nicht genügend her. Sinnzusammenhang, Zweck und Entstehungsgeschich-
te gebieten vielmehr ihre erweiternde Auslegung in dem Sinne, dass auch die
behördlich angeordnete Offenlegung von Akten erfasst wird. Allein diese Aus-
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legung ist auch verfassungskonform. Das ergibt sich aus den nachfolgenden,
vom Fachsenat bereits in seinem Beschluss vom 15. August 2003 niedergeleg-
ten Erwägungen:
Über die Vorlage von Akten oder Urkunden, die Betriebs- oder Geschäftsge-
heimnisse eines Verfahrensbeteiligten enthalten, an das Gericht der Hauptsa-
che entscheidet nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO die zuständige Behörde. Diese
hat eine Ermessensentscheidung zu treffen, bei der die im Widerstreit stehen-
den Interessen an der Offenlegung der Akten oder Urkunden einerseits und an
der Wahrung der in ihnen enthaltenen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse
andererseits gegeneinander abzuwägen sind. Daran haben die Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 1999
- 1 BvR 385/90 - BVerfGE 101, 106 <124 ff.>) und die ihr Rechnung tragende
Änderung lediglich des Absatzes 2 des § 99 VwGO nichts geändert. Die
Ermessensentscheidung hat der zuständige Fachsenat des Oberverwaltungs-
gerichts auf Antrag eines Beteiligten nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO in einem
Zwischenverfahren zu überprüfen. Dessen Beschluss kann selbstständig mit
der Beschwerde angefochten werden (§ 99 Abs. 2 Satz 12 VwGO). Das gilt
auch für den Fall, dass der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts die Vorlage
der Urkunden oder Akten für geboten hält. Eine Beschränkung des Antrags-
rechts nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO auf die Verweigerung der Akten- oder
Urkundenvorlage durch die Behörde stünde dazu in offenbarem Widerspruch.
Sie widerspräche zudem offensichtlich dem mit der Einführung des „in camera“-
Verfahrens durch den neu gefassten § 99 Abs. 2 VwGO verfolgten Zweck, legi-
timen Geheimhaltungsbedürfnissen dadurch Rechnung zu tragen, dass die
Kenntnisnahme des Inhalts der Akten oder Urkunden im Zwischenstreit um ihre
Vorlage auf die Fachsenate beschränkt bleibt (vgl. BVerfG, Beschluss vom
27. Oktober 1999 a.a.O. S. 128). Da § 99 VwGO für sämtliche verwaltungsge-
richtlichen Verfahren gilt, bestünde für denjenigen Verfahrensbeteiligten, der
sich gegen die von der Behörde beabsichtigte Preisgabe seiner Geschäfts-
oder Betriebsgeheimnisse im Verfahren zur Wehr setzen will, auch kein ander-
weitiger Rechtsschutz. Die Verweisung der Beigeladenen auf vermeintliche
Rechtsschutzmöglichkeiten durch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung (§ 123 VwGO) oder eine vorbeugende Unterlassungsklage stellt
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einen Zirkelschluss dar. Eine Aktenvorlagepflicht der Behörde in diesen Verfah-
ren nähme die Entscheidung zu Ungunsten des Geheimnisschutzsuchenden
wegen des Akteneinsichtsrechts der anderen Beteiligten (§ 100 VwGO) vorweg.
Ein Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO bei einer auf die Untersagung
der Aktenvorlage wegen Geheimnisschutzes gerichteten Klage oder einem An-
trag nach § 123 VwGO setzte wiederum das Antragsrecht des sich gegen die
Offenlegung durch die Behörde wendenden Klägers oder Antragstellers nach
§ 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO voraus.
Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, diese Vorschrift versage das An-
tragsrecht gegenüber der Aktenvorlage durch die Behörde, verbietet sich des-
wegen auch mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG. Dessen Gewährleistung eines
möglichst lückenlosen Rechtsschutzes gegen Verletzungen der Individual-
rechtssphäre durch Eingriffe der öffentlichen Gewalt ist besonders bedeutsam,
wenn es um die Abwehr von Verletzungen grundrechtlich geschützter Geheim-
nisse geht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 1999 a.a.O. S. 122 f.).
2. Der Antrag ist aber nicht begründet. Die von der Beklagten angeordnete Of-
fenlegung der umstrittenen Aktenstücke ist rechtmäßig. Dies folgt aus der ge-
botenen gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung der Vorschrift des § 99
Abs. 1 Satz 2 VwGO. Diese Vorschrift ist gemäß § 150 Abs. 14 des Telekom-
munikationsgesetzes i.d.F. vom 22. Juni 2004 (BGBl I S. 1190) auf den vorlie-
genden, am 24. Mai 2002 und damit vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes am
26. Juni 2004 (vgl. § 152 Abs. 1 Satz 1 TKG) anhängig gewordenen Antrag im
Zwischenverfahren anzuwenden.
Nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann die oberste Aufsichtsbehörde der am
Rechtsstreit auf der Beklagtenseite beteiligten Behörde die Vorlage von Urkun-
den oder Behördenakten im Prozess u.a. dann verweigern, wenn diese Urkun-
den oder Akten ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen. Ihrem
Wesen nach geheim zu halten sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Das
sind alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge,
die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Kreis zugänglich sind und
an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat
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(BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03 und 1 BvR 2111/03 -
BVerfGE 115, 205 <230>). Ob die Angaben, welche die technischen und die
kaufmännischen Aspekte der Geschäftstätigkeit der Beigeladenen betreffen und
sich auf die Verhältnisse im Jahre 1998 und früher beziehen, Rückschlüsse auf
das gegenwärtige technische und kaufmännische Wissen der Beigeladenen,
auf ihre gegenwärtigen geschäftlichen Pläne und Absichten erlauben und
deshalb einem Wettbewerber nicht bekannt werden dürfen, kann unentschieden
bleiben. Handelt es sich bei den acht und mehr Jahre alten Angaben nicht um
Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, ist für eine Weigerung, die Be-
hördenakten im Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht Köln vorzulegen,
schon deshalb kein Raum. Aber auch wenn die offengelegten Akten Betriebs-
oder Geschäftsgeheimnisse enthalten sollten, ist die Offenlegung rechtmäßig.
Denn § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist in Fällen, in denen es um die Vorlage von
Akten der Regulierungsbehörde in einem Rechtsstreit gegen Entscheidungen
dieser Behörde geht, von dem Nutzer oder Anbieter elektronischer Kommunika-
tionsnetze und/oder -dienste betroffen sind, dahin auszulegen, dass die zu-
ständige oberste Aufsichtsbehörde kein Ermessen hinsichtlich der Aktenvorlage
besitzt, die Akten vielmehr vorgelegt werden müssen.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 14. März 2006
- 1 BvR 2087/03, 1 BvR 2111/03 - (a.a.O. S. 232 ff.) im Einzelnen dargestellt,
inwiefern die Verfassungsrechtsgüter aus Art. 20 Abs. 3 GG sowie die verfas-
sungsrechtlich geschützten Interessen der Beigeladenen einerseits und der
Klägerinnen andererseits in dem dreipoligen Rechtsverhältnis, das mit der Er-
hebung der Klage gegen die Genehmigung des Entgelts durch die Regulie-
rungsbehörde zustande gekommen ist, eine Konfliktlage haben entstehen las-
sen. Das Bundesverfassungsgericht hat ferner die Gesichtspunkte genannt,
deren Gewicht im konkreten Fall die Abwägungsentscheidung nach § 99 Abs. 1
Satz 2 VwGO bestimmt, nämlich das verfassungsrechtlich geschützte Interesse
an effektivem Rechtsschutz und das gleichfalls verfassungsrechtlich geschützte
Geheimhaltungsinteresse des regulierten Unternehmens. Fällt die erforderliche
Abwägung zugunsten des Geheimhaltungsinteresses aus, so verstößt der mit
der Vorlage der Akten an das Gericht verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit
des Unternehmens gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mit der Fol-
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ge, dass die Vorlage zu unterbleiben hat. Das bedeutet, dass das Gericht nach
nationalem deutschem Recht über die Rechtmäßigkeit des festgesetzten Zu-
gangsentgelts ohne vollständige Kenntnis des Inhalts der einschlägigen Verwal-
tungsakten der Regulierungsbehörde entscheiden muss.
Nach dem - vom Bundesverfassungsgericht nicht geprüften - Europäischen
Gemeinschaftsrecht ist eine unter derartigen Umständen zustande gekommene
Entscheidung des Gerichts der Hauptsache jedoch nicht zulässig.
Bestimmungen zum Verfahren der Überprüfung der Entscheidungen, welche
die Regulierungsbehörde gegenüber einem Anbieter oder Nutzer eines elektro-
nischen Kommunikationsnetzes oder -dienstes gefasst hat, hatte für die Zeit bis
zum 24. Juli 2003 Art. 5a Abs. 3 der Richtlinie des Rates vom 28. Juni 1990 zur
Verwirklichung des Binnenmarktes für Telekommunikationsdienste durch Ein-
führung eines offenen Netzzugangs (Open Network Provision - ONP)
(90/387/EWG) getroffen. Ab dem 25. Juli 2003 ist maßgebend Art. 4 Abs. 1 der
Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für effektive Kommuni-
kationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie). Art. 5a Abs. 3 ONP-Richtlinie und
Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Rahmenrichtlinie legen übereinstimmend fest, dass es in
den Mitgliedstaaten „geeignete“ bzw. „wirksame“ Verfahren geben muss, nach
denen ein von einer Entscheidung der Regulierungsbehörde Betroffener einen
Rechtsbehelf gegen diese Entscheidung einlegen kann. In Art. 4 Abs. 1 Satz 2
und 3 Rahmenrichtlinie ist zum Erfordernis der „Wirksamkeit“ des Rechtsbe-
helfsverfahrens bestimmt, dass die über den Rechtsbehelf entscheidende Stelle
über den von der Aufgabe geforderten angemessenen Sachverstand verfügen
und das Rechtsbehelfsverfahren insgesamt so ausgestaltet sein muss, dass
den Umständen des Falles angemessen Rechnung getragen wird und
wirksame Einspruchsmöglichkeiten gegeben sind. Damit stellen Art. 4 Abs. 1
Satz 2 und 3 Rahmenrichtlinie lediglich eine Konkretisierung und Klarstellung
des in Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift statuierten Erfordernisses der „Wirksamkeit“
des Rechtsbehelfsverfahrens dar. Im Sinne dieser Klarstellung ist auch der
Begriff der „Geeignetheit“ des Rechtsbehelfsverfahrens in Art. 5a Abs. 3 ONP-
Richtlinie zu verstehen. Auch diesem Erfordernis ist, ohne dass dies in der
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ONP-Richtlinie ausdrücklich ausgesprochen sein muss, nur genügt, wenn die
entscheidende Stelle über den angemessenen Sachverstand verfügt und das
Rechtsbehelfsverfahren insgesamt so ausgestaltet ist, dass den Umständen
des Falles angemessen Rechnung getragen wird. Deshalb hat das, was der
Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 13. Juli 2006 - Rs C-438/04 -
Mobistar (CR 2006, 669 mit Anmerkung Schütze a.a.O. S. 665) zur Auslegung
des Art. 4 Abs. 1 Rahmenrichtlinie ausgeführt hat, der Sache nach auch Gültig-
keit für Art. 5a Abs. 3 ONP-Richtlinie.
Nach diesem Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist Art. 4 Rahmenrichtlinie
dahin auszulegen, dass die Stelle, die zur Entscheidung über Rechtsbehelfe
gegen die Entscheidungen der nationalen Regulierungsbehörde berufen ist,
über sämtliche für die Prüfung der Begründetheit eines Rechtsbehelfs nötigen
Informationen verfügen muss, einschließlich etwaiger vertraulicher Informatio-
nen, die die Regulierungsbehörde beim Erlass der Entscheidung, die Gegen-
stand des Rechtsbehelfs ist, berücksichtigt hat. Diese Stelle hat jedoch die ver-
trauliche Behandlung der betreffenden Angaben zu gewährleisten und dabei die
Erfordernisse eines effektiven Rechtsschutzes zu beachten und die Wahrung
der Verteidigungsrechte der am Rechtsstreit Beteiligten sicherzustellen. Mit
diesem Inhalt sind Art. 4 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie, die bei der Stellung des
Antrags der Beigeladenen nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO bereits galt, im
Zwischenverfahren sowie Art. 5a Abs. 3 ONP-Richtlinie und Art. 4 Abs. 1 Rah-
menrichtlinie im Verfahren der Hauptsache zu beachten.
Ob dieser Regelung, die trotz Ablaufs der Umsetzungsfristen bisher nicht in
deutsches Recht umgesetzt worden ist, unmittelbare Wirkung zukommt, kann
offenbleiben. Jedenfalls begründete und begründet sie aufgrund ihrer bloßen
Existenz als gültiges sekundäres Gemeinschaftsrecht die Verpflichtung der
deutschen Gerichte, in Prozessen der in der Richtlinie genannten und auch hier
vorliegenden Art das deutsche Recht in Übereinstimmung mit ihr auszulegen.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs folgt das Gebot eu-
roparechtskonformer Auslegung bei versäumter oder unzureichender Umset-
zung einer Richtlinie in innerstaatliches Recht aus der Verpflichtung der Mitglie-
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der aus Art. 249 Abs. 3 EG, die in einer Richtlinie aufgestellten Ziele zu errei-
chen, und der sich aus Art. 10 EG ergebenden Obliegenheit, alle zur Erfüllung
dieser Verpflichtung geeigneten Maßnahmen zu ergreifen. Das Gebot der eu-
roparechtskonformen Auslegung trifft alle Träger öffentlicher Gewalt in den Mit-
gliedstaaten und damit im Rahmen ihrer Zuständigkeit auch die Gerichte
(EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 - Rs. C-379/01 bis 403/01 - Slg 2004,
I-8878 Rn. 110 m.w.N.). Das nationale Gericht muss das innerstaatliche Recht
soweit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie ausle-
gen, um das in ihr festgelegte Ergebnis zu erreichen und so Art. 249 Abs. 3 EG
nachzukommen (EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 a.a.O. Rn. 113). Der
Grundsatz der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung des nationalen
Rechts verlangt, dass das nationale Gericht nicht nur die zur Umsetzung der
Richtlinie erlassenen Bestimmungen, sondern das gesamte nationale Recht so
auslegt, dass seine Anwendung nicht zu einem der Richtlinie widersprechenden
Ergebnis führt (EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 a.a.O. Rn. 115). Die
Verpflichtung zur gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung setzt nicht voraus,
dass die Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend bestimmt und ihr unmit-
telbare Wirkung eigen ist (vgl. Beschluss vom 30. April 2003 - BVerwG 6 C
6.02 - BVerwGE 118, 128 <140> m.w.N.).
Weil gemäß Art. 4 Abs. 1 Rahmenrichtlinie und Art. 5a Abs. 3 ONP-Richtlinie
nach der maßgebenden Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof das
Gericht, das über Klagen gegen Entscheidungen der Regulierungsbehörde be-
findet, über sämtliche für die Prüfung der Begründetheit dieses Rechtsbehelfs
nötigen Informationen einschließlich etwaiger vertraulicher Informationen, wel-
che die Regulierungsbehörde bei Erlass der angefochtenen Entscheidung be-
rücksichtigt hat, verfügen muss, ist die durch § 99 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1
VwGO eröffnete Möglichkeit, dass die zuständige Behörde die Vorlage der vom
Gericht zur Sachverhaltsaufklärung benötigten Akten wegen eines darin enthal-
tenen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses verweigert, durch Gemeinschafts-
recht verschlossen. Dies bedeutet, dass § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO, wenn seine
Anwendung in Rechtsstreitigkeiten wegen einer Entscheidung der Regulie-
rungsbehörde in den Angelegenheiten eines Nutzers oder Anbieters elektroni-
scher Kommunikationsnetze oder -dienste in Frage steht, dahin auszulegen ist,
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dass der Behörde kein Ermessen zusteht, ob sie die Akten vorlegt oder zurück-
hält, sondern dass sie ihr Ermessen wegen der ermessensverengenden Wir-
kung des höherrangigen Gemeinschaftsrechts zwingend im Sinne der Akten-
vorlage ausüben muss. Mit diesem gemeinschaftsrechtskonformen Inhalt gilt
§ 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO für das Verfahren zur Hauptsache und das Zwi-
schenverfahren. Die Vorenthaltung von Aktenbestandteilen und die Vorlage
geschwärzter Seiten der behördlichen Akten sind deshalb nach Prozessrecht
unzulässig und damit entgegen dem Antrag der Beigeladenen im Zwischenver-
fahren rechtswidrig.
Der vorstehend dargelegten gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung (und
Anwendung) des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO steht die Bindungswirkung (§ 31
Abs. 1 BVerfGG) des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom
14. März 2006 nicht entgegen, weil diese Wirkung auf die nationale Grund-
rechtsprüfung beschränkt ist. Enthält das sekundäre Gemeinschaftsrecht - wie
hier - zwingende Vorgaben für das nationale Verwaltungshandeln, so ist es
nicht an dem vom Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 14. März 2006
allein angelegten Maßstab der deutschen Grundrechte zu überprüfen, es sei
denn, dass die Europäischen Gemeinschaften und insbesondere die Recht-
sprechung des Gerichtshofs der Gemeinschaften einen wirksamen Grund-
rechtsschutz gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften generell ver-
missen lassen, der dem vom Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grund-
rechtsschutz im Wesentlichen gleich zu achten ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom
22. Oktober 1986 - 2 BvR 197/83 - BVerfGE 73, 339 <378 ff.>; Urteil vom
12. Oktober 1993 - 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92 - BVerfGE 89, 155 <174 f.>;
Beschluss vom 7. Juni 2000 - 2 BvL 1/97 - BVerfGE 102, 147 <164>). Für ein
solches Schutzdefizit fehlt es derzeit an jedem Anhaltspunkt. Allerdings ist das
sekundäre Gemeinschaftsrecht - gewissermaßen anstelle der Prüfung am
Maßstab der deutschen Grundrechte - am höherrangigen Gemeinschaftsrecht
einschließlich der gemeinschaftsrechtlich gewährleisteten Grundrechte zu mes-
sen, zu denen auch die Berufsfreiheit gehört (vgl. Urteil vom 30. Juni 2005
- BVerwG 7 C 26.04 - BVerwGE 124, 47 <56 f., 62>). Dem gemeinschaftsrecht-
lichen Grundrecht der Berufsfreiheit und dem damit gewährleisteten Schutz von
Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen trägt der Europäische Gerichtshof in sei-
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ner mehrfach zitierten Entscheidung vom 13. Juli 2006 (a.a.O.) in der Weise
Rechnung, dass er das Gericht der Hauptsache, dem aufgrund von Art. 4
Abs. 1 Rahmenrichtlinie Akten mit Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen vorzu-
legen sind, als verpflichtet ansieht, die Vertraulichkeit der betreffenden Angaben
im gesamten weiteren Rechtsstreit zu wahren; zugleich hält er dieses Gericht
auch für verpflichtet, die Erfordernisse eines effektiven Rechtsschutzes zu
beachten und die Verteidigungsrechte der am Rechtsstreit Beteiligten zu wah-
ren (vgl. zur Rechtsschutzgarantie näher: EuGH, Urteil vom 19. September
2006 - Rs. C-506/04 - NJW 2006, 3697 Rn. 45). Mit diesen Maßgaben ent-
spricht die Pflicht der Behörde zur Aktenvorlage den Anforderungen des ge-
meinschaftsrechtlichen Grundrechtsschutzes. Ebenso geht das Bundesverfas-
sungsgericht in seinem Beschluss vom 14. März 2006 (a.a.O. S. 239 f.) davon
aus, dass ein „in camera“-Verfahren in der Hauptsache, wie es der Europäische
Gerichtshof aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen für erforderlich hält, nicht
gegen die in Betracht kommenden nationalen Grundrechte verstößt, weil es
einerseits einen ausreichenden Geheimnisschutz gewährleistet, ohne anderer-
seits den Anspruch der Verfahrensbeteiligten auf effektiven Rechtsschutz und
auf rechtliches Gehör zu verletzen.
Mit der Entscheidung des Senats im vorliegenden Zwischenstreit steht fest,
dass die zuständige Behörde die umstrittenen Aktenteile ungeachtet dessen zu
Recht offengelegt hat, ob diese - auch heute noch - Betriebs- oder Geschäfts-
geheimnisse enthalten. Sie müssen dem Verwaltungsgericht auf dessen Ver-
langen zur Verfügung stehen, damit es sie bei seiner Entscheidung in der
Hauptsache verwerten kann. Andererseits ist das Verwaltungsgericht kraft Ge-
meinschaftsrechts verpflichtet, in dem nötigen Umfang die Vertraulichkeit der
Angaben in den Akten zu wahren und dabei auch den sonstigen vom Europäi-
schen Gerichtshof beschriebenen grundrechtlichen Anforderungen gerecht zu
werden. Die Möglichkeit hierzu bietet ihm das Verfahren nach § 138 TKG, der
seit dem Inkrafttreten des novellierten Telekommunikationsgesetzes am
26. Juni 2004 den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen in tele-
kommunikationsrechtlichen Streitigkeiten anstelle von § 99 VwGO spezialge-
setzlich regelt. § 150 Abs. 14 TKG, wonach auf Anträge nach § 99 Abs. 2
VwGO das bisherige Recht anzuwenden ist, steht jedenfalls bei der gebotenen
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gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung der Anwendung von § 138 TKG
nach dem Abschluss des vorliegenden Zwischenverfahrens nicht entgegen.
Diese Vorschrift ist - wiederum auf der Grundlage einer gemeinschaftsrechts-
konformen Auslegung - dahin zu verstehen, dass sie ein „in camera“-Verfahren
gestattet und vorsieht, das sich über den Zwischenstreit wegen der Aktenvorla-
ge hinaus auf den Rechtsstreit in der Hauptsache selbst erstreckt.
Gemäß § 138 Abs. 2 Satz 1 TKG entscheidet über die Vorlage von Unterlagen
auf Antrag eines Beteiligten das Gericht der Hauptsache. Die Regulierungsbe-
hörde hat die Unterlagen auf Aufforderung des Gerichts vorzulegen (§ 138
Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 TKG), wobei § 100 VwGO, der den Verfahrensbeteiligten
das Recht zur Einsicht in die vom Gericht beigezogenen Akten gewährt, keine
Anwendung findet (§ 138 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 TKG). Die Mitglieder des
Gerichts sind zur Geheimhaltung verpflichtet (§ 138 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1
TKG); ferner dürfen die Entscheidungsgründe Art und Inhalt der geheim gehal-
tenen Unterlagen nicht erkennen lassen (§ 138 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 TKG).
Diese Vorschriften sind nach ihrem Wortlaut nicht zwingend so zu verstehen,
dass die gebotene Geheimhaltung nur das Zwischenverfahren betrifft, sondern
lassen auch ein weitergehendes, den Rechtsstreit in der Hauptsache einbezie-
hendes Verständnis zu. Namentlich ist das Wort „Entscheidungsgründe“ in
§ 138 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 TKG für eine Auslegung dahin offen, dass darun-
ter nicht nur die Gründe für die Entscheidung im Zwischenstreit, sondern auch
diejenigen für die Entscheidung in der Hauptsache verstanden werden.
Allerdings lässt § 99 VwGO, der für telekommunikationsrechtliche Streitigkeiten
durch § 138 TKG ersetzt wurde, nach der Rechtsprechung des Fachsenats (vgl.
Beschluss vom 15. August 2003 - BVerwG 20 F 3.03 - BVerwGE 118, 352
<356>) und des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss vom 14. März 2006
a.a.O. S. 240) keine Auslegung im Sinne eines „in camera“-Verfahrens auch in
der Hauptsache zu. Das hat der Fachsenat (a.a.O.) aus dem Umstand
abgeleitet, dass § 99 Abs. 2 VwGO die gerichtlichen Befugnisse zur Überprü-
fung der behördlichen Entscheidung über die Aktenvorlage auf die Fachsenate
beschränkt hat, die im Zwischenverfahren abschließend darüber entscheiden,
ob Akten, die Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse enthalten, im Hauptsache-
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verfahren vorgelegt und verwertet werden dürfen. Zwar hat der Gesetzgeber bei
der Formulierung des neuen § 138 TKG die Grenzziehung zwischen dem „in
camera“-Verfahren im Zwischen- und im Hauptsacheverfahren dadurch ab-
geschwächt, dass er im Gegensatz zu § 99 Abs. 2 VwGO nunmehr dem Gericht
der Hauptsache die Entscheidung über die Aktenvorlage zugewiesen hat (vgl.
BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 a.a.O. S. 240). Doch blieb er ersichtlich
dem in § 99 Abs. 2 VwGO realisierten Verfahrensmodell des „in camera“-
Verfahrens (nur) im Zwischenverfahren verhaftet. Das ergibt sich insbesondere
aus dem in § 138 Abs. 2 Satz 2 TKG für die Entscheidung über die Aktenvorla-
ge formulierten Abwägungsprogramm und darüber hinaus auch aus dem in §
138 Abs. 4 TKG - freilich nur für den Fall der Nichtvorlage der Akten - normier-
ten Verbot der Verwertung des Akteninhalts bei der Entscheidung zur Hauptsa-
che. Diese Regelungen lassen erkennen, dass der Gesetzgeber bei der Formu-
lierung des § 138 TKG nicht grundlegend anders als in § 99 Abs. 2 VwGO von
einer abschließenden, im Wesentlichen mittels einer umfassenden gerichtlichen
Interessenabwägung zu erzielenden Klärung der Geheimhaltungsbedürftigkeit
des Akteninhalts im Zwischenverfahren sowie von der Vorstellung ausging,
dass das weitere Verfahren im Falle der Verneinung der Ge-
heimhaltungsbedürftigkeit durch die allgemeinen Vorschriften, insbesondere
durch § 100 VwGO, bestimmt wird.
Gleichwohl ist § 138 TKG in dem dargelegten Sinne gemeinschaftsrechtskon-
form auszulegen. Denn die Möglichkeit einer solchen Auslegung endet erst
dort, wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzge-
bers in Widerspruch treten würde (vgl. zur verfassungskonformen Auslegung
BVerfG, Urteil vom 14. Dezember 1999 - 1 BvR 1327/98 - BVerfGE 101, 312
<329>). Diese Grenzen werden durch die in Rede stehende gemeinschafts-
rechtskonforme Auslegung nicht überschritten. Denn der Wortlaut des § 138
TKG lässt sie, wie dargelegt, zu. Ebenso wenig wird der Zweck der Vorschrift
verfehlt. Der Gesetzgeber wollte mit § 138 TKG, wie aus dessen Entstehungs-
geschichte hervorgeht (vgl. BTDrucks 15/2316 S. 102 f.) den Schutz der Be-
triebs- und Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen in einer den Besonderhei-
ten der telekommunikationsrechtlichen Streitigkeiten angepassten Weise re-
geln, weil der Geheimnisschutz nach seiner Einschätzung in solchen Verfahren
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einen zentralen Streitpunkt bildet. Dieser Gesetzeszweck wird nicht weniger
wirksam mit der Erstreckung des „in camera“-Verfahrens auf den Rechtsstreit in
der Hauptsache erreicht, ohne dass hiermit eine nicht zu rechtfertigende oder
nicht zu vermeidende Vernachlässigung anderer Belange als der Geheimhal-
tungsinteressen verbunden wäre. Schließlich hindert auch der Umstand, dass
sich durch die Möglichkeit der Geheimhaltung von Informationen (auch) im
Hauptsacheverfahren der Anwendungsbereich der behördlichen Pflicht zur Ak-
tenvorlage nicht unerheblich verbreitert, die gemeinschaftsrechtskonforme Aus-
legung des § 138 TKG nicht, weil die die Vorlagepflicht regelnde Vorschrift des
§ 99 Abs. 1 VwGO im Rahmen des § 138 TKG grundsätzlich weitergilt (§ 138
Abs. 1 TKG) und, wie weiter oben dargelegt, ebenfalls gemeinschaftsrechts-
konform ausgelegt werden kann.
Nach alledem wird das Verwaltungsgericht nach der Beendigung des vorlie-
genden Zwischenverfahrens auf Antrag der Beigeladenen in dem neugeordne-
ten Verfahren gemäß § 138 TKG, das die Möglichkeit der Geheimhaltung von
Angaben im Rechtsstreit über die Hauptsache einschließt, über den der Beige-
ladenen in diesem Rechtsstreit zustehenden Geheimnisschutz zu entscheiden
haben. Dabei wird es, wenn es weiterhin den Akteninhalt als entscheidungser-
heblich und daher - mangels anderer Möglichkeiten der Sachverhaltsaufklä-
rung - sämtliche Aktenbestandteile als vorlagebedürftig ansieht, zunächst zu
prüfen haben, ob und inwieweit die Akten auch in Anbetracht der seit ihrer Ent-
stehung verstrichenen Zeit Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse enthalten.
Soweit sich der Akteninhalt hiernach nicht (mehr) als geheimhaltungsbedürftig
erweist, wird es die uneingeschränkte, d.h. mit dem Akteneinsichtsrecht nach
§ 100 VwGO verbundene Vorlage der Akten anordnen müssen. Bei Geheimhal-
tungsbedürftigkeit des Akteninhalts wird das Verwaltungsgericht das Geheim-
haltungsinteresse der Beigeladenen mit dem Anspruch insbesondere der Klä-
gerinnen auf rechtliches Gehör abzuwägen haben und je nach dem Ergebnis
dieser Abwägung die Vorlage der Akten unter gleichzeitigem Ausschluss des
Akteneinsichtsrechts gemäß § 100 VwGO oder aber die uneingeschränkte Ak-
tenvorlage anordnen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Das selbstständige
Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO hat einen eigenen Streitgegen-
stand und erfordert eine Kostenentscheidung. Die Streitwertfestsetzung für die-
ses Zwischenverfahren beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG (a.F.) i.V.m. § 72
Nr. 1 GKG.
Dr. Bardenhewer Prof. Dawin Dr. Kugele