Urteil des BVerwG vom 21.02.2008

Hauptsache, Verweigerung, Ausschluss der Öffentlichkeit, Zugang

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 20 F 2.07
OVG 15 P 3/06
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts
für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO
am 21. Februar 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kugele und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke
beschlossen:
Der Beschluss des Fachsenats für Entscheidungen nach
§ 99 Abs. 2 VwGO des Schleswig-Holsteinischen Oberver-
waltungsgerichts vom 29. Dezember 2006 wird geändert. Es
wird festgestellt, dass auch die Verweigerung der Vorlage
der Aktenseiten in Band 5, Bl. 45 und Band 7, Bl. 1 - 4
rechtswidrig ist.
Im Übrigen werden die Beschwerden des Klägers und der
Beigeladenen zurückgewiesen.
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Von den Gerichtskosten dieses Zwischenverfahrens tragen
der Kläger und die Beigeladene je 2/5 und der Beklagte 1/5.
Von den außergerichtlichen Kosten dieses Zwischenverfah-
rens trägt der Beklagte 1/5 derjenigen des Klägers. Im Übri-
gen tragen die Beteiligten ihre Kosten selbst.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zwischenver-
fahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Kläger und Beschwerdeführer, ein eingetragener Verein, begehrt im Hauptsa-
cheverfahren Zugang zu Umweltinformationen über den ihm vom beklagten Minis-
terium gewährten Umfang hinaus. Mit Bescheid vom 28. Oktober 2002 hat das als
Aufsichtsbehörde gemäß § 19 AtG zuständige Ministerium dem Kläger unter teil-
weiser Ablehnung seines Antrags den Zugang zu Informationen gewährt, die in
einem 10-bändigen Verwaltungsvorgang des Ministeriums enthalten sind, der an-
lässlich eines Störfalls im Kernkraftwerk der Beigeladenen und Beschwerdeführe-
rin am 14. Dezember 2001 angelegt worden war. Der Zugang zu den Informatio-
nen wurde insoweit eingeschränkt, als bestimmte Aktenseiten aus dem Verwal-
tungsvorgang entnommen oder Namensschwärzungen vorgenommen wurden. Zur
Begründung wird ausgeführt, dass bei der gebotenen Abwägung der Ausschluss-
gründe nach dem als einschlägig erachteten (damaligen) Umweltinformationsge-
setz mit dem Informationsanspruch des Klägers der Datenschutz und der Schutz
der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen Vorrang habe. Die
Gestattung steht unter dem Vorbehalt, dass der Bescheid unanfechtbar wird.
Gegen diesen Bescheid haben sowohl der Kläger als auch die zu dessen Klage
beigeladene Betreiberin des Kernkraftwerks Klage erhoben. Der Beklagte hat dem
Verwaltungsgericht zwar den die Antragstellung betreffenden Verwaltungsvorgang
vorgelegt, aber die Vorlage des Verwaltungsvorgangs, um dessen Offenlegung
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gestritten wird, verweigert. Zur Begründung hat er - im Klageverfahren der Beige-
ladenen - vorgetragen, die Verweigerung beruhe auf einer analogen Anwendung
des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Angesichts des prozessualen Rechts auf Einsicht-
nahme gemäß § 100 VwGO führe eine Vorlage der Akten dazu, dass der Kläger
unabhängig vom Umfang seines Informationsanspruchs Einsicht nehmen könne
und damit Kenntnis von den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Beigelade-
nen erhalte, die der Grund dafür gewesen seien, dem Kläger nur einen einge-
schränkten Zugang zum Verwaltungsvorgang zu gewähren. Daraufhin hat der Klä-
ger die Durchführung des Zwischenverfahrens gemäß § 99 Abs. 2 VwGO bean-
tragt. Im Parallelverfahren hat der Beklagte den entsprechenden Antrag gestellt.
Das Verwaltungsgericht hat von der Durchführung des Zwischenverfahrens abge-
sehen und die Klage mit Urteil vom 9. Juni 2005 mit der Begründung abgewiesen,
ein Informationsanspruch des Klägers bestehe nicht, da es zum maßgeblichen
Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keine Rechtsgrundlage für einen solchen
Anspruch gebe. Im Parallelverfahren hat das Verwaltungsgericht der Klage der
Beigeladenen stattgegeben.
Das Berufungsgericht hat die Rechtssache mit Beschluss vom 4. April 2006 dem
Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts vorgelegt. Die hiergegen erhobene Ge-
genvorstellung der Beigeladenen ist erfolglos geblieben. Mit Beschluss vom
29. Dezember 2006 hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts festgestellt,
dass (nur) die Verweigerung der Vorlage des Bandes 8, Bl. 16 - 21 und Bl. 50 - 56
rechtswidrig sei. Im Übrigen sei die Verweigerung der Offenlegung der Aktensei-
ten, die der Kläger in seinem Berufungsantrag benannt habe und die sich - im We-
sentlichen - decken mit den Aktenseiten, deren Vorlage der Beklagte mit dem an-
gefochtenen Bescheid verweigert hat, rechtmäßig.
Dagegen haben sowohl der Kläger als auch die Beigeladene Beschwerde erho-
ben. Im Klageverfahren der Beigeladenen ist ebenfalls ein Zwischenverfahren ge-
mäß § 99 Abs. 2 VwGO beim Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts anhängig
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(BVerwG 20 F 3.07). Der Kläger und die Beigeladene haben im Zwischenverfahren
mündliche Verhandlung beantragt.
II
Die Beschwerde des Klägers hat in dem tenorierten Umfang Erfolg; im Übrigen
sind beide Beschwerden unbegründet.
1. Der Senat entscheidet ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die
gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO ausgeschlossen ist. Der Ausschluss dient einem
effektiven Geheimnisschutz. § 101 Abs. 3 VwGO mit der Möglichkeit der ins ge-
richtliche Ermessen gestellten fakultativen mündlichen Verhandlung wird durch die
besonderen Regelungen des „in-camera“-Verfahrens verdrängt. § 99 Abs. 2 Satz 1
VwGO gilt nach seinem Wortlaut zwar nur für Entscheidungen des Oberverwal-
tungsgerichts. Nach Sinn und Zweck der Regelung greift die Beschränkung auf die
schriftliche Entscheidung aber auch, wenn das Bundesverwaltungsgericht zustän-
dig ist. Denn das dem Ausschluss der Öffentlichkeit zugrunde liegende Geheimhal-
tungsbedürfnis hängt nicht davon ab, ob das Oberverwaltungsgericht oder das
Bundesverwaltungsgericht - sei es als Beschwerdegericht, sei es in der Zuständig-
keit gemäß § 99 Abs. 2 Satz 2 VwGO - zu entscheiden hat. Dass in § 99 Abs. 2
Satz 14 VwGO für das Beschwerdeverfahren lediglich auf die Sätze 4 bis 11 ver-
wiesen wird, erklärt sich daraus, dass die in Satz 1 und 2 geregelte Zuständig-
keitsverteilung und das in Satz 3 enthaltene Antragserfordernis im Beschwerdever-
fahren keine Rolle spielen. Die Geltung der in § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO niederge-
legten allgemeinen Grundsätze wird damit nicht in Frage gestellt.
2. Die angefochtene Entscheidung verstößt nicht gegen den Grundsatz des ge-
setzlichen Richters. Zu Recht hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts als
der für das Zwischenverfahren zuständige Spruchkörper über die Vorlage der Ak-
ten im Verfahren der Hauptsache entschieden.
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Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind Behörden im Verwaltungsrechtsstreit zur Vor-
lage von Urkunden oder Akten und zu Auskünften verpflichtet. Ist - wie hier - die
Vorlage der Akten selbst Gegenstand des Rechtsstreits und hängt nach der
Rechtsauffassung des Gerichts die Entscheidung über das Klagebegehren von der
Kenntnis des Akteninhalts ab, so beschränkt sich die Vorlagepflicht nach § 99
Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht auf diejenigen Akten, die bei der Behörde vor dem
Rechtsstreit aus Anlass des Streits über die Aktenvorlage entstanden sind. Viel-
mehr gehören zu den grundsätzlich vorzulegenden Akten auch die behördlichen
Akten, in die Einblick zu nehmen die zuständige Behörde unter Berufung auf et-
waige im jeweiligen Fachgesetz normierte Geheimhaltungsgründe abgelehnt hat
(Beschluss vom 13. Juni 2006 - BVerwG 20 F 5.05 - Buchholz 310 § 99 VwGO
Nr. 42). Wenn aber das Bekanntwerden des Inhalts der Akten dem Wohl des Bun-
des oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vor-
gänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müs-
sen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2
VwGO die Vorlage der Akten verweigern.
2.1 Die informationspflichtige Stelle, bei der der Kläger den Antrag auf Informati-
onszugang gestellt hat, ist zugleich die oberste Aufsichtsbehörde i.S.d. § 99 Abs. 1
Satz 2 VwGO. In dieser Eigenschaft hat sich der Beklagte gegenüber dem Gericht
der Hauptsache geweigert, den Verwaltungsvorgang, auf den sich der geltend ge-
machte Informationsanspruch bezieht, vorzulegen. Das Oberverwaltungsgericht
hat zwar keinen förmlichen Beweisbeschluss zur Entscheidungserheblichkeit der
Vorlage erlassen, um eine (erneute) Verweigerungsentscheidung des Beklagten
herbeizuführen. Es hat jedoch in seinem Vorlagebeschluss vom 4. April 2006 zum
Ausdruck gebracht, es könne ohne die Einsichtnahme in den vollständigen und
ungeschwärzten Aktenvorgang nicht über den vom Kläger erhobenen Anspruch
auf weitergehenden Informationszugang entscheiden. Der Vorlagebeschluss ist auf
den Antrag des Klägers vom 3. Juni 2005 ergangen, mit dem dieser gemäß § 99
Abs. 2 Satz 1 VwGO die Durchführung des vorliegenden Zwischenverfahrens ver-
langt hatte.
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2.2. Für die Entscheidung im Zwischenverfahren ist nicht das Gericht der Hauptsa-
che, sondern ein besonderer Spruchkörper, nämlich der nach § 189 VwGO einge-
richtete Fachsenat zuständig. Dieser entscheidet gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO
nur darüber, ob die Verweigerung der Aktenvorlage durch die oberste Aufsichtsbe-
hörde rechtmäßig ist oder nicht. Eine weitergehende Entscheidungszuständigkeit
steht ihm nicht zu. Im Zwischenverfahren gemäß § 99 Abs. 2 VwGO geht es mithin
allein um die Frage der Vorlage der Akten im Prozess. Dagegen verbleibt die Ent-
scheidung über den Klageanspruch bei dem Gericht der Hauptsache. Dessen Ent-
scheidungszuständigkeit als der für die Hauptsache zuständige gesetzliche Richter
im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wird durch die Einleitung des Zwischen-
verfahrens nicht angetastet.
Dies alles gilt auch dann, wenn - wie hier - die Vorlage der Akten selbst Gegens-
tand des Rechtsstreits ist, weil derartige Fälle von der Geltung des § 99 Abs. 2
VwGO nicht ausgenommen sind. Die gegenwärtige Fassung des § 99 Abs. 2
VwGO geht auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Okto-
ber 1999 - 1 BvR 385/90 - (BVerfGE 101, 106) zurück, in der dieses zum Schutz
des Grundrechts des Klägers auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4
GG verlangt hatte, dass die Verweigerung der Aktenvorlage in einem „in-camera“-
Verfahren vom Gericht überprüft werde; in dem dieser Entscheidung zugrunde lie-
genden Klageverfahren ging es ebenfalls um ein Auskunftsbegehren. Zwar kann in
derartigen Streitverfahren die Entscheidung im Zwischenverfahren, sofern sie zu-
gunsten der Aktenvorlage ausfällt, faktisch zur Erfüllung des im Hauptsacheverfah-
ren in Streit stehenden Anspruchs führen, weil mit der Vorlage der Akten an das
Gericht der Hauptsache stets das Recht der Verfahrensbeteiligten auf Aktenein-
sicht gemäß § 100 VwGO entsteht. Doch hat der Gesetzgeber diese Möglichkeit
als unvermeidbare Folge des Verfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO in Kauf genom-
men. Er hätte ihr nur dadurch entgegenwirken können, dass er die Entscheidung
„in-camera“ über das Zwischenverfahren hinaus auf den Rechtsstreit in der Haupt-
sache erstreckt hätte. Dieses Verfahrensmodell, bei dem das Gericht der Hauptsa-
che die Akten ohne das Recht der Beteiligten zur Einsichtnahme für seine Ent-
scheidung verwerten darf, ist jedoch in § 99 Abs. 2 VwGO nicht verwirklicht worden
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(vgl. Beschlüsse vom 15. August 2003 - BVerwG 20 F 8.03 - Buchholz 310 § 99
VwGO Nr. 34 und vom 9. Januar 2007 - BVerwG 20 F 1.06 - BVerwGE 127, 282
<291>). Im Übrigen wäre das Gericht der Hauptsache auch bei Einführung eines
„in-camera“-Verfahrens in der Hauptsache nicht der vorgängigen Prüfung entho-
ben, ob die von der obersten Aufsichtsbehörde geltend gemachten Geheimhal-
tungsgründe tatsächlich vorliegen. Soweit diese Frage zu verneinen ist, darf den
Beteiligten das Recht auf Einsichtnahme in die Akten schon aus verfassungsrecht-
lichen Gründen keinesfalls vorenthalten werden (vgl. Beschluss vom 9. Januar
2007 a.a.O. Rn. 16).
3. Hat das Gericht der Hauptsache - wie hier - die Entscheidungserheblichkeit in
einem Beschluss geprüft und bejaht, ist der Fachsenat grundsätzlich an dessen
Rechtsauffassung gebunden. Eine andere Beurteilung durch den Fachsenat
kommt nur dann in Betracht, wenn die Rechtsauffassung des Gerichts der Haupt-
sache offensichtlich fehlerhaft ist (Beschluss vom 28. März 2006 - BVerwG 20 F
1.05 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 40).
Ein solcher Fall liegt nicht vor. Die Auffassung des Hauptsachegerichts, als
Rechtsgrundlage für den klägerischen Informationsanspruch greife Art. 3 der Richt-
linie 2003/4/EG über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und
zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates vom 28. Januar 2003
- Umweltinformationsrichtlinie - UIRL - (ABl Nr. L 41, S. 26), die nach Ablauf der
Umsetzungsfrist unmittelbare Wirkung entfalte, erscheint nicht offensichtlich feh-
lerhaft. Die Beigeladene zeigt mit ihren Einwänden nicht auf, dass die Grenze zur
Offensichtlichkeit überschritten wurde. Dass die Frage als streitig und klärungsbe-
dürftig angesehen wird, genügt dafür nicht. Die Grenze zur Offensichtlichkeit ist
erst dann überschritten, wenn sich die Rechtsauffassung als nicht vertretbar er-
weist.
Abgesehen davon ist zwischenzeitlich das der Umsetzung der Richtlinie dienende
Umweltinformationsgesetz für das Land Schleswig-Holstein vom 2. März 2007 ver-
abschiedet worden (GVOBl 2007, 132). Auf die von der Beigeladenen aufgeworfe-
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nen Fragen der unmittelbaren Wirkung der Richtlinie kommt es daher nicht mehr
an. Denn über einen Anspruch des Klägers auf Informationszugang bestimmt das
Recht, das zum Zeitpunkt der Hauptsacheentscheidung gilt (Urteil vom 27. Sep-
tember 2007 - BVerwG 7 C 4.07 - juris Rn. 13). Mangels abweichender Über-
gangsregelung erstreckt sich der Geltungsanspruch des neuen Landesumweltin-
formationsgesetzes auch auf noch nicht bestandskräftig erledigte Anträge (Urteil
vom 18. Oktober 2005 - BVerwG 7 C 5.04 - Buchholz 406.252 § 2 UIG Nr. 1).
Soweit die Beigeladene rügt, ihr sei kein rechtliches Gehör zur Frage der unmittel-
baren Anwendbarkeit der Richtlinie gewährt worden, scheint sie die Ausführungen
des Fachsenats des Oberverwaltungsgerichts misszuverstehen. Der Hinweis, dass
nach Erlass des Vorlagebeschlusses ausreichend Gelegenheit für die Beteiligten
bestand, ihre Standpunkte darzulegen, bezieht sich nicht - wie die Beigeladene
offenbar meint - auf die vom Fachsenat angesprochene Möglichkeit, eine Gegen-
vorstellung zu erheben. Das ergibt sich aus der weiteren Feststellung des Fachse-
nats, die Beigeladene habe sich „zusätzlich“ über die Gegenvorstellung Gehör ver-
schafft. Gemeint ist vielmehr, dass der Fachsenat ihre Einwände zur Kenntnis ge-
nommen hat, weil er mit Blick auf die Bindungswirkung des Vorlagebeschlusses zu
prüfen hatte, ob die Auffassung als offensichtlich fehlerhaft anzusehen sein könnte.
Angesichts der auf Richtigkeitszweifel gestützten Zulassung der Berufung lag die
Entscheidungserheblichkeit der Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit der Richt-
linie auf der Hand. Das hat auch die Beigeladene erkannt und entsprechend vorge-
tragen. Dass ihr Vortrag vom Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts, dessen
Entscheidung hier allein zur Überprüfung steht, nicht zur Kenntnis genommen wur-
de, behauptet auch die Beigeladene nicht. Sie wendet sich vielmehr nur gegen den
Vorlagebeschluss. Mit der Anmerkung in dem - nach § 99 Abs. 2 VwGO nicht ge-
forderten - Nichtabhilfebeschluss vom 2. Februar 2007, die Gewährung des rechtli-
chen Gehörs zu der „(Rechts-)Frage“ sei dem vorlegenden Senat „zuzuordnen“,
unterstreicht der Fachsenat lediglich, dass kein Anlass bestand, von dem Grund-
satz der Bindungswirkung abzuweichen.
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4. Grundsätzlich setzt die Entscheidung über die Verweigerung der Aktenvorlage
(Sperrerklärung) bei Geheimhaltungsbedarf eine Ermessensausübung gemäß § 99
Abs. 1 Satz 2 VwGO voraus. Der Fachsenat und damit auch das Beschwerdege-
richt haben nur zu überprüfen, ob die Entscheidung den an die Ermessensaus-
übung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO gestellten Anforderungen genügt.
4.1 Durch die Ermessenseinräumung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO wird der
obersten Aufsichtsbehörde die Möglichkeit eröffnet, dem öffentlichen Interesse und
dem individuellen Interesse der Prozessparteien an der Wahrheitsfindung in dem
vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verwaltungsprozess den Vorrang vor
dem Interesse an der Geheimhaltung der Schriftstücke zu geben (Beschlüsse vom
19. August 1964 - BVerwG 6 B 15.62 - BVerwGE 19, 179 <186>; vom 15. August
2003 a.a.O.; vom 13. Juni 2006 - BVerwG 20 F 5.05 - Buchholz 310 § 99 VwGO
Nr. 42; vom 1. August 2007 - BVerwG 20 F 10.06 -). § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO re-
gelt die Auskunftserteilung und Aktenvorlage im Verhältnis der mit geheimhal-
tungsbedürftigen Vorgängen befassten Behörde zum Verwaltungsgericht, das in
einem schwebenden Prozess für eine sachgerechte Entscheidung auf die Kenntnis
der Akten angewiesen ist. In diesem Verhältnis stellt das Gesetz die Auskunftser-
teilung und Aktenvorlage in das Ermessen der Behörde, lässt dieser also die Wahl,
ob sie die Akten oder die Auskunft wegen ihrer Geheimhaltungsbedürftigkeit zu-
rückhält oder ob sie davon um des effektiven Rechtsschutzes willen absieht (Be-
schluss vom 13. Juni 2006 a.a.O.).
Soweit die Aktenvorlage auch Gegenstand des Rechtsstreits selbst ist, sind die
Gründe, die eine Sperrerklärung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtfertigen kön-
nen, von denjenigen Gründen zu unterscheiden, die im Verfahren der Hauptsache
zur Verweigerung der Aktenvorlage angeführt werden. Diese Gründe können,
müssen aber nicht deckungsgleich sein. Da die Sperrerklärung als Erklärung des
Prozessrechts auf die Prozesslage abgestimmt sein muss, in der sie abgegeben
wird, genügt es grundsätzlich nicht, in ihr lediglich auf die die Sachentscheidung
tragenden Gründe des - je nach Fachgesetz im Einzelnen normierten - Geheimnis-
schutzes zu verweisen. Die oberste Aufsichtsbehörde ist vielmehr im Rahmen des
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§ 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO gefordert, in besonderer Weise in den Blick zu nehmen,
welche rechtsschutzverkürzende Wirkung die Verweigerung der Aktenvorlage im
Prozess für den Betroffenen haben kann. Darin liegt die Besonderheit ihrer Ermes-
sensausübung nach dieser Verfahrensbestimmung. Dementsprechend ist der
obersten Aufsichtsbehörde auch in den Fällen Ermessen zugebilligt, in denen das
Fachgesetz der zuständigen Fachbehörde kein Ermessen einräumt (Beschluss
vom 1. August 2007 - BVerwG 20 F 10.06 - juris Rn. 5). Maßstab ist dabei neben
dem privaten Interesse am effektivem Rechtsschutz und dem - je nach Fallkonstel-
lation - öffentlichen oder privaten Interesse an Geheimnisschutz auch das öffentli-
che Interesse an der Wahrheitsfindung (BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006
- 1 BvR 2087/03, 1 BvR 2111/03 - BVerfGE 115, 205 <241>). Die oberste Auf-
sichtsbehörde muss in ihrer Sperrerklärung in nachvollziehbarer Weise erkennen
lassen, dass sie gemessen an diesem Maßstab die Folgen der Verweigerung mit
Blick auf den Prozessausgang gewichtet hat. Ist beispielsweise das Geheimhal-
tungsinteresse ohne erhebliches Gewicht, wird es gerechtfertigt sein, es hinter
dem Interesse an effektivem Rechtsschutz zurücktreten zu lassen. Daher bedarf
es stets einer Abwägung, ob Geheimnisschutz auch angesichts des Interesses an
effektivem Rechtsschutz zu gewähren ist (BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006
a.a.O. S. 240).
4.2 Das Ergebnis der Ermessensausübung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann in
bestimmten Fallkonstellationen jedoch durch den Grundsatz der Verhältnismäßig-
keit rechtlich zwingend vorgezeichnet sein. Dies kommt namentlich dann in Be-
tracht, wenn ein privates Interesse an der Geheimhaltung besteht, das grundrecht-
lich geschützt ist. Denn Beeinträchtigungen von Grundrechten sind nur dann zu-
lässig, wenn sie durch hinreichende, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ge-
nügende Gründe gerechtfertigt werden. Die Frage nach der ausreichenden Recht-
fertigung eines mit der Aktenvorlage verbundenen Grundrechtseingriffs stellt sich
vor allem in Dreieckskonstellationen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass ne-
ben dem Kläger und dem beklagten Staat auch ein privater Dritter am Prozess be-
teiligt ist, dessen Interessen denen des Klägers entgegengesetzt sind. In solchen
Fällen sind neben dem öffentlichen und privaten Interesse an der Wahrheitsfin-
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dung und an effektivem Rechtsschutz auch die dem Rechtsstreit zugrunde liegen-
den und seinen Inhalt prägenden widerstreitenden Individualinteressen in die Ent-
scheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO einzubeziehen und gegeneinander ab-
zuwägen. Ergibt sich dabei, dass die auf die Aktenvorlage gerichteten und durch
die genannten öffentlichen Interessen verstärkten privaten Interessen an Bedeu-
tung hinter dem grundrechtlich gebotenen Geheimnisschutz zurückbleiben, muss
sich dieser Schutz durchsetzen. Aber auch unabhängig von den Anforderungen
der Grundrechte sind Fälle denkbar, in denen das Geheimhaltungsinteresse so
gewichtig ist, dass die Vorlage der Akten unterbleiben muss. Ebenso kann umge-
kehrt bei einem geringen Gewicht des Geheimhaltungsinteresses die Vorlage im
Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rechtlich geboten sein. In allen
diesen Fällen verbleibt für die Ausübung des in § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO um der
Wahrheitsfindung und des effektiven Rechtsschutzes willen eröffneten Ermessens
kein Raum. Dies kann bei Rechtsstreitigkeiten, die wie das Ausgangsverfahren
einen Anspruch auf Informationszugang betreffen, dazu führen, dass sich das Prüf-
programm für die prozessuale Entscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO fak-
tisch - nicht jedoch rechtlich - weitgehend den fachgesetzlichen Vorgaben der
Hauptsache annähert.
5. Nach diesen Grundsätzen ist die Entscheidung des Fachsenats, der die Verwei-
gerung der Aktenvorlage mit Ausnahme von Band 8, Bl. 16 - 21 und 50 - 56 als
rechtmäßig bestätigt hat, im Wesentlichen nicht zu beanstanden. Über die soeben
genannten Aktenseiten hinaus sind indes auch die Seiten in Band 5, Bl. 45 und
Band 7, Bl. 1 - 4 offenzulegen. Insoweit hat die Beschwerde des Klägers Erfolg.
5.1. Allerdings hat das beklagte Ministerium nicht, wie in § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO
bei Geheimhaltungsbedarf vorgesehen, eine auf den laufenden Rechtsstreit bezo-
gene und auf einer Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten im
Prozess beruhende Ermessensentscheidung über die Aktenvorlage getroffen.
Dass das Ministerium die Ausgangsentscheidung zu treffen hatte, entband es nicht
von der Pflicht, als oberste Aufsichtsbehörde anlässlich der Sperrerklärung eine
Abwägungsentscheidung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu treffen. Die im Pa-
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rallelverfahren mit Schriftsatz vom 5. März 2004 abgegebene Sperrerklärung lässt
keine derartige Entscheidung erkennen. Das gilt auch unter Berücksichtigung des
ergänzenden Schriftsatzes vom 23. Mai 2005. Es genügt nicht, auf die prozessua-
len Folgen des § 100 VwGO und die Probleme hinzuweisen, die sich daraus erge-
ben, dass der Gesetzgeber darauf verzichtet hat, im Fall der Geltendmachung ei-
nes Auskunftsanspruchs im Hauptsacheverfahren die Möglichkeit eines „in-
camera“-Verfahrens vor dem Hauptsachegericht zu eröffnen. Ebenso wenig ge-
nügt es in der Regel, lediglich auf die Weigerungsgründe im angefochtenen Be-
scheid Bezug zu nehmen.
Im vorliegenden Fall war jedoch eine selbständige Ermessensentscheidung der
obersten Aufsichtsbehörde ausnahmsweise entbehrlich. Denn das Ergebnis der
nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO geforderten Abwägung war rechtlich vorgezeich-
net. Für Ermessenserwägungen war kein Raum. Das ergibt sich aus Folgendem:
Der Kläger macht einen Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen nach der
Umweltinformationsrichtlinie geltend. Dieser Anspruch besteht - unter der vom
Hauptsachegericht mit Blick auf die Frage der Entscheidungserheblichkeit bejahten
tatbestandlichen Voraussetzung, dass er sich auf Umweltinformationen bezieht -,
ohne dass hierfür ein Interesse geltend gemacht werden muss (Art. 1 lit a) der
Umweltinformationsrichtlinie). Jede natürliche oder juristische Person ist mit der
Antragstellung anspruchsberechtigt. Der Anspruch dient mithin nicht oder nicht in
erster Linie der Befriedigung von privaten Informationsinteressen. Vielmehr zielt er
darauf ab, das allgemeine Umweltbewusstsein zu schärfen, einen freien Mei-
nungsaustausch und eine wirksamere Teilnahme der Öffentlichkeit an Entschei-
dungsverfahren in Umweltfragen zu ermöglichen und auf diese Weise den Um-
weltschutz zu verbessern (vgl. den ersten Erwägungsgrund zur Umweltinformati-
onsrichtlinie sowie das Urteil vom 6. Dezember 1996 - BVerwG 7 C 64.95 -
BVerwGE 102, 282 <287>). Wer einen Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen
stellt, wird demnach (auch) als Sachwalter der Allgemeinheit tätig; seinem Interes-
se an der Verfolgung des Anspruchs im Prozess entspricht ein gleichgerichtetes
öffentliches Interesse.
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Dem in dieser Weise durch Allgemeininteressen getragenen Informationsinteresse
des Klägers stehen die grundrechtlich geschützten Interessen der Beigeladenen
an der Wahrung ihrer Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse (vgl. dazu Beschluss
vom 12. Januar 2006 - BVerwG 20 F 12.04 - BVerwGE 125, 40) und das ebenfalls
grundrechtlich verankerte Bedürfnis der Mitarbeiter der Beigeladenen nach dem
Schutz ihrer in den Akten enthaltenen personenbezogenen Daten gegenüber. Das
besondere Gewicht dieser Interessen ergibt sich aus ihrem grundrechtlichen Be-
zug; aus diesem folgt, dass Beeinträchtigungen nur beim Vorliegen hinreichend
gewichtiger Rechtfertigungsgründe hinnehmbar sind.
An solchen Gründen fehlt es, soweit der Kläger pauschal und einschränkungslos
die Einsichtnahme in sämtliche im Zusammenhang mit dem Störfall vom 14. De-
zember 2001 entstandenen Akten des Beklagten begehrt. Zwar braucht das Inte-
resse an Umweltinformationen wegen der dargelegten Bedeutung des Zugangsan-
spruchs für die Allgemeinheit nicht von vornherein hinter dem grundrechtlich gebo-
tenen Geheimnisschutz zurückzustehen. Andererseits müssen aber auch die priva-
ten Geheimhaltungsinteressen nicht generell den Informationsinteressen weichen,
weil dadurch der Schutz der Grundrechte im Zusammenhang mit der Offenbarung
von Umweltinformationen vollständig entfiele. Vielmehr müssen die privaten Ge-
heimhaltungsinteressen im Einzelnen mit den Informationsinteressen abgewogen
werden. Nur soweit sich bei der Einzelabwägung ergibt, dass die Informationsinte-
ressen ein größeres Gewicht als die privaten Geheimhaltungsinteressen haben,
kann jenen Interessen der Vorzug gegeben werden. Diese Erwägungen zur Ver-
hältnismäßigkeit treffen auch auf die Vorlage der Akten im Prozess zu. Denn das in
dieser Situation neben den sonstigen Interessen bedeutsame öffentliche und priva-
te Interesse an der Wahrheitsfindung und an effektivem Rechtsschutz führt nicht
zu einer abweichenden Beurteilung der Interessenlage.
5.2 Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Fachsenat des Oberverwaltungs-
gerichts - hinsichtlich des der Beigeladenen zugeordneten Schutzes ihrer Ge-
schäfts- und Betriebsgeheimnisse - nicht auf die unzureichend begründete Sperr-
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erklärung abgestellt hat, sondern seinerseits in die Abwägung eingetreten ist. So-
weit der Kläger vorträgt, die Richtlinie gestehe der Behörde keine Auswahl zu, und
moniert, die Auffassung des Fachsenats führe auf ein Beurteilungsermessen, für
das es in der Richtlinie keine Grundlage gebe, und ferner rügt, die Entscheidung
des Fachsenats entspreche nicht den Vorgaben der Umweltrichtlinie, verkennt er,
dass das Ergebnis der im Zwischenverfahren geforderten Abwägung in dem dar-
gelegten Umfang rechtlich zwingend vorgegeben ist und sich lediglich faktisch
deckt mit dem fachrechtlichen Prüfprogramm. Maßstab für die Rechtmäßigkeit der
Verweigerung ist nicht das materielle Recht, über das das Hauptsachegericht zu
entscheiden hat, sondern die am Maßstab der Verhältnismäßigkeit orientierte Inte-
ressengewichtung. Im Übrigen sehen auch die einschlägigen Vorschriften des
nunmehr geltenden Umweltinformationsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein
vom 2. März 2007 eine einzelfallbezogene Abwägung vor.
5.3 Der Fachsenat hat darüber hinaus zutreffend erkannt, dass das (altruistische)
Interesse des Klägers an Gewicht gewinnt, soweit es um die Aufklärung des den
Anlass für das Informationsbegehren bildenden Störfalls vom 14. Dezember 2001
geht.
Insoweit hat, wie der Fachsenat zu Recht festgestellt hat, der Geheimnisschutz
ausnahmsweise „hinter eindeutig höher zu bewertenden Rechtsgütern der Allge-
meinheit zurückzustehen“ (BA S. 16). Den Anknüpfungspunkt für die Verhältnis-
mäßigkeitsprüfung bildet dabei die Frage, ob die Durchsetzung des Informations-
anspruchs „unmittelbar bei der Realisierung einer wichtigen öffentlichen Aufgabe“
hilft (BA S. 17). Dass ein besonderes, die Geheimhaltungsinteressen deutlich
überwiegendes und daher die Entscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu-
gunsten der Aktenvorlage determinierendes öffentliches Interesse an Informatio-
nen mit unmittelbarem Störfallbezug besteht, ergibt sich aus den weitreichenden
Folgen, die ein Störfall angesichts der Besonderheiten einer solchen technischen
Anlage für die Allgemeinheit haben kann. Soweit die Beigeladene rügt, das Gericht
erkläre nicht, wie es durch die Preisgabe der Akten konkret zur „Realisierung einer
wichtigen öffentlichen Aufgabe“ kommen könne, verkennt sie den für die öffentliche
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Diskussion essentiellen Transparenzeffekt, der sich aus einer solchen Offenlegung
ergibt. Die Kenntnis der Informationen erlaubt - über die Aufbereitung des Vorfalls
in Fachkreisen hinaus - eine öffentliche Auseinandersetzung mit substantiellen
Nachfragen zu dem „kritischen“ Ereignis eines solchen Störfalls. Dass ein Öffent-
lichkeitsdruck - wie der Fachsenat zutreffend angemerkt hat - zu einem erhöhten
Erklärungsdruck und damit mittelbar zu einer möglichen Verbesserung der Anla-
genüberwachung führen kann, beruht auf der Erkenntnis, dass durch das partizipa-
tive Element der Offenlegung das Bewusstsein für die Erfordernisse eines wirksa-
men Umweltschutzes geschärft wird. Da sich das Informationsinteresse des Klä-
gers mit dem (allgemeinen) öffentlichen Informationsinteresse deckt, nimmt es an
dessen besonderer Bedeutung teil und gewinnt - soweit es um Informationen über
den konkreten Störfall geht - ein Gewicht, das den Geheimnisschutz verdrängt.
5.4. Aus alledem ergibt sich, dass der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts
seine Entscheidung im Zwischenverfahren zu Recht davon abhängig gemacht hat,
in welchem Umfang der im Hauptsacheverfahren und im Zwischenverfahren um-
strittene Akteninhalt durch Grundrechte der Beigeladenen und ihrer Mitarbeiter ge-
gen seine Offenlegung geschützt ist und welche Aktenseiten einen den Grund-
rechtsschutz verdrängenden besonderen Bezug zum Störfall vom 14. Dezember
2001 aufweisen; darüber hinaus hat er zutreffend geprüft, ob und ggf. mit welchem
Ergebnis die vom Beklagten gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu treffende Ermes-
sensentscheidung (auch) mit Blick auf andere Geheimhaltungsgründe, insbeson-
dere wegen eines staatlichen Geheimhaltungsinteresses, durch den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit inhaltlich determiniert war. Unter diesen Gesichtspunkten ist
zu dem Akteninhalt, der Entscheidung des Fachsenats und den Einwänden der
Beschwerdeführer im Einzelnen zu bemerken:
5.4.1 Die Feststellung des Fachsenats, dass es sich - mit Ausnahme von Band 6,
Bl. 11 - 15 und Band 7, Bl. 1 - 4 - bei den im klägerischen Berufungsantrag ge-
nannten Aktenseiten um Informationen handelt, die Betriebs- und Geschäftsge-
heimnisse der Beigeladenen betreffen (BA S. 11 f.), ist nicht zu beanstanden.
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Der beschließende Senat teilt nach Durchsicht der Aktenseiten die Einschätzung
des Fachsenats. Das gilt auch, soweit der Kläger geltend macht, Angaben zur An-
lagentechnik seien kein Betriebsgeheimnis der Beigeladenen, sondern „äußersten-
falls“ des Anlagenbauers. Denn es handelt sich um technisches Wissen, das die
Beigeladene als Betreiberin vom Anlagenbauer erworben hat und damit nicht nur
dem Anlagenbauer, sondern auch ihr unter dem Gesichtspunkt des Geheimnis-
schutzes zugeordnet ist.
Soweit der Kläger mit der Beschwerde einwendet, die Frage der Offenkundigkeit
eines behaupteten Geheimnisses sei als Tatsachenfrage dem Beweis zugänglich,
und mit Blick auf die von ihm im Hauptsacheverfahren beantragte Beweiserhebung
einen Verfahrensfehler rügt, verkennt er, dass das Zwischenverfahren eine Be-
weiserhebung im Sinne von § 98 VwGO in Verbindung mit den dort genannten Be-
stimmungen der Zivilprozessordnung nicht zulässt. Im Übrigen hat der Fachsenat
des Oberverwaltungsgerichts nachvollziehbar begründet, dass die Informationen
nicht offenkundig und nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind. So-
weit der Kläger hiergegen mit seiner Beschwerde Einwände erhebt, übersieht er,
dass der brancheninterne Austausch von Informationen nicht dazu führt, dass es
sich um „allgemein“ zugängliche Daten handelt. Bereits der Umstand, dass der
Informationsaustausch an eine fachliche Betroffenheit anknüpft, belegt, dass die
Angaben nur einem beschränkten Personenkreis und nicht der Allgemeinheit zu-
gänglich sind. Ebenso wenig genügt es, dass die (veraltete) Kraftwerkstechnik
- wie der Kläger vorträgt - weltweit angeboten und auch mehrfach gebaut wurde.
Damit ist das technische Wissen nicht der Allgemeinheit, sondern nur dem be-
schränkten Kreis der Betreiber von Kernkraftwerken zugänglich gemacht worden.
Außerdem sind auch bei verbreiteter Kenntnis des Anlagentyps und der Anlagen-
technik noch nicht die Konstruktionsdetails des Kernkraftwerks der Beigeladenen
und sein tatsächlicher Bauzustand allgemein bekannt.
5.4.2 Zu Recht hat der Fachsenat die Aktenseiten Band 8, Bl. 16 - 21 und 50 - 56
als unmittelbar störfallrelevant beurteilt und deshalb ihre Offenlegung für erforder-
lich gehalten. Dass es sich bei diesen Aktenseiten - wie die Beigeladene mit ihrer
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Beschwerde vorträgt - um eine bloße Auflistung von Daten handelt, ändert nichts
an ihrem spezifischen Störfallbezug. Die auf den Aktenseiten enthaltenen Warn-
störschaltprotokolle (WSP) und EDV-Meldungen aus der Prozessrechneranlage
(PRA) geben - wie auch die Beigeladene bereits in der Anlage zum Schriftsatz vom
30. November 2006 ausgeführt hat und mit der Beschwerde wiederholt - Auf-
schluss über betriebliche Störungen und vermitteln ein Bild über den Zustand der
Anlage. Der Störfallbezug ergibt sich daraus, dass sich alle Daten auf den Tag des
Störfalls beziehen. Dass sich die Daten nicht auf die TC-Deckelduschleitung be-
schränken, relativiert den Störfallbezug nicht. Denn es besteht mit Blick auf die
Ursachenforschung gerade auch ein besonderes Interesse an Informationen über
den Zustand der gesamten Anlage am Tag des Störfalls unabhängig vom techni-
schen „Ort“, an dem sich der Vorfall ereignet hat. Zumindest missverständlich er-
scheint aber der Hinweis des Fachsenats, verbleibenden schützenswerten Belan-
gen der Beigeladenen könne durch die Form der Offenlegung entsprochen werden
(BA S. 18). Dem Kriterium des Störfallbezugs kommt gerade die Besonderheit zu,
den betrieblichen Geheimnisschutz der Beigeladenen ausnahmsweise (ganz) zu
verdrängen; für schützenswerte Belange ist - entgegen der Auffassung der Beige-
ladenen - in diesem Fall kein Raum.
5.4.3 Soweit die Beigeladene hinsichtlich der Aktenseiten in Band 7, Bl. 61 und
Band 5, Bl. 45 rügt, der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts habe zu Unrecht
angenommen, die Angaben seien auf Grund der - im einzelnen genannten - Publi-
kationen bereits der Öffentlichkeit zugänglich, so dass eine Entscheidung gemäß
§ 99 Abs. 2 VwGO entbehrlich sei, ist zu unterscheiden:
(1) Band 7, Bl. 61 ist im Berufungsantrag des Klägers vom 6. Februar 2006 nicht
genannt und daher weder Streitgegenstand im Hauptsacheverfahren noch Ge-
genstand des vorliegenden Zwischenverfahrens, welches die Verweigerung der in
jenem Verfahren umstrittenen Akten an das Gericht der Hauptsache betrifft; das
bedeutet, dass der Fachsenat über die Vorlage dieser Aktenseite in dem angefoch-
tenen Beschluss nicht entschieden hat. Insofern geht die Feststellung des Fachse-
nats des Oberverwaltungsgerichts auf Seite 6 des Beschlusses zu dem in Band 7,
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Bl. 61 befindlichen - störfallrelevanten - Vermerk über eine Einsichtnahme in die
Schichtunterlagen vom 14. Dezember 2001, ins Leere.
(2) Bei Band 5, Bl. 45 handelt es sich um eine Querschnittszeichnung des Sicher-
heitsbehälters mit der TC-Deckelduschleitung, auf der die Fundstellen der auf Sei-
te 30 - 44 mit Photographien dokumentierten Bruchstücke im Zusammenhang mit
dem Störfall verzeichnet sind. Wie auch der Fachsenat durch Kursivdruck zum
Ausdruck gebracht hat, sind „diese“ Informationen im Wesentlichen in den genann-
ten Publikationen enthalten. Es fehlt jedoch an einer vergleichbar komprimierten
Darstellung in einer Zeichnung; die einzelnen Informationen müssen vielmehr je-
weils erst zusammengeführt werden, um den mit der Querschnittszeichnung ver-
bundenen Gesamteindruck zu vermitteln. Damit handelt es sich qualitativ um eine
bislang nicht der Öffentlichkeit zugängliche Information. Das verkennt der Fachse-
nat. Angesichts des Störfallbezugs tritt der betriebliche Geheimnisschutz der Bei-
geladenen daher in diesem Fall ausnahmsweise zurück. Die Entscheidung des
Fachsenats ist mithin insoweit zu korrigieren.
5.4.4 Angesichts der Feststellung des Fachsenats des Oberverwaltungsgerichts,
dass es nicht um den Schutz von personenbezogenen Daten gehe (BA S. 6, 11),
sieht der Senat Anlass zur Klarstellung. Der Kläger hat in seinem Berufungsschrift-
satz vom 6. Februar 2006 ausdrücklich - unter b) - auch beantragt, den Beklagten
zu verpflichten, die Unterlagen ungeschwärzt vorzulegen. Das bezieht sich ersicht-
lich auf die - im Bescheid ohne Angabe der Aktenseiten verfügten - Namens-
schwärzungen, „die über reine Funktionsbezeichnungen hinausgehen“ und die
„Angaben in Arbeitsaufträgen, organisatorischen Zuordnungen, Störungs- und
Mängelmeldungen“ betreffen sollen. Insofern geht die Feststellung des Fachse-
nats, dass „die im Berufungsantrag ... benannten (weiteren) Unterlagen, deren Of-
fenbarung begehrt wird, keine personenbezogenen Daten ... enthalten“ (BA S. 6
- Klammerzusatz im Original), am klägerischen Begehren vorbei. Der Kläger rügt
dies zwar nicht mit seiner Beschwerde und hat überdies im Verfahren der Haupt-
sache - wenn auch vor Stellung des Berufungsantrags - mit Schriftsatz vom
26. März 2004 erklärt, er stimme unter Protest einer Schwärzung personenbezo-
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- 20 -
gener Daten zu. Der beschließende Senat hat aber auch diesen Grund der Ver-
weigerung zu überprüfen, da der Beklagte - wie sich aus dem dem Senat im Origi-
nal und in Kopie vorliegenden Verwaltungsvorgang ergibt - auf unterschiedlichen
Aktenseiten entsprechende Schwärzungen vorgenommen hat. Die Prüfung ergibt,
dass die geschwärzten Angaben keinen konkreten Störfallbezug aufweisen und
dass daher dem grundrechtlichen Datenschutz gegenüber dem lediglich allgemei-
nen Informationsinteresse des Klägers der Vorrang gebührt. Der Fachsenat hat
mithin insoweit die Verweigerung der Aktenvorlage durch den Beklagten im Ergeb-
nis zu Recht bestätigt.
5.4.5 Soweit der Fachsenat über den Schutz von privaten Geheimnissen hinaus
auch staatliche Geheimhaltungsinteressen angesprochen hat, ist wiederum zu dif-
ferenzieren:
(1) Zu Recht hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts die Verweigerung
der Vorlage der Aktenseiten in Band 6, Bl. 11 - 15, die Beratungen der Reaktorsi-
cherheitskommission (RSK) betreffen, als rechtmäßig erachtet.
Die Einwände des Klägers sind nicht begründet. Denn insofern steht dem Informa-
tionsanspruch, der dem Kläger im Interesse der Allgemeinheit eingeräumt ist, ein
zwar nicht grundrechtlich fundiertes, aber ein vergleichbar bedeutsames öffentli-
ches Interesse entgegen, das so gewichtig ist, dass es nicht vernachlässigt werden
darf. Zutreffend hat der Fachsenat die besondere Bedeutung des im öffentlichen
Interesse begründeten (behördlichen) Geheimnisschutzes aus der Vertraulichkeit
abgeleitet, die den Beratungen der Reaktorsicherheitskommission zukommt. Das
in § 14 Abs. 3 der RSK-Satzung niedergelegte Beratungsgeheimnis ist strukturell
mit dem richterrechtlichen Beratungsgeheimnis (vgl. dazu Beschluss vom
21. Februar 2007 - BVerwG 20 F 9.06 - BVerwGE 128, 135 <137>) vergleichbar
und eine wesentliche Voraussetzung für die Unabhängigkeit der Mitglieder der
Kommission. Die Kommissionsmitglieder haben danach das Recht und die Pflicht,
mündliche und schriftliche Äußerungen, die sich mit ihren Erkenntnissen zum
Sachverhalt befassen oder diesen einer Bewertung und Beurteilung unterziehen,
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- 21 -
nicht an außenstehende Dritte gelangen zu lassen. Sie sollen in aller Offenheit
gemeinsam über die Entscheidung diskutieren können, ohne dass Außenstehende
von ihrem Verhalten Kenntnis erlangen oder es gar beeinflussen können. Erst
wenn das Ergebnis der Beratung in Form einer Empfehlung oder Stellungnahme
beschlossen worden ist und insofern die Gefahr einer Personalisierung des Ent-
scheidungsprozesses nicht (mehr) besteht, überwiegt das allgemeine Informations-
interesse. Dementsprechend ist der allgemeinen Öffentlichkeit gemäß § 11 Abs. 3
der RSK-Satzung nur Zugang zu den Empfehlungen oder Stellungnahmen eröff-
net. Das Informationsinteresse des Klägers geht hier nicht weiter als das Interesse
der allgemeinen Öffentlichkeit. Dass die Unterlagen im Zusammenhang mit dem
Störfall stehen, genügt nicht. Vielmehr überwiegt das seinerseits in besonderer
Weise zu beachtende öffentliche Interesse an der Einhaltung des Beratungsge-
heimnisses und damit der effektiven und objektiven Entscheidungsfindung der
Kommission.
(2) Dagegen trägt die Begründung des Fachsenats hinsichtlich der Aktenseiten in
Band 7, Bl. 1 - 4, die behördliche Vermerke zur Vorbereitung für ein Gespräch zwi-
schen dem Beklagten und der Beigeladenen enthalten, nicht. Weder greift § 100
Abs. 3 VwGO analog ein noch der Gedanke des Schutz der Vertraulichkeit interner
behördlicher Mitteilungen. Die behördliche Vertraulichkeit mag fachrechtlich
- sowohl nach dem zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses geltenden Umweltinfor-
mationsgesetz als auch nach der Umweltinformationsrichtlinie sowie nach dem
nunmehr geltenden Umweltinformationsgesetz des Landes - einen Ablehnungs-
grund darstellen. Doch decken sich die Voraussetzungen, unter denen nach den
einschlägigen Fachgesetzen der Zugang zu Informationen abgelehnt werden kann,
nicht in vollem Umfang mit den in § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO umschriebenen Grün-
den für die Geheimhaltung von Akten im Prozess. Abgesehen davon vermag der
beschließende Senat ein besonderes Gewicht dieses öffentlichen Belangs anders
als bei dem Beratungsgeheimnis der Reaktorsicherheitskommission nicht zu er-
kennen. Soweit der Beklagte mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2006 unter Wie-
dergabe der Begründung im angefochtenen Bescheid darauf verweist, dass exis-
tentielle Gefährdungen für Mitarbeiter, die benannt werden, nicht ausgeschlossen
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- 22 -
werden könnten, lässt sich damit zwar ein personenbezogener Datenschutz be-
gründen. Bezogen auf Band 7, Bl. 1 - 4 ist diese Begründung aber nicht nachvoll-
ziehbar; denn auf diesen Aktenseiten findet sich kein einziger Name. Allein der
Umstand, dass in den Vermerken Kritik an der Beigeladenen geäußert wird, ge-
nügt nicht, um die behauptete Gefährdungslage zu begründen. Auch bei diesen
Aktenseiten ist der Störfallbezug evident; der - vom Kläger gerügte - Hinweis auf
die mangelnde Erforderlichkeit ist daher nicht nachvollziehbar. Die Beschwerde
des Klägers hat mithin auch insoweit Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155, 173 VwGO i.V.m. § 100 ZPO. Die
Festsetzung des Streitwerts für dieses Zwischenverfahren folgt aus § 52 Abs. 2,
§ 47 Abs. 1 GKG.
Dr. Bardenhewer Prof. Dr. Kugele Dr. Bumke
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Sachgebiet:
BVerwGE:
ja
Verwaltungsprozessrecht
Fachpresse:
ja
Umweltinformationsrecht
Rechtsquelle:
VwGO
§ 99
Stichworte:
Verwaltungsstreit wegen Zugang zu Umweltinformationen; Umweltinformations-
richtlinie vom 28. Januar 2003; Umweltinformationsgesetz des Landes; Ausschluss
der mündlichen Verhandlung im Zwischenverfahren gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1
VwGO; Grundsatz des gesetzlichen Richters; Sperrerklärung als Erklärung des
Prozessrechts; Vorlageermessen; Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; Fall der
Entbehrlichkeit der selbständigen Ermessensentscheidung der obersten Aufsichts-
behörde; grundrechtlich gebotener Geheimnisschutz.
Leitsatz:
Die zuständige oberste Aufsichtsbehörde hat auch in Klageverfahren, in denen um
den Zugang zu Informationen gestritten wird, gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO
über die Vorlage von geheimhaltungsbedürftigen Akten aufgrund einer Abwägung
der widerstreitenden Interessen nach ihrem Ermessen zu entscheiden. Die Ent-
scheidung über die Aktenvorlage im Prozess kann sich in solchen Fällen der Prü-
fung und Anwendung der Rechtsnormen, die für die Entscheidung des Gerichts
über den Klageanspruch maßgeblich sind, faktisch weitgehend annähern. Für die
gerichtliche Überprüfung der Vorlageentscheidung steht das Zwischenverfahren
gemäß § 99 Abs. 2 VwGO zur Verfügung.
Der Ausübung des prozessualen Vorlageermessens durch die Behörde bedarf es
ausnahmsweise dann nicht, wenn das Interesse an der Geheimhaltung wegen ei-
nes grundrechtlichen Bezugs oder aus anderen Gründen ein solches Gewicht hat,
dass die Vorlage der Akten unterbleiben muss. Ebenso kann umgekehrt bei einem
geringen Gewicht des Geheimhaltungsinteresses die Vorlage im Hinblick auf den
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rechtlich geboten sein.
Die Vorlage von Akten mit Umweltinformationen ist bei grundrechtlich gebotenem
Geheimnisschutz wie z.B. im Falle von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen oder
bei personenbezogenen Daten nur zulässig, wenn und soweit das gesetzliche In-
formationsinteresse des Klägers und der Allgemeinheit das private Geheimhal-
tungsinteresse überwiegt. Unter diesen Voraussetzungen kann die Vorlage
zugleich erforderlich sein (hier bejaht für Angaben zu einem Störfall in einem Kern-
kraftwerk in den Akten der Atomaufsichtsbehörde).
Urteil des Fachsenats vom 21. Februar 2008 - BVerwG 20 F 2.07
I. OVG Schleswig vom 29.12.2006 - Az.: OVG 15 P 3/06 -