Urteil des BVerwG vom 04.05.2006

Hauptsache, Geheimhaltung, Verweigerung, Gerichtsakte

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 20 F 3.05
OVG 12 P 3/05
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. Mai 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dawin und Dr. Kugele
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des
Fachsenats für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO
des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern
vom 22. September 2005 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der angefochtene Beschluss ist rechtlich
nicht zu beanstanden. Die Weigerung des Beigeladenen, die im Beschluss des
Senats vom 28. Dezember 2005 bezeichneten Akten und Aktenstücke sowie
den Vermerk des Beigeladenen vom 20. September 2005 - Az. 046-S-460-
999.05033721.001AA, der dem Fachsenat ebenfalls vorgelegt wurde, dem Ge-
richt der Hauptsache vorzulegen, ist rechtmäßig.
Zwar hat dieses Gericht über die Entscheidungserheblichkeit der Akten nicht
- wie in der Regel geboten (vgl. Beschluss vom 24. November 2003 - BVerwG
20 F 13.03 - BVerwGE 119, 229) - durch Beschluss entschieden, sondern de-
ren Vorlage durch Verfügung des Berichterstatters erbeten, doch ist ein solcher
Beschluss vorliegend entbehrlich, weil es offensichtlich ist, dass nur mit Hilfe
dieser Unterlagen gerichtlich geklärt werden kann, ob die Bedenken der zu-
ständigen Verfassungsschutzbehörde des Landes gegen die Einbürgerung des
Klägers begründet sind.
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Die Rechtsgrundlage der Verweigerung der Akten- und Urkundenvorlage durch
den Beigeladenen ergibt sich aus § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Nach dieser Vor-
schrift kann die oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Akten verweigern,
wenn das Bekanntwerden ihres Inhalts dem Wohl des Bundes oder eines deut-
schen Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem
Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen. Wie der Se-
nat im Beschluss vom 29. Juli 2002 - BVerwG 2 AV 1.02 - BVerwGE 117, 8
ausgeführt hat, kann der Nachteil für das Wohl des Bundes oder eines deut-
schen Landes u.a. darin bestehen, dass den Sicherheitsbehörden die Erfüllung
ihrer Aufgaben einschließlich ihrer Zusammenarbeit mit anderen Behörden er-
schwert oder Leben oder Gesundheit oder Freiheit von Personen gefährdet
wird. Die notwendige Geheimhaltung der Informationen, die die Sicherheitsbe-
hörden gewonnen haben, der Schutz ihrer Informationsquellen, ihrer Arbeits-
weise und ihrer Vertraulichkeitszusagen an Informanten können die oberste
Aufsichtsbehörde im Rahmen einer nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO gebotenen
Ermessensentscheidung zur Verweigerung der Aktenvorlage berechtigen (vgl.
auch BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 1999 - 1 BvR 385/90 - BVerfGE 101,
106 <128>). Der beschließende Fachsenat hat sich durch Einsicht in die be-
zeichneten Unterlagen davon überzeugt, dass ihr Inhalt diesen Kriterien ent-
spricht und nicht in das Hauptsacheverfahren eingeführt werden darf. Insbe-
sondere würden diejenigen Personen sowie deren Umfeld und Arbeitsweise
offenbart, die den Inhalt der zurückgehaltenen Akten zusammengetragen ha-
ben.
Die oberste Aufsichtsbehörde hat im Rahmen ihrer Ermessensprüfung die
Gründe, die für die Geheimhaltung sprechen, mit dem Interesse des Klägers an
einer dem Art. 19 Abs. 4 GG gerecht werdenden Prozessführung abzuwägen.
Dies hat der Beigeladene zwar knapp, im Ergebnis jedoch beanstandungsfrei
getan. Mit Schreiben vom 26. Januar 2005 (Bl. 30 der Gerichtsakte) und 8. Juli
2005 (Bl. 42 der Gerichtsakte) an das Gericht der Hauptsache hat er den Um-
stand, dass die Vorlage der Unterlagen Arbeitsweise und Methodik des Verfas-
sungsschutzes, insbesondere das Umfeld und die Arbeitsweise derjenigen Per-
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sonen offenbaren würde, die die in diesem Fall zugrunde liegenden Informatio-
nen beschafft haben, als abzuwägenden Belang genannt, dem „das Interesse
des Klägers auf Offenbarung“ gegenüber gestellt und ist zu dem Ergebnis ge-
langt, dass dieses „Interesse zurücktreten“ müsse. Außerdem hat der Beigela-
dene mit Blick auf die Rechtsverteidigung des Klägers in die Ermessenserwä-
gung eingestellt, dass diesem im Rahmen seiner Anhörung Fragen gestellt
worden seien, die es ihm ermöglichen würden, Rückschlüsse auf die gegen ihn
vorliegenden Verdachtsmomente zu ziehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertent-
scheidung ergibt sich aus § 52 Abs. 2 GKG.
Dr. Bardenhewer Prof. Dawin Dr. Kugele
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