Urteil des BVerwG vom 16.03.2010

Disziplinarverfahren, Soldat, Besitz, Verfügung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 WDB 1.10
TDG S 4 VL 30/09
TDG N 2 VL 33/09
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren
g e g e n
1. Herrn Stabsunteroffizier d.R. …,
2. Frau Stabsunteroffizier …,
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller als Vorsitzenden,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 16. März 2010 beschlossen:
Als zuständiges Gericht wird das Truppendienstgericht
Süd bestimmt.
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G r ü n d e :
I
Gegen den früheren Soldaten zu 1, Zeitsoldat bis zum Ablauf des 2. September
2008, ist mit Verfügung des Befehlshabers Streitkräfteunterstützungskomman-
do vom 21. August 2008, ausgehändigt am 23. August 2008, ein gerichtliches
Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Am 8. Dezember 2009 ging beim Trup-
pendienstgericht Süd - 4. Kammer - in Koblenz die Anschuldigungsschrift der
zuständigen Wehrdisziplinaranwaltschaft vom 17. November 2009 mit vier An-
schuldigungspunkten ein.
Gegen die Soldatin zu 2, Zeitsoldatin (Dienstzeitende: 30. Juni 2010) und mit
dem früheren Soldaten zu 1 verheiratet, ist mit Verfügung des Befehlshabers
Streitkräfteunterstützungskommando vom 20. April 2009, ausgehändigt am
24. April 2009, ein gerichtliches Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Am
21. Dezember 2009 ging beim Truppendienstgericht Nord - 2. Kammer - in
Münster die Anschuldigungsschrift der zuständigen Wehrdisziplinaranwaltschaft
vom 15. Dezember 2009, bestehend aus einem Anschuldigungspunkt, ein.
Die Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Streitkräfteunterstüt-
zungskommandos hat beim Bundesverwaltungsgericht am 11. Februar 2010
beantragt, gemäß § 70 Abs. 3 WDO die 4. Kammer des Truppendienstgerichts
Süd als auch für das bei der 2. Kammer des Truppendienstgerichts Nord an-
hängige Verfahren gegen die Soldatin zu 2 für zuständig zu erklären. Zur Be-
gründung wird im Wesentlichen geltend gemacht, die angeschuldigten Dienst-
vergehen der miteinander verheirateten Soldaten hingen insoweit zusammen,
als ihnen im Kern vorgeworfen werde, gemeinsam eine Firma geführt zu haben,
ohne im Besitz einer Nebentätigkeitsgenehmigung gewesen zu sein. Die Ver-
bindung der Verfahren solle bei der 4. Kammer des Truppendienstgerichts Süd
erfolgen, da der dort angeschuldigte frühere Soldat zu 1 als Haupttäter anzuse-
hen sei.
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II
Der zulässige Antrag ist insoweit begründet, als das Truppendienstgericht Süd
als zuständiges Gericht bestimmt wird.
Nach § 70 Abs. 3 WDO bestimmt das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag
unter anderem einer am Verfahren beteiligten Behörde oder Dienststelle - hier
der Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Streitkräfteunterstützungs-
kommandos - durch Beschluss das zuständige Truppendienstgericht, wenn
unter anderem bei zusammenhängenden Dienstvergehen mehrerer Soldaten
unterschiedliche Gerichtsstände bestehen. Diese Voraussetzungen liegen hier
vor.
1. Für beide Soldaten sind an sich unterschiedliche Truppendienstgerichte zu-
ständig. Deren Zuständigkeit bestimmt sich nach § 70 Abs. 1 WDO. Nach die-
ser Vorschrift ist das Truppendienstgericht zuständig, das für den Befehlsbe-
reich errichtet ist, zu dem der Truppenteil oder die Dienststelle des Soldaten bei
Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens gehört.
Als die Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens gegen den früheren
Soldaten zu 1 am 23. August 2008 wirksam wurde (vgl. dazu § 93 Abs. 1 Satz 3
WDO), gehörte dieser als noch aktiver Soldat der .../Fernmelde-
aufklärungsabschnitt … in D. an. Da sich sein Truppenteil im maßgebenden
Zeitpunkt im Bundesland Rheinland-Pfalz (Wehrbereich II) befand, ist für den
früheren Soldaten zu 1 gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung über die Errich-
tung von Truppendienstgerichten (Errichtungsverordnung - ErrV) vom 16. Mai
2006, BGBl I S. 1262, das Truppendienstgericht Süd zuständig. Die Tatsache,
dass der Soldat nach Zustellung der Einleitungsverfügung aus dem Dienstver-
hältnis ausgeschieden ist, und zwar mit Ablauf des 2. September 2008, lässt
den zuvor gemäß § 70 Abs. 1 WDO begründeten Gerichtsstand unberührt (vgl.
Dau, WDO, 5. Aufl. 2009, § 70 Rn. 8).
Die Soldatin zu 2 gehörte zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Einleitungs-
verfügung am 24. April 2009 der .../Feldjägerbataillon … in M. an. Für den im
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Bundesland Nordrhein-Westfalen (Wehrbereich II) gelegenen Truppenteil ist
gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErrV das Truppendienstgericht Nord zuständig.
2. Es handelt sich hier auch um zusammenhängende Dienstvergehen mehrerer
Soldaten im Sinne des § 70 Abs. 3 WDO. Die Wehrdisziplinarordnung enthält
keine ausdrückliche Regelung darüber, unter welchen Voraussetzungen ein
Zusammenhang zwischen mehreren Dienstvergehen besteht. Der Wortlaut be-
sagt nur, dass persönliche oder sachliche Gründe eine Art Klammer zwischen
den mehreren Dienstpflichtverletzungen bilden müssen. Jedoch lässt sich dem
Regelungszusammenhang, der Entstehungsgeschichte und dem daraus ableit-
baren Zweck der Vorschrift entnehmen, dass ein Zusammenhang zwischen
mehreren Dienstvergehen jedenfalls nur dann anzunehmen ist, wenn über die
im Hinblick auf die beteiligten Soldaten oder aus sachlichen Gründen zusam-
menhängenden Dienstvergehen in einem einheitlichen Verfahren entschieden
werden soll und die bisher mehreren Verfahren zu diesem Zweck bei dem für
zuständig erklärten Gericht zur gemeinsamen Verhandlung verbunden werden
sollen (Beschluss vom 26. Februar 2009 - BVerwG 2 WDB 1.09 - Buchholz
450.2 § 70 WDO 2002 Nr. 2).
Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die angeschuldigten Dienstverge-
hen der miteinander verheirateten Soldaten stehen in einem engen sachlichen
und zeitlichen Zusammenhang. Den Eheleuten wird als Soldaten im Kern zur
Last gelegt, während des Zeitraums vom 27. Juli 2007 bis 31. August 2008
gemeinsam einen gewerblichen Kraftfahrzeughandel betrieben zu haben, ohne
im Besitz einer Nebentätigkeitsgenehmigung gewesen zu sein (vgl. dazu An-
schuldigungstenor und -begründung in der Anschuldigungsschrift vom
15. Dezember 2009 sowie Anschuldigungstenor und -begründung zu Anschul-
digungspunkt 1 in der Anschuldigungsschrift vom 17. November 2009). Ent-
sprechend der Antragsbegründung der Wehrdisziplinaranwaltschaft vom
11. Februar 2010 geht der Senat davon aus, dass beide gerichtlichen Diszipli-
narverfahren beim nunmehr zuständigen Truppendienstgericht zur gemeinsa-
men Verhandlung verbunden werden sollen.
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3. Als zuständiges Gericht wird das Truppendienstgericht Süd bestimmt, das
bereits für den hauptbeschuldigten früheren Soldaten zu 1 zuständig ist. Die
Bestimmung der zuständigen Kammer innerhalb des Truppendienstgerichts
Süd gehört nach dem eindeutigen Wortlaut des § 70 Abs. 3 WDO nicht zur
Aufgabe des Senats im Rahmen der Zuständigkeitsbestimmung; sie hat viel-
mehr durch das Präsidium des Truppendienstgerichts Süd zu erfolgen (vgl. Be-
schluss vom 31. August 2006 - BVerwG 2 WDB 2.06 - Buchholz 450.2 § 70
WDO 2002 Nr. 1).
Dr. Müller
Dr. Frentz
Dr. Langer
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