Urteil des BVerwG vom 05.08.2015

Vertrauensperson, Rechtliches Gehör, Anhörung, Genehmigung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 WRB 4.14
TDG S 4 BLc 1/14
In der Disziplinarsache
des Herrn Hauptmann ...,
- Verteidiger:
Rechtsanwalt ...,
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Burmeister,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Rönnau und
den ehrenamtlichen Richter Hauptmann Wilhelm
am 5. August 2015 beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Soldaten gegen den Be-
schluss der 4. Kammer des Truppendienstgerichts Süd
vom 8. Juli 2014 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Sol-
daten auferlegt.
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G r ü n d e :
I
Der 47 Jahre alte Beschwerdeführer ist Berufssoldat. Bis zum 31. Dezember
20.. wurde er im Institut ... der Bundeswehr in A., seitdem wird er als Controller
im Kommando ... der Bundeswehr in K. verwendet. Seine Dienstzeit endet vo-
raussichtlich am 30. April 20...
Mit Disziplinarverfügung vom 8. Januar 2014 verhängte der damalige Diszipli-
narvorgesetzte, der kommissarische Leiter des Instituts ... der Bundeswehr,
gegen den Beschwerdeführer eine Disziplinarbuße von 200 €, deren Vollstre-
ckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Im verfügenden Teil der Maßnahme
heißt es:
"Er hat am 12.09.2013 in A., ..., ...-Kaserne, Gebäude 4,
sowie am 13.09.2013, 23.09.2013 und 24.09.2013 sein
Elektro-Kfz mit dem amtlichen Kennzeichen ... ohne
Genehmigung durch eigenmächtige Entnahme von Strom
aus dem Stromnetz der Kaserne aufgeladen. Zwar
beantragte Hauptmann ... am 03.09.2013 beim
zuständigen BwDLZ M. - nachrichtlich beim
Kasernenkommandanten ...-Kaserne A. - sein Elektro-Kfz
aufladen zu dürfen. Die Genehmigung erhielt er aber erst
am 12.12.2013 in Form des Mitbenutzungsvertrags-
entwurfes vom BwDLZ M. zur Vertragszeichnung. Eine
Genehmigung wurde weder durch das BwDLZ M. noch
durch den Kasernenkommandanten ...-Kaserne A., als
auch durch den Institutsleiter ...Bw im Vorfeld erteilt.
Hauptmann ... hätte wissen müssen, dass ein Aufladen
seines Elektro-Kfz erst nach erteilter Genehmigung hätte
erfolgen dürfen, nicht bereits nach Antragstellung in der
Annahme, dass eine Genehmigung zweifelsohne erfolgen
würde. In der Vielzahl der mit Hauptmann ... geführten
Gespräche fehlte es ihm stets an Einsicht."
Zuvor war am 19. Dezember 2013 die Vertrauensperson durch den "i.V." zeich-
nenden kommissarischen Dienststellenleiter angehört worden. In einer der Nie-
derschrift über die Anhörung beigefügten schriftlichen Stellungnahme führte die
Vertrauensperson zum beabsichtigten Disziplinarmaß aus: "Ich halte eine Dis-
ziplinarmaßnahme nicht für angebracht."
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Gegen die Disziplinarmaßnahme legte der Soldat Beschwerde mit der Begrün-
dung ein, in dem korrekt wiedergegebenen Sachverhalt liege kein Fehlverhalten
seinerseits. Sein Abteilungsleiter, RAR K., habe ihm am 12. September 2013
mündlich erlaubt, sein Elektro-Kfz wie durchgeführt aufzuladen. Aufgrund eines
gleichgelagerten Falles eines Kameraden an einem anderen Standort habe er
zudem darauf vertrauen können, schon vor Abschluss des Mitbenutzungsver-
trages mit dem Bundeswehrdienstleistungszentrum (BwDLZ) M. zur Stroment-
nahme berechtigt zu sein. Die hierdurch entstandenen Kosten in Höhe von
4,00 € habe er nach Abschluss des Vertrages auf das Konto des BwDLZ M.
überwiesen. Er habe sich nicht ungerechtfertigt bereichern wollen.
Der Kommandeur ... im Kommando ... der Bundeswehr wies die Beschwerde
mit Bescheid vom 10. Februar 2014 zurück. Der Beschwerdeführer habe er-
kennen können und müssen, dass die Stromentnahme ohne Genehmigung er-
folgt sei. RAR K. sei erkennbar nicht zuständig gewesen, eine vorläufige Ge-
nehmigung mündlich auszusprechen. Überdies sei die fehlende Einsichtsfähig-
keit des Beschwerdeführers zu dessen Lasten zu berücksichtigen gewesen.
Die durch den Verteidiger am 11. März 2014 bei der 3. Kammer des Truppen-
dienstgerichts Süd eingelegte und von dieser zuständigkeitshalber an die
4. Kammer desselben Gerichts verwiesene weitere Beschwerde hält die Anhö-
rung der Vertrauensperson nach § 27 Abs. 1 SBG für fehlerhaft und mit der
höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht vereinbar. Der in Vertretung Anhö-
rende sei bereits unzuständig gewesen. Außerdem sei die beabsichtigte Diszip-
linarmaßnahme der Vertrauensperson nicht vorab mitgeteilt worden. Schließlich
sei das Ergebnis ihrer Anhörung dem Soldaten in dessen Schlussanhörung
nicht bekannt gegeben worden. Die verhängte Maßnahme sei schließlich un-
verhältnismäßig und daher auch materiell rechtswidrig.
Der Vorsitzende der Truppendienstkammer leitete die Beschwerdebegründung
an den Leiter des Instituts ..., Oberfeldarzt Dr. P., mit der Bitte um Stellungnah-
me weiter. Dieser erklärte mit Schreiben vom 26. Mai 2014, dass er die Ver-
trauensperson im persönlichen Gespräch über Art und Höhe der beabsichtigten
Disziplinarmaßnahme in Kenntnis gesetzt und die Anhörung "i.V." gezeichnet
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habe, da er die Dienststelle nur kommissarisch geleitet habe. Auf diesem
Schreiben findet sich ein handschriftlicher Vermerk des Vorsitzenden der Trup-
pendienstkammer vom 18. Juni 2014 über ein Telefonat mit Oberfeldarzt Dr. P.,
in dem weitere Stellungnahmen von diesem und der Vertrauensperson zur Fra-
ge der Eröffnung der Anhörung der Vertrauensperson gegenüber dem Soldaten
angefordert wurden. Die Vertrauensperson, Stabsfeldwebel W., äußerte mit
Schreiben vom 23. Juni 2014, dass er vor der Schlussanhörung des Soldaten
mit diesem die schriftliche Stellungnahme persönlich besprochen habe. Mit
Schreiben vom 24. Juni 2014 legte Oberfeldarzt Dr. P. dar, die Stellungnahme
der Vertrauensperson im Schlussgehör mit dem Soldaten erörtert zu haben,
was sowohl der hierbei anwesende Stabsfeldwebel W. als auch der als Proto-
kollführer eingesetzte Hauptfeldwebel B. bezeugen könnten.
Mit Beschluss vom 8. Juli 2014 hat die 4. Kammer des Truppendienstgerichts
Süd die weitere Beschwerde ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen und
die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Zur Begründung heißt es, die Anhö-
rung der Vertrauensperson vor Verhängung der Disziplinarmaßnahme sei nach
den von der Kammer getroffenen Feststellungen durch den Oberfeldarzt Dr. P.
ordnungsgemäß durchgeführt worden. Da dieser als kommissarischer Leiter
des Instituts ... der Bundeswehr eingesetzt gewesen und die Anhörung richtig-
erweise unter dem Kopf des Dienststellenleiters erfolgt sei, sei diese Nieder-
schrift auch mit dem Vertretungszusatz zu unterschreiben gewesen. Die weite-
ren Einwände zur Anhörung der Vertrauensperson träfen zwar unter aus-
schließlicher Bezugnahme auf die Aktenlage zu, seien jedoch im Ergebnis un-
zutreffend und teilweise wahrheitswidrig. Nach den von der Kammer getroffe-
nen Feststellungen seien beim Schlussgehör des Beschwerdeführers neben
dem vernehmenden Oberfeldarzt Dr. P. die Vertrauensperson Stabsfeldwebel
W. und der Protokollführer Hauptfeldwebel B. anwesend gewesen. Ausweislich
der der Kammer vorliegenden Stellungnahmen des Oberfeldarztes Dr. P. und
der Vertrauensperson Stabsfeldwebel W. sei dem Beschwerdeführer im
Schlussgehör die Anhörung der Vertrauensperson eröffnet worden. Sie sei dem
Beschwerdeführer zudem zuvor durch die Vertrauensperson noch persönlich
bekannt gegeben und erläutert worden. Darüber hinaus sei die Vertrauensper-
son nach der Stellungnahme des Oberfeldarztes Dr. P. auch vor ihrer Anhörung
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über die beabsichtigte Disziplinarmaßnahme unterrichtet worden. Die Art und
Weise der Abgabe der Stellungnahme sei der Vertrauensperson nach dem Ge-
setz nicht vorgeschrieben. Der verhängende Disziplinarvorgesetzte habe hie-
rauf auch keinen Einfluss. Im Übrigen habe es eines Eingehens der Vertrau-
ensperson auf die beabsichtigte Disziplinarmaßnahme schon deshalb nicht be-
durft, weil die Vertrauensperson überhaupt keine Disziplinarmaßnahme für an-
gemessen gehalten habe.
Die Disziplinarmaßnahme sei auch materiell rechtmäßig. Der Soldat habe ein
Dienstvergehen begangen. Dem stehe nicht entgegen, dass es sich vorliegend
um einen äußerst geringen Geldbetrag gehandelt habe und in einem Ver-
gleichsfall bereits eine Genehmigung erteilt worden sei. Aufgrund der grund-
sätzlichen Schwere des Pflichtenverstoßes sei die auf Bewährung verhängte
Disziplinarbuße verhältnismäßig. Sie sei angesichts fehlender Einsicht und
Reue des Beschwerdeführers sogar als äußerst milde anzusehen.
Eine Abschrift dieser Entscheidung wurde dem Verteidiger am 14. Juli 2014 und
eine Ausfertigung dem Soldaten am 14. August 2014 zugestellt.
Mit Schreiben vom 13. August 2014, zugegangen am gleichen Tag, hat der
Soldat durch seinen Verteidiger Beschwerde gegen die Nichtzulassung der
Rechtsbeschwerde erhoben und unter dem 15. September 2014 zur Begrün-
dung vortragen lassen: Das Truppendienstgericht sei in seiner Entscheidung
von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen, wonach eine Anhö-
rung nach § 27 Abs. 1 SBG unzureichend sei, wenn der Disziplinarvorgesetzte
der Vertrauensperson nicht die beabsichtigte Disziplinarmaßnahme nach Art
und Höhe mitteile; Folge dieser unzureichenden Anhörung sei die Rechtswid-
rigkeit der verhängten Disziplinarmaßnahme. Zudem sei ein Verstoß gegen den
Grundsatz des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG als Verfahrens-
mangel, auf dem die Entscheidung beruhe, zu rügen. Das Truppendienstgericht
habe entgegen § 18 Abs. 2 WBO in der Sache entschieden, ohne dem Be-
schwerdeführer rechtliches Gehör zu den zwischenzeitlich eingeholten Stel-
lungnahmen des Disziplinarvorgesetzten und der Vertrauensperson zu gewäh-
ren. Hierin läge in entsprechender Anwendung des § 138 Nr. 3 VwGO ein abso-
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luter Revisionsgrund. Im Falle von Akteneinsicht und Gelegenheit zur Stellung-
nahme zu diesen Beweiserhebungen hätte er die Möglichkeit gehabt, diese zu
prüfen, zu bestreiten und Beweisantrag auf Zeugenvernehmung zu stellen.
Mit Beschluss vom 15. Dezember 2014, dem Soldaten und dem Verteidiger am
17. Dezember 2014 zugestellt, hat das Truppendienstgericht der Nichtzulas-
sungsbeschwerde abgeholfen und die Rechtsbeschwerde wegen eines Verfah-
rensfehlers zugelassen. Zwar weiche die angefochtene Entscheidung nicht von
der höchstrichterlichen Rechtsprechung ab. Der Vorsitzende habe aber durch
die Einholung von Stellungnahmen des Disziplinarvorgesetzten und der Ver-
trauensperson Beweiserhebungen durchgeführt und deren Ergebnisse aus
nicht mehr nachvollziehbaren Gründen dem Beschwerdeführer bzw. seinem
Verfahrensbevollmächtigten nicht bekannt gegeben. Hierdurch sei das rechtli-
che Gehör des Beschwerdeführers verletzt worden.
In der fristgerecht eingereichten Begründung der Rechtsbeschwerde hat der
Beschwerdeführer sein Vorbringen aus dem Nichtzulassungsbeschwerdever-
fahren wiederholt und neben Divergenz und der Verletzung des rechtlichen Ge-
hörs auch materielle Fehler gerügt.
Der Beschwerdeführer beantragt,
den Beschluss des Truppendienstgerichts vom
08.07.2014 (S 4 BLc 1/14), den Beschwerdebescheid vom
10.02.2014 und die Disziplinarverfügung vom 08.01.2014
aufzuheben,
hilfsweise
das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entschei-
dung an eine andere Kammer des Truppendienstgerichts
Süd zurückzuverweisen.
Der Bundeswehrdisziplinaranwalt hält die Rechtsbeschwerde für zulässig, aber
unbegründet. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Entscheidung des Trup-
pendienstgerichts unter Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs
zustande gekommen sei, da der angefochtene Beschluss sich aus anderen
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Gründen als richtig darstelle. Ein Verstoß gegen § 27 Abs. 1 SBG liege tatsäch-
lich nicht vor, sodass nicht ersichtlich sei, was der Soldat dem Truppendienst-
gericht noch Entscheidendes dazu hätte vortragen können. Bereits aus der
Niederschrift der (somit auch ausreichend dokumentierten) Anhörung ergebe
sich, dass der Vertrauensperson vorher die beabsichtigte Maßnahme nach Art
und Höhe mitgeteilt worden sei, wenn sie "zum beabsichtigten Disziplinarmaß"
angehört wurde. Gleichwohl sei die Einholung weiterer Stellungnahmen als
Sachverhaltsermittlung des Gerichts ob des Bestreitens des Beschwerdeführers
sachgerecht gewesen. Die angegriffene Disziplinarverfügung sei auch materiell
nicht zu beanstanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Beschwerdeak-
te des Kommandeurs Gesundheitseinrichtungen im Kommando Sanitätsdienst
der Bundeswehr und die Akten des Truppendienstgerichts Süd - S 4 BLc 01/14
und S 4 RL 2/14 - Bezug genommen, die dem Senat bei der Beratung vorgele-
gen haben.
II
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Rechtsbeschwerde ist nur teilweise zulässig.
a) Sie ist vom Truppendienstgericht durch den Abhilfebeschluss vom
15. Dezember 2014 zugelassen worden (§ 22a Abs. 1 i.V.m. § 22b Abs. 5
Satz 1 WBO). An diese Entscheidung ist das Bundesverwaltungsgericht gemäß
§ 22a Abs. 3 WBO gebunden.
b) Die Rechtsbeschwerde ist auch rechtzeitig begründet worden, da die Be-
schwerdebegründung innerhalb der Monatsfrist des § 22b Abs. 5 Satz 2 WBO
eingegangen ist. Entgegen der vom Truppendienstgericht erteilten Rechtsmit-
telbelehrung, die Beschwerdebegründung beim Bundesverwaltungsgericht ein-
zulegen, ist diese gemäß § 22a Abs. 4 WBO bei dem Truppendienstgericht ein-
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zureichen, dessen Beschluss angefochten wird (BVerwG, Beschluss vom
30. November 2011 - 2 WRB 1.11 - Buchholz 449.7 § 27 SBG Nr. 7). Dort ging
die Begründung am Montag, dem 19. Januar 2015, und somit binnen der Mo-
natsfrist (§ 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 2 ZPO) ein.
c) Soweit aber der Beschwerdeführer in der Begründung seiner Rechtsbe-
schwerde einen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs rügt, ist
die Rechtsbeschwerde unzulässig, denn ein solcher Verfahrensfehler ist nicht
hinreichend dargetan. Zwar hat es das Truppendienstgericht unterlassen, das
Ergebnis der von ihm gemäß § 18 Abs. 2 Satz 2 WBO durch Einholung der
Stellungnahmen des Leiters des Instituts ... Oberfeldarzt Dr. P. und der Ver-
trauensperson Stabsfeldwebel W. erhobenen Beweise gemäß § 18 Abs. 2
Satz 4 WBO dem Beschwerdeführer mitzuteilen und ihm eine Frist zur Akten-
einsicht und Stellungnahme zu setzen. Dieser Verfahrensfehler führt aber nur
dann zur Möglichkeit einer Verletzung rechtlichen Gehörs, wenn der Betroffene
darlegt, dass ihm die Gelegenheit zu einem Vortrag genommen war, der nach
der maßgeblichen Rechtsauffassung des Gerichts entscheidungserheblich ge-
wesen wäre. Denn der Anspruch auf rechtliches Gehör dient keinem Selbst-
zweck. Er soll vielmehr die Möglichkeit gewährleisten, sich zu den entschei-
dungserheblichen (rechtlichen und tatsächlichen) Gesichtspunkten zu äußern
(vgl. Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 138 Rn. 115). Das
heißt, der Beschwerdeführer muss darlegen, was er Entscheidungserhebliches
noch vorgetragen hätte, wenn das Gericht sich prozessordnungsgemäß verhal-
ten hätte. Zur schlüssigen Rüge einer Verletzung rechtlichen Gehörs gehören
deshalb auch Ausführungen darüber, was der Beschwerdeführer im Falle der
Gewährung rechtlichen Gehörs über sein bisheriges Vorbringen hinaus noch
vorgetragen hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. August 1983 - 9 C
853.80 - Buchholz 310 § 52 VwGO Nr. 26 m.w.N.). Der Anspruch auf rechtli-
ches Gehör ist nicht verletzt, wenn der Betroffene inhaltlich ohnedies nichts
Entscheidungserhebliches mehr weiter vorgetragen hätte (Neumann, in: So-
dan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 138 Rn. 127).
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Dem steht die Entscheidung des Senats vom 10. November 2010 - 2 WRB
1.10 - nicht entgegen, in der er festgestellt hat, dass nach der für den Senat
bindenden Zulassung der Rechtsbeschwerde zu ihrer Begründung nur noch
vorgetragen werden muss, dass die angefochtene Entscheidung des Truppen-
dienstgerichts auf einer unrichtigen Anwendung von Rechtsnormen beruht.
Denn dies gilt nicht für die Rüge von Verfahrensmängeln. Insoweit stellt § 139
Abs. 3 Satz 4 VwGO, der gemäß § 23a Abs. 2 WBO auch im Rechtsbeschwer-
deverfahren anwendbar ist, zusätzliche Begründungsanforderungen auf: Er ver-
langt, dass bei einem geltend gemachten Verfahrensmangel die Tatsachen be-
zeichnet werden, die den Mangel ergeben. Deshalb gehört zur schlüssigen Dar-
legung einer Gehörsverletzung die Darlegung, was vorgetragen worden wäre,
wenn das rechtliche Gehör gewährt worden wäre.
Daran fehlt es hier. Der Beschwerdeführer hat in der Begründung der Rechts-
beschwerde sogar zugestanden, dass ihm im Schlussgehör der Inhalt der Stel-
lungnahme der Vertrauensperson eröffnet worden ist (vgl. Schriftsatz vom
19. Januar 2015, Seite 5). Die Frage der Zuständigkeit des kommissarischen
Leiters des Instituts ... der Bundeswehr wird in der Begründung der Rechtsbe-
schwerde überhaupt nicht mehr angesprochen. Zu dem weiteren von dem Be-
schwerdeführer in Frage gestellten Punkt der Bekanntgabe der beabsichtigten
Disziplinarmaßnahme nach Art und Höhe vor Anhörung der Vertrauensperson
schließlich enthält die Begründung der Rechtsbeschwerde keinerlei Ausführun-
gen, die die vom Truppendienstgericht eingeholte Stellungnahme des kommis-
sarischen Leiters und seine Aussage in Zweifel ziehen. Deshalb ist nicht er-
sichtlich, was der Beschwerdeführer hätte vortragen wollen, wenn ihm gemäß
§ 18 Abs. 2 Satz 4 WBO Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden wä-
re. Angesichts der Niederschrift über die Anhörung der Vertrauensperson vom
19. Dezember 2013, derzufolge die Vertrauensperson auch zum beabsichtigten
Disziplinarmaß gehört wurde, und der beigefügten Stellungnahme der Vertrau-
ensperson, die sich zum beabsichtigen Disziplinarmaß dahingehend einlässt,
dass sie eine Disziplinarmaßnahme nicht für angebracht hält, hätte der Be-
schwerdeführer substanziiert darlegen müssen, welche Tatsachen er dem vom
Truppendienstgericht festgestellten Beweisergebnis entgegenhalten wollte.
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Auch wenn man in Ergänzung der Begründung der Rechtsbeschwerde die Be-
gründung des Beschwerdeführers zu seiner Nichtzulassungsbeschwerde her-
anzieht, werden die Darlegungsanforderungen nicht erfüllt. Zwar hat der Be-
schwerdeführer dort erklärt, wenn er Akteneinsicht und Gelegenheit zur Stel-
lungnahme erhalten hätte, hätte er die Möglichkeit gehabt, das Vorbringen in
den eingeholten Stellungnahmen inhaltlich zu prüfen und zu bestreiten und ei-
nen Beweisantrag auf Zeugenvernehmung des Herrn Oberfeldarzt Dr. P., des
Herrn Stabsfeldwebel W. und des Protokollführers Hauptfeldwebel B. zu stellen.
Dieser Vortrag lässt aber weder erkennen, dass tatsächlich der Inhalt der ein-
geholten Stellungnahmen bestritten werden soll, noch welche Tatsachen in das
Wissen der zu vernehmenden Zeugen gestellt werden sollen. Insbesondere
enthält dies nicht den Vortrag, die Zeugen würden nun von ihren Stellungnah-
men Abweichendes aussagen.
Der Beschwerdeführer war auch nicht an der erforderlichen Darlegung gehin-
dert, weil ihm nach seinem Vortrag die Stellungnahmen des Disziplinarvorge-
setzten und der Vertrauensperson bis heute nicht zur Kenntnis gebracht worden
seien. Diese Kenntnis hätte er sich mit einem Antrag auf Akteneinsicht leicht
selbst verschaffen können. Aus dem angefochtenen Beschluss des Truppen-
dienstgerichts vom 8. Juli 2014 ergibt sich unzweifelhaft, dass das Truppen-
dienstgericht die Stellungnahmen von Oberfeldarzt Dr. P. und Stabsfeldwebel
W. eingeholt hatte. Dies hätte für den Beschwerdeführer und seinen Bevoll-
mächtigten Anlass sein müssen, einen Antrag auf Akteneinsicht zu stellen, um
von den der Entscheidung des Truppendienstgerichts zugrunde liegenden Tat-
sachen Kenntnis zu erlangen. Einem Beteiligten ist die Berufung auf den Ver-
fahrensmangel der Wahrung des rechtlichen Gehörs verwehrt, wenn er die
rechtliche oder auch nur tatsächliche Möglichkeit hatte, sich durch entspre-
chende Anträge, Rügen, sonstige Rechtsbehelfe oder Begründungen Gehör zu
verschaffen und er hiervon keinen Gebrauch gemacht hat (vgl. z.B. BVerfG,
Beschluss vom 10. Februar 1987 - 2 BvR 314/86 - BVerfGE 74, 220 <225>
m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 30. Dezember 1997 - 11 B 3.97 - Buch-
holz 451.171 § 6 AtG Nr. 1). Das bedeutet, dass vom Beschwerdeführer die
nach der jeweiligen prozessualen Lage des Verfahrens gegebenen und zumut-
baren Anstrengungen zur Wahrung seines Gehörs zu verlangen sind (BVerwG,
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Beschluss vom 29. Oktober 2012 - 2 WRB 2.12 - m.w.N.). Das gilt auch für die
Begründung einer Rechtsbeschwerde.
2. Soweit die Rechtsbeschwerde zulässig ist, ist sie unbegründet. Das Bundes-
verwaltungsgericht ist - ausgehend von den bindenden tatsächlichen Feststel-
lungen und der Beweiswürdigung des Truppendienstgerichts (§ 23a Abs. 2
WBO i.V.m. § 137 Abs. 2 VwGO) - an die geltend gemachten Revisionsgründe
nicht gebunden (§ 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 137 Abs. 3 Satz 2 VwGO). Das
Urteil des Truppendienstgerichts lässt aber keinen materiellen Rechtsfehler er-
kennen.
a) Ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 27 Abs. 1 SBG zur Anhörung der Ver-
trauensperson vor Verhängung einer Disziplinarmaßnahme liegt nicht vor. Nach
den tatsächlichen Feststellungen des Truppendienstgerichts hat der Disziplinar-
vorgesetzte des Beschwerdeführers am 19. Dezember 2013 und damit vor Er-
lass der Disziplinarverfügung vom 8. Januar 2014 die Vertrauensperson zur
Person des Soldaten, zum Sachverhalt und zu Art und Höhe des von ihm beab-
sichtigten Disziplinarmaßes angehört. Die Niederschrift über die Anhörung der
Vertrauensperson (§ 27 Abs. 4 SBG) vom selben Tag befindet sich bei den Ak-
ten. Soweit der Beschwerdeführer meint, von ihm unterstellte Verstöße bei der
Anhörung der Vertrauensperson gemäß § 27 Abs. 1 SBG könnten nicht
dadurch geheilt werden, dass das Truppendienstgericht die Stellungnahmen
des Disziplinarvorgesetzten und der Vertrauensperson eingeholt habe, verkennt
er, dass es sich bei diesen vom Truppendienstgericht eingeholten Stellung-
nahmen nicht um die Nachholung der Verfahrensschritte handelt, sondern aus-
schließlich um Tatsachenerhebungen zur Ergänzung der im Protokoll über die
Durchführung der Anhörung der Vertrauensperson dokumentierten Verfahrens-
schritte. Daraus ergibt sich, dass diese in der Sache tatsächlich so stattgefun-
den haben bzw. durchgeführt wurden. Wie unter II 1. c) festgestellt, hat die
Rechtsbeschwerde dem keine Zweifel entgegengestellt. Auch die Auffassung
des Beschwerdeführers, das Truppendienstgericht weiche von der Rechtspre-
chung des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage der Anhörung der Vertrau-
ensperson ab, geht deshalb ins Leere. Da § 27 Abs. 1 SBG nicht verletzt ist,
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kommt es auf die Frage, ob im Falle einer Verletzung eine Heilung möglich wä-
re, nicht an.
b) Ohne Rechtsfehler ist das Truppendienstgericht auch zu dem Ergebnis ge-
langt, dass der Beschwerdeführer mit dem durch das Truppendienstgericht für
den Senat bindend festgestellten Sachverhalt ein Dienstvergehen gem. § 23
Abs. 1 SG begangen hat. In dem er für die Aufladung seines privaten Kraftfahr-
zeugs ohne Genehmigung Strom in der Kaserne entnommen hat, hat er uner-
laubt das Vermögen des Dienstherrn zumindest gefährdet und damit seine
Pflicht zum treuen Dienen gemäß § 7 SG verletzt. Dazu gehört auch die Ver-
pflichtung, das Vermögen des Dienstherrn zu schützen, d.h. alles zu unterlas-
sen, was im weitesten Sinne das Vermögen des Dienstherrn schädigen oder
auch nur gefährden könnte (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Oktober
1993 - 2 WDB 15.92 - BVerwGE 103, 12 <19>). Auf das Vorliegen der mit der
Beschwerdebegründung bestrittenen Bereicherungsabsicht kommt es dabei
nicht an.
Zugleich hat der Beschwerdeführer die Wohlverhaltenspflicht gemäß § 17
Abs. 2 Satz 1 SG verletzt. Die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem
Verhalten ist kein Selbstzweck, sondern hat funktionalen Bezug zur Erfüllung
des grundgesetzmäßigen Auftrags der Streitkräfte und zur Gewährleistung des
militärischen Dienstbetriebs. Ein Soldat, insbesondere, wie hier, ein Vorgesetz-
ter, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Ver-
trauens seiner Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der ge-
samte Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist. Dabei kommt es nicht
darauf an, ob eine Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit
tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das festgestellte Verhalten
dazu geeignet war (stRspr, z.B. BVerwG, Urteil vom 13. Januar 2011 - 2 WD
20.09 - juris Rn. 27 m.w.N.). Das ist bei einer eigenmächtigen Stromentnahme
der Fall.
Die Vorinstanz geht auch rechtsfehlerfrei von vorsätzlichem Handeln des Be-
schwerdeführers aus. Dass der Beschwerdeführer bei den fraglichen Stroment-
nahmen wusste, dass die von ihm beantragte Genehmigung des zuständigen
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Bundeswehrdienstleistungszentrums M. noch nicht vorlag, hat er nicht in Abre-
de gestellt. Der Beschluss des Truppendienstgerichts nimmt wegen des Vortra-
ges des Beschwerdeführers, er habe auf die Genehmigung seines Abteilungs-
leiters vertraut, auf den Beschwerdebescheid vom 10. Februar 2014 Bezug.
Dieser leitet aus der Dienst- und Lebenserfahrung des Soldaten die fehlende
Nachvollziehbarkeit seines Vortrages ab, er sei tatsächlich davon ausgegan-
gen, diese Genehmigung stamme von einer dazu befugten Person. Damit ist
festgestellt, dass der Soldat nicht geglaubt hat, die Genehmigung seines Abtei-
lungsleiters rechtfertige die Stromentnahme. Es ist nicht zu beanstanden, dass
die Vorinstanz diese tatsächlichen Feststellungen rechtlich als Vorsatz würdigt.
Soweit die Begründung der Rechtsbeschwerde der Würdigung der Beweisan-
zeichen in tatsächlicher Hinsicht Wiederholungen eigener Einlassungen des
Soldaten aus dem Verfahren und der Stellungnahme des Bundesministeriums
der Verteidigung entgegenhält, versucht sie zwar, die Plausibilität einer abwei-
chenden Würdigung der Indizien zum subjektiven Tatbestand darzulegen.
Rechtsfehler der Würdigung des Truppendienstgerichts zeigt sie aber nicht auf,
weil sie nur einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung eine andere entgegen-
setzt. Daher kommt es auch auf die Ausführungen der Begründung der Rechts-
beschwerde zur Irrtumsproblematik nicht an. Denn das Truppendienstgericht
hat festgestellt, dass der Beschwerdeführer sich in tatsächlicher Hinsicht nicht
in einem Irrtum befunden hat. Diese Feststellung ist für das Bundesverwal-
tungsgericht bindend, weil sie nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen ange-
griffen worden ist.
Das Truppendienstgericht hat auch zu Recht erschwerend berücksichtigt, dass
der Beschwerdeführer als Offizier in einer Vorgesetztenstellung steht, die ihn
gemäß § 10 Abs. 1 SG verpflichtet, in seiner Haltung und Pflichterfüllung ein
Beispiel zu geben. Soldaten in Vorgesetztenstellung - noch dazu Offizieren -
obliegt eine höhere Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen.
Wegen seiner herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter in besonderem
Maße für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich
und unterliegt damit im Falle einer Pflichtverletzung der verschärften Haftung,
da Vorgesetzte in ihrer Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen.
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Dabei ist es nach der Rechtsprechung des Senats nicht erforderlich, dass es
der Soldat bei seinem Fehlverhalten innerhalb eines konkreten Vorgesetzten-
verhältnisses an Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es reicht das Innehaben
einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrades aus (stRspr, vgl. z.B.
BVerwG, Urteil vom 12. März 2015 - 2 WD 3.14 - Rn. 54 m.w.N.).
Auch die Ausführungen des Truppendienstgerichts zur Verhältnismäßigkeit der
zur Bewährung ausgesetzten Disziplinarbuße in Höhe von 200 € lassen Rechts-
fehler nicht erkennen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 23a Abs. 2 WBO in Verbindung mit § 154
Abs. 2 VwGO.
Dr. von Heimburg
Prof. Dr. Burmeister
Dr. Eppelt
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