Urteil des BVerwG vom 28.04.2010

Verfügung, Vertretung, Verhinderung, Beweismittel

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 WNB 4.10
TDG S 6 BLc 11/09
TDG S 6 GL 40/09
In der Disziplinarsache
des Herrn Feldwebel d.R. …
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Burmeister
am 28. April 2010 beschlossen:
Die Beschwerde des früheren Soldaten gegen die Nicht-
zulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des
Truppendienstgerichts Süd vom 24. September 2009 wird
zurückgewiesen.
Der frühere Soldat trägt die Kosten des Beschwerdever-
fahrens.
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G r ü n d e :
Die statthafte, fristgerecht eingelegte und rechtzeitig begründete Beschwerde
hat keinen Erfolg. Weder die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der
Sache (§ 22a Abs. 2 Nr. 1 WBO) noch der weiter gerügte Verfahrensmangel
(§ 22a Abs. 2 Nr. 3 WBO) wird prozessordnungsgemäß dargelegt.
1. Nach der Rechtsprechung der Wehrdienstsenate des Bundesverwaltungsge-
richts sind an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde nach § 22b
Abs. 2 Satz 2 WBO dieselben Anforderungen zu stellen, wie sie von den Revi-
sionssenaten des Bundesverwaltungsgerichts in ständiger Rechtsprechung für
die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde nach § 133 Abs. 3 Satz 3
VwGO gefordert werden (Beschlüsse vom 1. Juli 2009 - BVerwG 1 WNB 1.09 -
NZWehrr 2009, 258 und vom
15. Juli 2009 - BVerwG 2 WNB 1.09 -). Danach ist eine Rechtssache nur dann
grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 22a Abs. 2 Nr. 1 WBO und des § 132
Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn in dem angestrebten Beschwerde- bzw. Revisions-
verfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeu-
tung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden
klärungsbedürftigen Rechtsfrage zu erwarten ist. In der Beschwerdebegrün-
dung muss daher dargelegt (§ 22b Abs. 2 Satz 2 WBO, § 133 Abs. 3 Satz 3
VwGO), d.h. näher ausgeführt werden (stRspr; vgl. u.a. Beschluss vom
2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = Buchholz 310
§ 132 VwGO Nr. 18), dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bun-
desrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung
im beabsichtigten Beschwerde- bzw. Revisionsverfahren zu erwarten ist (vgl.
auch Beschluss vom 24. Januar 2008 - BVerwG 6 BN 2.07 - Buchholz 402.41
Allgemeines Polizeirecht Nr. 85 Rn. 14).
An einer solchen Darlegung fehlt es hier. Die Beschwerde formuliert schon kei-
ne vermeintlich klärungsbedürftige Rechtsfrage im dargelegten Sinne. Sie hält
offenbar die Frage für klärungsbedürftig,
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ob die Bezeichnung „Kompaniechef i.V.“ im Kopf des
Formulars für die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme
dazu führt, dass die Disziplinarmaßnahme aufzuheben ist.
Die Beschwerde legt aber nicht dar, warum der an dieser Stelle unzutreffende
Zusatz „i.V.“ auch dann zu einem nicht behebbaren Mangel der verhängten Dis-
ziplinarmaßnahme führen soll, wenn der Unterzeichner als (amtierender) Kom-
paniechef tatsächlich der zuständige Disziplinarvorgesetzte nach § 27 Abs. 2
Satz 3 WDO war.
2. Die ordnungsgemäße Darlegung der von der Beschwerde erhobenen Aufklä-
rungsrüge setzt die Angabe voraus, welche Tatsachen auf der Grundlage der
materiellrechtlichen Auffassung des Truppendienstgerichts ermittlungsbedürftig
gewesen wären, welche Beweismittel zu welchen Beweisthemen zur Verfügung
gestanden hätten, welches Ergebnis diese Beweisaufnahme voraussichtlich ge-
habt hätte, inwiefern die angegriffene Entscheidung unter Zugrundelegung der
materiellrechtlichen Auffassung des Gerichts auf der unterbliebenen Sach-
aufklärung beruhen kann und dass die Nichterhebung der Beweise vor dem
Tatsachengericht rechtzeitig gerügt worden ist oder aufgrund welcher Anhalts-
punkte sich die unterbliebene Beweisaufnahme dem Gericht hätte aufdrängen
müssen (vgl. Beschlüsse vom 28. Oktober 2009 - BVerwG 2 WNB 4.09 - und
vom 10. Dezember 2003 - BVerwG 8 B 154.03 - NVwZ 2004, 627 <628>). Dar-
an fehlt es. Die Beschwerde rügt, das Truppendienstgericht habe nicht ermittelt,
ob die Unterzeichnerin der Disziplinarmaßnahme formal zur Ausübung der Dis-
ziplinarbefugnis berechtigt gewesen sei. Die Beschwerde behauptet aber nicht
einmal, dass der Unterzeichnerin die Befugnis gefehlt habe und dass es des-
wegen bei Vornahme der vermissten Ermittlungen durch das Truppendienstge-
richt zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre. Im Übrigen hat der Bun-
desminister der Verteidigung in seiner Erwiderung auf die Beschwerdebegrün-
dung die Zuständigkeit des S 4-Offiziers zur Vertretung des verhinderten Kom-
paniechefs sowie den Grund für die Verhinderung im Einzelnen dargelegt. Die-
sen Ausführungen ist die Beschwerde nicht entgegengetreten. Unabhängig von
der Frage, ob sich dem Truppendienstgericht hier überhaupt hätte aufdrängen
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müssen, der Frage weiter nachzugehen, war die Unterlassung jedenfalls nicht
entscheidungserheblich.
3. Für die Anregung des Verteidigers in dem Schriftsatz vom 11. März 2010
besteht im vorliegenden Verfahren nach § 22b WBO kein Raum, weil es nicht
zu den Aufgaben des Senats gehört, Vorgesetzte eines Soldaten auf ihre
Pflichten hinzuweisen. Im Übrigen hat sich das dadurch erledigt, dass der jetzi-
ge Kompaniechef der Stabskompanie mit Schreiben vom 1. April 2010 zu der
Frage eines möglichen Antrags nach § 44 Abs. 1 und 2 WDO im Einzelnen
Stellung genommen hat. Eines Hinweises des Gerichts bedarf es schon des-
wegen nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 42 Satz 1 WDO i.V.m. § 23a Abs. 2 WBO
und § 154 Abs. 2 VwGO.
Golze
Dr. Müller
Dr. Burmeister
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