Urteil des BVerwG vom 11.10.2010

Akteneinsicht, Auskunft, Hauptsache, Verweigerung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 20 F 12.10
OVG 10 SOV 484/10
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. Oktober 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Buchheister
beschlossen:
Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des
Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 26. März 2010
wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
1. Die Kriminalpolizei übergab dem Kläger am 14. Januar 2008 unter dem Ak-
tenzeichen TH 1580-000050-… eine Belehrung darüber, dass gegen ihn Kennt-
nisse vorlägen, wonach er ein nicht näher bezeichnetes Verbrechen plane oder
vorbereite. Da sich nach bisherigem Ermittlungsstand noch keine Anhaltspunkte
für eine verfolgbare Straftat ergäben, sei die Belehrung als präventive Maß-
nahme zu verstehen. Nachfragen des Klägers, worauf sich diese sog. Gefähr-
dungsansprache beziehe, und eine Bitte um Akteneinsicht blieben ohne Erfolg.
Darauf wandte sich der Kläger an den Thüringer Datenschutzbeauftragten.
Dieser teilte ihm nach Überprüfung des Vorgangs mit, dass seiner Auffassung
nach die Informationen zu Unrecht verweigert würden, und wies auf die Mög-
lichkeit der verwaltungsgerichtlichen Klage hin.
Der Kläger hat am 22. Dezember 2009 vor dem Verwaltungsgericht die diesem
Zwischenverfahren zugrunde liegende Klage auf Einsicht in die bei der betref-
fenden Polizeidirektion geführten Akte TH 1580-000050-08/6, hilfsweise auf
Auskunft zu dem der Gefährdungsansprache zugrunde liegenden Sachverhalt
erhoben. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Eine Akteneinsicht oder
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Auskunft sei aus Gründen des Informantenschutzes ausgeschlossen; auf eine
Abwägung mit dem Interesse des Klägers komme es nicht an. Auf die Aufforde-
rung des Vorsitzenden, die Verwaltungsvorgänge vorzulegen, teilte der Beklag-
te zunächst mit, dass gegen die Vorlage der Verwaltungsakten zu den Akten-
zeichen TH 1580-000050-… und 00-2817-… Bedenken bestünden, weil auf
diese Weise die Hauptsache vorweggenommen würde. Nach Aufforderung des
Berichterstatters, die Akten vorzulegen oder eine Sperrerklärung nach § 99
Abs. 1 Satz 2 VwGO abzugeben, teilte der Beklagte mit, dass die Aktenvorlage
zum Schutz des Informanten gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO verweigert wer-
de und bat, den Vorgang dem Oberverwaltungsgericht zur Entscheidung vorzu-
legen.
Auf Antrag des Klägers stellte der Fachssenat des Oberverwaltungsgerichts
fest, dass die Verweigerung der Aktenvorlage durch den Beklagten als zugleich
oberste Aufsichtsbehörde im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtswidrig
sei, weil die Sperrerklärung unter einem vollständigen Ermessensausfall leide.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Beklagten, mit der er geltend macht,
das Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO habe nicht durchgeführt werden dürfen,
da er eine Sperrerklärung nie beabsichtigt und auch nicht ausgesprochen habe.
2. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
a) Mit dem Einwand, eine Sperrerklärung weder beabsichtigt noch ausgespro-
chen zu haben, macht der Beklagte der Sache nach geltend, der Antrag des
Klägers nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO sei unstatthaft und hätte vom Fachse-
nat abgelehnt werden müssen. Dieser Einwand ist unbegründet. Der Beklagte
hat als oberste Aufsichtsbehörde mit Schriftsatz vom 19. Februar 2010 „die Ak-
tenvorlage zum Schutz des Informanten gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO ver-
weigert“. Die anderslautende Behauptung der Beschwerde ist nicht nachvoll-
ziehbar. Im Übrigen genügt es, wenn die oberste Aufsichtsbehörde sich - wie
hier - unmissverständlich weigert, der vom Hauptsachegericht geforderten (un-
geschwärzten) Vorlage der Akten nachzukommen. Auf welche Gründe sie sich
dabei stützt, ist unerheblich. Entscheiden ist, dass sie sich eindeutig und un-
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missverständlich geweigert hat, die erbetenen Akten vorzulegen (Beschluss
vom 15. Oktober 2008 - BVerwG 20 F 2.08 - juris Rn. 3).
b) Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat zutreffend festgestellt, dass
diese Sperrerklärung rechtswidrig ist. Seine Ausführungen zur ausnahmsweisen
Entbehrlichkeit eines förmlichen Beweisbeschlusses zur Aktenvorlage sowie zu
den Mindestanforderungen an eine Sperrerklärung im Hinblick auf die konkrete
Darlegung der Geheimhaltungsgründe und die nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO
geforderte eigenständige Ermessensausübung entsprechen der ständigen
Rechtsprechung des beschließenden Senats. Von einer weiteren Begründung
sieht der Senat deshalb ab (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Festsetzung des
Werts des Streitgegenstands ergibt sich aus § 52 Abs. 2 GKG.
Neumann Dr. Bumke Buchheister
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