Urteil des BVerwG vom 16.02.2012

Soldat, Einstellung des Verfahrens, Rechtskräftiges Urteil, Kompetenz

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 WD 7.11
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren
g e g e n
Herrn Hauptbootsmann…,
…,
…,
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentli-
chen Hauptverhandlung am 16. Februar 2012, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Burmeister,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß,
ehrenamtlicher Richter Korvettenkapitän Becker und
ehrenamtlicher Richter Hauptbootsmann Rose,
Leitender Regierungsdirektor …
als Vertreter der Bundeswehrdisziplinaranwaltschaft,
Geschäftsstellenverwalterin …
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:
- 2 -
Die Berufung des Soldaten gegen das Urteil der 2. Kam-
mer des Truppendienstgerichts Nord vom 4. November
2010 wird zurückgewiesen.
Der Soldat trägt die Kosten des Berufungsverfahrens ein-
schließlich der ihm darin entstandenen notwendigen Aus-
lagen.
G r ü n d e :
I
1. Der 1978 geborene, über die allgemeine Hochschulreife verfügende Soldat
trat den Dienst in der Bundeswehr als Unteroffizieranwärter am 1. Juli 1996 an.
Er wurde am 2. Juli 1996 in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit beru-
fen und am 2. Juli 2003 zum Berufssoldaten ernannt. Seine Dienstzeit wird mit
Ablauf des 30. Januar 2033 enden.
Der Soldat wurde zuletzt zum 1. Juli 2004 zum Hauptbootsmann befördert. Sei-
ne Beförderung zum Bootsmann war im Dezember 2000 erfolgt, sodass eine
Beförderung zum Stabsbootsmann nach Nr. 128 der ZDv 20/7 frühestens zum
1. Januar 2017 möglich wäre.
Nach Abschluss seines Grundwehrdienstes wurde der Soldat auf mehreren
Fregatten eingesetzt. Er durchlief die Ausbildung zum Stabsdienstmaat, Stabs-
dienstbootsmann und Rechnungsführer und wurde entsprechend eingesetzt.
Seit dem 1. April 2008 ist er als Personalfeldwebel Angehöriger der Stamm-
dienststelle der Bundeswehr.
In der Beurteilung vom 27. Juni 2008 wurde die Aufgabenerfüllung des Sol-
daten auf dem Dienstposten bei einer Beurteilungshöchstnote von „9“ im Durch-
schnittswert mit „5,30“ bewertet. In den Einzelmerkmalen erhielt er dreimal die
Wertung „7“, einmal die Wertung „6“, zweimal die Wertung „5“ und im Übrigen
die Wertung „4“. Ergänzend führte der Beurteiler aus, der Soldat habe über lan-
ge Zeit, auch bei Auslandseinsätzen, seine Leistungsfähigkeit auf sehr hohem
Niveau unter Beweis gestellt. Er sei in Stresssituationen und unter Einsatzbe-
dingungen durch klare und sachgerechte, aber auch innovative Situationsbe-
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urteilungen aufgefallen. Der Soldat gelte in seinem Fachgebiet als „Kenner“ und
„Könner“. Bei öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen sei der Soldat ein Vor-
bild in Pflichterfüllung und Auftreten und setze mit ruhiger Hand sowie viel
Überblick die richtigen Prioritäten. Im Persönlichkeitsprofil wurde als bestim-
mendes und stärker ausgeprägtes Merkmal der Persönlichkeit die funktionale
Kompetenz bezeichnet. Zusammenfassend wurde der Soldat als pflichtbewuss-
ter und gestandener Portepeeunteroffizier beschrieben, der sich seiner beson-
deren Rolle als militärischer Führer stets bewusst sei. Seine Leistungsbereit-
schaft und seine Einstellung zum Soldatenberuf machten ihn zu einem überaus
wertvollen Mitarbeiter, dessen Leistungsgrenzen noch längst nicht ausge-
schöpft seien.
In der Hauptverhandlung vor dem Truppendienstgericht im November 2010 hat
der derzeitige nächste Disziplinarvorgesetzte des Soldaten, der Zeuge Haupt-
mann S., hierzu ergänzend bekundet, das in der Beurteilung dargestellte Leis-
tungs- und Persönlichkeitsbild entspräche auch seiner Beurteilung. Der Soldat
sei stets freundlich und korrekt. Er sei im Kameradenkreis beliebt und integriert
und mache seine Arbeit sehr gut.
In der Sonderbeurteilung vom 1. Februar 2011 erhielt der Soldat in der Rubrik
„Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten“ einmal die Wertung „8“, zweimal die
Wertung „7“, einmal die Wertung „6“, zweimal die Wertung „5“ und einmal die
Wertung „4“, woraus sich ein Durchschnittswert von „6“ ergibt. In der ergänzen-
den Beschreibung heißt es: Nach mehrjähriger Verwendung als Rechnungsfüh-
rer auf seegehenden Einheiten sei der Soldat mit Versetzung zur Stammdienst-
stelle der Bundeswehr mit den Aufgaben eines Ausbildungsplaners und Perso-
nalführers in einer zentralen personalbearbeitenden Stelle betraut worden. Er
plane und steuere die Lehrgänge sämtlicher Anwärter in den Laufbahnen des
Militärmusikdienstes. Der Soldat habe sich sehr schnell in das für ihn neue und
für Dritte zuweilen exotisch wirkende Tätigkeitsfeld eingearbeitet. Mit bemer-
kenswertem Engagement habe er sich innerhalb kürzester Zeit die einschlägi-
gen Verfahren und Arbeitsabläufe angeeignet und diese verinnerlicht. Insbe-
sondere bei den Anwendungen der PersWiSysBw und IAMS (Trainingsma-
nagement) unter SASPF habe er sich zu einem ausgewiesenen Fachmann und
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über den Dezernatsrahmen hinaus gesuchten Berater entwickelt. Zum „Persön-
lichkeitsprofil“ heißt es, seine geistige Kompetenz sei ausgeprägt, seine funk-
tionale Kompetenz stärker ausgeprägt, seine soziale Kompetenz ausgeprägt
und seine Kompetenz in Menschenführung stärker ausgeprägt; seine konzep-
tionelle Kompetenz könne nicht beurteilt werden. Er sei ein engagierter, moti-
vierter und sehr eigenständig handelnder Soldat. In kürzester Zeit habe er sich
in die vielfältigen Aufgaben eingearbeitet. Ein Schwerpunkt sei bei ihm in der
Nutzung und den Verfahren der elektronischen Hausanwendungen auszuma-
chen. Hier sei er nicht nur ein absoluter Fachmann, sondern er werde im Kame-
radenkreis als Ansprechpartner und Ratgeber gesucht und geschätzt. Der Sol-
dat identifiziere sich vorbehaltlos mit dem Soldatenberuf und sei stolz, Marine-
angehöriger zu sein. Stets richte er sein Handeln an den soldatischen Pflichten
aus und verhalte sich Vorgesetzten und Untergebenen gegenüber loyal. Sein
militärisches Auftreten sei korrekt und sicher. Er dränge sich nicht in den Vor-
dergrund, sondern verhalte sich eher zurückhaltend bis abwartend. In gleicher
Weise trete er im Kameradenkreis auf. Auch hier sei er ruhig abwartend, habe
aber seinen festen Platz in der Gemeinschaft und unterstütze aus eigenem An-
trieb. Der Soldat sei aufgrund seines höflichen Auftretens und seiner ausge-
prägten Hilfsbereitschaft ein teamfähiger Mitarbeiter. Offene Fragen oder Pro-
blemstellungen versuche er jedoch zunächst immer selbst und eigenständig zu
lösen. Hier solle er früher den Dialog mit Vorgesetzten und Kameraden suchen,
um auch deren Expertise einzubinden. Der Soldat solle sein Kommunikations-
verhalten offener gestalten. Nach einer angemessenen Stehzeit in einer zentra-
len personalbearbeitenden Stelle solle der Soldat auch für Stabsverwendungen
an Bord von seegehenden Einheiten berücksichtigt werden. Dabei könne man
sich sowohl einen Einsatz als Rechnungsführer als auch im Personalwesen
vorstellen. Grundlagen und Fähigkeiten bringe er für beide Verwendungen mit.
Auf weitere Sicht sei auch eine weitere Verwendung in der Stammdienststelle
der Bundeswehr vorstellbar. Der nächsthöhere Vorgesetzte führte aus, er
unterstütze aus eigener Beobachtung die Beurteilung vollumfänglich. Der Sol-
dat sei ein höchst zuverlässiger und eigenständig arbeitender Portepeeunterof-
fizier, auf den man sich jederzeit verlassen könne. Er beherrsche sein Aufga-
bengebiet souverän und bringe sich gewinnbringend ein. Als Teamplayer ver-
lässlich und hilfsbereit bevorzuge er es, sich schwierige und komplexe Themen-
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felder selbständig zu erschließen und zu bearbeiten. Der Soldat habe die be-
sonderen Erfordernisse des Soldatenberufs verinnerlicht und lebe diese ohne
Wenn und Aber vor. Die Verwendungsvorschläge des Erstbeurteilenden bestä-
tige er uneingeschränkt. Der Soldat verfüge noch über Potential. Bei Intensivie-
rung seiner Kommunikation könne er noch gewinnen. Gemessen an seiner
Vergleichsgruppe mit hoher Leistungsdichte sehe er die Entwicklung bis zur
allgemeinen Laufbahnperspektive.
Der Disziplinarvorgesetzte Hauptmann S. hat in einer schriftlichen Stellung-
nahme, mit deren Verlesung sich der Soldat einverstanden erklärt hat, unter
dem 19. Januar 2012 ausgeführt: Er sei in der Stammdienststelle der Bundes-
wehr etwa 800 Soldaten vorgesetzt. Der tägliche Dienstbetrieb in der Fachfunk-
tion der Dezernate werde durch den jeweiligen Dezernatsleiter bestimmt und
auch beurteilt. Persönliche Kontakte mit den Soldaten ergäben sich gelegent-
lich. Der Soldat sei ihm seit dem 3. April 2009 disziplinar unterstellt. Er sei ein
absolut korrekt auftretender, stiller und ein wenig introvertiert wirkender Porte-
peeunteroffizier, der ein vorbildliches berufliches Selbstverständnis vorlebe. Er
arbeite zuverlässig und eigenverantwortlich, zeige große Verantwortungsfreude.
Er denke logisch und gelange zu folgerichtigen Entschlüssen. Gegenüber den
ihm anvertrauten Soldaten sei er ebenso freundlich und hilfsbereit wie gegen-
über Kameraden und Vorgesetzten. Er bringe sich in sein Team ein und fülle
den Begriff der Kameradschaft mit Leben. Er sei ein leistungsfähiger und be-
lastbarer Berufssoldat. Er habe den Vorwurf des Diebstahls ihm gegenüber von
Anfang an vehement bestritten.
Der in der Berufungshauptverhandlung vernommene Fachvorgesetzte Oberst-
leutnant T. hat ausgeführt, ihm sei der Soldat seit Juni 2008 bekannt und unmit-
telbar unterstellt. Er habe täglichen Kontakt zum Soldaten, welcher ihm gegen-
über vom ersten Tag an den Diebstahl vehement bestritten habe. Zunächst ha-
be der Soldat in seiner neuen Verwendung Anlaufschwierigkeiten gehabt; sie
hätten sich zwischenzeitlich jedoch gelegt. Er sei ein guter Soldat, der Perspek-
tive bis zum Oberstabsfeldwebel habe. Von dem Vorfall hätten nur die Perso-
nen Kenntnis erlangt, die mit der Bearbeitung von Disziplinarfällen dienstlich
befasst seien. Leistungsmäßig bewege sich der Soldat im mittleren Drittel mit-
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tendrin. Es handele sich um einen korrekten Soldaten, bei dem er nicht den ge-
ringsten Zweifel daran habe, dass dieser redlich handle; wenn er etwas veraus-
lagt habe, habe der Soldat immer absolut korrekt abgerechnet. Er würde ihn
jederzeit als Rechnungsführer einsetzen.
Dem Soldaten wurden am 19. August 1998 und am 20. Mai 2008 förmliche An-
erkennungen wegen vorbildlicher Pflichterfüllung erteilt. Darüber hinaus wurden
ihm im Dezember 1999, im Mai 2003, im September 2006 und im Juli 2007 eine
Leistungsstufe bzw. Leistungsprämien wegen herausragender besonderer Leis-
tungen gewährt.
Der verheiratete Soldat erhält Dienstbezüge der Besoldungsgruppe A 8 in Höhe
von monatlich brutto 2.593,42 €. Seine Nettobezüge belaufen sich auf
2.146,37 €. Seine berufstätige Ehefrau verdient monatlich ca. 1.700 € netto. Die
finanziellen Verhältnisse des Soldaten sind geordnet.
Disziplinar- und strafrechtlich ist der Soldat - abgesehen von dem sachgleichen
Strafverfahren - nicht vorbelastet.
Aufgrund einer Strafanzeige der Firma Ka. kam es zu einem Strafverfahren ge-
gen den Soldaten, in dem er durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts K.
vom 24. März 2010 wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen
zu je 70 € verurteilt wurde.
II
1. Auf der Grundlage der Anschuldigungsschrift der Wehrdisziplinaranwaltschaft
vom 21. Juli 2010 verhängte die 2. Kammer des Truppendienstgerichts Nord
mit Urteil vom 4. November 2010 gegen den Soldaten ein Beförderungsverbot
von 18 Monaten und verband dies mit einer Kürzung der Dienstbezüge um 1/20
für die Dauer von 12 Monaten. Das Truppendienstgericht stellte die bindenden
Feststellungen des Urteils des Amtsgerichts K. vom 24. März 2010 in Verbin-
dung mit dem Strafbefehl vom 29. Januar 2010 wie folgt fest:
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Der Soldat habe den erhobenen Vorwurf zwar bestritten und sich eingelassen,
die in seinem Rucksack nach Ergreifen durch die Hausdetektive aufgefundenen
vier Paar Damenhandschuhe müsse jemand ohne sein Wissen in seinen Ruck-
sack gesteckt haben. Dieser Einlassung stünden jedoch die bindenden strafge-
richtlichen Feststellungen entgegen. Die Kammer habe keinen Anlass gesehen,
sich von diesen Feststellungen zu lösen.
Durch die Entwendung der Damenhandschuhe habe der Soldat seine Pflicht
verletzt, sich auch außer Dienst außerhalb dienstlicher Unterkünfte und Anla-
gen so zu verhalten, dass die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche
Stellung erforderten, nicht ernsthaft beeinträchtigt würden (§ 17 Abs. 2 Satz 2
Soldatengesetz [SG]). Der Soldat habe mit der Entwendung der Damenhand-
schuhe eine Straftat begangen, was stets zu einer ernsthaften Achtungs- und
Vertrauensbeeinträchtigung führe. Der Soldat habe auch vorsätzlich gehandelt
und seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt.
Hinsichtlich der Bemessung der Disziplinarmaßnahme führte das Truppen-
dienstgericht im Wesentlichen aus, ein Soldat, der als Vorgesetzter nach § 10
Abs. 1 SG in seiner Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben solle, beein-
trächtige durch widerrechtlichen Zugriff auf fremdes Vermögen und Eigentum
seine Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit erheblich. Sein Ansehen und seine
Autorität würden hierdurch gemindert, denn er begehe auch eine als kriminelles
Unrecht eingestufte Handlung. Eine Regelmaßnahme zur Ahndung von Eigen-
tums- und Vermögensdelikten habe sich in der wehrdienstgerichtlichen Recht-
sprechung allerdings nicht gebildet, weil diese Delikte nach ihrem objektiven
Gewicht und nach der Schuld des Täters sehr unterschiedlich gestaltet sein
könnten. Entscheidendes Kriterium zur Bestimmung von Eigenart und Schwere
des konkreten Dienstvergehens sei vor allem, welche Hemmschwellen bei der
Ausführung der Tat zu überwinden gewesen seien, denn dies sei das Indiz zur
Beurteilung des in der Tat zu Tage tretenden Charaktermangels. Bei außer-
dienstlichen Warenhausdiebstählen sei in diesem Zusammenhang zu berück-
sichtigen, dass durch die Fülle des Warenangebotes in Kaufhäusern der Anreiz,
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die „unbewachte“ Ware an sich zu nehmen, eine große Versuchung darstelle,
sich zu Unrecht zu bereichern, und dass die Anonymität des Eigentümers die
Hemmschwelle zu strafbarem Verhalten weiter herabsetze. Im Hinblick auf die-
se mildernden Gesichtspunkte erweise sich ein Vorgesetzter, der einen Kauf-
hausdiebstahl begehe, in der Regel für eine gewisse Zeit als beförderungsun-
würdig. Dies gelte auch im vorliegenden Fall. Gegenüber den durchschnittlichen
Fällen des Warenhausdiebstahls habe im vorliegenden Fall jedoch der er-
schwerende Umstand eines relativ hohen Schadens vorgelegen. Bei der Maß-
nahmebemessung habe auch berücksichtigt werden müssen, dass der Soldat
im herausgehobenen Dienstgrad eines Hauptbootsmanns gemäß § 10 Abs. 1
SG in besonderer Weise verpflichtet gewesen sei, sich beispielgebend zu ver-
halten. Unter Abwägung aller be- und entlastenden Gesichtspunkte habe im
vorliegenden Fall ein Beförderungsverbot zum Ausgangspunkt der Zumes-
sungserwägungen gemacht werden müssen, das wegen der dargelegten er-
schwerenden Umstände über dem Mindestmaß von 12 Monaten liegen müsse.
Unter Berücksichtigung der Person des Soldaten, seiner bisherigen untadeligen
Führung und seiner sehr guten - auch mit förmlichen Anerkennungen gewürdig-
ten - dienstlichen Leistungen sei ein Beförderungsverbot von 18 Monaten an-
gemessen und ausreichend. Da dieses Beförderungsverbot jedoch keine Wir-
kung entfalte, müsse es mit einer Kürzung der Dienstbezüge verbunden wer-
den, die in der festgesetzten Höhe als erforderlich, aber auch als ausreichend
erscheine. Nach dem Eindruck der Kammer habe sich der Soldat mit seiner Tat
noch nicht hinreichend auseinandergesetzt und sei nicht bereit, dafür die Ver-
antwortung zu übernehmen. Die Dauer der Kürzung der Dienstbezüge habe
deshalb leicht über die gesetzliche Mindestdauer hinaus erhöht werden müs-
sen.
2. a) Der erstinstanzlich anwaltlich vertretene Soldat hat gegen das ihm am
19. November 2010 zugestellte Urteil selbst am 17. Dezember 2010 mit Schrift-
satz vom 17. Dezember 2010 Berufung eingelegt und ausgeführt:
„Gem. § 84 (1) WDO ist die Einleitungsbehörde/Wehr-
disziplinaranwalt/Truppendienstgericht an die tatsächli-
chen Feststellungen des rechtskräftigen Urteils im voran-
gegangenen Strafverfahren gebunden. Aufgrund der Bin-
dungswirkung stehe ich für das Truppendienstgericht als
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Täter fest, ein Dienstvergehen ist somit festgestellt. Je-
doch wäre, meines Erachtens, eine Einstellung des Ver-
fahrens gem. § 108 WDO mit Zustimmung des Wehrdiszi-
plinaranwaltes durchaus möglich gewesen, da ein wie o.a.
Dienstvergehen zwar erwiesen ist (Bindung), aber die
Verhängung weiterer Disziplinarmaßnahmen zur weiteren
Maßregelung und zum Zwecke der Aufrechterhaltung der
militärischen Ordnung nicht notwendig sind (§ 16 (1)
WDO). Die im Maßnahmenkatalog vorgesehene gerichtli-
che Disziplinarmaßnahme „Beförderungsverbot“ in Bezug
auf das mir vorgeworfene Vergehen ist nach der Recht-
sprechung des Bundesverwaltungsgerichts unausweich-
lich, dient meines Erachtens aber nur als Anhalt.“
Im Übrigen führte er im Wesentlichen aus: Er habe in seiner langjährigen Ver-
wendung von vergleichbaren Vorgängen Kenntnis erlangt, die mit einer Abse-
hensverfügung geahndet worden seien. Dies sei auch bei ihm angezeigt, weil
bereits durch das Urteil des Amtgerichts K. eine erhebliche Ahndung erfolgt sei
und zahlreiche Auswirkungen auf seinen dienstlichen Werdegang vorlägen oder
abzusehen seien. Die Maßnahmenbegründung, dass ein Beförderungsverbot
keine Wirkung entfalten würde und deshalb auch eine Kürzung der Dienstbezü-
ge vorzunehmen sei, stimme somit nicht.
Die Eintragung des Strafbefehls in die Disziplinarkarteikarte für drei Jahre sei
hinsichtlich der pünktlichen Beförderungsreife zum Stabsbootsmann zwar nicht
direkt hinderlich, jedoch ein Förderungshemmnis für den weiteren dienstlichen
Werdegang. Als ausgebildeter Stabsdienst-/Personal-1/Rechnungsführerboots-
mann seien die für ihn vorgesehenen - wie sein gegenwärtiger - Dienstposten
zwangsläufig mit einer Sicherheitsstufe Ü2 geschlüsselt. Die Urteile würden de-
ren Verlängerung voraussichtlich entgegenstehen. Durch den unmittelbaren
beurteilenden Vorgesetzten sei ihm bereits angekündigt worden, dass das
Dienstvergehen bei der anstehenden Beurteilung Berücksichtigung finden wer-
de. Ein Beförderungsverbot über einen Zeitraum von einem bis zu vier Jahren
sei gleichzeitig ein Förderungshemmnis mit einer Dauer von sieben Jahren und
würde demnach in die zukünftigen planmäßigen Beurteilungen einfließen.
Durch die Einleitung des Disziplinarverfahrens und die Hinzuziehung eines
Fachanwaltes seien zusätzliche Kosten in Höhe von 1.601,85 € entstanden. Die
Aussage des Truppendienstgerichts, dass er sich nach dem Eindruck der
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Kammer noch nicht mit der Tat hinreichend auseinandergesetzt habe, sei in
Anbetracht dessen, dass er 4.760,88 € bezahlt habe, „einfach nicht zu begrei-
fen“.
b) Nachdem der Soldat mit gerichtlicher Verfügung auf die Rechtsprechung des
Senats zur disziplinarischen Ahndung von Warenhausdiebstählen hingewiesen
worden war, hat er mit Schriftsatz vom 28. November 2011 ergänzend im We-
sentlichen ausgeführt:
Das Strafurteil könne er nicht akzeptieren, weil er unschuldig sei. Die Geldstrafe
samt Gerichtsgebühren habe er deshalb auch nicht freiwillig bezahlt, sodass
der Betrag habe gepfändet werden müssen. Nach Rücksprache mit seinem
Anwalt sowie des Richters wäre eine Revision gegen das Strafurteil wegen der
dürftigen Beweislage sowie der Absprachen zweier Zeugen nicht aussichtsreich
gewesen. Im Urteil des Truppendienstgerichts seien durchweg unwahre, belei-
digende und spekulative Aussagen gegen ihn getroffen worden. Natürlich sehe
er ein, dass das rechtskräftige Urteil des Amtsgericht K. bindend sei und ein
Beförderungsverbot nach der Rechtsprechung des Senats als Ausgangspunkt
der Zumessungserwägungen angesehen werde; da aber der gesamte Sach-
verhalt mehr als fragwürdig sei, hätte der Fall durch das Truppendienstgericht
überprüft werden müssen. Es lägen mehrere Ansätze für eine Modifizierung
nach „unten“ vor. In den bisherigen Ermittlungen, Vernehmungen und Verhand-
lungen habe ihm nicht ein einziger Beteiligter dieses Verfahrens ein Motiv bzw.
Beweggründe für die ihm „angehängte Tat“ aufzeigen können. Dies liege daran,
dass es dafür auch gar keine gebe. Eine erneute Verurteilung würde die Til-
gungsfrist des strafgerichtlichen Urteils um weitere Jahre nach hinten schieben,
abgesehen davon, dass das Truppendienstgerichtsurteil niemals aus der Per-
sonalakte entnommen werde. Das angebliche Dienstvergehen liege bereits
2 3/4 Jahre zurück. Viele zukünftige Disziplinarvorgesetzte würden seine Per-
sonalakte noch studieren und hierdurch falsche Rückschlüsse auf seine Person
ziehen. Er sei seines Erachtens schon ausreichend bestraft worden. Die Dauer
des Verfahrens und das damit bereits bestehende faktische Beförderungsverbot
von (seinerzeit) knapp 1 3/4 Jahren solle nochmals um 1 1/2 Jahre aufgestockt
werden. Er habe keine Personalmaßnahme ausgeschlagen, sämtliche Seefahr-
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ten mitgemacht und sei für seinen Einsatz auch mehrfach ausgezeichnet wor-
den. Das angebliche Dienstvergehen habe auch nichts mit seinem Dienst zu
tun. Mit § 17 Abs. 2 Satz 2 SG könnten praktisch alle Soldaten wegen Gering-
fügigkeiten belangt werden, wenn sie denn zur Anzeige gebracht würden.
III
1. Die Abwesenheit des Soldaten in der Berufungshauptverhandlung stand de-
ren Durchführung sowie der Entscheidung des Senats über die Berufung nicht
entgegen. Gemäß § 124 WDO findet - außer in den Fällen des § 104 Abs. 1
WDO - die Berufungshauptverhandlung auch dann ohne den Soldaten statt,
wenn dieser ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen
worden ist, dass in seiner Abwesenheit verhandelt werden kann. Diese Voraus-
setzungen sind erfüllt. Der Soldat ist mit Ladungsschreiben vom 19. Dezember
2011 zum Hauptverhandlungstermin am 16. Februar 2012 gemäß § 123 Satz 3
i.V.m. § 103 WDO ordnungsgemäß geladen und im Ladungsschreiben aus-
drücklich darauf hingewiesen worden, dass auch in seiner Abwesenheit ver-
handelt werden kann. Der Senat hat zudem am Tag der Berufungshauptver-
handlung einen angemessenen Zeitraum auf das Erscheinen des Soldaten ge-
wartet und vergeblich versucht, ihn telefonisch zu erreichen.
2. Die vom Soldaten gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 und
Abs. 2 WDO form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist unbegründet.
a) Das Rechtsmittel ist auf die Anfechtung der Maßnahmebemessung be-
schränkt eingelegt worden, sodass der Senat von Rechts wegen die Tat- und
Schuldfeststellungen sowie die disziplinarrechtliche Würdigung des Truppen-
dienstgerichts seiner Entscheidung zugrunde zu legen (§ 91 Abs. 1 Satz 1
WDO i.V.m. § 327 StPO) und nur noch über die angemessene Disziplinarmaß-
nahme zu befinden hat, wobei er an das Verschlechterungsverbot (§ 91 Abs. 1
Satz 1 WDO i.V.m. § 331 Abs. 1 StPO) gebunden ist.
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Der Soldat hat in seinem Berufungsschriftsatz vom 17. Dezember 2010 aus-
drücklich ausgeführt, dass das Truppendienstgericht an die tatsächlichen Fest-
stellungen des rechtskräftigen Urteils im vorangegangenen Strafverfahren ge-
bunden sei. Aufgrund der Bindungswirkung stehe er für das Truppendienstge-
richt als Täter fest, ein Dienstvergehen sei somit festgestellt. Allerdings sei es
seines Erachtens (gleichwohl) möglich gewesen, das Verfahrens gem. § 108
WDO mit Zustimmung des Wehrdisziplinaranwaltes einzustellen, „da ein wie
o.a. Dienstvergehen zwar erwiesen (Bindung), aber die Verhängung wei-
terer Disziplinarmaßnahmen zur weiteren Maßregelung und zum Zwecke der
Aufrechterhaltung der militärischen Ordnung nicht notwendig“ sei. Damit hat der
Soldat die Schuldfeststellungen nicht in Frage gestellt, sondern sie im Gegenteil
anerkannt und die Berufung darauf beschränkt, die Bemessung der Diszipli-
narmaßnahme anzufechten. Zu einer anderen rechtlichen Bewertung führt auch
nicht der Schriftsatz des Soldaten vom 28. November 2011. In ihm stellt der
Soldat nun zwar in Abrede, dass das vom Truppendienstgericht zugrunde ge-
legte Strafurteil den dem Dienstvergehen zugrunde gelegten Sachverhalt richtig
festgestellt und das Truppendienstgericht den Pflichtenverstoß gegen § 17
Abs. 2 Satz 2 SG rechtlich zutreffend bejaht hat. Die nachträgliche Rüge zu den
erstinstanzlichen Feststellungen und zur rechtlichen Würdigung ist indes un-
erheblich, sodass die Berufung - gemäß dem Berufungsschriftsatz vom 17. De-
zember 2010 - auf die Disziplinarmaßnahme beschränkt bleibt. Dies folgt aus
dem Umstand, dass das wehrdisziplinargerichtliche Verfahren keine gesonderte
Frist für die Berufungsbegründung kennt. Das Rechtsmittel ist vielmehr inner-
halb der Einmonatsfrist zur Einlegung der Berufung zu begründen (vgl. § 115
Abs. 1, § 116 Abs. 2 WDO). Nach Ablauf der Berufungsfrist - hier am 19. De-
zember 2010 - konnte die wirksam gewordene Rechtsmittelbeschränkung als
Prozesshandlung nicht mehr widerrufen oder zurückgenommen werden (Be-
schluss vom 24. März 2010 - BVerwG 2 WD 10.09 -).
Da keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines schweren Verfahrens- oder
Aufklärungsmangels (Beschluss vom 19. August 2009 - 2 WD 31.08 - Buchholz
450.2 § 121 WDO Nr. 1) bestehen, sind alle Einwendungen des Soldaten, die
auf eine unrichtige Sachverhaltswürdigung und auf eine angeblich unzutreffen-
de Qualifizierung des festgestellten Fehlverhaltens als schuldhaft begangene
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Dienstverletzung abzielen, einer Überprüfung entzogen. Dies betrifft namentlich
den Einwand, das Truppendienstgericht sei gehalten gewesen, sich von der
Bindung des strafgerichtlichen Urteils gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 WDO zu lösen
(Urteil vom 2. April 2008 - BVerwG 2 WD 13.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO
2002 Nr. 25, Rn. 22); ein Grund für einen Lösungsbeschluss liegt nicht bereits
dann vor, wenn der Soldat die Glaubwürdigkeit von Zeugen anders würdigt als
das Strafgericht. Keiner rechtlichen Überprüfung mehr zugänglich ist ferner der
Einwand des Soldaten, anders als vom Truppendienstgericht angenommen, sei
sein außerdienstliches Verhalten nicht tatbestandsmäßig im Sinne des § 17
Abs. 2 Satz 2 SG. Entsprechendes würde - wenn man dem überhaupt rechtli-
che Bedeutung beimäße - für den Einwand des Soldaten gelten, anlässlich des
Schlussgehörs sei ihm durch den Wehrdisziplinaranwalt versichert worden, auf-
grund der verhältnismäßig hohen strafrechtlichen Ahndung würde - wenn über-
haupt - maximal ein Beförderungsverbot verhängt werden.
b) Der Senat hat daher bei der Maßnahmebemessung zugrunde zu legen, dass
der Soldat mit einem Diebstahl vorsätzlich gegen seine Pflicht zu achtungs- und
vertrauenswürdigem Verhalten außer Dienst und außerhalb der dienstlichen
Unterkünfte und Anlagen (§ 17 Abs. 2 Satz 2 SG) verstoßen und damit ein
Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG begangen hat, wobei er als Vorgesetzter
gemäß § 10 Abs. 1 SG der verschärften Haftung unterliegt.
3. Das gegen den Soldaten gem. § 58 Abs. 1 Nr. 2 WDO in Verbindung mit § 60
WDO verhängte Beförderungsverbot und die damit verbundene Kürzung der
Dienstbezüge (§ 58 Abs. 1 Nr. 1 WDO i.V.m. § 59 WDO) sind rechtlich nicht zu
beanstanden.
Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs we-
gen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen.
Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen
Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten. Bei Art und Maß
der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Ei-
genart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß
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- 14 -
der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des
Soldaten zu berücksichtigen.
a) Eigenart und Schwere eines Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Un-
rechtsgehalt der Verfehlung, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienst-
pflichten. Danach wiegt das festgestellte Dienstvergehen des Soldaten schwer.
Die festgestellte Verletzung der in § 17 Abs. 2 Satz 2 SG normierten Pflicht ei-
nes jeden Soldaten, sich außer Dienst außerhalb der dienstlichen Unterkünfte
und Anlagen so zu verhalten, dass er die Achtung und das Vertrauen, die seine
dienstliche Stellung erfordern, nicht ernsthaft beeinträchtigt, ist von erheblicher
Bedeutung. Es geht dabei nicht um eine bloße soldatische Nebenpflicht. Wegen
ihres funktionalen Bezugs zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der
Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs kommt der
Pflichtenregelung des § 17 Abs. 2 Satz 2 SG ein hoher Stellenwert zu. Ein Sol-
dat, insbesondere ein Vorgesetzter, bedarf der uneingeschränkten Achtung sei-
ner Kameraden und Untergebenen sowie des uneingeschränkten Vertrauens
seiner militärischen Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der
ordnungsgemäße Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist. Dies setzt
nicht nur innerdienstlich, sondern auch außerdienstlich ein untadeliges Verhal-
ten voraus; denn der Charakter eines Menschen und die Wertung seiner Fes-
tigkeit und Lauterkeit sind unteilbar. Der besondere Unrechtsgehalt des Dienst-
vergehens ergibt sich auch daraus, dass der Soldat kriminelles Unrecht began-
gen hat und er aufgrund seines Dienstgrades in einem Vorgesetztenverhältnis
steht. Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden weiter dadurch be-
stimmt, dass der Soldat aufgrund seines Dienstgrades in einem Vorgesetzten-
verhältnis steht und deshalb nach § 10 Abs. 1 SG für Verfehlungen verschärft
haftet.
b) Das Dienstvergehen hatte für die Personalplanung und -führung bislang kei-
ne negativen Auswirkungen, auch wenn - wie vom Soldaten selbst vorgetragen
- es sehr zweifelhaft erscheint, ob er die ihm bislang zustehende Sicherheitsstu-
fe (Ü2) weiterhin behält.
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c) Der Soldat hat eigennützig gehandelt; für ihn sprechende Beweggründe sind
nicht erkennbar.
d) Das Maß der Schuld des Soldaten wird vor allem dadurch bestimmt, dass er
vorsätzlich gehandelt hat. Anhaltspunkte dafür, dass er zur Tatzeit im Sinne des
§ 21 StGB erheblich vermindert schuldfähig gewesen sein könnte, sind weder
ersichtlich noch geltend gemacht worden. Milderungsgründe in den Umständen
der Tat, die die Schuld des Soldaten mindern könnten, liegen ebenfalls nicht
vor.
e) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien „Persönlichkeit“ und „bisherige Füh-
rung“ sprechen für den Soldaten seine Förmlichen Anerkennungen und seine
überdurchschnittlichen, allerdings auch nicht überragenden dienstlichen Leis-
tungen, was sich unter anderem daran zeigt, dass er sich mit ihnen nur gegen-
wärtig im mittleren Drittel mittendrin vergleichbarer Soldaten bewegt.
f) Bei der Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände ist insbeson-
dere im Hinblick auf Eigenart und Schwere des Dienstvergehens, das Maß der
Schuld sowie die Persönlichkeit und bisherige Führung des Soldaten der Aus-
spruch eines Beförderungsverbots für die Dauer von 18 Monaten sowie eine
Kürzung der Dienstbezüge um 1/20 für die Dauer von 12 Monaten erforderlich
und ausreichend. Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht
der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung von einem zweistufigen Prü-
fungsschema aus:
aa) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbe-
handlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtstaatlich gebotenen
Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regel-
maßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als „Ausgangspunkt der Zu-
messungserwägungen“. Bezogen auf Warenhausdiebstähle geht der Senat da-
von aus, dass sie regelmäßig mit einem Beförderungsverbot zu ahnden sind,
soweit nicht wegen erheblicher Erschwerungs- oder Milderungsgründe der Aus-
spruch einer der Art nach schwereren oder milderen Disziplinarmaßnahme ge-
boten ist (vgl. Urteil vom 10. Februar 2010 - BVerwG 2 WD 9.09 -). Nach Maß-
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gabe dessen spricht angesichts der Schadenshöhe jedenfalls nichts für die An-
nahme eines milderen Falles, der es geböte, von der Regelmaßnahme abzuse-
hen.
bb) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick
auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zweckset-
zung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer
Milderung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Maßnah-
meart und ihres Maßes eröffnen.
Bei der Maßnahmebemessung auf der zweiten Stufe ist vor allem hinsichtlich
der „Eigenart und Schwere“ sowie der „Auswirkungen“ des Dienstvergehens zu
klären, ob die zu verhängende Disziplinarmaßnahme zu modifizieren ist. Für die
„Eigenart und Schwere des Dienstvergehens“ kann z. B. von Bedeutung sein,
ob der Soldat eine herausgehobene Dienststellung hatte, einmalig oder wieder-
holt versagt hat, etwa in einem besonders wichtigen Pflichtenbereich. Bei den
„Auswirkungen“ des Fehlverhaltens sind die konkreten Folgen für den Dienstbe-
trieb (insbesondere die weitere Verwendbarkeit des Soldaten, Rückwirkungen
auf Vorgesetzte oder Untergebene, negative personalwirtschaftliche Konse-
quenzen) sowie schädliche Weiterungen für das Außenbild der Bundeswehr in
der Öffentlichkeit zu berücksichtigen. Hinsichtlich des Zumessungskriteriums
„Maß der Schuld“ hat der Senat neben der Schuldform (Vorsatz, Fahrlässigkeit)
und der Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 StGB analog) das Vorliegen von Erschwe-
rungs- und Milderungsgründen in den Tatumständen bei der endgültigen Be-
stimmung der Disziplinarmaßnahme in Betracht zu ziehen. Nach diesen Krite-
rien liegen keine Anhaltspunkte für eine Modifizierung der zu verhängenden
Disziplinarmaßnahme nach „unten“ vor, sodass es bei der Regeleinstufung „Be-
förderungsverbot“ und der zeitlichen Dauer desselben verbleiben muss.
Soweit der Soldat meint, in vergleichbaren Fallkonstellationen habe sich der
Dienstherr auf eine Absehensverfügung beschränkt, ist dieser Einwand deshalb
ohne Belang, weil zum einen nicht feststellbar ist, inwieweit tatsächlich ver-
gleichbare Fallgestaltungen vorlagen; zum anderen würde selbst eine fehlerhaf-
te disziplinarische Reaktion des Dienstherrn die gesetzlichen Maßstäbe für den
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vorliegenden Fall nicht beeinflussen (Urteil vom 16. Juni 2011 - BVerwG 2 WD
11.10 - juris Rn. 33).
Anders als vom Soldaten behauptet, ist die Verhängung einer milderen Diszi-
plinarmaßnahme auch nicht mit Rücksicht auf seine sachgleiche strafgerichtli-
che Verurteilung und die hieraus resultierenden finanziellen Belastungen gebo-
ten. Steht im Einzelfall - wie hier - § 16 WDO der Zulässigkeit des Ausspruchs
einer Disziplinarmaßnahme nicht entgegen, ist die Art oder Höhe einer Krimi-
nalstrafe oder sind sonstigen Strafsanktion für die Gewichtung der Schwere
des sachgleichen Dienstvergehens regelmäßig nicht von ausschlaggebender
Bedeutung. Strafverfahren und Disziplinarverfahren verfolgen unterschiedliche
Zwecke. Die Kriminalstrafe unterscheidet sich nach Wesen und Zweck grund-
legend von der Disziplinarmaßnahme. Während erstere neben Abschreckung
und Besserung der Vergeltung und Sühne für begangenes Unrecht gegen den
allgemeinen Rechtsfrieden dient, ist die disziplinarische Ahndung darauf ausge-
richtet, unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes einen geordneten
und integren Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen (vgl.
Urteile vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - juris, m.w.N., und vom
4. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10 - ).
Dass der Soldat als Folge des Straf- und Disziplinarverfahrens erhebliche fi-
nanzielle Belastungen zu tragen hatte, ihm wohl die Sicherheitsstufe Ü2 entzo-
gen und die disziplinarische Vorbelastung seinen beruflichen Werdegang zu-
künftig noch begleiten wird, gebietet nicht, eine Disziplinarmaßnahme milderer
Art zu verhängen. Für die disziplinarrechtlichen Folgen seines Dienstvergehens
trägt letztlich der Soldat die Verantwortung (vgl. Urteile vom 8. Juli 1998
- BVerwG 2 WD 42.97 - BVerwGE 113, 235 <240> = Buchholz 236.1 § 7 SG
Nr. 21 und vom 13. März 2008 - BVerwG 2 WD 6.07 - Buchholz 449 § 10 SG
Nr. 59 = NZWehrr 2009, 33). Bei der Bemessung von Art und Ausmaß der
erforderlichen Pflichtenmahnung können und müssen zwar im Hinblick auf die
Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts in spezialpräventiver Hinsicht sowie
im Hinblick auf das Gebot der Verhältnismäßigkeit die den Soldaten objektiv
und subjektiv belastenden bereits eingetretenen und voraussichtlichen
künftigen Auswirkungen bei der Maßnahmebemessung Berücksichtigung finden
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(Urteil vom 2. April 2008 - BVerwG 2 WD 13.07 - a.a.O. Rn. 54). Dies darf
jedoch nicht dazu führen, gesetzgeberische Wertungen zu unterlaufen. Sie
bestehen vorliegend darin, dass der Gesetzgeber in § 8 WDO nach der
jeweiligen Maßnahmeart differenzierende Tilgungsfristen vorgesehen und damit
festgelegt hat, bis zu welchem Zeitpunkt es für den Soldaten bei der
Verhängung eines Beförderungsverbotes zumutbar ist, mit den Folgen einer
disziplinarischen Vorbelastung dieser Art konfrontiert zu werden. Dazu gehört
auch, dass sie in den Personalakten ausgewiesen wird, anders als vom
Soldaten angenommen, allerdings nicht zeitlich unbegrenzt (§ 8 Abs. 7,
Halbs. 2 WDO).
Eine mildere disziplinarische Ahndung verlangt ebenso wenig der Umstand,
dass das bereits seit Mai 2010 - dem Zeitpunkt, zu dem das gerichtliche
Disziplinarverfahren eingeleitet wurde - faktisch bestehende und zum Zeitpunkt
der Berufungshauptverhandlung damit bereits gut 22 Monate andauernde
Beförderungsverbot mit einem abweisenden Berufungsurteil förmlich um
weitere 18 Monate verlängert wird. Der Soldat hat im Dezember 2010 Berufung
eingelegt und dadurch das faktische Beförderungsverbot, welches mit dem
erstinstanzlichen Urteil vom 4. November 2010 sein Ende hätte finden können,
um gut 14 Monate verlängert. Die Berufung hat sich zudem auch als
unbegründet herausgestellt, wodurch sich die Fallkonstellation von der
unterscheidet, in der die Wehrdisziplinaranwaltschaft im Rahmen eines
Berufungsverfahrens erfolglos die Verhängung bzw. Verlängerung eines
Beförderungsverbots anstrebt. Der anwaltlich nicht vertretene Soldat ist ferner
unmittelbar nach Eingang der Berufung darauf hingewiesen worden, dass das
Beförderungsverbot förmlich erst nach rechtskräftigem Abschluss des
Berufungsverfahren zu laufen beginnen würde.
4. Gem. § 58 Abs. 4 Satz 2, Halbs. 1 WDO ist es geboten, das Beförderungs-
verbot mit einer Kürzung der Dienstbezüge in dem bereits vom Truppendienst-
gericht zutreffend festgelegten Umfang (von 12 Monaten bei einer Kürzung von
1/20) zu verbinden. Denn es ist erkennbar, dass das Beförderungsverbot in den
nächsten 18 Monaten keine Auswirkungen zeitigen wird. Soweit der Soldat
- auch in diesem Zusammenhang - auf die Auswirkungen hinweist, die seine
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disziplinarische Vorbelastung auf seinen dienstlichen Werdegang hat oder ha-
ben kann, verkennt er, dass bei § 58 Abs. 4 Satz 2, Halbs. 1 WDO ausschließ-
lich die Frage im Raum steht, ob das Beförderungsverbot (als solches) mit sei-
nem speziellen Sanktionsinhalt Wirkungen zeitigen wird. Dies ist gem. § 60
Abs. 1 WDO nur dann der Fall, wenn eine Beförderung oder die Einweisung in
eine Planstelle mit höherer Besoldungsgruppe während des Zeitraums des Be-
förderungsverbots rechtlich und tatsächlich möglich erscheint. Dies ist jedoch
erkennbar nicht der Fall. Dabei braucht der Senat nicht abschließend darüber
zu befinden, ob schon allein die in Nr. 128 der ZDv 20/7 enthaltenen Vorgaben
zu Beförderungswartezeiten - von sechzehn Jahren seit der Ernennung zum
Feldwebel (Bootsmann) - die fehlende Auswirkung des Beförderungsverbots
belegen; jedenfalls lassen die Einschätzung des derzeitigen Fachvorgesetzten,
der Soldat bewege sich leistungsmäßig mitten im mittleren Drittel vergleichbarer
Soldaten, sowie die Sonderbeurteilung, in der beim Soldaten noch Potenzial
gesehen wird, hinreichend deutlich erkennen, dass der Soldat nicht während
der nächsten 18 Monate zu den Kandidaten für das Spitzenamt eines Stabs-
feldwebels gehören wird.
5. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens folgt aus § 139 Abs. 2
WDO. Gründe, die es unbillig erscheinen lassen würden, den Soldaten mit den
ihm erwachsenen notwendigen Auslagen zu belasten (§ 140 Abs. 1 Satz 1
WDO), liegen nicht vor.
Dr. Burmeister
Dr. Eppelt
Rothfuß
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