Urteil des BVerwG vom 29.08.2002

Soldat, Allgemeine Lebenserfahrung, Wahrscheinlichkeit, Abend

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
Beschluss
noch nicht überprüft!
BVerwG 2 WDB 6.02
TDG N … GL …/02
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren
gegen
den Oberfeldwebel … …
,
geboren am … in …,
…, …,
- Verteidiger:
Rechtsanwalt … …,
…, … … -
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Pietzner,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
auf die Beschwerde des Soldaten am 29. August 2002
b e s c h l o s s e n :
Die Beschwerde gegen den Beschluss der …. Kammer des Truppendienstge-
richts Nord vom 4. Juni 2002 wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
- 2 -
G r ü n d e :
I
Mit Verfügung vom 28. Januar 2002 leitete der Kommandeur der …. Panzergre-
nadierdivision gegen den Soldaten ein gerichtliches Disziplinarverfahren ein, in
dem ihm vorgeworfen wurde, seine Dienstpflichten in folgenden Punkten schuld-
haft verletzt zu haben:
"1. An einem nicht mehr feststellbaren Tag im Zeitraum Juli 2001
stellten Sie sich gegen 22.30 Uhr im Feldlager R., Bosnien, im
Unterkunftsgebäude auf der Stube … in Anwesenheit der Ihnen unter-
stellten HG T. R. (PK: …-…-…) und HG V. G. (PK: …-…-…) in Grundstel-
lung und führten wissentlich und willentlich den sogenannten Hitler-
gruß gegenüber den vorgenannten Soldaten aus.
2. An einem nicht mehr feststellbaren Tag im Zeitraum Juni/Juli 2001
beschimpften Sie als Beifahrer durch das geöffnete Fenster eines
Dienstfahrzeuges in Anwesenheit des Ihnen unterstellten HG St. P.
(PK: 1…-…-…) andere Verkehrsteilnehmer auf der Fahrt von V. nach R.
laut vernehmlich mit Worten 'ausrotten, vergasen sollte man Dich, Du
Drecksau'. Des Weiteren führten Sie wissentlich und willentlich hierzu
durch das geöffnete Beifahrerfenster den sogenannten Hitlergruß aus.
Unmittelbar nach diesem Vorfall, noch während der oben genannten
Fahrt, stachen Sie mit einem Kampfmesser wissentlich und willentlich
mit der Absicht der Sachbeschädigung in den Innenbereich des Dienst-
fahrzeuges, so dass drei Einstiche tief in den vorderen Sitzbereich und
auf dem Armaturenbereich deutlich Kratzspuren zurück blieben. Da-
nach entluden Sie Ihre Dienstwaffe P-8 innerhalb des Dienstfahrzeuges
und hielten die entladene Waffe mit dem Lauf in Ihren Mund, wobei
Sie gegenüber den Ihnen untergebenen HG P. äußerten: 'So haben sie
die Leute im Dritten Reich umgebracht.'
3. Im Zeitraum Juli bis Ende Oktober 2001 im Feldlager R., Bosnien,
hatten Sie ein Notizbuch, rot, (110 x 80 mm) im Besitz mit von Ihnen
folgenden selbst gefertigten Vermerken:
- 'Was ist ein Jude mit einer Gasflasche?
Ein Süchtiger.'
- 3 -
- 'Und mit 2 GF?
Ein Dealer.'
- 'Wie berechnet ein Jude seinen Fluchtweg?
Schornsteinhöhe x Windrichtung.'
- 'Was sind 4 Türken im Ford Transit?
Das A-Team aus Bochum.'
- 'Wie befruchtet man eine Türkin?
Auf den Stiefel wichsen und kräftig reintreten.'
- 'Was macht ein Judenkind auf dem Schornstein?
Es wartet auf seine Eltern.'
- 'Was ist ein Türke auf seinem Fahrrad?
Scheiße auf Rädern.'
- 'Was ist ein Türke im Müllsack?
Verschwendung, es könnten zwei hineinpassen.'
- 'Mit jedem Tritt ein Britt,
mit jedem Stoß ein Franzos,
mit jedem Schuss ein Russ.'
- 'Ich sehe Krankenschwestern mit ihren Verwundeten,
ich sehe deutsche Bauern auf ihren Äckern,
ich sehe Krankenschwestern mit ihren Verwundeten,
ich sehe junge deutsche, in ihrer Blüte stehende Soldaten an Krü- cken.
Aber was ich nicht sehe, dass sind Juden.'
- 'Heute vergleiche ich Juden mit dem Kartoffelkäfer.
So wie der Kartoffelkäfer die Kartoffel von unten untergräbt und die
Kartoffel an der Wurzel zu vernichten versucht, so versucht auch der
Jude das deutsche Volk zu untergraben und zu vernichten.'
- 'Woran erkennt man Müll
An der Hautfarbe.'
Gleichzeitig enthob die Einleitungsbehörde den Soldaten gemäß § 126 Abs. 1
WDO vorläufig des Dienstes, verbot ihm, Uniform zu tragen und ordnete nach §
126 Abs. 2 Satz 1 WDO an, dass ihm ab 1. März 2002 50 % der jeweiligen Dienst-
bezüge einbehalten werden.
- 4 -
Mit Schreiben vom 28. März 2002 beantragte der Soldat die Aufhebung dieser
Anordnung. Zur Begründung machte er im Wesentlichen geltend, die Vorwürfe
seien nicht berechtigt. Die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen beruhten of-
fenbar auf persönlichen Spannungen zu Kameraden.
Mit Bescheid vom 29. April 2002, ausgehändigt am 7. Mai 2002, wies der Kom-
mandeur der …. Panzergrenadierdivision den Antrag zurück. Zur Begründung
führte er im Wesentlichen aus, es bestehe ein hinreichender Grad von Wahr-
scheinlichkeit, dass der Soldat das ihm zur Last gelegte Dienstvergehen begangen
habe. Die Aussagen der Zeugen seien klar und eindeutig, Anhaltspunkte für eine
falsche Verdächtigung seien nicht ersichtlich.
Mit Schreiben vom 10. Mai 2002, eingegangen am 14. Mai 2002, hat der Soldat
die Entscheidung des Truppendienstgerichts beantragt. Diesen Antrag hat die ...
Kammer des Truppendienstgerichts Nord mit Beschluss vom 4. Juni 2002, ausge-
händigt am 13. Juni 2002, zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Kammer aus-
geführt, aufgrund der bisherigen Aussagen der Zeugen bestehe bei der gebote-
nen summarischen Betrachtung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der
Soldat das ihm vorgeworfene Dienstvergehen begangen habe; es sei nicht auszu-
schließen, dass er deshalb zur disziplinaren Höchstmaßnahme verurteilt werden
könne. Milderungsgründe in der Person des Soldaten allein rechtfertigten nicht
die Aufhebung der Maßnahmen.
Gegen diesen Beschluss hat der Soldat mit Schriftsatz vom 19. Juni 2002, der am
25. Juni 2002 beim Truppendienstgericht Nord eingegangen ist, Beschwerde ein-
gelegt. Zur Begründung hat er vorgetragen: Der Beschluss der Kammer zeichne
sich durch eine bemerkenswerte Kürze und durch Nichtbeachtung der von ihm
vorgetragenen Einwände aus. Die Vorwürfe seien nicht glaubhaft. Die Kammer
habe verkannt, dass niemand als schuldig zu gelten habe, solange seine Schuld
nicht bewiesen sei. Durch Beweisaufnahme werde zu klären sein, ob die erhobe-
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nen Vorwürfe berechtigt seien oder nicht. Bis dahin könnten die gegen ihn ange-
ordneten Maßnahmen nur als diskriminierend, ungerechtfertigt und als gegen die
Unschuldsvermutung verstoßend gewertet werden. Sein bisheriges Verhalten seit
seinem am 1. April 1992 erfolgten Eintritt in die Bundeswehr belege, dass er
während dieser Zeit niemals gegen, sondern stets aktiv für die freiheitliche de-
mokratische Grundordnung eingetreten sei. Ein gegenteiliges Verhalten hätte
seinen Vorgesetzten nicht zehn Jahre verborgen bleiben können. Die Zeugen R.
und P. hätten falsche Anschuldigungen gegen ihn erhoben; dies habe die Kammer
unzureichend geprüft.
Der Vorsitzende der ... Kammer des Truppendienstgerichts Nord hat der Be-
schwerde am 26. Juni 2002 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Ent-
scheidung vorgelegt.
Der Bundeswehrdisziplinaranwalt hat hierzu mit Schriftsatz vom 16. Juli 2002
Stellung genommen und im Wesentlichen ausgeführt, die gesetzlichen Vorausset-
zungen für die angeordneten Maßnahmen lägen vor. Die bisherigen guten dienst-
lichen Leistungen des Soldaten änderten hieran nichts.
II
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. dazu
Beschluss vom 22. Juli 2002 - BVerwG 2 WDB ….02 -) waren die gesetzlichen Vo-
raussetzungen für die von der Einleitungsbehörde getroffenen Anordnungen er-
füllt. Denn nach § 126 Abs. 1 WDO kann die Einleitungsbehörde einen Soldaten
vorläufig des Dienstes entheben, wenn - wie hier - das gerichtliche Disziplinar-
verfahren gegen ihn eingeleitet wird oder eingeleitet worden ist (Satz 1). Ferner
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kann sie gleichzeitig damit das Verbot verbinden, Uniform zu tragen (Satz 2) so-
wie mit der vorläufigen Dienstenthebung oder später anordnen, dass dem Solda-
ten ein Teil, höchstens die Hälfte der jeweiligen Dienstbezüge einbehalten wird,
wenn in gerichtlichen Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus
dem Dienstverhältnis erkannt werden wird (§ 126 Abs. 2 Satz 1 WDO). Für die
Prognose der Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme genügt die Feststel-
lung, dass der Soldat das ihm zur Last gelegte Dienstvergehen mit einem hinrei-
chenden Grad von Wahrscheinlichkeit begangen hat. Es ist nicht erforderlich,
dass das Dienstvergehen im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits im
vollen Umfang nachgewiesen ist (stRspr.: vgl. zuletzt Beschluss vom 22. Juli 2002
- BVerwG 2 WDB ….02 -). Die gerichtliche Prüfung des Sachverhalts beschränkt
sich auf die Klärung der Frage, ob anhand des bisherigen Ermittlungsergebnisses
unter Berücksichtigung der vorhandenen Beweismittel sowie von Rückschlüssen,
die durch die allgemeine Lebenserfahrung gerechtfertigt sind, der hinreichend
begründete Verdacht eines Dienstvergehens besteht, das mit ausreichendem
Grad von Wahrscheinlichkeit die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme
zur Folge haben wird (vgl. Beschlüsse vom 7. November 1990 - 2 WDB ….90 -
sowie vom 20. September 1993 - BVerwG 2 WDB 93,
12.93 - zu § 120 Abs. 6 Satz 3 WDO a.F. m.w.N., und vom 22. Juli 2002 - BVerwG
2 WDB ...02 -). Da sich das vorläufige Verfahren gemäß § 126 WDO nach seinem
Wesen auf summarische Bewertungen und Wahrscheinlichkeitserwägungen be-
schränken muss, ist in ihm für eingehende Beweiserhebungen kein Raum (vgl.
stRspr.: u.a. Beschlüsse vom 8. Januar 1991 - BVerwG 2 WDB ….90 - m.w.N., vom
19. Oktober 1992 - BVerwG 2 WDB ….92 -, vom 20. September 1993 - BVerwG 2
WDB ….93, ….93 - und vom 22. Juli 2002 - BVerwG 2 WDB ….02 -). Ein hinrei-
chend begründeter Verdacht kann sich bereits durch die Erhebung der öffentli-
chen Anklage in einem sachgleichen Strafverfahren (§ 170 StPO) und durch die
Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) ergeben. Fehlt es (bisher) an einer
erhobenen Anklage, ist der Senat bei seiner nach § 126 Abs. 5 Satz 3, § 114 Abs.
1 Satz 1 WDO zu treffenden Entscheidung gehalten, eigenständig zu prüfen, ob
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der hinreichende Verdacht eines Dienstvergehens besteht, das mit ausreichen-
dem Grad von Wahrscheinlichkeit zur Entfernung aus dem Dienstverhältnis füh-
ren wird. Das ist hier der Fall. Denn der Soldat erscheint bei der hier gebotenen
summarischen Betrachtung hinreichend verdächtig, in gravierender Weise insbe-
sondere seine Dienstpflichten zum treuen Dienen (§ 7 SG) sowie zum aktiven Ein-
treten für die freiheitliche demokratische Grundordnung (§ 8 SG) verletzt zu ha-
ben.
1. Tatvorwurf 1
Der Soldat bestreitet zwar den gegen ihn von der Einleitungsbehörde erhobenen
Vorwurf, sich an einem nicht mehr feststellbaren Tag im Juli 2001 gegen 22.30
Uhr im Feldlager R. in Bosnien im Unterkunftsgebäude auf der Stube … in Anwe-
senheit der ihm damals unterstellten Soldaten Hauptgefreiter (HptGefr) T. R.
und HptGefr V. G. in Grundstellung gestellt und dabei wissentlich und willentlich
den so genannten Hitlergruß ausgeführt zu haben. Dagegen sprechen jedoch -
neben der inhaltlich unmissverständlichen dienstlichen Meldung des HptGefr T.
R. vom 27. November 2001 - dessen Bekundungen in der am Tag darauf erfolgten
Vernehmung durch Major R.. Hier führte der Zeuge aus, dass der Soldat kurz vor
Verlassen der Stube … gegen 22.50 Uhr den rechten Arm zum so genannten Hit-
lergruß erhoben und auf seine, des Zeugen R., Frage, was dies solle, diesen wie-
derholt habe. Zwar konnten die an jenem Abend in der Soldatenstube ebenfalls
anwesenden Soldaten HptGefr V. G., T. P. und M. K. diese Aussage des Zeugen R.
nicht bestätigen. Sie traten ihr aber auch nicht entgegen und haben sie nicht
erschüttert. Der HptGefr P. hatte ausweislich seiner in der Niederschrift vom 28.
November 2001 festgehaltenen Angaben die Stube … ohnehin zum Zeitpunkt des
in Rede stehenden Vorfalls bereits verlassen und konnte schon deshalb dazu kei-
ne sachdienlichen Angaben machen. Der HptGefr K. war - wie er in seiner am 28.
November 2001 erfolgten Vernehmung durch Hauptmann P. ausführte - am frag-
lichen Abend in der Stube … zwar anwesend; er lag jedoch im Bett und war wäh-
rend des Fernsehens eingeschlafen, so dass er die Unterhaltung und das weitere
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Verhalten seiner Kameraden nicht mehr verfolgen konnte. Demgegenüber erklär-
te der HptGefr G. ausweislich der Niederschrift über seine Vernehmung durch
Major R. am 28. November 2001 zwar, er habe „nicht gesehen“, dass der Soldat
„den rechten Arm zum Hitlergruß erhoben hat“. Auch diese Aussage kann indes
nicht als Widerspruch zu den Bekundungen des Zeugen R. gewertet werden.
Denn der HptGefr G. führte im Übrigen aus, er könne „nicht ausschließen, dass
er es gemacht hat“, dass also der Soldat den so genannten Hitlergruß an jenem
Abend ausführte. Soweit er in seiner Vernehmung zum Ausdruck brachte, er kön-
ne sich „nicht mehr genau daran erinnern“, ob der Soldat an jenem Abend über-
haupt in der Stube gewesen sei, vermag auch dies die Bekundungen des Zeugen
R. nicht zu erschüttern. Denn der Soldat hat in seiner von Hauptmann P. durch-
geführten Vernehmung am 1. Dezember 2001 selbst bestätigt, dass er „an die-
sem Abend auf der Stube … des HptGefr K. war“. Für die inhaltliche Richtigkeit
der Bekundungen des Zeugen R. spricht letztlich entscheidend, dass der Soldat
ausweislich der Vernehmungsniederschrift vom 1. Dezember 2001 selbst einge-
räumt hat, sich „bei Verlassen der Stube“ in „aufgelockerter Form der Grund-
stellung“ von den anwesenden Soldaten verabschiedet und dabei „den rechten
Arm hoch(genommen zu haben), wobei der Unterarm 90 Grad Richtung Decke
angewinkelt war“. Soweit er mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 20. Dezem-
ber 2001 später - in sehr pauschaler Form - zum Ausdruck gebracht hat, er habe
„weder je den Hitlergruß ausgeführt noch die ihm (im Tatvorwurf 2) zur Last ge-
legten rechtsradikalen Äußerungen getan“, vermag dies seine vorherige Einlas-
sung nicht zu widerlegen. Denn es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grunde sei-
ne frühere - tatnähere - Darstellung inhaltlich unzutreffend gewesen sein sollte.
Jedenfalls hat er für seine neue Version keine plausible und nachvollziehbare
Begründung zu geben vermocht. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die den Sol-
daten belastende Meldung und die unmissverständlichen und eindeutigen Bekun-
dungen des Zeugen R. inhaltlich unrichtig wären, sind für den Senat nicht er-
sichtlich. Insbesondere fehlt es an jedem Anhaltspunkt etwa für einen aus sach-
fremden Motiven erfolgten „Revancheakt“ des Zeugen oder gar für ein „Kom-
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plott“ aus dem Kameradenkreis zu Lasten des Soldaten. Allein der Umstand, dass
die dienstliche Meldung des Zeugen R. erst am 27. November 2001, also einige
Monate nach dem in Rede stehenden Vorfall, erfolgte, gibt zu einer gegenteili-
gen Schlussfolgerung keine Veranlassung. Denn der Zeuge R. hat hierfür eine
durchaus nachvollziehbare Erklärung gegeben. Bei seiner am 28. November 2001
erfolgten Vernehmung bekundete er nämlich, dass er sich zunächst über den Vor-
fall und das Verhalten des Soldaten keine weiteren Gedanken gemacht habe,
zumal er zu diesem an sich bis heute ein gutes Verhältnis gehabt habe. Erst
durch den Hauptfeldwebel Sch., der kurz vorher von dem Vorfall durch einen
anderen Soldaten Kenntnis erhalten hatte, sei er zur Meldung ermuntert worden,
wobei ihm bewusst sei, dass „der Gruß eine Straftat“ sei.
Ob es, wie der Soldat durch seinen Verteidiger ohne nähere Konkretisierung und
ohne Beweisangebote vorgetragen hat, in der Einheit des Soldaten „Spannungen
zwischen den Aufklärern und den Grenadieren“ gegeben hat, kann hier dahinste-
hen. Denn es ist nicht erkennbar, dass und gegebenenfalls in welcher Weise sich
solche Spannungen allgemein oder aufgrund von Kritik des Soldaten „an dem sol-
datischen Verhalten von Grenadieren“ oder nach einer Beschwerde seines Fah-
rers R. „über einen Unterführer der Grenadiere“ vorliegend ausgewirkt haben.
Gleiches gilt hinsichtlich möglicher Folgen eines „Gespräch(s) über R. Freundin“
im Kameradenkreis. Nicht näher substantiierte Andeutungen des Soldaten rei-
chen insoweit nicht aus, um die Glaubhaftigkeit der eindeutigen und wider-
spruchsfreien Bekundungen des Zeugen R. zu erschüttern.
Auch aus dem Umstand, dass der zunächst gegen den Soldaten erhobene ander-
weitige Vorwurf, er habe sich während des Auslandseinsatzes auf einem Podest
fotografieren lassen, als er seinen Arm zum so genannten Hitlergruß erhoben ha-
be, bislang nicht anhand eines Fotos verifiziert werden konnte, folgt nicht, dass
die Bekundungen des Zeugen R. bezüglich des hier allein in Rede stehenden Tat-
vorwurfs 1 unglaubhaft sind. Denn dieses Foto, dessen (frühere) Existenz unter
anderem von dem Zeugen P. bestätigt wurde, ist bislang nicht auffindbar. Das
vom Soldaten herangezogene (weitere) Foto, das ihn - auf einem Podest stehend
- 10 -
- mit angelegtem Arm oder mit der Hand am Kopf zeigen soll, bezieht sich mögli-
cherweise auf einen anderen Vorgang. Jedenfalls ergibt sich aus dem vom Solda-
ten angeführten Foto nicht, dass der Zeuge R. die Unwahrheit gesagt hätte. Die
bloße Nichtauffindbarkeit des Fotos, auf dem der Soldat nach den Bekundungen
des Zeugen bei der Ausführung des so genannten Hitlergrußes abgebildet sein
soll, beweist noch nicht, dass es nicht (oder nicht mehr) existiert. Die gegenwär-
tige Nichtverfügbarkeit kann zum Beispiel darauf beruhen, dass es zwischenzeit-
lich verloren gegangen oder beiseite geschafft worden ist. Denn immerhin hat
auch der Oberfeldwebel L. bei seiner Vernehmung am 30. November 2001 be-
kundet, der Soldat habe ihm selbst davon erzählt, "dass solche Fotos am Podest
am Antreteplatz der Kaserne in K. von ihm gemacht worden sind bzw. er machen
ließ"; dies sei auch "Gesprächsgegenstand in der P. …" gewesen.
Angesichts dieser Gesamtumstände, namentlich der eindeutigen und wider-
spruchsfreien Bekundungen des Zeugen R. und des (früheren) Teil-Geständnisses
des Soldaten, besteht nach dem für den Senat bislang ersichtlichen Sach- und
Streitstand eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für das Fehlverhalten des Sol-
daten.
Ein Soldat, der im Ausland im Kameradenkreis den so genannten Hitlergruß aus-
führt und diesen trotz Vorhaltungen eines Kameraden sogar wiederholt, verstößt,
wie das Truppendienstgericht zutreffend dargelegt hat und worauf der Senat Be-
zug nimmt, gegen seine Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG) und zum aktiven Ein-
treten für die freiheitliche demokratische Grundordnung (§ 8 SG).
Das wird letztlich auch vom Soldaten nicht bestritten.
2. Tatvorwurf 2
a) Soweit dem Soldaten in der Einleitungsverfügung vorgeworfen wird, an einem
nicht mehr feststellbaren Tag im Juni/Juli 2001 auf einer dienstlichen Fahrt von
V. nach R. einen anderen Verkehrsteilnehmer laut vernehmlich mit den Worten
"ausrotten, vergasen sollte man Dich, Du Drecksau" beschimpft sowie hierzu wis-
sentlich und willentlich durch das geöffnete Beifahrerfenster den so genannten
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Hitlergruß ausgeführt zu haben, wird auch dies durch die bisherigen Ermittlungs-
ergebnisse belegt. Denn der Zeuge HptGefr St. P. hat ausweislich der Nieder-
schrift über seine am 28. November 2001 erfolgte Vernehmung durch Major R.
sowie am 25. April 2002 diesen Vorfall unter näherer Angabe der Örtlichkeiten
bestätigt. Zudem hat auch der HptGefr R. in seiner ebenfalls am 28. November
2001 erfolgten Vernehmung die Richtigkeit dieses Vorwurfs der Sache nach be-
zeugt.
Ein solches Verhalten verstößt hinsichtlich der Beleidigung und des Verächtlich-
machens eines anderen Verkehrsteilnehmers jedenfalls gegen die Pflicht zum
treuen Dienen (§ 7 SG). Denn der wesentliche Inhalt der Dienstpflicht nach § 7 SG
besteht - neben den Pflichten zu einer gewissenhaften Dienstleistung und zum
sorgsamen Umgang mit dienstlich anvertrauten Sachgütern - vor allem in der
Verpflichtung, sich an das geltende Recht zu halten sowie Loyalität gegenüber
seinem Dienstherrn zu üben (vgl. u. a. Urteil vom 31. Juli 1996 - BVerwG 2 WD
21.96 - ). Wer in der dargelegten Weise einem anderen
Menschen gegenüber unflätige Schimpfworte äußert und sinngemäß sogar zum
Ausdruck bringt, dass er ihn für lebensunwert hält ("ausrotten, vergasen sollte
man Dich, Du Drecksau"), verletzt nicht nur dessen Ehre und Persönlichkeits-
recht, sondern begeht kriminelles Unrecht (§ 185 und gegebenenfalls § 130 Abs.
1 Nr. 2 StGB). Das gilt auch dann, wenn die Tat im Ausland begangen wird und
hierbei das deutsche Strafrecht zur Anwendung gelangt (§ 5 Nr. 12 StGB i.V.m. §
1a Abs. 2 WStG, § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB und gegebenenfalls § 6 Nr. 9 StGB in Ver-
bindung mit Art. 4a des "Internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder
Form von
Rassendiskriminierung" vom 7. März 1966
Antirassismuskonvention>, dem die Bundesrepublik Deutschland mit Wirkung vom
15. Juni 1969 rechtswirksam beigetreten ist
1996, 282>). Das öffentliche Ausführen des so genannten Hitlergrußes verstößt
zudem - wie oben im anderen Zusammenhang bereits dargelegt - gegen § 8
SG. Ein solches Fehlverhalten verletzt ferner, ohne dass dies hier näherer Darle-
gung bedarf, die Pflicht, dem Ansehen der Bundeswehr sowie der Achtung und
- 12 -
dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst erfordert (§ 17 Abs. 2 Satz 1
SG).
b) Es besteht auch die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der weitere gegen
den Soldaten erhobene Vorwurf begründet ist, er habe während der Fahrt von V.
nach R. mit einem Kampfmesser den Innenbereich des Dienstfahrzeuges erheb-
lich beschädigt. Der HptGefr P. hat dieses Fehlverhalten des Soldaten bei seiner
Vernehmung im Einzelnen geschildert. Der Soldat ist diesem Vorwurf in der Sa-
che nicht entgegengetreten, sondern hat sich auf die Behauptung beschränkt, er
könne sich angesichts seines hohen Alkoholgenusses nicht mehr an die Abläufe im
Einzelnen erinnern. Damit spricht vieles dafür, dass er durch sein das Vermögen
des Dienstherrn nicht unerheblich schädigendes Verhalten seine Pflicht zum
treuen Dienen (§ 7 SG) verletzt hat, wobei zu seinen Gunsten unterstellt werden
kann, dass in Folge des Alkoholkonsums seine Fähigkeit, das Unrecht der Tat ein-
zusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, im Sinne des § 21 StGB bei Bege-
hung der Tat erheblich vermindert war. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass
die gesetzlichen Voraussetzungen des § 20 StGB vorgelegen hätten, sind bislang
nicht ersichtlich.
c) Aus den Bekundungen des Zeugen P. ergibt sich nach dem bisherigen Stand der
Ermittlungen ferner, dass sich der Soldat während der dienstlichen Fahrt von V.
nach R. den Lauf seiner entladenen Dienstpistole in den Mund hielt und sich da-
bei zur Tötung von Personen während des so genannten "Dritten Reichs" äußerte.
Ein solches Verhalten verletzt die Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG), da diese
von jedem Soldaten verlangt, im Dienst und außerhalb des Dienstes zur Erhaltung
der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr beizutragen und alles zu unterlassen, was
sie in ihrem verfassungsmäßig festgelegten Aufgabenbereich einschränken könn-
te (stRspr.: u. a. Beschluss vom 10. Oktober 1989 - BVerwG 2 WDB 4.89 -
und Urteile vom 31. Juli 1996 - BVerwG 2 WD 21.96
- sowie vom 15. Februar 2000 - BVerwG 2 WD 30.99 -
10 Nr. 42 = NZWehrr 2001, 30>). Danach ist jeder Soldat unter anderem gehal-
- 13 -
ten, sich nicht durch unsachgemäßes Hantieren mit Waffen vermeidbaren Ge-
fährdungen seiner Gesundheit und seines Lebens auszusetzen.
Dagegen lässt sich auf der Grundlage der bisherigen Ermittlungen nicht abschlie-
ßend feststellen, mit welchen Formulierungen und Worten der Soldat bei seinem
Hantieren mit der Waffe auf Tötungen im NS-Regime Bezug genommen hat. Hin-
sichtlich der erfolgten Wortwahl bestehen Abweichungen zwischen den Bekun-
dungen des Zeugen P. in der Vernehmung vom 28. November 2001 einerseits und
in der Vernehmung vom 25. April 2002 andererseits. Auf dieser Grundlage lässt
sich nicht in hinreichendem Maße klären, welche Worte der Soldat tatsächlich
gebraucht hat.
3. Tatvorwurf 3
Den gegen ihn erhobenen Vorwurf, die in seinem Notizbuch aufgeschriebenen
"Juden- und Ausländerwitze" in den Unterkunftsbereich bzw. den Bereich der
militärischen Dienststelle eingebracht zu haben, hat der Soldat zwar der Sache
nach bestätigt. Allerdings ist zumindest zweifelhaft und bedarf näherer Prüfung,
ob er mit diesen privaten Aufzeichnungen gegen die Nr. 311 ZDv 10/5 verstoßen
hat, wonach es einem Soldaten untersagt ist, auch nur vorübergehend "Schriften"
in den Unterkunfts- oder militärischen Dienststellenbereich einzubringen, die
zum Hass gegen Teile der Bevölkerung oder rassische, religiöse oder durch ihr
Volkstum bestimmte Gruppen aufstacheln, sie beschimpfen oder böswillig ver-
ächtlich machen oder verleumden. Der Begriff der "Schriften" ist weder in Nr.
311 ZDv 10/5 noch in anderen Regelungen dieser Dienstvorschrift näher erläu-
tert; er wird dort vorausgesetzt. Die Regelung knüpft ersichtlich an den allge-
meinen juristischen Sprachgebrauch an, wonach unter "Schrift" eine Zusammen-
stellung von verkörperten Zeichen zu verstehen ist, die durch Augen oder Tast-
sinn wahrnehmbar sind und unmittelbar Worte, mittelbar Gedanken darstellen.
Dabei ist es zwar bedeutungslos, ob es sich um Druckschriften, Ur- oder Abschrif-
ten oder um Einzelstücke handelt. Wer allerdings nur an und für einen einzelnen
Empfänger (oder für sich selbst) schreibt, stellt keine "Schrift" her (vgl. dazu u.
- 14 -
a. Tröndle/Fischer, StGB, 50. Aufl. 2001, § 11 RdNr. 43 m.w.N. sowie die Recht-
sprechung des BGH zu § 93 StGB a.F., Urteil vom 22. Dezember 1959 - 3 StR
52/59 -, BGHSt 13, 375 [376] m.w.N.). Der Soldat hat sich bislang dahin eingelas-
sen, er habe diese "Juden- und Ausländerwitze" vor etlichen Jahren "dem Buch
einer Person (entnommen), die sich als Türke ausgegeben hat, sich mit schwar-
zen Haarfärbemitteln und schwarzem Schnurrbart als Türke maskiert hatte, um
die Reaktion deutscher Personen zu testen". Er habe sich diese "Witze" in seinem
persönlichen Notizbuch aufgeschrieben, "um - falls dieses oder ähnliches irgend-
wo geäußert wurde - darauf hinzuweisen, dass die Verbreitung solcher Dinge
strafbar sei". Er selbst habe jedoch keinen der von ihm in seinem Notizbuch auf-
geschriebenen Witze "irgend jemandem erzählt …, auch keinem Soldaten". So-
weit die Einleitungsbehörde diese Einlassung des Soldaten als Schutzbehauptung
gewertet hat, liegt dies zwar nahe, ändert aber nichts daran, dass es sich bei
den Aufzeichnungen des Soldaten in sein privates Notizbuch nach dem bisherigen
Sach- und Streitstand nicht um eine "Schrift" im dargelegten Sinne gehandelt ha-
ben dürfte. Eine Verbreitung der im Notizbuch aufgezeichneten "Juden- und Aus-
länderwitze" ist dem Soldaten bislang nicht vorgeworfen worden.
Da der Soldat nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen jedenfalls seine
dienstlichen Pflichten zum treuen Dienen nach § 7 SG (Tatvorwürfe 1, 2a, 2b,
2c), zum aktiven Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung
nach § 8 SG (Tatvorwürfe 1 und 2a) sowie zur Ansehens-, Achtungs- und Vertrau-
enswahrung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 SG (Tatvorwurf 2a) verletzt hat, ist davon
auszugehen, dass er mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein schwerwiegendes
Dienstvergehen gemäß § 23 Abs. 1 SG begangen hat. Besonders gravierend war
dabei das wiederholte Ausführen des so genannten Hitlergrußes im Rahmen eines
Auslandseinsatzes, davon einmal sogar während einer Dienstfahrt in der Öffent-
lichkeit. Dieses Fehlverhalten ist so gravierend, dass voraussichtlich auf die dis-
ziplinare Höchstmaßnahme erkannt werden wird. Ein Soldat, der wiederholt eine
bekannte nationalsozialistische Grußformel und damit ein NS-Symbol demonstra-
- 15 -
tiv benutzt, legt die Schlussfolgerung nahe, dass er sich mit der dahinter stehen-
den Ideologie identifiziert oder diese jedenfalls verharmlost. Er erweckt zumin-
dest den Eindruck, dass er der Gewalt- und Willkürherrschaft des Nazi-Regimes,
das eine totalitäre Gewaltherrschaft errichtete und die Menschenrechte in sei-
nem Herrschaftsbereich in schlimmster Weise mit Füßen trat, seine Reverenz
erweist, statt sich von ihr zu distanzieren. Begeht ein Soldat eine derartige
Pflichtwidrigkeit, so missachtet er die fundamentalen Pflichten eines Soldaten,
weil er die Grundprinzipien des demokratischen und sozialen Rechtsstaates und
damit die Grundlagen, auf denen die Bundeswehr aufgebaut ist, in Frage stellt.
Denn das Posieren mit NS-Grußformen durch Soldaten der Bundeswehr ist jeden-
falls objektiv geeignet, wenn nicht gar darauf angelegt, die Ziele und Handlun-
gen des verbrecherischen NS-Regimes, das zur Realisierung seiner Eroberungs-,
Raub- und Ausrottungspläne mit Weltherrschaftsvisionen Angriffskriege entfes-
selte, in deren Verlauf Millionen Menschen Leben, Gesundheit sowie Hab und Gut
verloren, zu verharmlosen sowie Symbole und Bestandteile der nationalsozialisti-
schen Ideologie (wieder) gesellschaftsfähig zu machen. Statt für die freiheitliche
demokratische Grundordnung aktiv einzutreten, unterstützte er damit Bestre-
bungen, die mit dieser schlechthin unvereinbar sind. Er fügte so dem durch die
Verfassung vorgegebenen Selbstverständnis der Bundeswehr als Organ des dem
friedlichen Zusammenleben der Völker (Präambel und Art. 26 GG) sowie den
Menschenrechten verpflichteten demokratischen Rechtsstaats der Bundesrepub-
lik Deutschland schwersten Schaden zu.
Da die in § 8 SG normierte Pflicht zu den elementarsten soldatischen Pflichten
gehört, ist ihre Verletzung eine der schwersten denkbaren Pflichtwidrigkeiten
(Urteile vom 24. Januar 1984 - BVerwG 2 WD 40.83 - , vom
28. September 1990 - BVerwG 2 WD 27.89 - , vom 25.
Januar 2000 - BVerwG 2 WD 43.99 -
Buchholz 236.1 § 7 Nr. 34> und vom 7. November 2000 - BVerwG 2 WD 18.00
- ). Aus-
gangspunkt der Zumessungserwägungen ist daher nach der ständigen Recht-
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sprechung des Senats stets die Entfernung aus dem Dienstverhältnis (vgl. dazu:
Urteile vom 4. September 1980 - BVerwG 2 WD 74.79 -, vom 24. Oktober 1996 -
BVerwG 2 WD 22.96 - , vom 25. Januar
2000 - BVerwG 2 WD 43.99 - und vom 7. November 2000 -
BVerwG 2 WD 18.00 - ). Nur wenn besondere Milderungsgründe in der
Tat vorliegen, kann ausnahmsweise von der Höchstmaßnahme abgesehen wer-
den. War der Soldat - wie vorliegend - zum Tatzeitpunkt bereits in der herausge-
hobenen Funktion eines Oberfeldwebels eingesetzt, fällt dies erschwerend ins
Gewicht. Je höher ein Soldat in den Dienstgradgruppen steigt, umso mehr Ach-
tung und Vertrauen genießt er; umso größer sind auch die Anforderungen, die an
seine Zuverlässigkeit, sein Pflichtgefühl und sein Verantwortungsbewusstsein ge-
stellt werden müssen, und umso schwerer wiegt eine Pflichtverletzung, die er
sich zuschulden kommen lässt (vgl. Urteile vom 9. Juli 1991 - BVerwG 2 WD 41.90
- und vom 24. Juni 1992 -
BVerwG 2 WD 62.91 - ). Von dem Solda-
ten, der diesen Anforderungen nicht gerecht geworden ist, hätte auf Grund sei-
ner herausgehobenen Dienststellung als Vorgesetzter, der in Haltung und Pflicht-
erfüllung ein Beispiel zu geben hat (§ 10 Abs.1 SG), und des Vertrauens, das er
bei seinen Vorgesetzten genoss, erwartet werden müssen, dass er von NS-
Symbolen keinesfalls Gebrauch machte und insbesondere die Verwendung von
NS-Grußformeln - zumal im Ausland – strikt unterließ. Daran hat er sich nicht
gehalten. Dadurch gab er ein denkbar schlechtes Beispiel. Auch die (mögliche)
Ansehensschädigung der Bundeswehr wiegt sehr schwer. Denn die Bundeswehr
wurde dadurch - jedenfalls potenziell - dem Vorwurf ausgesetzt, in ihr werde
nationalsozialistisches Gedankengut gepflegt und praktiziert.
Milderungsgründe, die von der Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme
absehen ließen, sind bei der hier gebotenen summarischen Betrachtung nicht
ersichtlich. Milderungsgründe in der Tat sind nach der ständigen Rechtsprechung
des Senats nur dann gegeben, wenn die Situation, in der der Soldat versagt hat,
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von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet war, dass ein an nor-
malen Maßstäben orientiertes Verhalten von ihm nicht mehr erwartet und daher
auch nicht vorausgesetzt werden konnte (vgl. Urteile vom 27. Januar 1987 -
BVerwG 2 WD 41.86 - , vom 26. März 1996 - BVerwG 2
WD 36.95 - und vom 18. März 1999 - BVerwG 2 WD 30.98 -
Buchholz 236.1 § 7 Nr. 28 = NZWehrr 1999, 211>). Als solche Besonderheiten sind
unter anderem ein Handeln in einer ausweglos erscheinenden, unverschuldeten
wirtschaftlichen Notlage, die auf andere Weise nicht zu beheben war, sowie ein
Handeln unter schockartig ausgelöstem psychischen Zwang oder unter Umstän-
den anerkannt worden, die auf eine unbedachte persönlichkeitsfremde Augen-
blickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten hindeu-
ten (vgl. Urteile vom 27. Januar 1987 - BVerwG 2 WD 11.86 -
273 [275]> und vom 23. Oktober 1990 - BVerwG 2 WD 40.90 -
[344] = NZWehrr 1991, 79>). Hierfür fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten.
Daher ist es - auch in Ansehung der relativ guten dienstlichen Leistungen des
Soldaten während seiner mehr als zehnjährigen Dienstzeit - nicht ermessensfeh-
lerhaft, wenn die Einleitungsbehörde gemäß § 126 Abs. 2 Satz 1 WDO angeordnet
hat, dass ihm 50 % der jeweiligen Dienstbezüge ab 1. März 2002 einbehalten
werden. Die Entscheidung hält sich in den gesetzlichen Grenzen und ist erkenn-
bar am Zweck der gesetzlichen Ermächtigung ausgerichtet. Sie genügt auch dem
Verhältnismäßigkeitsgebot, da sie für den Soldaten wirtschaftlich tragbar er-
scheint und nicht außer Verhältnis zu dem ihm vorgeworfenen Fehlverhalten
steht. Konkrete Anhaltspunkte, die eine andere Schlussfolgerung nahe legen
könnten, sind von dem Soldaten weder vorgetragen noch sonst erkennbar gewor-
den.
Da das gerichtliche Antragsverfahren nach § 126 Abs. 5 WDO ein Nebenbestand-
teil des gerichtlichen Disziplinarverfahrens ist, bleibt die Kostenentscheidung der
Endentscheidung vorbehalten.
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Prof. Dr. Pietzner
Prof. Dr. Widmaier
Dr. Deiseroth