Urteil des BVerwG vom 19.01.2012

Privates Interesse, Öffentliche Aufgabe, Offenlegung, Ermessensausübung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 20 F 3.11
OVG 95 A 1.11
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts
für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO
am 19. Januar 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt
beschlossen:
Es wird festgestellt, dass die Verweigerung der Akten-
vorlage durch die oberste Aufsichtsbehörde rechtswid-
rig ist, soweit sie sich auf die Schwärzungen der Prä-
ambel, § 1, § 2 Abs. 1 und Abs. 2, § 3 Satz 3, § 7, § 8
Abs. 1, § 9 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 der Rahmenverein-
barung bezieht.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
G r ü n d e :
I
Der Antragsteller begehrt mit dem diesem Zwischenverfahren zugrundeliegen-
den Verfahren auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes
(IFG) Einsicht in die zwischen der beklagten Bundesrepublik Deutschland, ver-
treten durch das Bundesministerium des Innern, und der Beigeladenen am
9. Oktober 2000 geschlossenen „Rahmenvereinbarung über die Herstellung
und Lieferung von Dokumenten“ mit Ausnahme der § 4 und § 11. Im Beru-
fungsverfahren hat das Oberverwaltungsgericht der Antragsgegnerin im Rah-
men der mündlichen Verhandlung mit Beschluss vom 31. August 2010 aufge-
geben die Rahmenvereinbarung vorzulegen mit Ausnahme der § 4 und § 11
sowie der Passagen, deren Offenlegung die Antragsgegnerin im Gefolge des
Urteils des Verwaltungsgerichts vom 10. September 2008 - VG 2 A 167.06 -
nicht mehr verweigert. Daraufhin gab das Bundesministerium des Innern in sei-
ner Eigenschaft als oberste Aufsichtsbehörde unter dem 6. Januar 2011 eine
Sperrerklärung ab. Auf den Antrag des Antragstellers nach § 99 Abs. 2 VwGO
hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts, dem das Verfahren vom für
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das Berufungsverfahren zuständigen Senat des Gerichts vorgelegt worden war,
das Verfahren mit Beschluss vom 21. April 2011 an das Bundesverwaltungsge-
richt - Fachsenat für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO - verwiesen.
II
Der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts hat über den Antrag auf Fest-
stellung der Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung vom 6. Januar 2011 zu ent-
scheiden. Der Verweisungsbeschluss des Fachsenats des Oberverwaltungsge-
richts, der sich an der Rechtsprechung des Senats orientiert (vgl. Beschluss
vom 9. Mai 2003 - BVerwG 20 F 12.03 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 32), ent-
faltet gemäß § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG analog Bin-
dungswirkung (Beschluss vom 10. August 2010 - BVerwG 20 F 5.10 - juris
Rn. 5).
Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind Behörden zur Vorlage von Urkunden oder
Akten und zu Auskünften an das Gericht verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden
des Inhalts der Akten dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes
Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder
ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige
oberste Aufsichtsbehörde gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Vorlage der
Akten verweigern. Entgegen der Auffassung der obersten Aufsichtsbehörde,
dem Bundesministerium des Innern, liegen Geheimhaltungsgründe i.S.d. § 99
Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht für alle geschwärzten Passagen der Rahmenverein-
barung vor. Die Sperrerklärung vom 6. Januar 2011 ist im tenorierten Umfang
rechtswidrig. Im Übrigen erweist sich die Sperrerklärung als rechtmäßig. Inso-
weit war der Antrag abzulehnen.
1. Soweit sich das Bundesministerium des Innern zur Begründung der Vorlage-
verweigerung des § 6 der Rahmenvereinbarung darauf beruft, dass eine Offen-
legung zu Nachteilen für das Wohl des Bundes führe, ist ein Geheimhaltungs-
grund i.S.d. § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO gegeben.
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Nachteile für das Wohl des Bundes setzen Beeinträchtigungen wesentlicher
Bundesinteressen voraus. Dazu zählen namentlich Gefährdungen des Bestan-
des oder der Funktionsfähigkeit des Bundes sowie Bedrohungen der äußeren
oder inneren Sicherheit. Nachteile für das Wohl des Bundes oder eines Landes
fordern gewichtige Gründe. Ein Nachteil in diesem Sinne ist nach der ständigen
Rechtsprechung des Senats insbesondere dann gegeben, wenn und soweit die
Bekanntgabe des Akteninhalts die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicher-
heitsbehörden einschließlich ihrer Zusammenarbeit mit anderen Behörden er-
schweren oder Leben, Gesundheit oder Freiheit von Personen gefährden würde
(Beschlüsse vom 29. Juli 2002 - BVerwG 2 AV 1.02 - BVerwGE 117, 8 =
Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 27 S. 1 f., vom 25. Februar 2008 - BVerwG 20 F
43.07 - juris Rn. 10, vom 3. März 2009 - BVerwG 20 F 9.08 - juris Rn. 7, vom
2. Juli 2009 - BVerwG 20 F 4.09 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 54 Rn. 8, vom
25. Juni 2010 - BVerwG 20 F 1.10 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 59 Rn. 17
und vom 6. April 2011 - BVerwG 20 F 20.10 - NVwZ 2011, 880 Rn. 15; vgl.
auch BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1981 - 2 BvR 215/81 - BVerfGE 57, 250
<284>).
Der Senat hat sich durch Einsicht in die ungeschwärzt vorgelegte Rahmenver-
einbarung vergewissert, dass § 6 der Rahmenvereinbarung Informationen ent-
hält, die sich auf Maßnahmen zur Gewährleistung der Fälschungssicherheit von
Dokumenten beziehen. Ungeachtet der allgemein gehaltenen Formulierung
lässt der Text Rückschlüsse zur Fertigung und Produktqualität der Dokumente
zu. Das genügt angesichts des besonderen öffentlichen Interesses an einer vor
Fälschungen sicheren und verlässlichen Identitätsprüfung. Die Fälschungssi-
cherheit von hoheitlichen Identitätspapieren ist von herausragender Bedeutung
für die Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden sowie den privaten und
öffentlichen Rechtsverkehr.
2. Soweit das Bundesministerium des Innern die Offenlegung der geschwärzten
Regelungen unter Berufung auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verwei-
gert, ist die Sperrerklärung nur zum Teil rechtmäßig.
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Bei Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen handelt es sich um Vorgänge, die
nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO ihrem Wesen nach geheim zu halten sind (Be-
schlüsse vom 12. Oktober 2009 - BVerwG 20 F 1.09 - juris Rn. 7 und vom
11. Juni 2010 - BVerwG 20 F 12.09 - juris Rn. 7). Als Betriebs- und Geschäfts-
geheimnisse werden alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände
und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig sind. Ein Geschäfts- oder Be-
triebsgeheimnis setzt neben dem Mangel an Offenkundigkeit der zugrunde lie-
genden Informationen ein berechtigtes Interesse des Unternehmens an deren
Nichtverbreitung voraus. Ein solches Interesse besteht, wenn die Offenlegung
der Informationen geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches
Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbe-
werbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen. Geschäftsge-
heimnisse zielen auf den Schutz kaufmännischen Wissens; sie betreffen alle
Konditionen, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Unterneh-
mens maßgeblich bestimmt werden können. Dazu gehören unter anderem Um-
sätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten oder Bezugsquellen. Auch
konkrete Vertragsgestaltungen, d.h. ein bestimmtes Vertragswerk, können als
Geschäftsgeheimnis geschützt sein (Beschlüsse vom 8. Februar 2011
- BVerwG 20 F 13.10 - DVBl 2011, 501 Rn. 16 und BVerwG 20 F 14.10 - juris
Rn. 17, vom 10. August 2010 - BVerwG 20 F 5.10 - juris Rn. 10, vom
12. Oktober 2009 a.a.O., vom 11. Juni 2010 a.a.O. und vom 19. Januar 2009
- BVerwG 20 F 23.07 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 52 Rn. 11; Urteil vom
28. Mai 2009 - BVerwG 7 C 18.08 - Buchholz 406.252 § 9 UIG Nr. 1 Rn. 12, 18
; BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087,
2111/03 - BVerfGE 115, 205 <230 f.>).
2.1 Die Durchsicht der vorgelegten Rahmenvereinbarung hat gezeigt, dass § 2
Abs. 3, § 5, § 8 Abs. 2, § 9 Abs. 2 und 3, § 10, § 12 Abs. 2, § 13, § 14 Abs. 2
und § 15 Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthalten. In diesen Bestimmun-
gen finden sich Angaben zur Herstellung und zum Geschäftskonzept der Beige-
ladenen (§ 2 Abs. 3, § 10 Abs. 1), zur Produktion und Qualitätssicherung (§ 5
und § 9 Abs. 3), zu sicherheitsrelevanten Besonderheiten bei der personellen
Ausstattung (§ 8 Abs. 2 und § 12 Abs. 2), zur Überprüfung der Sicherheitsstan-
dards (§ 9 Abs. 2), zur Aufstellung des Wirtschaftsplans und zur Definition be-
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triebsgewöhnlicher Geschäfte (§ 10 Abs. 2 bis 4), zum Umfang von Lizenzen
(§ 13) und zur wirtschaftlichen Stellung der Beigeladenen bei Beendigung der
Zusammenarbeit (§ 14 Abs. 2 und § 15). Die Angaben erlauben gewisse Rück-
schlüsse auf die betriebliche und geschäftliche Ausrichtung der Beigeladenen.
2.2 Dagegen vermag der Senat bei den weiteren geschwärzten Passagen ei-
nen Geheimhaltungsgrund nicht zu erkennen.
Entgegen der Auffassung des Bundesministeriums des Innern enthält die Prä-
ambel kein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis. Dass die Beigeladene „Doku-
mente, deren Muster vom Bundesministerium des Innern festgelegt werden“,
also z.B. Reisepässe und Personalausweise herstellt, ist - wie sich auch aus
dem Internetauftritt der Beigeladenen ergibt - allgemein bekannt. Im Übrigen
beschränkt sich die Präambel darauf, die Motivlage für den Vertragsabschluss
zu umschreiben. Welche weiteren Rückschlüsse sich aus der Präambel zum
Umfang der Beauftragung ergeben sollen, erschließt sich dem Senat nicht.
Konkrete Angaben zur Produktpalette - wie vom Verwaltungsgericht angenom-
men - enthält die Präambel nicht. Die Umschreibung der Aufgaben in § 1 steht
nicht in Bezug zum konkreten Geschäftskonzept der Beigeladenen, sondern
stellt sich - ähnlich wie eine vergaberechtliche Ausschreibung - als allgemeine
Aufgabenbeschreibung dar, die für jeden Anbieter sicherheitsrelevanter Doku-
mente zu gelten hätte. Diesem Muster folgen auch die Regelungen in § 2
Abs. 1 und in § 2 Abs. 2. Soweit sich in § 1 eine Bewertung der bisherigen Zu-
sammenarbeit mit der Beigeladenen findet, handelt es sich um eine subjektive
Einschätzung, die, wenn sie als Referenz verstanden wird, zwar möglicherwei-
se einen positiven wirtschaftlichen Wert haben könnte. Inwieweit diese Angabe
aber - wie in der Sperrerklärung geltend gemacht wird - die Wettbewerbspositi-
on der Beigeladenen nachteilig beeinflussen könnte, erschließt sich dem Senat
nicht. Bei der Regelung in § 3 Satz 3 handelt es sich lediglich um eine Folgere-
gelung zu den bereits offengelegten Vorgaben in Satz 1 und 2; dass dieser all-
gemein gehaltene Verweis in Satz 3 seinerseits wettbewerbsrelevante Informa-
tionen enthält, vermag der Senat nicht zu erkennen. § 7, der die Bestellung ei-
nes Qualitätssicherungs-Beauftragten regelt, betrifft zwar den Umfang der Per-
sonalausstattung und damit einen Aspekt der Kostenkalkulation, ist ebenfalls so
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allgemein gehalten, dass nicht zu erkennen ist, dass dieser Gesichtspunkt zum
speziellen Geschäftskonzept der Beigeladenen gehört. Es liegt auf der Hand,
dass jeder Anbieter personelle Vorsorge - mit entsprechenden Kostenfolgen -
zur Einhaltung der Qualitätssicherung wird treffen müssen. Konkrete Rück-
schlüsse zur Kostenkalkulation der Beigeladenen lassen sich aus der Regelung
nicht ziehen. Auch die in § 8 Abs. 1 vereinbarte Informationspflicht sowie die in
§ 9 Abs. 1 präzisierte Reichweite der öffentlich-rechtlich begründeten Befugnis-
se des Bundesministeriums des Innern und der Behörden sind - wie § 2 Abs. 1
und insbesondere § 2 Abs. 2 - nicht Ausdruck eines speziellen Geschäftskon-
zepts der Beigeladenen, sondern dem Umstand geschuldet, dass die Herstel-
lung von hoheitlichen Identitätspapieren eine hoch sensible öffentliche Aufgabe
ist, mithin eine staatliche Gewährleistungs- und Überwachungsverantwortlich-
keit voraussetzt. Ebendies wird mit den allgemein gehaltenen Regelungen klar-
gestellt. Es ist weder erkennbar noch nachvollziehbar dargelegt, inwiefern eine
Offenlegung dieser Regelungen - wie vom Bundesministerium des Innern gel-
tend gemacht - die künftige Verhandlungsposition der Beigeladenen mit öffentli-
chen oder privaten Auftraggebern deutlich schwächen könnte. Das gilt auch für
die Regelung in § 12 Abs. 1. Auch hier vermag der Senat nicht zu erkennen,
welche Rückschlüsse sich speziell auf die betrieblich-konzeptionelle Ausrich-
tung der Beigeladenen ergeben können.
3. Die Sperrerklärung genügt überdies nicht den Anforderungen an eine ord-
nungsgemäße Ermessensausübung i.S.d. § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Denn das
Bundesministerium des Innern hat - in seiner Eigenschaft als oberste Aufsichts-
behörde - auf Grund seiner Annahme, mangels Einwilligung der Beigeladenen
in die Offenlegung sei das Ermessen auf Null reduziert, das ihm eingeräumte
Ermessen undifferenziert und damit in einer der Eigenart der zu treffenden Ent-
scheidung nicht genügenden Weise ausgeübt. In der Sperrerklärung wird zwar
ausgeführt, dass bei „jeder vorenthaltenen, d.h. geschwärzten Information eine
Abwägung vorgenommen“ worden sei. Die Erwägungen sind aber erkennbar
auf den fachgesetzlichen Verweigerungsgrund des § 6 Satz 2 IFG und die pro-
zessualen Folgen des § 100 VwGO und die Probleme ausgerichtet, die sich
daraus ergeben, dass der Gesetzgeber darauf verzichtet hat, im Fall der Gel-
tendmachung eines Auskunftsanspruchs im Hauptsacheverfahren die Möglich-
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keit eines „in-camera“-Verfahrens vor dem Hauptsachegericht zu eröffnen (vgl.
dazu nur Beschluss vom 21. Februar 2008 - BVerwG 20 F 2.07 - BVerwGE
130, 236 = Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 46 Rn. 11 f., 22). Das Bundesministe-
rium des Innern verkennt die Besonderheit der Ermessensausübung gemäß
§ 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO, wenn es sich darauf beruft, nach den fachgesetzli-
chen Bestimmungen des Informationsfreiheitsgesetzes sei für diesen Fall keine
Güterabwägung vorgesehen. Durch die Ermessenseinräumung nach § 99
Abs. 1 Satz 2 VwGO wird der obersten Aufsichtsbehörde die Möglichkeit eröff-
net, dem öffentlichen Interesse und dem individuellen Interesse der Prozesspar-
teien an der Wahrheitsfindung in dem vom Untersuchungsgrundsatz beherrsch-
ten Verwaltungsprozess den Vorrang vor dem Interesse an der Geheimhaltung
der Schriftstücke zu geben (stRspr vgl. nur Beschluss vom 1. August 2007
- BVerwG 20 F 10.06 -). Das ist bei Abgabe der Sperrerklärung nicht beachtet
worden.
Soweit - wie dargelegt - ein Geheimhaltungsgrund vorliegt, wirkt sich der Fehler
aber nicht aus. Bezogen auf die unter II. 1. und 2.1. genannten Vertragsbe-
stimmungen war eine selbstständige Ermessensentscheidung der obersten
Aufsichtsbehörde ausnahmsweise entbehrlich. Denn das Ergebnis der Ermes-
sensausübung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist durch den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit rechtlich zwingend vorgezeichnet. Dies kommt in Betracht,
wenn - wie hier mit Blick auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigela-
denen - ein privates Interesse an der Geheimhaltung besteht, das grundrecht-
lich geschützt ist. Denn Beeinträchtigungen von Grundrechten sind nur dann
zulässig, wenn sie durch hinreichende, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
genügende Gründe gerechtfertigt werden (vgl. nur Beschlüsse vom 21. Februar
2008 a.a.O. Rn. 20, vom 19. Januar 2009 a.a.O. Rn. 9 und vom 22. Juli 2010
- BVerwG 20 F 11.10 - BVerwGE 137, 318 Rn. 18 = Buchholz 310 § 99 VwGO
Nr. 60). Besondere Umstände, aus denen sich ein überwiegendes öffentliches
oder privates Interesse ergeben könnte, das ausnahmsweise eine Offenbarung
geschützter Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen zu rechtfertigen vermag,
sind nicht zu erkennen (vgl. im Fall eines Betriebsgeheimnisses Beschluss vom
19. Januar 2009 a.a.O. Rn. 12 ff.). Das gilt auch soweit die Geheimhaltung mit
einer Beeinträchtigung wesentlicher Bundesinteressen begründet wird.
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Einer eigenständigen Kostenentscheidung bedarf es im Verfahren vor dem
Fachsenat nach § 99 Abs. 2 VwGO nicht (vgl. dazu Beschluss vom 16. Dezem-
ber 2010 - BVerwG 20 F 15.10 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 62 Rn. 11). Ei-
ner Streitwertfestsetzung bedarf es ebenfalls nicht, da Gerichtsgebühren man-
gels Gebührentatbestands im Verfahren vor dem Fachsenat nicht anfallen.
Neumann
Dr. Bumke
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