Urteil des BVerwG vom 27.02.2004

Akte, Hauptsache, Datenschutz, Prozess

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 20 F 10.03
VG 5 E 377/01 (2)
In der Verwaltungsstreitsache
hat der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts
für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO
am 27. Februar 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S i l b e r k u h l
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. D a w i n und Dr. K u g e l e
beschlossen:
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Die Weigerung der Beklagten, die Akte des Bundeskriminalam-
tes Az.: G-515410 im Rechtsstreit VG Wiesbaden 5 E 377/01
vorzulegen, ist rechtmäßig. Die Weigerung, die Akte Az.:
ZV 15-5391 vorzulegen, ist rechtswidrig.
Die Kosten dieses Zwischenverfahrens tragen die Beteiligten je
zur Hälfte.
Der Streitwert wird für dieses Zwischenverfahren auf 4 000 €
festgesetzt.
G r ü n d e :
Der Antrag ist teilweise begründet. Die Beklagte ist berechtigt, die Akte des Bundes-
kriminalamtes mit dem Aktenzeichen G-515410 zurückzuhalten. Hingegen muss sie
die Akte ZV 15-5391 vorlegen.
Nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO gilt die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde nach
§ 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO, im Prozess Urkunden und Akten vorzulegen und Auskünf-
te zu erteilen, nicht, wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden oder Ak-
ten dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde
oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehal-
ten werden müssen und deshalb die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorla-
ge durch Abgabe einer Sperrerklärung verweigert. Die Vorlageverpflichtung nach
§ 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO soll sicherstellen, dass der entscheidungserhebliche
Sachverhalt im Prozess so umfassend wie möglich aufgeklärt wird und alle Verfah-
rensbeteiligten von entscheidungserheblichen Vorgängen Kenntnis erlangen, um
diese zur Grundlage ihres Vorbringens im Rechtsstreit machen zu können (Be-
schluss vom 24. November 2003 - BVerwG 20 F 13.03 - m.w.N. - zur Veröffentli-
chung in der Entscheidungssammlung vorgesehen). Ob bestimmte Akten oder Ur-
kunden entscheidungserheblich sind und deshalb überhaupt der Vorlagepflicht unter-
liegen, richtet sich nach der Rechtsauffassung des Gerichts der Hauptsache (Be-
schluss vom 24. November 2003 - BVerwG 20 F 13.03 - a.a.O.). Dieses muss, wenn
eine Vorlage nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO wegen behaupteter Geheimhaltungs-
bedürftigkeit verweigert wird, zunächst darüber befinden, ob es die Unterlagen zur
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Entscheidungsfindung benötigt. Ist das der Fall, hat es in der Regel einen Beweisbe-
schluss zu erlassen, so dass auch die Einstufung des - mutmaßlichen - Akteninhalts
als rechtserheblich für den im etwaigen Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO
entscheidenden Fachsenat erkennbar ist.
Ein Beweisbeschluss ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn die zurückgehaltenen
Akten zweifelsfrei erheblich sind (Beschluss vom 24. November 2003 - BVerwG 20 F
13.03 - a.a.O.). Im vorliegenden Fall ist das so. Der Kläger klagt im Verfahren zur
Hauptsache, ihm Auskunft über Daten zu erteilen, die in Akten des Bundeskriminal-
amtes über ihn gespeichert sind. Der damit geltend gemachte Anspruch aus § 19
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG besteht nicht, wenn einer der Gründe nach § 19 Abs. 4
BDSG vorliegt, in denen wichtige öffentliche und private, nach Ansicht des Gesetz-
gebers die Geheimhaltung der Daten erfordernde Interessen formuliert sind. Um
festzustellen, ob und wodurch einer dieser Versagungsgründe verwirklicht ist, muss
das Gericht der Hauptsache im Regelfall Einblick in die Akten nehmen (vgl. BVerfG,
Beschluss vom 27. Oktober 1999 - 1 BvR 385/90 - BVerfGE 101, 106 <125>).
Die Weigerung der Beklagten, die Akte des Bundeskriminalamtes Az.: G-515410
vorzulegen, ist rechtmäßig. Die Offenlegung dieser Akte würde dem Wohl des Bun-
des Nachteile bereiten, darüber hinaus müssen die in der Akte enthaltenen Vorgänge
ihrem Wesen nach geheim gehalten werden. Die Akte enthält Angaben, die im
Interesse der effektiven Polizeiarbeit des Bundeskriminalamtes Außenstehenden
nicht bekannt werden dürfen. Weitere Ausführungen zum Inhalt dieser Akte sind dem
Fachsenat nach § 99 Abs. 2 Satz 10 Halbsatz 2 VwGO verwehrt.
Dagegen ist die Zurückhaltung der Akte des Bundeskriminalamtes ZV 15-5391
rechtswidrig. Diese Akte enthält faktisch nur Ablichtungen des Schriftwechsels zwi-
schen dem Bundeskriminalamt und dem Kläger bzw. seinen Prozessbevollmächtig-
ten sowie dem Verwaltungsgericht Wiesbaden, zwischen dem Bundesbeauftragten
für Datenschutz und dem Kläger sowie Abdrucke der gerichtlichen Entscheidungen
und Verfügungen im Rechtsstreit VG Wiesbaden 5 E 377/01. Darüber hinaus befin-
den sich auf Blatt 6 dieser Akte eine Mitteilung des Bundesbeauftragten für den Da-
tenschutz an das Bundeskriminalamt, dass eine Anfrage des Klägers bei ihm einge-
gangen ist, und auf Blatt 35 und 39 zwei behördeninterne Vermerke, dass das
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Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 10. Januar 2002 mit der
Bitte, die dem Kläger verweigerte Auskunft dem Bundesbeauftragten für Datenschutz
zu erteilen, an diesen weitergeleitet werden soll.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO; die Streitwertfestsetzung
ergibt sich aus § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Dr. Silberkuhl
Prof. Dawin
Dr. Kugele