Urteil des BVerwG vom 22.07.2002

Unterhaltsbeitrag, Soldat, Dienstverhältnis, Gesetzeslücke

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
Beschluss
BVerwG 2 WDB 7.02
TDG N ...GL .../02
In der Antragssache
des ... ... ,
geboren am ... in ...,
..., ...,
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte ... und ....,
..., ... ... -
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schwandt als Vorsitzender,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
am 22. Juli 2002
b e s c h l o s s e n :
Die Beschwerde des ehemaligen Soldaten gegen den Beschluss der ... Kammer
des Truppendienstgerichts Nord vom 5. Juni 2002 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem ehemaligen Soldaten auf-
erlegt.
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G r ü n d e :
I
Die ... Kammer des Truppendienstgerichts Nord fand den ehemaligen Soldaten
am 21. Juli 1993 eines Dienstvergehens schuldig, verurteilte ihn zur Aberkennung
des Ruhegehalts und bewilligte ihm einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 75 v.H.
des erdienten Ruhegehalts für die Dauer von zwei Jahren. Seine hiergegen einge-
legte Berufung wurde durch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - 2. Wehr-
dienstsenat - vom 8. Februar 1994 - BVerwG 2 WD ... - mit der Maßgabe zurück-
gewiesen, dass der Bewilligungszeitraum für den Unterhaltsbeitrag auf ein Jahr
festgesetzt wurde. Der Unterhaltsbeitrag wurde in den folgenden Jahren auf ent-
sprechende Anträge des ehemaligen Soldaten weiter bewilligt, zuletzt durch Be-
schluss der ... Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom 13. Dezember 2001 -
N ... GL .../01 - für die Zeit bis zum 30. Juni 2002. Mit Schreiben vom 19. Mai
2002 hat der ehemalige Soldat die Bewilligung des zuerkannten Unterhaltsbeitra-
ges über den 30. Juni 2002 hinaus beantragt und den Antrag im Wesentlichen
damit begründet, dass sich seine finanzielle Situation nicht verändert habe, er
deshalb weiterhin auf eine Unterhaltszahlung angewiesen sei und alle Bemühun-
gen, über das Arbeitsamt eine Beschäftigung zu erlangen, erfolglos geblieben
seien. Die Fürsorgepflicht des Bundes gegenüber ihm als ehemaligem Berufssol-
daten bestehe nach wie vor. Darüber hinaus werde er nach Auskunft seiner Ärzte
bis September 2002 arbeitsunfähig bleiben.
Die ... Kammer des Truppendienstgerichts Nord wies den Antrag mit Beschluss
vom 5. Juni 2002 - N ... GL .../02 -, der dem ehemaligen Soldaten am 11. Juni
2002 durch Übergabe zugestellt wurde, zurück. Sie hält den Antrag für unbe-
gründet, weil dem ehemaligen Soldaten aufgrund der Neufassung der Wehrdiszip-
linarordnung ab 1. Januar 2002 kein Anspruch auf Weiterbewilligung eines Un-
terhaltsbeitrages mehr zustehe.
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Gegen den Beschluss hat der ehemalige Soldat mit Schriftsatz seiner Bevollmäch-
tigten vom 25. Juni 2002, der am selben Tage beim Truppendienstgericht Nord
eingegangen ist, ordnungsgemäß Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, ihm,
dem ehemaligen Soldaten, den Unterhaltsbeitrag über den 30. Juni 2002 hinaus
in gesetzlicher Höhe weiter zu gewähren. Die Bevollmächtigten stellten die
Rechtsauffassung der Kammer zur Überprüfung durch das Bundesverwaltungsge-
richt und machten geltend, die Möglichkeit eines ehemaligen Soldaten, Sozialhil-
fe in Anspruch zu nehmen, sei kein adäquater Ersatz.
Der Vorsitzende der ... Truppendienstgerichtskammer hat der Beschwerde am 3.
Juli 2002 nicht abgeholfen.
Der Bundeswehrdisziplinaranwalt hält die Beschwerde für zulässig, jedoch für
erfolglos.
II
Die Beschwerde ist zulässig (§ 114 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WDO), jedoch un-
begründet.
Die Kammer hat den Antrag des ehemaligen Soldaten auf Weiterbewilligung des
Unterhaltsbeitrages über den 30. Juni 2002 hinaus zu Recht zurückgewiesen.
Die am 1. Januar 2002 in Kraft getretene Neufassung der Wehrdisziplinarordnung
sieht eine Neu- bzw. Weiterbewilligung nicht mehr vor. Sie enthält keine dem §
105 Abs. 4 WDO a.F. i.V.m. § 110 Abs. 2 BDO entsprechende Bestimmung mehr.
Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 WDO ist die Gewährung eines Unterhaltsbeitrages für die
Dauer von sechs Monaten eine unmittelbare, d.h. nicht mehr durch das Truppen-
dienstgericht eigens auszusprechende Rechtsfolge der Entfernung aus dem
Dienstverhältnis, und nach § 63 Abs. 3 Satz 2 WDO, der an die Stelle des § 105
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Abs. 3 und 4 WDO a.F. getreten ist, kann der Unterhaltsbeitrag über die grund-
sätzliche Dauer von sechs Monaten hinaus nur durch das Urteil des Truppen-
dienstgerichts gewährt werden, dessen Entscheidung - nach Unanfechtbarkeit -
endgültig ist. Das hat zur Folge, dass eine dem § 105 Abs. 4 WDO a.F. entspre-
chende nachträgliche Verlängerung nicht mehr zulässig ist.
Da der Gesetzgeber eindeutig geregelt hat, das bisherige Verfahren zur Änderung
bzw. Neubewilligung gemäß § 105 Abs. 3 und 4 WDO a.F. nicht in die Neufassung
der Wehrdisziplinarordnung aufzunehmen (vgl. BT-Drucksache 14/4660; ferner
Bachmann, Das Zweite Gesetz zur Neuordnung des Wehrdisziplinarrechts und zur
Änderung anderer Vorschriften, NZWehrr 2001, 177 [ff., 197]), kann auch nicht
daraus, dass die Überleitungsbestimmung des § 147 WDO zur Frage der Weiter-
bewilligung von nach altem Recht bewilligten Unterhaltsbeiträgen keine Rege-
lung trifft, auf eine Gesetzeslücke geschlossen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 139 Abs. 2 WDO.
Dr. Schwandt
Prof. Dr. Widmaier
Dr. Deiseroth