Urteil des BVerwG vom 04.04.2007

Soldat, Einwilligung des Verletzten, Stellvertreter, Universität

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 WDB 6.06
In der Disziplinarsache
des Herrn Generalleutnant a.D. ...,
...,
...,
- Bevollmächtigter:
Rechtsanwalt ...,
... -
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
am 4. April 2007 beschlossen:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem früheren Soldaten
auferlegt.
- 2 -
G r ü n d e :
I
Der 59 Jahre alte frühere Soldat war seit dem 1. Oktober 1968 Berufssoldat,
zuletzt im Dienstgrad eines Generalleutnants. Seit dem 1. Februar 2004 wurde
er als Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der
Streitkräftebasis verwendet. Mit Urkunde des Bundespräsidenten vom
26. Januar 2006, die ihm vom Bundesminister der Verteidigung am folgenden
Tag ausgehändigt wurde, wurde er gemäß § 50 SG unter Anordnung der sofor-
tigen Vollziehung in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Sein Antrag auf
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner dagegen erhobenen Kla-
ge wurde vom Verwaltungsgericht K. mit Beschluss vom 2. Juni 2006 (Az: 27 L
525/06) abgelehnt; die Beschwerde wurde vom Oberverwaltungsgericht für das
Land N. mit Beschluss vom 19. September 2006 (Az: 1 B 1103/06) zu-
rückgewiesen.
II
Durch Verfügung vom 11. Mai 2006, die dem Bevollmächtigten des früheren
Soldaten am 17. Mai 2006 zugestellt wurde, stellte der Bundesminister der Ver-
teidigung die aufgenommenen disziplinaren Vorermittlungen gegen den frühe-
ren Soldaten ein. Gleichzeitig lehnte er die vom früheren Soldaten nach § 95
Abs. 1 WDO beantragte Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens ab
und stellte ein Dienstvergehen fest. Dazu wird in der Begründung ausgeführt:
„I.
Die Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des
Streitkräfteamtes (WDA SKA) hatte im Juni 2005 zunächst
gegen zwei studierende Soldaten der Helmut-Schmidt-
Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg - Leut-
nant (Lt) G. und Oberfähnrich (OFhr) K. - wegen des Ver-
dachts sexistischer, rassistischer und extremistischer Äu-
ßerungen disziplinare Vorermittlungen aufgenommen und
diese Ende Juli 2005 auf Lt Christopher R., den Sohn des
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damaligen Stellvertreters des Inspekteurs des Heeres
(StvInspH), Generalleutnant (GenLt) J. R., ausgedehnt.
Im Dezember 2005 wurde ich darüber in Kenntnis gesetzt,
Sie hätten GenLt R. einen internen Vermerk der WDA SKA
über den Stand der disziplinaren Vorermittlungen zu-
kommen lassen; GenLt R. hätte diesen Vermerk anschlie-
ßend seinem Sohn zur Kenntnis gegeben. Daraufhin habe
ich die Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des
Inspekteurs der Marine (WDA InspM) ersucht, zur Vorbe-
reitung meiner Entschließung über die Einleitung eines ge-
richtlichen Disziplinarverfahrens gegen Sie disziplinare
Vorermittlungen gemäß § 92 Abs. 1 der Wehrdisziplinar-
ordnung (WDO) vorzunehmen.
Sie sind zwischenzeitlich durch den Bundespräsidenten
mit Urkunde vom 26.01.2006, Ihnen ausgehändigt am
27.01.2006, in den einstweiligen Ruhestand versetzt wor-
den.
Mit Schreiben vom 29.01.2006 haben Sie beantragt, ge-
gen sich ein gerichtliches Disziplinarverfahren gemäß § 95
Abs. 1 WDO einzuleiten (sog. Selbstreinigungsverfahren).
II.
Nach den Ermittlungen des WDA InspM, Ihrer ihm gegen-
über abgegebenen Einlassung vom 22.12.2005, Ihrem
Vorbringen in Ihrer Antragsschrift vom 29.01.2006 sowie
Ihrer durch Ihren Verfahrensbevollmächtigten für Sie ab-
gegebenen abschließenden Äußerung vom 14.03.2006 ist
von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Am Nachmittag des 19.10.2005 trug der Amtschef SKA,
Konteradmiral D., Ihnen aufgrund Ihrer damaligen dienstli-
chen Stellung als Inspekteur der Streitkräftebasis und da-
mit höherer Einleitungsbehörde für die studierenden Sol-
daten der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bun-
deswehr Hamburg zum aktuellen Stand der laufenden dis-
ziplinaren Vorermittlungen gegen Lt R., Lt. G und OFhr K.
vor. Hierbei erhielten Sie vom Amtschef SKA einen als
„Persönlich! Personalangelegenheit!“ gekennzeichneten
internen - nicht für die Akten bestimmten - Vermerk der
WDA SKA vom 17.10.2005 mit dem damaligen Zwischen-
ergebnis der Ermittlungen. Am Vormittag des 21.10.2005
baten Sie GenLt R. zu einem kurzen Gespräch in Ihr Büro
und informierten ihn zunächst mündlich über Inhalt und
Stand der gegen seinen Sohn geführten disziplinaren Vor-
ermittlungen. Am Nachmittag des 21.10.2005 übergaben
Sie GenLt R. sodann in einem verschlossenen Umschlag
den internen Vermerk der WDA SKA vom 17.10.2005,
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welchen Sie mit dem Zusatz „Lieber J., wie besprochen
der Zwischenstand zu Deiner persönlichen Kenntnis. Dein
H., 21/10“ versehen hatten.
III.
Im Rahmen der abschließenden Äußerung vom 14.03.
2006 haben Sie sich über Ihren Verfahrensbevollmächtig-
ten zu dem gegen Sie erhobenen Vorwurf eingelassen,
ohne dass dies Sie davon zu entlasten vermag.
Weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht über-
zeugt die Einlassung, Sie hätten als höhere Einleitungsbe-
hörde von Ihrer Befugnis Gebrauch gemacht, neben der
zuständigen WDA SKA selbständig Ermittlungen zu füh-
ren; es sei Ihnen dabei ausschließlich darum gegangen,
den beschleunigten Fortgang der disziplinaren Vorermitt-
lungen gegen Lt R. zu fördern; damit hätten Sie Ihre ge-
setzlichen Pflichten erfüllt, ohne Ihre Befugnis als höhere
Einleitungsbehörde und zuständiger höherer Disziplinar-
vorgesetzter überschritten zu haben. Einerseits gibt es da-
für im Regelungswerk der WDO keine gesetzliche Grund-
lage. Dort ist vielmehr klar und eindeutig festgelegt, dass
Vorermittlungen gemäß § 92 Abs. 1 WDO allein durch die
WDA geführt werden; die WDO räumt darüber hinaus we-
der der (zuständigen) Einleitungsbehörde noch den höhe-
ren Einleitungsbehörden Befugnisse ein, die sie berechtig-
ten, neben der zuständigen WDA tätig zu werden und
selbständige Ermittlungen vornehmen zu dürfen. Anderer-
seits erscheint Ihre abschließende Äußerung angesichts
des Inhalts Ihrer Aussage gegenüber dem WDA InspM am
22.12.2005, festgehalten in der Niederschrift über die Ver-
nehmung eines Soldaten vom selben Tage, sowie Ihrer
damit beinahe wortgleichen Ausführungen in Ihrer An-
tragsschrift vom 29.01.2006 auch nicht glaubhaft. In die-
sem Schreiben lautet der zweite Absatz auf Blatt 1 wie
folgt:
‚Es trifft zu, dass ich meinem Kameraden, GenLt R.,
den Vermerk der Wehrdisziplinaranwaltschaft für den
Bereich des Streitkräfteamtes vom 17.10.2005, der
die Vorermittlungen gegen seinen Sohn, Lt R., betraf,
ausdrücklich zum ausschließlichen persönlichen
Gebrauch überlassen habe. Mir ging es allein darum,
einem Kameraden-Vater Gelegenheit zu geben, auf
seinen Sohn im Sinne der Sache positiv einzuwirken.
Dazu sollte er die Angelegenheit nicht nur aus der
subjektiven Sicht seines Sohnes kennen, sondern
den zur Last gelegten Sachverhalt gemäß dem
Stand der Ermittlungen.
- 5 -
Nicht im Entferntesten habe ich damit gerechnet,
dass der gesamte Inhalt des Vermerks dem Sohn R.
bekannt werden könnte, denn ich hatte keinen
Grund, nicht darauf zu vertrauen, dass mein aus-
drücklicher Hinweis auf den ausdrücklichen persönli-
chen Gebrauch beachtet würde. Es wäre abwegig zu
glauben, dass ich den Verlauf des Verfahrens zum
Nachteil anderer Beteiligter beeinflussen wollte.
Trotzdem ist das ein Fehler, den ich allerdings - auch
im Hinblick auf die Wahrnehmung meiner Pflicht zu
Kameradschaft und Fürsorge - nicht für schwerwie-
gend halte.’
Wenn Sie sich gleichwohl nun auf Ihnen angeblich in Ihrer
damaligen dienstlichen Stellung als höhere Einleitungsbe-
hörde eingeräumte Befugnisse berufen, so bewerte ich
das aus den zuvor dargelegten Gründen als reine Schutz-
behauptung.
Auch Ihrer weiteren Einlassung, es würde unerfindlich
bleiben, wieso ausgerechnet GenLt R. der Vermerk der
WDA SKA vorzuenthalten gewesen wäre, obwohl er ‚oh-
nehin als StvInspH rechtmäßigen Zugang zu den Perso-
nalakten aller Heeresuniformträger’ gehabt hätte, ist nicht
zu folgen. Es trifft zwar zu, dass Disziplinarsachen ihrer
Natur nach zu den Personalangelegenheiten der Soldaten
gehören. Aber bereits die in § 29 des Soldatengesetzes
(SG) sowie den ‚Bestimmungen über die Führung der Per-
sonalakten der Soldaten und der Personalunterlagen mit
Personalaktenqualität’ (Schnellbrief-Erlass des BMVg
- PSZ IV/Z - Az 16-26-01 - vom 08.08.2001) enthaltenen
Regelungen geben für eine derartige Zugangsmöglichkeit
des damaligen StvInspH zu den Personalakten aller ‚Hee-
resuniformträger’ nichts her. Daneben enthält auch die
WDO keine Regelung, die es etwa dem Inspekteur des
Heeres oder seinem (damaligen) Stellvertreter erlaubt hät-
ten, in solche Disziplinarvorgänge Einblick zu nehmen, die
jenseits der eigenen disziplinaren beziehungsweise
dienstaufsichtlichen Zuständigkeit angesiedelt sind. § 9
Abs. 1 Nr. 1 WDO verbietet vielmehr die Weitergabe von
Mitteilungen über disziplinare Ermittlungen an unzuständi-
ge Stellen.
Dass GenLt R. weder Anspruch noch Berechtigung hatte,
über den Stand der Ermittlungen gegen seinen Sohn, Lt G.
und OFhr K. unterrichtet zu werden sowie den Vermerk
der WDA SKA vom 17.10.2005 zu erhalten, war Ihnen zu
meiner Überzeugung jederzeit bekannt.
Ihrer Einlassung schließlich, der Vorwurf einer Verletzung
der Verschwiegenheitspflicht sei schon deshalb haltlos,
weil GenLt R. den Vermerk der WDA SKA vom 17.10.2005
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zudem zuvor (auch) vom Chef des Stabes des
Führungsstabes des Heeres (FüH), GenMaj W., erhalten
hätte, so dass ihm der Inhalt bereits bekannt gewesen sei,
ist - unabhängig davon, dass dieser Umstand aus meiner
Sicht dienstrechtlich keinerlei Relevanz besitzt und allen-
falls in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren Bedeu-
tung gewinnen könnte - ebenfalls nicht zu folgen. GenLt R.
hat sich diesbezüglich gegenüber dem WDA InspM in sei-
ner schriftlichen Einlassung vom 22.12.2005 zunächst im
vorletzten bzw. letzten Absatz auf Blatt 2 wie folgt geäu-
ßert:
‚Vor Beginn der Tagung (gemeint ist sog. Generals-/
Admiralstagung des Bundeswehrverbandes in B. am
21./22.10.2005) übergab mir GL Di. dann in einem
verschlossenen Umschlag die Unterlagen …
Ich überflog während der Tagung die Unterlagen und
war wegen der Art der Darstellung, die ein völlig
schiefes Bild der Faktenlage - so wie ich sie kannte -
gab, in hohem Maße aufgewühlt. Ich sprach deshalb
den ebenfalls bei dieser Tagung anwesenden Amts-
chef Streitkräfteamt, dessen WDA den Vermerk ge-
fertigt hatte, darauf an und machte ihm meine Empö-
rung deutlich.’
Weiter hat er im ersten Absatz auf Blatt 5 unter der Über-
schrift ‚Ergänzung im Zuge der Anhörung’ ausgeführt:
‚… stelle ich fest, dass dies nicht zutrifft und mein
Sohn etwas missverstanden haben muss.’
Gründe, die Veranlassung geben könnten, die Glaubhaf-
tigkeit der Angaben von GenLt R. in Frage zu stellen, ver-
mag ich nicht zu erkennen. Zu meiner Überzeugung steht
danach jedenfalls fest, dass GenLt R. den Vermerk der
WDA SKA, dessen Inhalt ihn nach seiner durchaus nach-
vollziehbaren Schilderung in hohem Maße aufgewühlt und
anschließend sogar dazu veranlasst hat, seine Empörung
dem Amtschef SKA deutlich zu machen, nicht bereits zu-
vor von GenMaj W. oder anderen erhalten hatte.
IV.
Ihr Verhalten ist dienstrechtlich wie folgt zu bewerten:
Indem Sie GenLt R., einen Unbefugten, zunächst mündlich
über den Ihnen allein aufgrund Ihrer dienstlichen Stellung
als höhere Einleitungsbehörde bekannt gewordenen Stand
der disziplinaren Vorermittlungen der WDA SKA gegen
studierende Soldaten der Helmut-Schmidt-
Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg unter-
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richteten und anschließend den Vermerk der WDA SKA
vom 17.10.2005 an diesen weitergaben und damit über
mutmaßliche Dienstpflichtverletzungen des Lt G. und des
OFhr K., die seinen Sohn, Lt R., belastet hatten, informier-
ten und dadurch Wissensvorteile verschafften, die es ihm
ermöglichen konnten, durch Beratung seines Sohnes auf
das gegen diesen anhängige Ermittlungsverfahren Einfluss
zu nehmen, haben Sie vorsätzlich gegen die Ihnen
obliegenden Dienstpflichten zur Verschwiegenheit (§ 14
Abs. 1 SG), zur Fürsorge (§ 10 Abs. 3 SG), zur Kamerad-
schaft (§ 12 Satz 2 SG), zum achtungs- und vertrauens-
würdigen Verhalten (§ 17 Abs. 2 SG) und zum treuen Die-
nen (§ 7 SG) verstoßen und damit - als Vorgesetzter in
Haltung und Pflichterfüllung ein schlechtes Beispiel ge-
bend (§ 10 Abs. 1 SG) - insgesamt schuldhaft ein Dienst-
vergehen nach § 23 Abs. 1 SG begangen.
Dieses Dienstvergehen wird von mir angesichts Ihrer da-
maligen Dienststellung und Ihres Dienstgrades als so
schwerwiegend eingestuft, dass ich es an sich nur mit ei-
ner gerichtlichen Disziplinarmaßnahme angemessen ge-
ahndet erachte. Zu Ihren Gunsten ist dabei neben Ihrem
bisherigen langjährigen, untadeligen soldatischen Verhal-
ten auch zu berücksichtigen, dass Sie Ihr Fehlverhalten
gegenüber dem mit den Vorermittlungen betrauten WDA
InspM umgehend und ohne Umschweife im Wesentlichen
eingeräumt haben. Die Verhängung eines vorrangig in Be-
tracht kommenden Beförderungsverbots ist nach § 58
Abs. 2 WDO gesetzlich ausgeschlossen gegen Soldaten
im Ruhestand; diese können gerichtlich entweder mit der
Aberkennung des Ruhegehalts (§ 65 WDO), der Dienst-
gradherabsetzung (§ 62 WDO) oder der Kürzung des Ru-
hegehalts (§ 64 WDO) gemaßregelt werden. Da die Ver-
hängung eines Beförderungsverbots nach Ihrer zwischen-
zeitlich erfolgten Versetzung in den einstweiligen Ruhe-
stand ausgeschlossen ist und ich eine Kürzung des Ruhe-
gehalts als nächstniedrigere Maßnahme nicht für geboten
halte, weil Ihre vorzeitige Zurruhesetzung bereits erhebli-
che dauerhafte Auswirkungen auf Ihre Versorgungsbezüge
hat, war von der Einleitung eines gerichtlichen Diszipli-
narverfahrens gegen Sie abzusehen.
Das disziplinare Vorermittlungsverfahren war daher unter
der Feststellung, dass Sie ein Dienstvergehen begangen
haben, einzustellen.“
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Der Bevollmächtigte des früheren Soldaten beantragte beim Bundesverwal-
tungsgericht mit Schreiben vom 29. Mai 2006, das am selben Tag per Telefax
eingegangen ist, gegen die Feststellung eines Dienstvergehens die Entschei-
dung des Bundesverwaltungsgerichts.
Er begründete seinen Antrag im Wesentlichen wie folgt:
Es liege ein unheilbarer Verfahrensfehler vor, weil vor der Feststellung eines
Dienstvergehens die Vertrauensperson nicht gemäß § 27 Abs. 2 SBG angehört
worden sei. Eine Anhörung sei - über den Wortlaut der Vorschrift hinaus - des-
halb geboten gewesen, weil nach der Bewertung des Bundesministers der Ver-
teidigung das Verhalten des früheren Soldaten als so schwerwiegend angese-
hen worden sei, dass alternativ zur - dann realisierten - Versetzung in den
einstweiligen Ruhestand die Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens
in Betracht gekommen wäre; durch den Rückgriff auf die nun gewählte Maß-
nahme sei das zwingende Beteiligungsrecht umgangen worden. Abgesehen
davon sei ein Verstoß gegen § 18 Abs. 3 SBG gegeben. Außerdem fehle es an
einer Ministerentscheidung über den Fortgang der von Amts wegen eingeleite-
ten disziplinaren Ermittlungen.
Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Verschwiegenheit liege bereits deshalb nicht
vor, weil dem Generalleutnant R. der Vermerk vom 17. Oktober 2005 auch auf
andere Weise bekannt geworden sei, nämlich durch Übergabe seitens des
Chefs des Stabes des Führungsstabes des Heeres, Generalmajor W., am
20. oder 21. Oktober 2005. Der Vermerk unterliege weder der Vertraulichkeit
noch der Geheimhaltung. Er enthalte keine entsprechende Klassifizierung und
sei nicht für die Vorermittlungsakte bestimmt gewesen. Da der Vermerk auch
anderen Personen zur Kenntnis gegeben worden sei, die nicht unmittelbar mit
den zugrunde liegenden disziplinaren Vorgängen befasst gewesen seien, bleibe
unerfindlich, warum er ausgerechnet dem Generalleutnant R., der als Stell-
vertreter des Inspekteurs des Heeres ohnehin Zugang zu den Personalakten
aller Heeresuniformträger habe, vorzuenthalten gewesen wäre. Aus den „Be-
stimmungen über die Personal-Beraterausschüsse“ des Bundesministeriums
der Verteidigung - Abteilungsleiter PSZ - vom 7. August 2003 (Schnellbrief R
7/03) ergebe sich der berechtigte Zugang des damaligen Generalleutnants R.
- als ständiger Vertreter des Inspekteurs des Heeres im Personal-Bera-
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terausschuss des Inspekteurs der Streitkräftebasis - zu Personalinformationen
der Heeresuniformträger in der Streitkräftebasis. Aufgrund dessen sei jener
regelmäßig über Personal- und Disziplinarangelegenheiten von Heeresuniform-
trägern informiert worden, soweit das für seine Führungsebene von Bedeutung
gewesen sei; die ständige Zusammenarbeit habe zwangsläufig auch ein dienst-
liches Vertrauensverhältnis in Personalangelegenheiten begründet.
Auch ein Verstoß gegen die Pflicht zur Fürsorge und zur Kameradschaft sei
nicht ersichtlich, insbesondere nicht im Hinblick auf die Weitergabe der in dem
Vermerk enthaltenen personenbezogenen Daten der betroffenen Soldaten an
der Universität der Bundeswehr Hamburg. Denn der Vermerk sei weder Teil der
Personal- noch der Vorermittlungsakte gewesen. Daher könne es sich nicht um
„Mitteilungen über Vorermittlungen des Wehrdisziplinaranwalts“ i.S.d. § 9 WDO
gehandelt haben. Der frühere Soldat habe es gerade unter dem Gesichtspunkt
der Fürsorge und der Kameradschaft für seine Pflicht gehalten, im Interesse
aller betroffenen Soldaten die bis dahin nur zögerlich geführten Ermittlungen zu
beschleunigen. Außerdem sei es darum gegangen, einem Kameradenvater
durch Aushändigung des Vermerks -ausdrücklich zur persönlichen Kenntnis -
Gelegenheit zu geben, im Gespräch auf einer möglichst objektiven Grundlage
auf seinen Sohn im Sinne der Sache positiv einzuwirken. Der frühere Soldat
habe als truppendienstlicher Vorgesetzter des Amtschefs Streitkräfteamt aus-
schließlich seine Befugnisse als höhere Einleitungsbehörde und zuständiger
höherer Disziplinarvorgesetzter der betroffenen Soldaten wahrgenommen. Die
Einleitungsbehörde sei durch § 92 Abs. 1 WDO, der lediglich eine Möglichkeit
zur Delegierung der Vorermittlungen auf den Wehrdisziplinaranwalt vorsehe,
rechtlich nicht gehindert, wegen gesehener Versäumnisse oder Arbeitsüberlas-
tung geeignete disziplinare Ermittlungen auch selbst zu führen. Als zuständiger
höherer Disziplinarvorgesetzter sei er berechtigt und verpflichtet gewesen, im
Rahmen der Dienstaufsicht (§ 10 Abs. 2 SG) auf eine korrekte Behandlung dis-
ziplinarer Vorgänge zu achten und auf diese hinzuwirken. Ihm sei es darum
gegangen, dem Beschleunigungsgrundsatz Rechnung zu tragen. Er habe kei-
nen Einfluss auf die Ermittlungen genommen. Insbesondere sei die Übergabe
nicht zu dem Zweck erfolgt, Generalleutnant R. Wissensvorteile zu verschaffen,
die es ihm ermöglichen konnten, durch Beratung seines Sohnes auf das gegen
diesen anhängige Ermittlungsverfahren Einfluss zu nehmen. Leutnant R. sei
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nichts mitgeteilt worden, das zu erfahren er keinen Anspruch gehabt habe;
denn diesem stehe rechtliches Gehör zu. Außerdem seien die Vorwürfe gegen
die beiden anderen im Vermerk vom 17. Oktober 2005 genannten Soldaten
Leutnant R. bereits in allen Einzelheiten bekannt gewesen. Außerdem habe der
frühere Soldat Generalleutnant R. den Vermerk ausschließlich „zur persönli-
chen Kenntnis“ gegeben und darauf vertraut und vertrauen dürfen, dass Gene-
ralleutnant R. sich an diese klare Weisung halte und dessen Sohn lediglich mit
den diesem gegenüber erhobenen Vorwürfen konfrontiere.
Es sei nicht Absicht des früheren Soldaten gewesen, den Vermerk aus „persön-
licher Verbundenheit“ und „falsch verstandener Kameradschaft“ zu übergeben.
Vielmehr sei es alleiniger und ausschließlicher Zweck gewesen, die sich dahin-
schleppenden Ermittlungen an der Universität der Bundeswehr Hamburg im
Interesse aller dort betroffenen Soldaten zu beschleunigen. Dem früheren Sol-
daten sei es außerdem wichtig gewesen, Generalleutnant R. „die Situation be-
wusst zu machen“. Jenem sollte eine Gesprächsführung mit seinem Sohn auf
möglichst objektiver Grundlage ermöglicht werden. Der frühere Soldat habe
sich des Weiteren von dem Ergebnis des Gesprächs zwischen Generalleutnant
R. und dessen Sohn ein vollständigeres Bild der Sachverhalte erhofft.
Der Generalinspekteur der Bundeswehr habe die Information des früheren Sol-
daten, den Vermerk an Generalleutnant R. überlassen zu wollen, zur Kenntnis
genommen und keine Einwände gehabt. Die Tatsache, dass der Generalin-
spekteur der Bundeswehr den früheren Soldaten nicht von diesem Vorhaben
abgehalten habe, zeige, dass selbst dieser erfahrene Verantwortungsträger in
höchster militärischer Funktion dagegen keinerlei Bedenken gehabt, insbeson-
dere die Handlungsweise nicht als Dienstvergehen eingeschätzt habe. Gleiches
gelte für das Handeln des Wehrdisziplinaranwalts, einschließlich des Amschefs
Streitkräfteamt, und das im Bundesministerium der Verteidigung für Disziplinar-
angelegenheiten zuständige Referat PSZ I 7. Auch Dr. P. als zuständiger
Rechtsberater des früheren Soldaten habe solche Bedenken nicht geäußert.
Das Telefongespräch vom 20. Oktober 2005 sei nur kurz gewesen und habe
sich lediglich auf allgemeine Aspekte des Falles und die erwogene Leitungsvor-
lage bezogen. Die Weitergabe des Vermerks an den damaligen Generalleut-
nant R. sei auch nicht andeutungsweise angesprochen worden.
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Der Bundeswehrdisziplinaranwalt beantragt,
den Antrag des früheren Soldaten zurückzuweisen.
Er hat sich die Stellungnahmen des Bundesministers der Verteidigung
- PSZ I 7 -, der sich im Wesentlichen auf seine Ausführungen in der Einstel-
lungsverfügung bezogen hat, vollumfänglich zu eigen gemacht.
Ergänzend hat der Bundesminister der Verteidigung vorgetragen, ein Verstoß
gegen § 27 Abs. 2 SBG liege nicht vor, weil die am 27. Januar 2006 erfolgte
Versetzung in den einstweiligen Ruhestand bereits den Ausschluss der Vor-
schriften des Soldatenbeteiligungsgesetzes im Rahmen danach etwa noch zu
treffender Entscheidungen zur Folge gehabt habe. Eine Anhörung des Solda-
tenvertreters im örtlichen Personalrat des Bundesministeriums der Verteidigung
in der Funktion als zuständige Vertrauensperson habe offensichtlich nicht erfol-
gen müssen, weil dafür nach dem eindeutigen Wortlaut des § 27 Abs. 2 SBG
die Absicht zur Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens Vorausset-
zung sei. Auch gegen das Informationsrecht aus § 18 Abs. 3 SBG sei nicht ver-
stoßen worden. Denn dieses wäre erst in dem Zeitpunkt entstanden, in dem
sich der Bundesminister der Verteidigung für die Option, gegen den früheren
Soldaten ein gerichtliches Disziplinarverfahren einzuleiten, entschieden hätte.
Außerdem hätte eine unterbliebene Unterrichtung allenfalls als eine Verletzung
der Rechte des Mandatsträgers bewertet werden können.
Ein unheilbarer Verfahrensfehler liege auch nicht darin, dass die Ministervorlage
des Referats PSZ I 7 vom 28. Dezember 2005 „von den maßgeblichen Ent-
scheidungsträgern nicht paraphiert“ worden sei. Von Bedeutung sei hier allein,
dass der Minister die Verfügung vom 11. Mai 2006, mit der er von der Einleitung
eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens gegen den früheren Soldaten abgese-
hen und die gegen ihn aufgenommenen disziplinaren Vorermittlungen unter
Feststellung eines Dienstvergehens eingestellt habe, persönlich unterzeichnet
habe.
Der Vortrag des früheren Soldaten, er habe den Generalinspekteur darüber
informiert, dass er Generalleutnant R. den Vermerk vom 17. Oktober 2005 zur
Einsicht geben wolle, und jener habe dem nicht widersprochen, könne den frü-
heren Soldaten - unabhängig vom Wahrheitsgehalt des Vortrags - nicht entlas-
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ten, da der Generalinspekteur weder truppendienstlicher Vorgesetzter bzw.
Disziplinarvorgesetzter des Inspekteurs der Streitkräftebasis sei, noch die Auf-
gaben einer höheren Einleitungsbehörde wahrnehme. Es verbleibe damit bei
der ausschließlichen Verantwortlichkeit des früheren Soldaten für das ihm zur
Last gelegte Fehlverhalten.
Aufgrund des Verhaltens des früheren Soldaten habe Leutnant R. im Ergebnis
einen Vorteil für sein Verfahren gezogen. Die Kenntnis vom Inhalt des Ver-
merks sei nicht nur geeignet gewesen, die disziplinaren Vorermittlungen gegen
die beiden Kameraden des Sohnes von Generalleutnant R. mittelbar zu beein-
flussen, sondern sei auch für das Verfahren gegen den Sohn selbst von Bedeu-
tung gewesen. Zum damaligen Zeitpunkt seien jenem noch nicht sämtliche Tat-
komplexe bekannt gewesen, in denen gegen ihn ermittelt wurde. Durch die
Kenntnis des Vermerks habe Leutnant R. seine Verteidigungsstrategie darauf
ausrichten und wohl vorbereitet seiner Vernehmung entgegensehen können.
III
Der Antrag des früheren Soldaten, mit dem er sich gegen die Entscheidung des
Bundesministers der Verteidigung vom 11. Mai 2006 wendet, die gegen ihn
geführten disziplinaren Vorermittlungen unter Feststellung eines Dienstverge-
hens einzustellen, hat keinen Erfolg.
1. Die Entscheidung des Senats ergeht gemäß § 113 Satz 2 i.V.m. § 92 Abs. 4
Satz 2, § 42 Nr. 3 Satz 2 und § 95 Abs. 2 WDO durch Beschluss ohne mündli-
che Verhandlung. Von einer mündlichen Verhandlung nach § 113 Satz 1 WDO
hat der Senat abgesehen, weil der Sachverhalt - soweit entscheidungserheb-
lich - geklärt ist und den Verfahrensbeteiligten hinreichend Gelegenheit gege-
ben worden ist, ihre unterschiedlichen Rechtsauffassungen darzulegen und
dazu wechselseitig Stellung zu nehmen. Davon haben sie auch Gebrauch ge-
macht. Es ist nicht ersichtlich, dass von den Verfahrensbeteiligten noch weitere
Ausführungen beabsichtigt sind.
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2. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist statthaft (§ 92 Abs. 4 Satz 1
und 2 WDO bzw. § 95 Abs. 2 i.V.m. § 92 Abs. 4 Satz 1 und 2 WDO). Auch im
Übrigen bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen seine Zulässigkeit.
Insbesondere ist der Antrag nicht verfristet.
Nach § 92 Abs. 4 Satz 3 WDO ist der Antrag zwei Wochen nach Zustellung der
Entscheidung über die Feststellung eines Dienstvergehens zu stellen. Eine sol-
che Zustellung ist ausweislich der dem Senat vorliegenden Akten zwar
- entgegen § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 92 Abs. 3 Satz 5 bzw. § 95 Abs. 1 Satz 3
WDO - nicht direkt an den früheren Soldaten, sondern ausweislich der bei den
vom Bundesminister der Verteidigung vorgelegten Verwaltungsvorgängen be-
findlichen Zustellungsurkunde am 17. Mai 2006 lediglich an seinen Bevollmäch-
tigten erfolgt. Dieser Zustellungsmangel wurde aber gemäß § 5 Abs. 3 WDO
dadurch geheilt, dass der frühere Soldat - wie er selbst nicht in Zweifel zieht -
die Einstellungsverfügung vom 11. Mai 2006 tatsächlich über seinen Bevoll-
mächtigten erhalten hat, den er daraufhin beauftragte, „namens und in Voll-
macht des früheren Soldaten“ das vorliegende Verfahren mit dem am 29. Mai
2006 per Telefax beim Bundesverwaltungsgericht (§ 112 Satz 1 WDO) einge-
gangenen Antrag einzuleiten. Zu diesem Zeitpunkt war die Zwei-Wochen-Frist
des § 92 Abs. 4 Satz 3 WDO jedenfalls noch nicht abgelaufen.
3. Der Antrag ist nicht begründet. Die Entscheidung des Bundesministers der
Verteidigung, von der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens abzu-
sehen und bei Feststellung eines Dienstvergehens des früheren Soldaten die
aufgenommenen disziplinaren Vorermittlungen einzustellen, ist rechtlich nicht
zu beanstanden.
a) Der Senat hat dabei folgende tatsächliche Feststellungen getroffen:
Die Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Streitkräfteamtes hatte
gegen drei studierende Offiziere der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der
Bundeswehr Hamburg, neben Leutnant G. und Oberfähnrich K. auch Leutnant
R. - Sohn des Stellvertreters des Inspekteurs des Heeres, Generalleutnant R. -,
disziplinare Vorermittlungen aufgenommen. Gegen Leutnant R. bestand u.a.
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der Verdacht, im Beisein von Kameraden „Sieg Heil, Kameraden!“ gesagt zu
haben. Der Wehrdisziplinaranwalt, Oberregierungsrat B. fertigte mit Datum vom
17. Oktober 2005 einen Vermerk für den Amtschef Streitkräfteamt, Konteradmi-
ral D., als Einleitungsbehörde über den damaligen Sachstand, den er mit der
Aufschrift „NICHT ZU DEN AKTEN! Information für die Amtsführung“ sowie
„Persönlich! Personalangelegenheit!“ versah. Am 19. Oktober 2005 informierte
der Amtschef den früheren Soldaten in dessen Eigenschaft als vorgesetzte
(höhere) Einleitungsbehörde über den aktuellen Kenntnisstand hinsichtlich des
Vorermittlungsverfahrens gegen Leutnant R. und teilte ihm mit, dass er wegen
der „Sieg Heil, Kameraden!“-Äußerung die Meldung eines „Besonderen Vor-
kommnisses“ für unumgänglich halte. Ferner fragte er den früheren Soldaten,
ob er es für angebracht halte, Generalleutnant R. darüber zu informieren, dass
gegen dessen Sohn ermittelt werde, wobei auf den Inhalt der Vorwürfe nicht
eingegangen werden sollte. Nach einer längeren Diskussion entschied der frü-
here Soldat, „die Leitung“ (des Bundesministeriums der Verteidigung) über eine
Leitungsvorlage zu unterrichten; eine förmliche Meldung als „Besonderes Vor-
kommnis“ hielt er unter diesen Umständen für nicht erforderlich. Der frühere
Soldat bat den Amtschef zwecks Erstellung der Leitungsvorlage um entspre-
chende schriftliche Unterlagen. Nach Vortrag des Bevollmächtigten des frühe-
ren Soldaten kündigte der frühere Soldat in dieser Besprechung an, General-
leutnant R. informieren zu wollen.
Der Amtschef teilte nach dieser Besprechung dem ermittelnden Wehrdiszipli-
naranwalt, Oberregierungsrat B., unter anderem die Absicht des früheren Sol-
daten mit, Generalleutnant R. über die Angelegenheit zu informieren, eine Lei-
tungsvorlage zu erstellen und auf das Absetzen einer förmlichen Meldung zu
verzichten. Oberregierungsrat B. unterrichtete daraufhin den Leiter der Wehr-
disziplinaranwaltschaft für den Bereich des Streitkräfteamtes, Leitender Regie-
rungsdirektor H., teilte diesem seine gegen die Absicht des früheren Soldaten
bestehenden Bedenken mit und bat ihn um Unterstützung. Dieser wiederum
informierte am 19. Oktober 2005 den Rechtsberater des Inspekteurs der Streit-
kräftebasis, Ministerialrat Dr. P., über den Sachverhalt, der daraufhin mit dem
früheren Soldaten am Abend des 19. oder 20. Oktober 2005 im Beisein des
Leitenden Regierungsdirektors H. ein Telefonat führte. Der frühere Soldat hat
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durch seinen Bevollmächtigten vortragen lassen, dass dieses Telefonat nur
kurz gewesen sei und sich lediglich auf allgemeine Aspekte des Falles und die
erwogene Leitungsvorlage bezogen habe. Die Weitergabe des Vermerks an
Generalleutnant R. sei auch nicht andeutungsweise angesprochen worden.
Ministerialrat Dr. P. habe gegenüber ihm, dem früheren Soldaten, hinsichtlich
des Vorhabens, Generalleutnant R. zu informieren, keine Bedenken geäußert.
Der Amtschef legte dem früheren Soldaten mit Schreiben vom 20. Oktober
2005 eine Kopie des Vermerks des Wehrdisziplinaranwalts vom 17. Oktober
2005 vor. Zugleich teilte er ihm unter anderem mit, dass er in eigener Zustän-
digkeit entschieden habe, in dieser Angelegenheit eine förmliche Meldung nach
der ZDv 10/13 absetzen zu lassen.
Am Vormittag des 21. Oktober 2005 bat der frühere Soldat den - ihm seit vielen
Jahren bekannten - Generalleutnant R. in sein Büro im Gebäude 520 auf dem
Gelände des Bundesministeriums der Verteidigung in Bonn zu einem Ge-
spräch. Er teilte ihm mit, dass gegen dessen Sohn, Leutnant R., schwerwie-
gende Vorwürfe erhoben würden, insbesondere rechtsradikalem Gedankengut
anzuhängen und zu Beginn einer Prüfungsarbeit einen Kommilitonen mit „Sieg
Heil!“ begrüßt zu haben. Generalleutnant R. hielt diese Vorwürfe für haltlos und
kritisierte den aus seiner Sicht „grotesken“ Verfahrensablauf. Ferner dankte
Generalleutnant R. für die Information und bat eindringlich, zunächst keine wei-
teren Maßnahmen zu ergreifen; zumindest möge der frühere Soldat das kom-
mende Wochenende abwarten, weil er seinen dann zu Hause weilenden Sohn
zu den Vorwürfen befragen und dem früheren Soldaten am folgenden Montag
dazu berichten wolle. Wegen des aus seiner Sicht erfolgten Versagens aller
Zwischenvorgesetzten sei zumindest der frühere Soldat zum Eingreifen ver-
pflichtet, weil ein junger Offizier zu Unrecht in schwerwiegender Weise be-
schuldigt werde. Des Weiteren sagte er (sinngemäß): „Ich täte mich dabei al-
lerdings deutlich leichter, wenn ich wüsste, was ihm konkret und im Einzelnen
angelastet wird.“ Der frühere Soldat entgegnete, dass ihn die Äußerungen sei-
nes Kameraden nicht unbeeindruckt gelassen hätten und dass er sich überle-
gen werde, was zu tun sei; sie sähen sich ja wenige Stunden später bei der
sog. Generals-/Admiralstagung des Deutschen Bundeswehrverbandes in B..
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23
- 16 -
Am Nachmittag desselben Tages übergab der frühere Soldat Generalleutnant
R. in B. vor Beginn der Tagung des Deutschen Bundeswehrverbandes einen
verschlossenen Umschlag mit dem darauf befindlichen Vermerk „Lieber J., wie
besprochen der Zwischenstand zu Deiner persönlichen Kenntnis. Dein H.
21/10“. Darin befand sich - zumindest - eine Kopie des Vermerks vom
17. Oktober 2005.
Die Sachverhaltsfeststellungen des Senats beruhen auf der im vorliegenden
Verfahren vom Bundesminister der Verteidigung vorgelegten und dem früheren
Soldaten bekannten schriftlichen Stellungnahme des Generalleutnants R. vom
22. Dezember 2005, die dieser gegenüber der Wehrdisziplinaranwaltschaft für
den Bereich des Inspekteurs der Marine unter dem 22. Dezember 2005 abge-
geben hatte sowie auf den damit im Kern übereinstimmenden Einlassungen des
früheren Soldaten. Der Senat hat keine Veranlassung, an der inhaltlichen
Richtigkeit der Angaben des Generalleutnants R. sowie der diesbezüglichen
- entscheidungserheblichen - Einlassungen des früheren Soldaten zu zweifeln.
Die mehrseitige schriftliche Schilderung des Generalleutnants R., die zirka zwei
Monate nach dem Geschehen und damit relativ zeitnah erfolgte, ist konkret,
detailreich und anschaulich. Entscheidungserhebliche Lücken in der Sachver-
haltsdarstellung sind nicht erkennbar und auch vom früheren Soldaten nicht
geltend gemacht worden. In dieser Stellungnahme berichtet Generalleutnant R.
detailliert über seine - auf das hier in Rede stehende Geschehen bezogenen -
Gespräche mit dem früheren Soldaten und mit seinem Sohn, Leutnant R., so-
wie mit anderen Kameraden (u.a. Brigadegeneral Do.). Er gibt dabei auch Ein-
zelheiten hinsichtlich seiner Gesprächsbeiträge und die seiner Gesprächspart-
ner wieder, äußert sich zu seiner Gefühlslage und seinen emotionalen Reaktio-
nen. Die Darstellung ist innerlich folgerichtig und psychologisch stimmig. Sie
lässt einen individuellen Stil erkennen und beschränkt sich nicht auf plakative
oder stereotype Wendungen. In der Stellungnahme geht Generalleutnant R.
relativ ausführlich auf seine eigenen Empfindungen und Reaktionen während
des Geschehens ein. Dabei hat sich Generalleutnant R. auch nicht gescheut,
eigene Fehler einzuräumen, deren Existenz für ihn möglicherweise nachteilig
sein könnten (z.B. hinsichtlich des unterbliebenen Schwärzens von Textpassa-
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gen, welche die neben seinem Sohn beschuldigten anderen Soldaten betref-
fen). Für die Glaubhaftigkeit seiner Ausführungen spricht ferner, dass er dabei
auch auf Interaktionen „unbeteiligter“ Personen (z.B. des Rechtsberaters des
Inspekteurs des Heeres, Ministerialrat G.) Bezug genommen hat, deren Rich-
tigkeit relativ leicht überprüfbar war und ihn damit - im Falle einer inhaltlichen
Unrichtigkeit - der Gefahr aussetzten, einer unwahren Aussage überführt zu
werden. Hinsichtlich der Glaubwürdigkeit des Generalleutnants R. ist zudem zu
berücksichtigen, dass es sich bei ihm um einen untadeligen hohen Offizier in
herausgehobener Position im Bundesministerium der Verteidigung handelte,
der bislang straf- und disziplinarrechtlich nicht negativ in Erscheinung getreten
war. Allerdings war zu berücksichtigen, dass er in das Geschehen disziplinar
involviert war und dass ein hohes Eigeninteresse bei ihm bestand, sich nicht
selbst oder den früheren Soldaten, mit dem er seit vielen Jahren persönlich
verbunden war, zu belasten. Konkrete Anhaltspunkte für eine bewusste oder
unbewusste Falschaussage sind jedoch nicht erkennbar geworden.
Die Schilderung des objektiven Geschehensverlaufs durch Generalleutnant R.
wird hinsichtlich der entscheidungserheblichen Umstände zudem durch die Ein-
lassungen des früheren Soldaten bestätigt. Dieser hat in seiner - ebenfalls zwei
Monate nach dem Vorfall erfolgten - Vernehmung vor der ermittelnden Wehr-
disziplinaranwaltschaft für den Bereich des Inspekteurs der Marine am
22. Dezember 2005 sowie in seinem Schreiben vom 29. Januar 2006 unmiss-
verständlich
eingeräumt, Generalleutnant R. eine Kopie des Vermerks vom
17. Oktober 2005 übergeben zu haben. Dabei hat er als Motiv für sein Handeln
angegeben, einem „Kameradenvater“ die Gelegenheit geben zu wollen, auf
dessen Sohn „im Sinne der Sache“ positiv einzuwirken. Jener habe die Angele-
genheit nicht nur aus der subjektiven Sicht des Sohnes kennen sollen, sondern
auch den zur Last gelegten Stand der Ermittlungen.
b) Mit dem festgestellten Verhalten hat der frühere Soldat gemäß § 23 Abs. 1
SG ein Dienstvergehen begangen. Er hat schuldhaft jedenfalls seine Dienst-
pflicht nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SG verletzt, über die ihm bei seiner dienstlichen
Tätigkeit bekannt gewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewah-
ren, weil er am Vormittag des 21. Oktober 2005 mündlich dienstliche Informati-
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onen über den Ermittlungsstand in einem disziplinaren Vorermittlungsverfahren
gegen Leutnant R. und außerdem am Nachmittag desselben Tages am Rande
einer Tagung des Deutschen Bundeswehrverbandes in B. eine Kopie des Ver-
merks vom 17. Oktober 2005 jeweils unberechtigterweise an den damaligen
Stellvertreter des Inspekteurs des Heeres, Generalleutnant R., weitergab. So-
wohl bei den weitergegebenen Informationen (unter anderem) über den Stand
der Vorermittlungen gegen Leutnant R. als auch bei dem Vermerk handelte es
sich um Angelegenheiten, die ihm in seiner dienstlichen Tätigkeit bekannt ge-
worden waren. Er hatte sie in seiner Funktion als höhere Einleitungsbehörde
von dem ihm unterstellten Amtschef Streitkräfteamt als zuständige Einleitungs-
behörde erhalten.
Der Umstand, dass Generalleutnant R. als Empfänger dieser Informationen und
der Kopie des Vermerks zum Tatzeitpunkt ebenfalls Soldat war, ändert daran
nichts. Denn die Verschwiegenheitspflicht des § 14 Abs. 1 Satz 1 SG besteht im
militärischen Bereich auch gegenüber Kameraden (vgl. u.a. Urteil vom
11. Oktober 1984 - BVerwG 2 WD 56.83 -).
Einer der Ausschlusstatbestände des § 14 Abs. 1 Satz 2 SG liegt nicht vor.
Es handelte sich bei den vom früheren Soldaten weitergegebenen mündlichen
und schriftlichen Informationen nicht um „Mitteilungen im dienstlichen Verkehr“
(§ 14 Abs. 1 Satz 2 Alternative 1 SG). Denn darunter fallen nur Auskünfte an
Personen oder Dienststellen, die mit der Sache unmittelbar befasst sind (vgl.
auch Nr. 2.1 ZDv 14/3 B 166). Der Informationsempfänger, Generalleutnant R.,
war als damaliger Stellvertreter des Inspekteurs des Heeres dienstlich nicht mit
den disziplinaren Vorermittlungen gegen seinen Sohn Leutnant R. befasst.
Nach der Wehrdisziplinarordnung haben in einem Vorermittlungsverfahren zu-
nächst die zuständige Wehrdisziplinaranwaltschaft und die zuständige Einlei-
tungsbehörde (sowie deren vorgesetzte Dienststellen bzw. truppendienstliche
Vorgesetzte) berechtigten Zugang zu den dabei vorliegenden und anfallenden
personenbezogenen Daten (vgl. § 92 WDO). § 9 WDO bestimmt abschließend
den Kreis der sonst Berechtigten. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WDO sind
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- 19 -
Dienststellen im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung
(nur) auskunftsberechtigt, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich
ist. Dienststellen in diesem Geschäftsbereich sind die militärischen und zivilen
Einrichtungen, sofern sie eine zur Erfüllung bestimmter Aufgaben organisato-
risch verselbständigte Verwaltungseinheit sind (vgl. dazu u.a. Urteil vom
11. September 1958 - BVerwG 2 C 123.57 - BVerwGE 7, 221 <222>; Dau,
WDO, 4. Aufl. 2002, § 9 Rn. 10). Es kann hier offenbleiben, ob das Bundesmi-
nisterium der Verteidigung und seine Organisationseinheiten, insbesondere der
(Stellvertreter des) Inspekteur(s) des Heeres zu den Dienststellen im Sinne der
Vorschrift gehören (vgl. dazu Dau, a.a.O.; Böttcher/Dau, WBO, 4. Aufl. 1997,
§ 1 Rn. 53 m.w.N.). Denn jedenfalls war die Weitergabe der in Rede stehenden
mündlichen und schriftlichen Informationen durch den früheren Soldaten an
Generalleutnant R., den damaligen Stellvertreter des Inspekteurs des Heeres,
nicht im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 1 WDO „zur Erfüllung der in der Zuständigkeit
des Empfängers liegenden Aufgaben erforderlich“.
Generalleutnant R., der als Stellvertreter des Inspekteurs des Heeres dem Füh-
rungsstab des Heeres im Bundesministerium der Verteidigung angehörte, war
dienstlich keine Aufgabe zugewiesen, deren Erfüllung die Erteilung der in Rede
stehenden Auskünfte über Vorermittlungen des Wehrdisziplinaranwalts im Sin-
ne des § 9 Abs. 1 Nr. 1 WDO bedingte oder sonst notwendig machte. Eine sol-
che kann weder den „Grundsätzen für Aufgabenzuordnung, Organisation und
Verfahren im Bereich der militärischen Spitzengliederung“ als Anlage zur „Wei-
sung zur Inkraftsetzung der Grundsätze für Aufgabenzuordnung, Organisation
und Verfahren im Bereich der militärischen Spitzengliederung“ des Bundesmi-
nisters der Verteidigung vom 21. Januar 2005 - dort Nr. 2.2 - noch den - vom
Bevollmächtigten des früheren Soldaten angeführten - „Bestimmungen über die
Personal-Beraterausschüsse“ des Abteilungsleiters im Bundesministerium der
Verteidigung - PSZ - vom 7. August 2003 - dort insbesondere Nr. 1.2 und 1.3 -
entnommen werden. Insbesondere aus der Teilnahmeberechtigung des Inspek-
teurs des Heeres im Personal-Beraterausschuss beim Stellvertreter des Gene-
ralinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis oder aus
der Existenz eines Personal-Beraterausschuss beim Inspekteur des Heeres für
die Offiziere auch des Uniformträgerbereichs Heer (Nr. 1.2 der o.g. Bestim-
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mungen) in Verbindung mit den dort unter Nr. 1.1 aufgeführten Aufgaben kann
ein berechtigter Zugang zu Daten eines laufenden Vorermittlungsverfahrens
nicht hergeleitet werden. Denn dabei geht es lediglich um die Besetzung be-
stimmter Dienstposten - A 16 oder B 3 (vgl. Nr. 1.1) - und um sich - allein - da-
bei stellende Fragen.
Auch aus § 29 Abs. 3 SG ergibt sich nicht, dass es sich bei den von dem frühe-
ren Soldaten an Generalleutnant R. am Vormittag und Nachmittag des 21. Ok-
tober 2005 übermittelten Daten um „Mitteilungen im dienstlichen Verkehr“ im
Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 2 Alternative 1 SG handelte. Generalleutnant R. war
als damaliger Stellvertreter des Inspekteurs des Heeres für „Personalange-
legenheiten“ (§ 29 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 und Satz 3 SG) seines Sohnes nicht
zuständig. Es ging insoweit auch nicht um Zwecke der „Personalführung“ oder
„Personalbearbeitung“ (§ 29 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 und Satz 3 SG).
Es handelte sich bei den vom früheren Soldaten an Generalleutnant R. weiter-
gegebenen Informationen und Daten aus dem Vermerk (mit den Zusätzen
„NICHT ZU DEN AKTEN! Information für die Amtsführung“ sowie „Persönlich!
Personalangelegenheit!“) auch nicht um offenkundige Tatsachen (§ 14 Abs. 1
Satz 2 Alternative 2 SG). Darunter fallen nur Angelegenheiten, die allgemein
bekannt sind oder von denen jedermann auf allgemein zugänglichen Wegen
(z.B. aus der Presse oder anderen Medien, aus der Fachliteratur, elektroni-
schen Datenbanken etc.; vgl. dazu auch Scherer/Alff, SG, 7. Aufl. 2003, § 14
Rn. 5) Kenntnis erlangen kann (vgl. Nr. 2.2 ZDv 14/3 B 166). Dies war weder
hinsichtlich der am Vormittag des 21. Oktober 2005 vom früheren Soldaten an
Generalleutnant R. übermittelten mündlichen Informationen über die disziplina-
ren Vorermittlungen noch hinsichtlich der am Nachmittag desselben Tages wei-
tergegebenen Inhalte des Vermerks der Fall.
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Die weitergegebenen Informationen und Daten waren auch nicht als Tatsachen
zu qualifizieren, die „ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen“.
Dazu zählen nur solche Vorgänge, durch deren Bekanntwerden keine dienstli-
chen Interessen berührt (vgl. Nr. 2.3 ZDV 14/3 B 166; Scherer/Alff, a.a.O., § 14
Rn. 6 m.w.N.), d.h. beeinträchtigt werden. Disziplinarsachen genießen sowohl
im persönlich-privaten Interesse des betroffenen Soldaten als auch im dienstli-
chen Interesse einen besonderen Vertraulichkeitsschutz (vgl. auch Erlass
„Auskünfte über Disziplinarmaßnahmen“ in ZDv 14/3 B 114; Beschluss vom
19. August 1964 - BVerwG 6 B 15.62 - BVerwGE 19, 179 <185>; Dau, a.a.O.,
§ 9 Rn. 2 m.w.N.). Sie gehören zu den Personalangelegenheiten eines Solda-
ten. Die dabei anfallenden personenbezogenen Daten sind durch das Grund-
recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1
GG) besonders geschützt. Sie dürfen nur auf gesetzlicher Grundlage unter
strikter Beachtung der Schutzwirkungen des Grundrechts offenbart werden. Die
Wahrung des grundrechtlich gewährleisteten Vertraulichkeitsschutzes in Diszip-
linarangelegenheiten liegt zugleich auch im dienstlichen Interesse (Art. 1 Abs. 3
GG). Dies kommt u.a. auch in den Schutzregelungen etwa des § 50 Abs. 2 Satz
2 und § 105 Abs. 1 Satz 1 WDO sowie in der Regelung des § 14 Abs. 1 SG klar
zum Ausdruck.
Ein (objektiver) Verstoß gegen § 14 Abs. 1 SG liegt daher vor.
Der frühere Soldat kann sich auch nicht auf Umstände berufen, die sein Verhal-
ten rechtfertigten.
Der bei Straftaten gewohnheitsrechtlich anerkannte Rechtfertigungsgrund der
mutmaßlichen Einwilligung des Verletzten (dazu Tröndle/Fischer, StGB,
54. Aufl. 2007, vor § 32 Rn. 4 m.w.N.) greift vorliegend nicht ein. Denn dieser
Rechtfertigungsgrund setzt jedenfalls voraus, dass der Betroffene über das
Rechtsgut überhaupt verfügen darf (Tröndle/Fischer, a.a.O., Rn. 3b zur Einwil-
ligung). Das ist hier nicht der Fall. Disziplinarsachen genießen, wie bereits dar-
gelegt, sowohl im persönlich-privaten Interesse des betroffenen Soldaten als
auch im dienstlichen Interesse einen besonderen Vertraulichkeitsschutz (vgl.
auch ZDv 14/3 B 114; Beschluss vom 19. August 1964 a.a.O.; Dau, a.a.O., § 9
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Rn. 2 m.w.N.). Selbst wenn also im vorliegenden Fall der von den disziplinaren
Vorermittlungen betroffene Leutnant R. der Übermittlung seiner personenbezo-
genen Daten zugestimmt hätte oder damit mutmaßlich einverstanden gewesen
wäre, reichte dies für die Annahme eines Rechtfertigungsgrundes nicht aus.
Weder Leutnant R. noch sein Vater, Generalleutnant R., konnten über die je-
denfalls auch im dienstlichen und damit öffentlichen Interesse geschützten
Rechtsgüter eigenständig verfügen und den früheren Soldaten nicht von seiner
dienstlichen Verpflichtung nach § 14 Abs. 1 SG suspendieren.
Auch eine Berufung auf das Grundrecht aus Art. 17 GG scheidet aus, wonach
jedermann - gemäß § 6 Satz 1 SG auch ein Soldat - „das Recht (hat), sich mit
Bitten … an die zuständigen Stellen … zu wenden“. Bloße Mitteilungen oder
Datenübermittlungen unterfallen, wie sich bereits aus dem Wortlaut der Vor-
schrift ergibt, nicht dem Schutzbereich des Art. 17 GG. Unabhängig davon
handelte es sich bei Generalleutnant R. als Stellvertreter des Inspekteurs des
Heeres aus den oben in anderem Zusammenhang dargelegten Gründen nicht
um eine - für die Entgegennahme dieser Daten über den Stand der in Rede
stehenden disziplinaren Vorermittlungen - „zuständige Stelle“.
Das festgestellte und gegen § 14 Abs. 1 SG verstoßende Verhalten des frühe-
ren Soldaten war auch nicht durch den Rechtfertigungsgrund einer Pflichtenkol-
lision gerechtfertigt. Dieser Rechtfertigungsgrund wird im Bereich des Straf-
rechts angenommen, wenn den Handelnden mehrere sich ausschließende ver-
schiedenwertige Handlungspflichten treffen und er die objektiv höherwertige
zum Nachteil der geringerwertigen erfüllt (Tröndle/Fischer, a.a.O., Rn. 11
m.w.N.).
Insbesondere ergab sich eine solche Pflichtenkollision nicht aus der Pflicht zur
Kameradschaft (§ 12 Satz 2 SG). Nach § 12 Satz 2 Halbs. 2 SG ist ein Soldat
zwar verpflichtet, seinem Kameraden „in Not und Gefahr“ beizustehen. Auf der
Grundlage der Wehrdisziplinarordnung durchgeführte Vorermittlungen der zu-
ständigen Stellen begründen jedoch eine solche „Not und Gefahr“ nicht. Dies
ergibt sich bereits aus dem erkennbaren Gesetzeszweck, der insbesondere in
§ 12 Satz 1 SG zum Ausdruck kommt. Die Pflicht zur Kameradschaft ist zur
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Herbeiführung und Sicherung des Zusammenhalts der Soldaten untereinander
normiert worden. Soldaten sollen insbesondere vor von Kameraden begange-
nen Rechtsverletzungen (vgl. § 12 Satz 2 Halbs. 1 SG) und davor geschützt
werden, in für sie typischen Gefahrensituationen, vor allem im Einsatz, im Stich
gelassen zu werden (vgl. § 12 Satz 2 Halbs. 2 SG). Eine solche Gefahrensitua-
tion liegt aber jedenfalls dann nicht vor, wenn gegen einen Kameraden auf der
Grundlage der Wehrdisziplinarordnung disziplinare Vorermittlungen durchge-
führt werden, gegen die sich der Betroffene nach Maßgabe der gesetzlichen
Vorschriften, gegebenenfalls mit Hilfe eines juristischen Beistands, selbst be-
haupten kann. Das Gesetz eröffnet dem Betroffenen keinen Anspruch darauf,
dass ein Kamerad ihm während gegen ihn oder nahe Angehörige laufender
Vorermittlungen unter Verstoß gegen Verschwiegenheitspflichten nach § 14
Abs. 1 SG Beistand leistet.
Auch sonstige Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich.
Der frühere Soldat wusste, dass er mit seinem Verhalten einem dienstlich mit
dem zugrunde liegenden Disziplinarfall nicht befassten Kameraden gesetzlich
geschützte Informationen übermittelte, und wollte das auch. Er handelte damit
vorsätzlich.
Ein Vorsatzausschluss nach § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB („Tatbestandsirrtum“)
scheidet aus, weil der frühere Soldat sämtliche zum Tatbestand des § 14 Abs. 1
Satz 1 SG gehörenden Tatumstände kannte. Er irrte nicht in tatsächlicher Hin-
sicht.
Ein die Schuld ausschließender unvermeidbarer Verbotsirrtum i.S.d. § 17
Satz 1 StGB liegt ebenfalls nicht vor. Zwar fehlte dem früheren Soldaten aus-
weislich seiner Einlassungen im vorliegenden Verfahren möglicherweise die
Einsicht, Unrecht begangen zu haben. Dieser Irrtum war jedoch nicht unver-
meidbar.
Vermeidbarkeit ist dann anzunehmen, wenn dem Täter - hier dem beschuldig-
ten Soldaten - sein Vorhaben unter Berücksichtigung seiner Fähigkeiten und
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Kenntnisse hätte Anlass geben müssen, über dessen mögliche Rechtswidrigkeit
nachzudenken oder sich zu erkundigen, und wenn er auf diesem Wege zur
Unrechtseinsicht gekommen wäre (Tröndle/Fischer, a.a.O., § 17 Rn. 7 m.w.N.).
An die Pflicht zu eigenständiger Prüfung sowie an die gegebenenfalls beste-
hende Erkundigungspflicht sind strenge Maßstäbe anzulegen (vgl. BGH, Be-
schluss vom 27. Januar 1966 - KRB 2/65 - BGHSt 21, 18 <20 f.>).
Bei dem früheren Soldaten als langjährigem Berufssoldaten mit dem Dienstgrad
eines Generalleutnants, der über viele Jahre hinweg Disziplinarvorgesetzter war
und zuletzt auch als Einleitungsbehörde fungierte, hätten sich Zweifel regen
müssen, ob angesichts der weiten Regelung des § 14 Abs. 1 SG und der beim
Umgang mit personenbezogenen Daten typischerweise bestehenden Ver-
schwiegenheitspflicht sowie angesichts des das Disziplinarrecht bekannterma-
ßen prägenden Vertraulichkeitsgrundsatzes eine eigenmächtige Weitergabe
von internen Informationen ohne Kenntnis des ermittelnden Wehrdisziplinaran-
walts rechtlich zulässig war. Dies gilt auch dann, wenn diese Informationen
„nur“ an den Vater und zugleich „Generalskameraden“ eines in seinem Zustän-
digkeitsbereich verwendeten Soldaten gerichtet war, gegen den disziplinare
Vorermittlungen geführt wurden. Jedenfalls unterließ es der frühere Soldat, sich
in ausreichendem Maß über die rechtliche Zulässigkeit seines Tuns zu erkundi-
gen und sachkundigen Rat einzuholen. Das wäre für ihn sowohl zumutbar als
auch einfach zu realisieren gewesen. Als Inspekteur der Streitkräftebasis hatte
er die Möglichkeit, den ihm zugeordneten Rechtsberater um rechtlichen Rat zu
fragen. Wenn auch der Inhalt
des am späten Nachmittag des 19. oder 20. Ok-
tober 2005 geführten Telefongesprächs zwischen dem früheren Soldaten und
seinem Rechtsberater Ministerialrat Dr. P. nicht in allen Einzelnen festgestellt
worden ist, steht nach der Einlassung des früheren Soldaten zumindest fest,
dass er, der frühere Soldat, es unterlassen hat, sich über die Zulässigkeit der
Weitergabe des in Rede stehenden Vermerks vom 17. Oktober 2005 und der
Informationen über den Stand der Vorermittlungen gegen Leutnant R. fachkun-
dig beraten zu lassen. Der frühere Soldat hat selbst eingeräumt: „Die Weiter-
gabe des Vermerks an den damaligen Generalleutnant R. wurde auch nicht
andeutungsweise angesprochen.“
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Ein unvermeidbarer Verbotsirrtum scheidet deshalb aus.
Weitere Schuldausschließungs- oder Entschuldigungsgründe in Gestalt eines
entschuldigenden Notstandes (§ 35 StGB) oder einer schuldausschließenden
Pflichtenkollision (vgl. für den Bereich des Strafrechts u.a. Tröndle/Fischer,
a.a.O., vor § 32 Rn. 15) kommen ersichtlich nicht in Betracht. Auch der frühere
Soldat hat sich hierauf nicht berufen.
Ob der frühere Soldat mit seinem festgestellten Verhalten auch gegen § 203
Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 353b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB sowie gegen § 9 Abs. 1
WDO und damit gegen seine Pflicht zum treuen Dienen (in Gestalt der Pflicht
zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung, vgl. dazu u.a. Urteile vom 16. Mai
2005 - BVerwG 2 WD 3.05 - NZWehrr 2006, 252 und vom 24. November 2005
- BVerwG 2 WD 32.04 - NZWehrr 2006, 127, jeweils m.w.N.) oder gegen seine
Pflicht zur Fürsorge (§ 10 Abs. 3 SG) verstoßen hat, kann dahin stehen. Denn
für die Feststellung eines Dienstvergehens reicht es aus, wenn der frühere Sol-
dat - wie vorliegend - zumindest eine Dienstpflicht schuldhaft verletzt hat.
Soweit der Bundesminister der Verteidigung - verbunden mit der Feststellung
eines Dienstvergehens - die Vorermittlungen eingestellt, von der Einleitung ei-
nes gerichtlichen Disziplinarverfahrens abgesehen und damit zugleich auch
dem Antrag des früheren Soldaten auf Einleitung eines gerichtlichen Diszipli-
narverfahrens nicht entsprochen hat, ist seine Entscheidung ebenfalls rechts-
fehlerfrei. Dabei lässt der Senat offen, ob der frühere Soldat durch das erfolgte
Absehen von der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens angesichts
der erfolgten rechtmäßigen Feststellung eine Dienstvergehens überhaupt
beschwert ist.
Es steht jedenfalls im (pflichtgemäßen) Ermessen der zuständigen Einleitungs-
behörde, ob sie bei Vorliegen eines Dienstvergehens durchgeführte Vorermitt-
lungen nach § 92 Abs. 3 WDO einstellt oder ob sie ein gerichtliches Disziplinar-
verfahren einleitet (§ 93 Abs. 1 WDO).
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Der Bundesminister der Verteidigung als gemäß § 94 Abs. 1 Nr. 1 WDO für den
früheren Soldaten zuständige Einleitungsbehörde hat von seinem Ermessen
rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht.
Insbesondere war er sich seiner Ermessensbefugnis bewusst. Dies kommt in
seiner Einstellungsverfügung vom 11. Mai 2006 hinreichend klar zum Ausdruck.
Denn auf Seite 5 des Bescheides wird ausgeführt, dass an Stelle der dann er-
folgten Einstellung auch die Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens
mit dem Ziel der Verhängung einer gerichtlichen Disziplinarmaßnahme in Ge-
stalt einer Kürzung des Ruhegehalts erwogen wurde. Auch der für den Bun-
desminister der Verteidigung durch das Referat PSZ I 7 erstellten und von die-
sem zur Kenntnis genommenen Vorlage vom 12. Dezember 2005 (Beiakte III
Bl. 50 ff.) kann entnommen werden, dass dem Minister der ihm durch die
Wehrdisziplinarordnung eingeräumte Ermessensspielraum bei seiner
Ent-
scheidung bewusst war.
Ein Ermessensfehler ergibt sich auch nicht wegen eines Verstoßes gegen Ver-
fahrensvorschriften. Es ist nicht ersichtlich, dass die Ermessensentscheidung
auf einer Verletzung von Verfahrensvorschriften beruht.
Insbesondere ist entgegen der Ansicht des früheren Soldaten im Rahmen der
Vorermittlungen und bei der angegriffenen Entscheidung § 4 Satz 1 WDO i.V.m.
§ 27 Abs. 2 SBG nicht verletzt worden.
Nach § 4 Satz 1 WDO i.V.m. § 27 Abs. 2 SBG erfolgt eine Anhörung der zu-
ständigen Vertrauensperson - bzw. hier des nach § 52 Abs. 2 SBG zuständigen
Soldatenvertreters im örtlichen Personalrat des Bundesministeriums der Vertei-
digung - (nur) im Falle der beabsichtigten Einleitung eines gerichtlichen Diszip-
linarverfahrens. Eine solche - konkrete - Absicht bestand im vorliegenden Fall
im maßgeblichen Zeitpunkt nach Abschluss der Vorermittlungen nicht (vgl. Vor-
lage des Referats PSZ I 7 vom 4. Mai 2006 ). Vielmehr
entschloss sich der Minister in seiner Einstellungsverfügung vom 11. Mai 2006
gerade, von der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens abzusehen.
Dementsprechend unterzeichnete er auch die vom früheren Soldaten angegrif-
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fene Einstellungsverfügung. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für das
Eingreifen dieser Regelung sind damit nicht gegeben.
Der vom Bevollmächtigten erhobene Einwand der Umgehung des Beteiligungs-
rechts wegen Nichteinleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens trotz ent-
sprechender Schwere des angenommenen Dienstvergehens bei gleichzeitigem
Antrag auf Versetzung in den einstweiligen Ruhestand ist nicht begründet.
Denn der Bundesminister der Verteidigung als zuständige Einleitungsbehörde
(§ 94 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WDO) hat zulässigerweise von seinem durch § 92
Abs. 3, § 93 WDO eingeräumten Entscheidungsspielraum hinsichtlich der von
ihm - nach der erfolgten Versetzung des früheren Soldaten in den einstweiligen
Ruhestand nach § 50 SG - (noch) als angemessen betrachteten disziplinaren
Reaktion Gebrauch gemacht (Opportunitätsgrundsatz). Ihm war nicht zwingend
vorgeschrieben, ob er sich angesichts des begründeten Verdachts eines
Dienstvergehens zur Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens ent-
schloss oder ob er die Vorermittlungen einstellte. Ein „Umgehungs“-Tatbestand
läge nur dann vor, wenn durch Wahl eines rechtlich nicht vorgesehenen Ver-
fahrensschrittes eine sonst (zwingend) anwendbare Vorschrift ihrer Anwend-
barkeit im konkreten Fall beraubt würde. Davon ist aber aufgrund der genann-
ten Gründe nicht auszugehen.
Auch der vom früheren Soldaten angeführte Verstoß gegen den Anspruch der
zuständigen Vertrauensperson - bzw. hier des nach § 52 Abs. 2 SBG zuständi-
gen Soldatenvertreters im örtlichen Personalrat - auf rechtzeitige und umfas-
sende Unterrichtung nach § 18 Abs. 3 Satz 2 SBG liegt nicht vor. § 27 Abs. 2
SBG geht als Spezialregelung dem allgemeinen Unterrichtungsanspruch nach
§ 18 Abs. 3 Satz 2 SBG vor. Die Vorschrift knüpft zwar ebenso wie § 18 Abs. 3
Satz 2 SBG an eine Angelegenheit an, die zu den Aufgaben der Vertrauens-
person gehört. Sie ist jedoch - anders als § 18 Abs. 3 Satz 2 SBG - gerade auf
den Fall anwendbar, dass die Einleitungsbehörde beabsichtigt, gegen einen
Soldaten ein gerichtliches Disziplinarverfahren einzuleiten. Für diese aus der
Systematik der Regelungen folgende Qualifizierung des § 27 Abs. 2 SBG als
Spezialregelung („lex specialis“) spricht auch, dass anderenfalls - bei Nichtan-
nahme eines Verhältnisses der Spezialität - die vom Gesetz vorgesehene un-
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terschiedliche Bestimmung des Anhörungsgegenstandes missachtet würde.
Denn § 27 Abs. 2 SBG beschränkt die Anhörung auf die Person des beschul-
digten Soldaten und den Sachverhalt, während § 18 Abs. 3 Satz 2 SBG eine
umfassende Unterrichtung vorschreibt.
Dies gilt auch dann, wenn die Einleitungsbehörde sich entscheidet, von der Ein-
leitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens abzusehen. Aus der Systematik
der Regelung folgt, dass § 18 SBG im Unterabschnitt 1 „Allgemeines“ innerhalb
des Abschnittes 3 „Beteiligung der Vertrauensperson“ steht, während sich § 27
SBG im Unterabschnitt 3 „Aufgabengebiete“ desselben Abschnitts befindet.
Daraus kann für § 18 SBG, der mit „Grundsätze für die Zusammenarbeit“
überschrieben ist, gefolgert werden, dass dessen Unterrichtungsanspruch in
Absatz 3 Satz 2 nur nach Maßgabe der in den einzelnen Aufgabengebieten
genannten Sonderregelungen gelten soll (im Ergebnis ähnlich Beschluss vom
25. November 2004 - BVerwG 1 WB 3.04 - zum Umfang der Anhörung nach
§ 20 SBG, der in Satz 1 einen gleich lautenden Unterrichtungsanspruch ent-
hält).
Auch aus der Vorschrift des § 4 Satz 1 WDO, die lediglich auf die Regelungen
in §§ 27 und 28 SBG verweist, kann geschlossen werden, dass nur in den dort
genannten Fällen eine Beteiligung der Vertrauensperson stattfinden soll. Dieser
Schluss wird gestützt durch § 4 Satz 2 WDO, der zeigt, dass eine Beteiligung in
disziplinaren Angelegenheiten nur jeweils vor der Anhörung nach § 32 Abs. 5
Satz 1 WDO oder § 93 Abs. 1 Satz 2 WDO zu erfolgen hat.
Der in § 18 Abs. 3 Satz 2 SBG geregelte allgemeine Unterrichtungsanspruch in
disziplinaren Angelegenheiten wird demnach durch die Sonderregelung in § 27
Abs. 2 SBG auch für den Fall einer fehlenden Einleitungsabsicht der Einlei-
tungsbehörde (bei bloßer Feststellung eines Dienstvergehens) verdrängt und ist
damit nicht anwendbar.
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4. Nach § 139 Abs. 2 i.V.m. Abs. 5 WDO hat der frühere Soldat die Kosten des
Verfahrens zu tragen.
Golze Prof. Dr. Widmaier Dr. Deiseroth