Urteil des BVerwG vom 18.06.2003

Soldat, Firma, Nebentätigkeit, Genehmigung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
Im Namen des Volkes
Urteil
BVerwG 2 WD 50.02
TDG S … VL …/01
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren
gegen
geboren am … in …,
… … … …, …,
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen
Hauptverhandlung am 18. Juni 2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Pietzner,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
sowie
Generalarzt Dr. Neuburger,
Oberstleutnant Asmus
als ehrenamtliche Richter,
Leitender Regierungsdirektor Mühlbächer
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwälte Nüsslein und Auer, Ingolstadt,
als Verteidiger,
Justizangestellte Kairies
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Die Berufung des Soldaten gegen das Urteil der …. Kammer des
Truppendienstgerichts Süd vom 9. Juli 2002 wird mit der Maßgabe
zurückgewiesen, dass die Frist zur Wiederbeförderung auf zwei
Jahre festgesetzt wird.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Soldaten aufer-
legt.
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G r ü n d e :
I
Der 54 Jahre alte Soldat besuchte von 1959 bis 1967 das Gymnasium, das er mit dem
Zeugnis der Reife vom 12. Juni 1967 verließ.
Aufgrund seiner Bewerbung und Verpflichtung für den freiwilligen Dienst in der Bundes-
wehr wurde er zum 1. Oktober 1967 zur .../Offizieranwärterbataillon der Luftwaffe in F.
einberufen und am 4. Oktober 1967 unter Ernennung zum Flieger OA in das Dienstver-
hältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Seine Dienstzeit wurde zunächst auf vier, sodann
auf fünf Jahre, und nach seiner Verpflichtung als Sanitätsoffizieranwärter bis zum Ab-
schluss dieser Ausbildung festgesetzt. Am 6. Juni 1979 wurde ihm - unter gleichzeitiger
Ernennung zum Stabsarzt - die Eigenschaft eines Berufssoldaten verliehen.
Nach regelmäßigen Zwischenbeförderungen wurde er zuletzt mit Wirkung vom 1. Oktober
1994 zum Oberstarzt befördert.
Der Soldat wurde zum 7. Oktober 1968 zur Truppendienstlichen Ausbildung zum Leichten
Kampfgeschwader … in H. und zum 31. März 1969 zur Offizierschule der Luftwaffe in N.
zur Teilnahme am Offizierlehrgang versetzt. Nach bestandenem Offizierlehrgang folgten
nachstehende Versetzungen: Zum 6. März 1970 zum Fluganwärterregiment der Luftwaffe
in U. zwecks Ausbildung zum Flugzeugführeroffizier, zum 30. September 1970 als Flug-
schüler zur .../Luftwaffenausbildungsstaffel in S./USA und zum 9. Oktober 1971 zur
.../Waffenschule der Luftwaffe ... in F. als Auszubildender zum Kampfbeobachtungsoffi-
zier. Nach Übernahme in die Laufbahn der Sanitätsoffizieranwärter zum 18. April 1972
unter gleichzeitiger Versetzung zur Sanitätsakademie der Bundeswehr in M. wurde er mit
Bescheid des Personalstammamtes der Bundeswehr vom 13. Juni 1972 zur Aufnahme
des Studiums der Humanmedizin in H. beurlaubt. Der Soldat wurde danach wie folgt ver-
setzt: Zum 6. Juni 1979 als Sanitätsoffizier Arzt zum Sanitätsstab des Jagdbomberge-
schwaders … in S., zum 1. Oktober 1983 als Sanitätsstabsoffizier (SanStOffz) Arzt und
Fliegerarzt zum Stab Lufttransportgeschwader … in P., zum 1. April 1988 als SanStOffz
Fliegerarzt und Arzt zum Generalarzt der Luftwaffe in L., zum 1. Oktober 1989 als
SanStOffz Arzt und Chef der Sanitätseinheit zum Sanitätsstab des Jagdbombergeschwa-
ders … in K., zum 1. Dezember 1991 als SanStOffz Arzt zum Stab Korps/Territorial-
kommando Ost in G., zum 1. Dezember 1993 wiederum als SanStOffz Arzt zum General-
arzt der Luftwaffe in L. und zum 1. Oktober 1994 in der Verwendung als SanStOffz Flie-
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gerarzt und Abteilungsleiter an das Flugmedizinische Institut der Luftwaffe (FlMedInstLw),
Abteilung …, in M.
In seiner dienstlichen Beurteilung vom 15. September 1997 erhielt der Soldat nach dem
damaligen Beurteilungssystem in der gebundenen Beschreibung sechsmal die Wertung
„1“ und neunmal die Wertung „2“. In der freien Beschreibung wurde ihm bei „Fähigkeit zur
Menschenführung“, „Fähigkeit zur Einsatzführung/Betriebsführung“ und „Kameradschaft“
jeweils der Ausprägungsgrad „B“ zuerkannt. In Abschnitt H wird er wie folgt beschrieben:
„Mit lebensbejahender Grundstimmung und Humor weiß er Mitarbeiter mitzu-
reißen. Er ist überzeugter Sanitätsoffizier, der sich mit seinem Beruf als Soldat
und Arzt identifiziert. Dabei zeigt er Einsatzbereitschaft und Pflichterfüllung. Er
ist psychisch und physisch voll belastbar, wobei er bei aller Kritikfreudigkeit
auch Kritik an seiner eigenen Person und Spannungen aushält.“
In seiner letzten planmäßigen Beurteilung vom 4. Oktober 1999 erhielt er nunmehr auf-
grund der neuen Beurteilungsvorschriften in den Einzelmerkmalen viermal die Stufe „6“,
achtmal die „5“ und viermal die „4“. Bei „Eignung und Befähigung“ wurden ihm dreimal die
Wertung „d“ und einmal die Wertung „c“ zuerkannt. Unter „Herausragende charakterliche
Merkmale, Kameradschaft, berufliches Selbstverständnis, Bewährung im Einsatz und
ergänzende Aussagen“ wurde über ihn ausgeführt:
„OTA … … ist ein begeisternder Flugmediziner, der es versteht, alle Kommu-
nikationsmöglichkeiten auszunutzen und so in der Lage ist, immer eine Lö-
sung zu finden. Er zeigt Einsatzbereitschaft und Pflichterfüllung und wird von
seiner lebensbejahenden Grundstimmung nachhaltig bestimmt. Bei kritikberei-
ter Einstellung scheut er keine sachlichen Auseinandersetzungen mit Unter-
gebenen und Vorgesetzten.“
In der Sonderbeurteilung vom 29. Oktober 2002 - durch Dr. K., Oberstarzt und Leiter des
FlMedInstLw - erhielt der Soldat in den Einzelmerkmalen sechsmal die Wertung „6“,
achtmal die Wertung „5“ und zweimal die Wertung „4“. Bei „Eignung und Befähigung“
wurde ihm für „Verantwortungsbewusstsein“, „Geistige Befähigung“ und „Befähigung zur
Einsatz- und Betriebsführung“ jeweils die Wertung „d“ sowie für „Eignung zur Menschen-
führung/Teambefähigung“ die Wertung „c“ zuerkannt. Bei „Verwendungshinweise“ erhielt
der Soldat für „Fachverwendungen“ und „Stabsverwendungen“ jeweils die Stufe „gut ge-
eignet“. Unter „Herausragende charakterliche Merkmale, Kameradschaft, berufliches
Selbstverständnis, Bewährung im Einsatz und ergänzende Aussagen“ wurde über ihn
ausgeführt:
„Oberstarzt …. … ist ein sehr engagierter flugmedizinisch tätiger SanStOffz
Arzt, welcher mit seiner hohen Erfahrung, seinen vielfältigen Kontakten und
seinem pragmatischen Umgang mit den dienstlichen Notwendigkeiten immer
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bemerkenswerte Arbeitsergebnisse erzielt. Er setzt sich stets und fortwährend
mit seiner ganzen Kraft, seinem vielseitigen Engagement und seinem Ideen-
reichtum auch gegen Widerstände ein, arbeitet fordernd und will überzeugt
werden. Mit Vorgesetzten und Untergebenen setzt er sich kritisch auseinan-
der, wobei er sich bemüht, immer sachlich zu bleiben. Bei der Durchsetzung
für ihn als richtig und wichtig empfundener Vorhaben beschreitet er auch un-
konventionelle Wege. Sein Auftrag geht ihm über alles, dabei nimmt er auch in
Kauf, zeitweise als anstrengend empfunden zu werden. Er kann dies meist
durch seine freundliche und zugewandte Art ausgleichen.“
Der frühere Disziplinarvorgesetzte des Soldaten und frühere Leiter des FlMedInstLw, Ge-
neralarzt Dr. R., sagte als Zeuge vor dem Truppendienstgericht aus, solche Dinge, wie sie
hier angesprochen würden, passierten dann, wenn man die Vorschriften nicht mehr
reflektiere, sich seines Tuns nicht bewusst sei sowie aus Gewohnheitsrecht und Duldung
heraus. Bezüglich der Private Pilot Licence (PPL)-Untersuchungen für Nicht-Bundeswehr-
angehörige schließe er ein eingefahrenes System der kameradschaftlichen Großzügigkei-
ten nicht aus. Der Soldat habe es billigend in Kauf genommen. Durch forcierte Dienstauf-
sicht hätte man diese Dinge sehen und unterbinden müssen, und zwar sowohl innerhalb
der Abteilung als auch im Stab des FlMedInstLw. Der Soldat habe seinen Auftrag gut ab-
gearbeitet, obwohl durchaus auch Störungen zu bemerken gewesen seien.
Generalarzt a.D. Dr. A., Disziplinarvorgesetzter des Soldaten vom 1. Oktober 1997 bis
31. März 2001, bekundete vor dem Truppendienstgericht als Zeuge, bei einem Besuch
der Abteilung … in M. am 16. November 1998 sei ihm aufgefallen, dass unter den Aufga-
ben der Abteilung der Dienst bei der Firma …/… aufgeführt gewesen sei. Er, der Zeuge,
habe nicht gedacht, dass der Soldat dies als Nebentätigkeit und dazu noch gegen Geld
mache. Er, der Zeuge, habe von der PPL-Nebentätigkeit gewusst, von mehr habe er kei-
ne Ahnung gehabt. Die Meldungen des Soldaten mit „Fehlanzeige“ hätten ihn nicht irri-
tiert, denn er habe gedacht, dass der Soldat in diesem Monat eben keine Untersuchungen
durchgeführt habe. Er, der Zeuge, hätte weder Ahnung von der Nebentätigkeit des
Soldaten bei M. noch bei der Firma …/… gehabt. Nachdem der Soldat eine Eingabe ge-
gen ihn wegen Mobbings gemacht habe, habe er nicht weiter gegen ihn ermittelt. Von
dem fachlichen Können des Soldaten sei er verblüfft gewesen, allerdings sei es immer
wieder zu Streitigkeiten zwischen dem Soldaten und anderen Kollegen gekommen. Der
Soldat sei die schwierigste Persönlichkeit gewesen, mit der er in der Bundeswehr je zu-
sammengetroffen sei.
Weder disziplinar noch strafrechtlich ist der Soldat bisher auffällig geworden. Er ist verhei-
ratet und hat zwei erwachsene Kinder, die außerhalb seines Haushaltes leben.
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Nach Auskunft der Wehrbereichsverwaltung West - Gebührniswesen - erhält der Soldat
Dienstbezüge aus der Besoldungsgruppe A 16 des Bundesbesoldungsgesetzes,
12. Dienstaltersstufe, mit Bruttobezügen in Höhe von 5.353,92 €. Die Nettobezüge erge-
ben 4.124,52 €.
Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Soldaten sind nach seinen Angaben geordnet.
II
In dem mit Verfügung des Inspekteurs der Luftwaffe vom 21. März 2000 ordnungsgemäß
eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren legte der Wehrdisziplinaranwalt dem Sol-
daten mit der Anschuldigungsschrift vom 27. April 2001 als schuldhafte Verletzung seiner
Dienstpflichten zur Last:
„1. a) Der Soldat übte in dem Zeitraum zwischen dem 21. August 1995 und
dem 15. Oktober 1999, ohne im Besitz der erforderlichen Erlaubnis nach § 20
Abs. 1 Satz 1 Soldatengesetz (SG) zu sein, eine entgeltliche Nebentätigkeit
für die Firma … … AG (Fa. …; nunmehr: … … … and … … Deutschland
GmbH, Fa. …) in deren Werk M., . … …, … M., aus, indem er an 82 Werkta-
gen für jeweils bis zu 4 Stunden in den nachfolgend aufgeführten Wochen
bzw. Zeitabschnitten den Betriebsarzt der Fa. … vertrat und dafür ein Ent-
gelt von 250,00 DM für jeden Vertretungstag, insgesamt 20.500,00 DM, er-
hielt:
1. Montag,
21.08.1995 - Freitag,
25.08.1995,
2. Mittwoch,
08.11.1995 - Freitag,
10.11.1995,
3. Dienstag,
17.09.1996 - Donnerstag,
19.09.1996,
4. Dienstag,
29.10.1996 - Donnerstag,
31.10.1996,
5. Mittwoch,
02.04.1997 - Freitag,
04.04.1997,
6. Montag,
04.08.1997 - Freitag,
08.08.1997,
7. Montag,
26.01.1998 - Freitag,
30.01.1998,
8. Donnerstag
26.03.1998 - Dienstag,
31.03.1998,
9. Freitag,
24.04.1998 - Dienstag,
28.04.1998,
10. Montag,
27.07.1998 - Freitag,
07.08.1998,
11. Dienstag,
12.01.1999 - Freitag,
15.01.1999,
12. Dienstag,
02.02.1999 - Freitag,
19.02.1999,
13. Dienstag,
06.04.1999 - Freitag,
09.04.1999,
14. Montag,
17.05.1999 - Freitag,
28.05.1999,
15. Montag,
02.08.1999 - Freitag,
06.08.1999,
16. Dienstag,
12.10.1999 - Freitag,
15.10.1999,
b) Obwohl er gemäß Dienstplan zur Dienstausübung in der Abteilung … des
Flugmedizinischen Instituts der Luftwaffe verpflichtet war, verließ der Soldat
mit Ausnahme des 15. und 16. Februar 1999 sowie in der Zeit vom 12. bis
15. Oktober 1999, für die ihm Familienheimfahrt bzw. Erholungsurlaub ge-
währt worden waren, zur Ausübung der regelmäßig in den Vormittagsstunden
wahrgenommenen Nebentätigkeit seine Dienststelle ohne Erlaubnis.
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2. Obwohl dem Soldaten die Einleitungsverfügung des Inspekteurs der Luft-
waffe vom 21. März 2000, in der ihm das unter Anschuldigungspunkt Nr. 1 a)
dargestellte Verhalten vorgeworfen wurde, am 23. März 2000 über seinen Be-
vollmächtigten zugestellt worden war, setzte er die ungenehmigt wahrge-
nommene betriebsärztliche Vertretung in der Zeit von
Dienstag, 13.06.2000, bis Freitag, 16.06.2000,
und von
Montag, 31.07.2000, bis Freitag, 04.08.2000,
fort und erhielt dafür ein Entgelt von 2.250,00 DM.
3. Im Zeitraum vom 11. September 1997 bis 9. November 1999 veranlasste er
für 11 Mitarbeiter der Fa. … die Durchführung von medizinischen Laboranaly-
sen in seiner Dienststelle, ohne im Besitz einer nach § 20 Abs. 4 Satz 1 SG
i.V.m. Ziffer 11 der Richtlinien BMVg - InSan II 3 - Az 42-01-01/01 - vom
13. März 1989 mit Änderung zum 1. März 1996 (sog. Inanspruchnahmerichtli-
nien) erforderlichen Genehmigung zur Inanspruchnahme von Einrichtungen,
Personal und Material des Dienstherrn zu sein, wodurch dem Bund durch den
nicht abgeführten Sachkostenanteil ein Schaden in Höhe von insgesamt min-
destens 58,20 DM entstanden ist.
4. Ohne im Besitz einer nach § 20 Abs. 1 Satz 1 SG erforderlichen Genehmi-
gung zur Ausübung einer Nebentätigkeit zu sein, übte der Soldat in dem Zeit-
raum zwischen dem 15. August 1996 und 14. Februar 2000 eine entgeltliche
Nebentätigkeit für die Firma M. …, … Straße …, … K., aus, indem er die
durch seinen Auftraggeber benannten Patienten in 251 Fällen zu Hause, in 86
Fällen während einer stationären Unterbringung zur Begutachtung aufsuchte
und darüber jeweils innerhalb von drei Wochen nach Auftragseingang insge-
samt 337 Gutachten zur Pflegestufenzuerkennung gegen ein Gesamtentgelt
von 53.670,00 DM erstellte.
5. a) Nach rückwirkend zum 1. Mai 1995 erteilter Nebentätigkeitsgenehmigung
vom 1. Juni 1995 und nach Erhalt der am 28. September 1995 erteilten
Genehmigung zur Inanspruchnahme von Einrichtungen, Personal und Materi-
al des Dienstherrn für Untersuchungen zur Feststellung der fliegerischen
Tauglichkeit (sog. Private Pilot Licence [PPL]-Untersuchungen) an Bundes-
wehrangehörigen veranlasste der Soldat zwischen dem 7. März 1996 und
dem 16. März 2000 im Rahmen dieser Untersuchungen 31 medizinische La-
boranalysen für Bundeswehrangehörige, wobei er es jedoch unterließ, die
gem. Nr. 18 der Inanspruchnahmerichtlinien nach jeder Behand-
lung/Untersuchung unaufgefordert zu erstellende Sachkostenanzeige an die
Truppenverwaltung zu erstatten. Für das II. Quartal 1996 meldete er stattdes-
sen in der nach Nr. 26 Abs. 1 geforderten Quartalsanzeige am 30. September
1996 Fehlanzeige.
Ebenso meldete er in der Folgezeit bis März 2000 gemäß Nr. 19 der zum
1. April 1996 neu gefassten Inanspruchnahmerichtlinien der Truppenverwal-
tung in monatlich vorzulegenden Rechnungsaufstellungen zur Berechnung
des Sachkostenanteils für die Monate, in denen die Untersuchungen stattfan-
den, wahrheitswidrig Fehlanzeige.
b) In den zur Berechnung des Vorteilsausgleichs geforderten halbjährlichen
und jährlichen Meldungen über die Einkünfte aus der Nebenbeschäftigung
(Nr. 19 [Altfassung] bzw. Nr. 20 [Neufassung] der Inanspruchnahmerichtlinien)
meldete der Soldat wahrheitswidrig für die Halbjahre und Jahre des genann-
ten Untersuchungszeitraums jeweils Fehlanzeige, obwohl er für die durchge-
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führten Untersuchungen im Regelfall Entgelt von 30,- bis 50,- DM in bar ver-
langte und erhielt.
Durch die aufgrund seiner Fehlanzeigen unterbliebene Berechnung und Erhe-
bung sowohl des Sachkostenanteils von 1.354,10 DM als auch des Vorteils-
ausgleichs von 35,18 DM ist dem Bund ein Schaden in Höhe von insgesamt
1.389,28 DM entstanden.
6. Obwohl dem Soldaten die Einleitungsverfügung des Inspekteurs der Luft-
waffe vom 21. März 2000, in der ihm das unter den Anschuldigungspunkten
Nr. 5 a) und b) dargestellte Verhalten vorgeworfen wurde, am 23. März 2000
über seinen Bevollmächtigten zugestellt worden war, meldete er für die
gleichwohl zwischen dem 14. April 2000 und 16. Oktober 2000 durchgeführten
15 Untersuchungen gegenüber der Truppenverwaltung wahrheitswidrig für die
entsprechenden Zeiträume Fehlanzeige. Durch die aufgrund seiner Fehl-
anzeigen unterbliebene Berechnung und Erhebung des Sachkostenanteils
von 541,50 DM und des Vorteilsausgleichs von 41,70 DM ist dem Bund ein
weiterer Schaden in Höhe von 583,20 DM entstanden.
7. a) Darüber hinaus führte der Soldat im Zeitraum 31. Juli 1994 bis 20. März
2000 während der Tagesdienstzeit und verteilt auf 93 Tage mindestens
114 ärztliche PPL-Untersuchungen an Personen, die nicht Angehörige der
Bundeswehr waren, in den Diensträumen durch, ohne für diesen Personen-
kreis im Besitz einer nach § 20 Abs. 1 Satz 1 SG erforderlichen Genehmigung
zur Ausübung einer Nebentätigkeit und ohne im Besitz einer nach § 24a Luft-
verkehrszulassungsordnung erforderlichen Erlaubnis des Bayerischen
Staatsministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Technologie zu sein. Auch von
diesen Personen verlangte und erhielt (er) für die Untersuchung im Regelfall
ein Entgelt von 30,00 DM bzw. 50,00 DM, so dass durch die wahrheitswidrig
gemeldeten Fehlanzeigen eine Erhebung des Vorteilsausgleichs von den tat-
sächlichen Einkünften unterblieb und dem Bund dadurch ein Schaden in Höhe
von 96,44 DM entstanden ist.
b) In mindestens 110 dieser 114 Untersuchungsfälle veranlasste er zudem ei-
ne medizinische Laboranalyse in seiner Dienststelle, ohne zur Untersuchung
dieses Personenkreises im Besitz einer nach § 20 Abs. 4 Satz 1 SG i.V.m. Zif-
fer 11 der sog. Inanspruchnahmerichtlinien erforderlichen Genehmigung zur
Inanspruchnahme von Einrichtungen, Personal und Material des Dienstherrn
zu sein. Er meldete außerdem monatlich wahrheitswidrig Fehlanzeige, was
zur Unterlassung der Erhebung des Sachkostenanteils und zu einem Schaden
des Bundes in Höhe von 4.414,00 DM führte.
8. Obwohl dem Soldaten die Einleitungsverfügung des Inspekteurs der Luft-
waffe vom 21. März 2000, in der ihm das unter den Anschuldigungspunkten
Nr. 7 a) und b) dargestellte Verhalten vorgeworfen wurde, am 23. März 2000
über seinen Bevollmächtigten zugestellt worden war, setzte er in weiteren
22 Fällen bis zum 20. Oktober 2000 die ungenehmigten Tauglichkeitsuntersu-
chungen einschließlich der Laboruntersuchungen fort, meldete jedoch für die
betreffenden Zeiträume ebenfalls Fehlanzeige, wodurch dem Bund durch die
unterbliebene Forderung auf Erstattung des Sachkostenanteils von
911,90 DM und durch den nicht verlangten Vorteilsausgleich von 9,62 DM ein
weiterer Schaden in Höhe von insgesamt 921,52 DM entstanden ist.
9. In allen, von den Tatvorwürfen 5 bis 8 umfassten Fällen liquidierte der Sol-
dat seine ärztlichen Leistungen entgegen Nr. 12 der Inanspruchnahmerichtli-
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nien nicht nach der ihm bekannten amtlichen Gebührenordnung für Ärzte
(GOÄ), sondern verlangte und erhielt von den Patienten im Regelfall 30,- bis
50,- DM in bar. Bei sach- und pflichtgerechter Abrechnung der ärztlichen Leis-
tungen hätte der Soldat dem Dienstherrn einen Vorteilsausgleich in einer Min-
desthöhe von 1.699,38 DM erstatten müssen. Abzüglich der in den Tatvorwür-
fen 5 bis 8 bereits genannten Schadensbeträge für nicht abgeführten Vor-
teilsausgleich in Höhe von insgesamt 182,94 DM und des durch den Soldaten
für 1994 und 1996 bezahlten Vorteilsausgleich von 28,76 DM ergibt sich dar-
aus ein weiterer Schadensbetrag von 1.487,68 DM."
Die ... Kammer des Truppendienstgerichts Süd setzte den Soldaten durch Urteil vom
9. Juli 2002 wegen eines Dienstvergehens in den Dienstgrad eines Oberfeldarztes herab.
Aufgrund der von ihr getroffenen tatsächlichen Feststellungen sah sie den angeschuldig-
ten Sachverhalt in den Anschuldigungspunkten 1 a) und b), 2, 3, 4, 5 a) und b), 7 a) und
b) sowie 8 als erwiesen an, während sie den Soldaten zu den Anschuldigungspunkten 6
und 9 freistellte.
Zur rechtlichen Würdigung führte die Truppendienstkammer aus, soweit der Soldat ohne
Genehmigungen bei der Firma …/… und … sowie in seiner Dienststelle ohne Wissen
seiner Vorgesetzten Nebentätigkeiten nachgegangen sei, habe er zum Teil in mehrfacher
Weise gegen seine Pflichten verstoßen, vor Übernahme derselben eine Genehmigung
einzuholen, nur außerhalb des Dienstes Nebentätigkeiten auszuüben und auch Einrich-
tungen, Personal und Material des Dienstherrn nur mit Genehmigung zu nutzen (§ 20
Abs. 1, 3 und 4 SG). Damit sei der Soldat aber auch ungehorsam im Sinne des § 11 SG
gewesen. Soweit er wahrheitswidrige Fehlanzeigen an Dienststellen seines eigenen
Dienstherrn abgegeben habe bzw. habe abgeben lassen, habe er zudem die Wahrheits-
pflicht gem. § 13 SG verletzt. Mit Ausnahme seiner Mitarbeit bei der Firma … habe er
auch die Treuepflicht gemäß § 7 SG verletzt sowie gegen die Achtungs- und Vertrauens-
wahrungspflicht im dienstlichen Bereich nach § 17 Abs. 2 Satz 1 SG verstoßen. Der Sol-
dat habe die Pflichtverletzungen bewusst begangen, indem er deren Pflichtwidrigkeit
zumindest in Kauf genommen habe; insgesamt handle es sich um ein Dienstvergehen
(§ 18 Abs. 2 WDO).
Zur Maßnahmebemessung führte die Truppendienstkammer im Wesentlichen aus, im
Ergebnis habe sich der Soldat als Inhaber des Dienstpostens eines Abteilungsleiters des
FlMedInstLw disqualifiziert und sei offensichtlich nicht geeignet, trotz großer Fachkompe-
tenzen überzeugende Führungstätigkeiten als Vorgesetzter auszuüben. Eine Dienstgrad-
herabsetzung um eine Stufe erscheine als angemessene Pflichtenmahnung unabdingbar.
Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil der Truppendienstkammer
Bezug genommen.
- 9 -
Gegen dieses dem Soldaten am 25. Juli 2002 zugestellte Urteil hat sein ursprünglich be-
vollmächtigter Verteidiger mit Schriftsatz vom 21. August 2002, der am 23. August 2002
bei der Truppendienstkammer eingegangen ist, fristgerecht Berufung in vollem Umfang
eingelegt mit dem Ziel, eine mildere Maßnahme als die einer Dienstgradherabsetzung zu
erreichen.
Zur Begründung hat der Verteidiger im Wesentlichen vorgebracht:
Zu den Tatvorwürfen 1 a) und b):
Der Soldat habe seine Nebentätigkeit bei der Firma …/… jeweils vormittags ausgeübt und
zwar in der zeitlichen Dauer zwischen einer und drei Stunden und nicht - wie im Urteil
festgestellt worden sei - für ca. vier Stunden. Wichtig sei in diesem Zusammenhang der
Befund, dass der Soldat während seiner Tätigkeit bei der Firma …/… stets zu erreichen
gewesen sei, und während dieser Tätigkeit auch dringende Arbeiten bzw. Telefonate er-
ledigt habe, was Zeugen bestätigen könnten.
Zu Tatvorwurf 3:
Damals sei der Soldat davon ausgegangen, für diese Tätigkeit keine Nebentätigkeitsge-
nehmigung zu benötigen, da es sich um eine einmalige Tätigkeit gehandelt habe. Un-
bestritten sei indessen, dass er den Sachkostenanteil in Höhe von 58,20 DM dem Dienst-
herrn hätte zuführen müssen. Hintergrund dieses Sachverhalts sei im Übrigen, dass die
Firma …/… Leiharbeiter aus England habe einstellen wollen, um die Auslieferungstermine
für die grundinstandgesetzten Bundeswehr-Kampflugzeuge durch die Firma …/… halten
zu können. Um eine schnelle Sicherstellung des Einsatzes der Flugzeuge zu gewähr-
leisten, sei auch die Untersuchung der Leiharbeiter - die von der Firma …/… zu dem da-
maligen Zeitpunkt nicht habe vorgenommen werden können - dringlich gewesen.
Zu Tatvorwurf 5:
Den zu untersuchenden Personenstamm und die Akten für die sog. PPL-Untersuchung
habe der Soldat von seinem Vorgänger im Amt, Oberstarzt Dr. P., übernommen, der da-
nach stellvertretender Leiter des FlMedInstLw geworden sei. Die Mitglieder der Sportflug-
gruppe der Bundeswehrdienststelle WTD 61 seien z.T. seit über 40 Jahren in der Abtei-
lung … des FlMedInstLw untersucht worden. Sein Vorgänger habe somit Kenntnis von
der Praxis der Abteilung … gehabt. Der Zeuge Generalarzt Dr. R. habe in der Hauptver-
handlung festgestellt, dass er nicht ausschließe, dass „ein eingefahrenes System der
kameradschaftlichen Großzügigkeiten“ bestanden habe und „die PPL-Untersuchungen für
Nicht-Bundeswehr-Angehörige aus falscher Kameradschaft heraus gegen Zahlungen an
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die Kaffeekasse gemacht“ worden seien. Der Soldat habe es billigend in Kauf genommen.
Diese „Rahmenbedingungen“ hätten zwingend auch in den Sachverhalt des Tatvorwurfs
aufgenommen werden müssen.
Zu den Tatvorwürfen 7 a), b) und 8:
Zu dem in Nr. 7 a) festgestellten und im Wesentlichen eingeräumten Tatvorwurf fehle der
wichtige Hinweis, dass mit den angesprochenen Untersuchungen eine langjährige Praxis
weitergeführt worden sei. Darüber hinaus sei dem Soldaten nicht durchgehend bekannt
gewesen, dass es sich bei den Untersuchungen um Personen gehandelt habe, die nicht
der Bundeswehr angehörten. Zu dem mehrfach erhobenen Vorwurf, der Soldat habe
„Fehlanzeige-Meldungen“ wahrheitswidrig abgegeben, sei eine Klarstellung bzw. Korrek-
tur erforderlich: Der Soldat habe mit der für die Nebentätigkeitsgenehmigung zuständigen
Stelle, damals der Generalarzt der Luftwaffe, telefoniert und gefragt, ob er Kleinsummen
zu melden habe oder so verfahren könne, wie es bei Bescheinigungen für Soldaten, z.B.
für Versicherungen, üblich sei (für die es ca. 30 DM bis 75 DM gebe), wenn er nur 35 DM
maximal für eine Untersuchung erhalte. Damals habe die zuständige Stelle die Auskunft
gegeben, dass er eine „Fehlanzeige“ melden dürfe, wenn er lediglich 35 DM für die Be-
scheinigung einnehme. Nach Einleitung des Disziplinarverfahrens habe der Soldat über-
haupt keine Honorierung für die Durchführung von Untersuchungen verlangt. Er sei der
Auffassung gewesen, dass er damit auch keiner Nebentätigkeit nachgehe.
Zur Maßnahmebemessung sei vorzutragen:
Zunächst sei einzuräumen, dass das Dienstvergehen schwer wiege. Andererseits dürfte
insbesondere in Hinblick auf die Bekundungen der Leumundszeugen und der Beurteilun-
gen des Soldaten außer Frage stehen, dass er eine Genehmigung zur Nebentätigkeit auf
Antrag erhalten hätte. Außerdem seien entgeltliche Nebentätigkeiten bei Sanitätsoffizieren
der Bundeswehr nicht verboten, sondern vielfach sogar die Regel, um den Medizinern die
notwendige Praxis ihres Berufes zu vermitteln. Soweit wahrheitswidrige Fehlanzeigen in
Rede stünden, wodurch dem Dienstherrn ein Schaden hinsichtlich der aufgewendeten
Sachkosten und des anzurechnenden Vorteilsausgleichs entstanden sei, sei nicht zu
bestreiten, dass diese Verfehlungen beachtliches disziplinares Gewicht hätten. Schwer
nachzuvollziehen sei aber die Feststellung im Urteil, dass der Dienstherr seinem verfas-
sungsmäßigen Auftrag nur gerecht zu werden vermöge, wenn jeder einzelne Soldat „pe-
nibel“ ordnungsgemäß seinen Dienst verrichte. Hier entstehe der Eindruck, dass die
Kammer im vorliegenden Fall besondere Maßstäbe anwende, die durch das Soldaten-
recht nicht gedeckt seien. Ohne die Schwere des von dem Soldaten begangenen Dienst-
vergehens nivellieren zu wollen, hätte es einer eingehenderen Begründung bedurft, wes-
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halb die Kammer letztlich zu dem Ergebnis komme, dass der Soldat „offensichtlich nicht
geeignet ist, trotz großer Fachkompetenz überzeugende Führungstätigkeiten als Vorge-
setzter auszuüben".
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Verteidigers vom 21. August
2002 Bezug genommen.
Nach Mandatsniederlegung des ursprünglich bevollmächtigten Verteidigers hat der von
dem Soldaten neu bevollmächtigte Verteidiger mit Schriftsatz vom 13. Juni 2003 bean-
tragt, den Soldaten zu einer milderen Disziplinarmaßnahme als die Herabsetzung in den
Dienstgrad eines Oberfeldarztes zu verurteilen, hilfsweise, das Urteil der Truppendienst-
kammer aufzuheben und an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Der Verteidiger hat im Wesentlichen ausgeführt:
Zu Tatvorwürfen 1 a), b) und 2:
Im Gegensatz zu den Feststellungen im Urteil der Truppendienstkammer seien die Ver-
tretungen des Betriebsarztes der Firma …/…, Dr. M.-B., in einem zeitlichen Rahmen von
in der Regel zwei bis maximal drei Stunden pro Tag ausgeübt worden. Entscheidend sei,
was das Truppendienstgericht in keiner Weise berücksichtigt habe, dass der Soldat über
den gesamten Zeitraum der Vertretung in der Praxis des Betriebsarztes der Firma …/…
über eine Nebentätigkeitsgenehmigung für Praxisvertretungen verfügt habe.
Zu Tatvorwurf 3:
Der Soldat sei der festen Überzeugung gewesen, zum Wohl seines Dienstherrn zu han-
deln.
Zu Tatvorwurf 4:
Die Gutachtertätigkeit für die Firma … habe die dienstlichen Belange des Soldaten nicht
tangiert. Zwischenzeitlich sei diese Tätigkeit dem Soldaten durch den Dienstherrn ge-
nehmigt worden.
Zu Tatvorwurf 5 a), b):
Die PPL-Untersuchungen an Bundeswehrangehörigen stellten eine genehmigte Nebentä-
tigkeit dar. Der Soldat sei von Stabsfeldwebel a.D. M., einem seiner früheren Mitarbeiter,
unter Hinweis auf VMBl 1959, S. 464, darauf aufmerksam gemacht worden, dass im Hin-
blick auf die in diesem Erlass enthaltene Regelung „Fehlanzeige“ gemeldet werden kön-
ne.
- 12 -
Zu Tatvorwurf 7 a), b) und 8:
Der Soldat habe erst dann mit der ihm vorgeworfenen Verfahrensweise begonnen, als er
von der Dienststelle „Generalarzt Luftwaffe“ telefonisch eine Bestätigung seines Verhal-
tens erhalten sowie eine entsprechende Anfrage an die Truppenverwaltung mit Telefax
vom 19. Dezember 1996 gestellt habe, die keine Beanstandung ausgelöst habe.
Der Verteidiger hat in seinem Schriftsatz vom 13. Juni 2003 weiter darauf hingewiesen,
dass nach seiner Ansicht im vorliegenden Verfahren eine Verwertung von Unterlagen
erfolgt sei, welche entgegen den insoweit einschlägigen Regelungen des § 20 WDO be-
schlagnahmt worden seien.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Verteidigers vom 13. Juni 2003
verwiesen.
III
1. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, ihre Förmlichkeiten sind gewahrt (§ 115
Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WDO).
2. Da das Rechtsmittel des Soldaten ausdrücklich und nach dem wesentlichen Inhalt sei-
ner Begründung in vollem Umfang eingelegt worden ist, hatte der Senat im Rahmen der
Anschuldigung (§ 123 Satz 3 i.V.m. § 107 Abs. 1 WDO) eigene Tat- und Schuldfeststel-
lungen zu treffen, diese rechtlich zu würdigen und die sich daraus ergebenden Folgerun-
gen zu ziehen, gegebenenfalls. unter Beachtung des Verschlechterungsverbots (§ 91
Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 331 Abs. 1 StPO) über die angemessene Disziplinarmaß-
nahme zu befinden.
3. Die Berufung hatte weder mit dem Haupt- noch mit dem Hilfsantrag Erfolg. Der Hilfsan-
trag, der auf Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und Zurückverweisung gerichtet ist,
war schon deshalb zurückzuweisen, weil der Senat weitere Aufklärungen nicht für erfor-
derlich gehalten hat (§ 120 Abs. 1 Nr. 2 WDO).
a) Aufgrund der Einlassung des Soldaten, soweit ihr gefolgt werden konnte, der Aussagen
der Zeugen Generalarzt Dr. R., Generalarzt a.D. Dr. A., Oberstarzt Dr. P., Stabsfeldwebel
a.D. M., Hauptfeldwebel R. sowie der gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 249 Abs. 1
- 13 -
Satz 1 StPO zum Gegenstand der Berufungshauptverhandlung gemachten Urkunden und
Schriftstücke hat der Senat folgenden Sachverhalt festgestellt:
Zu den Anschuldigungspunkten 1 a), b) und 2:
Der Soldat, seit dem 1. Oktober 1994 als Leiter der vom Standort F. räumlich getrennten
Abteilung … (Ergonomie) des FlMedInstLw in M. tätig – einer Abteilung, deren Personal
aus zehn Soldaten und zwanzig zivilen Mitarbeitern besteht -, übernahm im Zeitraum vom
21. August 1995 bis 15. Oktober 1999 die Vertretung des hauptamtlichen Betriebsarztes
der Firma …/…, Dr. M.-B., aufgrund persönlicher Absprache mit diesem und übte diese,
ohne hierfür eine Genehmigung gem. § 20 Abs. 1 SG zu haben, an den in der Anschuldi-
gungsschrift unter Nr. 1. a) aufgeführten 82 Werktagen aus. Abgesehen vom
15. und 16. Februar 1999 sowie der Zeit zwischen dem 12. und 15. Oktober 1999, als der
Soldat eine Familienheimfahrt durchführte bzw. Erholungsurlaub hatte, verließ er jeweils,
um diese Vertretung wahrnehmen zu können, an 76 Werktagen vormittags während sei-
ner Tagesdienstzeit die Dienststelle und begab sich für ca. drei bis vier Stunden zu der
ebenfalls auf dem Flugplatzgelände Manching liegenden Firma …/…. Als Entgelt erhielt
der Soldat für jeden Vertretungstag 250 DM, insgesamt 20.500 DM. Da diese Nebentätig-
keit seinen Vorgesetzten unbekannt war und auch bleiben sollte, wies der Soldat u.a.
seinen damaligen Abteilungsfeldwebel, den Zeugen Hauptfeldwebel R., an, bei auflau-
fenden Anrufen während seiner jeweiligen dienstlichen Abwesenheiten den Ge-
sprächsteilnehmer zu vertrösten, ohne seinen wahren Aufenthaltsort zu offenbaren. So-
weit eilige dienstliche Unterschriften u.a. durch ihn geleistet werden mussten, fuhr ein
Untergebener seiner Abteilung zu ihm in die Firma …/….
Nachdem aufgrund eines solchen Anrufs des S 1-Offziers des FlMedInstLw aus F. am
4. August 1999 den Vorgesetzten diese Nebentätigkeit bekannt geworden war und u.a.
deswegen diziplinare Vorermittlungen aufgenommen wurden, die am 21. März 2000 durch
den Inspekteur der Luftwaffe zu einer Einleitungsverfügung führten, ließ sich der Soldat
trotzdem nicht von der nach wie vor nicht genehmigten Nebentätigkeit abbringen und
vertrat den Betriebsarzt der Firma ../…, nunmehr im Urlaub, in der Zeit vom 13. Juni bis
16. Juni 2000 bzw. 31. Juli bis 4. August 2000. Als Entgelt erhielt er hierfür 2.250 DM.
Der Soldat hat sich vor dem Senat dahingehend eingelassen, er sei im Durchschnitt ledig-
lich zwei bis drei Stunden bei der Firma …/… tätig gewesen. Dagegen hat der Zeuge
Reichelt glaubhaft ausgesagt, der Soldat habe in der Regel bereits nach Beendigung der
morgendlichen Dienstbesprechung bis zur Mittagszeit, also von ca. 8.30 - 9.00 Uhr bis ca.
12.30 Uhr bei der Firma …/… gearbeitet. Die Aussage des Zeugen R. wird durch den
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Inhalt des dem Senat vorliegenden Vertretungsformulars der Firma …/… bestätigt, wo-
nach die Stundenzahl auf vier festgesetzt war und die Firma …/… für die Halbtagestätig-
keit ein Entgelt von 250 DM zahlt. Genau diesen Betrag hat aber der Soldat, wie er vor
dem Senat aussagte, pro Vertretungstag erhalten. Auch die weitere Einlassung des Sol-
daten, wegen seiner dienstlichen Belastung sehr viele Überstunden geleistet und sogar
den Jahresurlaub teilweise verfallen lassen zu haben und sich deshalb im Schnitt ca.
dreimal zwei Stunden pro Woche für die Firma …/… frei genommen zu haben, wobei er
auf dem Flugplatz immer erreichbar gewesen sei, vermag ihn ebenso wenig zu entlasten
wie seine Aussage, er habe die Vertretungen nur dann ausgeübt, wenn keine dienstlichen
Interessen entgegengestanden hätten. Der Soldat war nicht berechtigt, sich in diesem
Umfang von seinem Arbeitsplatz eigenmächtig zu entfernen und außerdienstlichen Ge-
schäften nachzugehen.
Soweit sich der Soldat erstmals in der Berufungshauptverhandlung darauf berufen hat,
der Vorwurf einer nicht genehmigten Nebentätigkeit bei der Vertretung des Betriebsarztes
der Firma …/… könne vor dem Hintergrund einer erteilten Genehmigung für Praxisvertre-
tungen nicht aufrecht erhalten werden, verkennt er, dass in seinem der „Genehmigung zur
Ausübung einer Nebentätigkeit“ vom 11. Januar 1995 zugrunde liegenden Antrag vom
3. Januar 1995, auf den die Genehmigung zur näheren Bestimmung ihres Inhalts Bezug
genommen hat, die Tätigkeit als Vertreter des Betriebsarztes der Firma …/… gerade nicht
aufgeführt ist. In diesem Antrag ist das Kästchen „Ausübung einer Nebentätigkeit“
angekreuzt, nicht jedoch das Kästchen „Ausübung einer Nebentätigkeit bei einer Firma,
die in Geschäftsverbindung zur Bundeswehr steht“. Außerdem ist in dem Antrag unter
„1.1 Art und voraussichtliche Dauer der Nebentätigkeit“ eingetragen: „Praxisvertretung,
DRK, Blutspende-Dienst ca. 3 Abende/Monat“; unter „1.2 zeitliche Inanspruchnahme…“
steht: „Praxisvertretung: gelegentlich wochenweise im Urlaub“ und unter „1.3 Be-
schäftigungsstelle…“ werden von dem Soldaten genannt: „1. Dr. Peter E., … M., 2. Dr.
Rolf S., … W.“. Unter Ziffer „1.4 steht die Beschäftigungsstelle in Geschäftsverbindung zur
Bundeswehr?“ ist „Nein“ angekreuzt. Der Antrag des Soldaten nimmt somit eindeutig
lediglich auf die Praxisvertretung der beiden niedergelassenen Ärzte Dr. E. und Dr. S.
Bezug. Im Übrigen übte der Betriebsarzt der Firma …/… keine einem niedergelassenen
Arzt vergleichbare freiberufliche Praxis aus, sondern stand arbeitsrechtlich in einem An-
gestelltenverhältnis zur Firma …/….
Insgesamt war die Einlassung des Soldaten somit nicht geeignet, den Tatvorwurf, eine
Nebentätigkeit ohne Genehmigung ausgeübt zu haben, zu erschüttern. Der Senat wertet
sie als nachgeschobene Schutzbehauptung.
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Zu Anschuldigungspunkt 3:
In der Zeit vom 11. September 1997 bis 9. November 1999 nahm der Soldat entgegen
dem diesbezüglichen Vorwurf in der Anschuldigungsschrift zwar nicht in elf, wohl aber
mindestens in acht Fällen Untersuchungen an Mitarbeitern der Firma …/… vor und veran-
lasste in seiner Dienststelle Laboranalysen, ohne eine Genehmigung zu einer Nebentä-
tigkeit im Allgemeinen (§ 20 Abs. 1 SG), insbesondere aber zur Inanspruchnahme von
Einrichtungen, Personal oder Material des Dienstherrn (§ 20 Abs. 4 SG) zu haben, die in
Nr. 11 des Erlasses BMVg - InSan II 3 - Az 42-01-01 - vom 13. März 1989 mit Neufassung
vom 1. März 1996 (sog. Inanspruchnahmerichtlinien) konkretisiert wird. Hätte der Soldat,
worauf der genannte Erlass abstellt, eine Abrechnung nach der GOÄ vorgenommen, hätte
dem Dienstherrn ein Sachkostenanteil, z.B. für den Verbrauch von dienstlichem Material
in Höhe von 58,20 DM, zugestanden, wobei sich dieser Betrag aus der Zuordnung der La-
boranalysen zu den einschlägigen GOÄ-Ziffern 3510, 3511, 3513, 3639 und 3670 ergibt.
Diese Summe von 58,20 DM wurde jedoch dem Dienstherrn durch den Soldaten
vorenthalten.
Zu Anschuldigungspunkt 4:
Nach den nicht widerlegbaren Angaben des Soldaten wurde dieser aufgrund einer Zei-
tungsannonce auf die Firma …, einer Gesellschaft für medizinische Gutachten, mit Sitz in
Köln aufmerksam. Ohne eine Genehmigung des Dienstherrn für eine solche Nebentätig-
keit zu haben, erstellte der Soldat für dieses Unternehmen in der Zeit vom 15. August
1996 bis 14. Februar 2000 insgesamt 337 Gutachten, die im Rahmen der Pflegeversiche-
rung für die Zuerkennung bestimmter Pflegestufen Verwendung fanden. Er besuchte dazu
pflegebedürftige Personen entweder in ihrer Privatwohnung oder in einer stationären
Betreuungseinrichtung und erhielt pro Gutachten überwiegend 160 DM, teilweise aber
auch 180 DM, insgesamt für seine Tätigkeit 53.670 DM.
Zu den Anschuldigungspunkten 5 a) und b):
Am 5. Januar 1995 stellte der Soldat bei seinem Disziplinarvorgesetzten einen Antrag auf
Ausübung einer Nebentätigkeit als ziviler Fliegerarzt zur Durchführung fliegerärztlicher
Tauglichkeitsuntersuchungen der Grade III und II für den zivilen Bereich. Die dafür not-
wendige Anerkennung als ziviler Fliegerarzt war ihm zuvor mit Schreiben vom 13. Oktober
1994 durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie
erteilt worden, jedoch mit der eindeutigen Beschränkung auf Angehörige der Bundeswehr.
Ebenso beantragte der Soldat beim Generalarzt der Luftwaffe die Genehmigung zur
Inanspruchnahme von Einrichtungen, Personal oder Material des Dienstherrn, wobei er
- 16 -
sich ausdrücklich verpflichtete, nach den Bestimmungen der Inanspruchnahmerichtlinien
zu verfahren.
Nach Erteilung der entsprechenden Genehmigungen führte der Soldat diese Untersu-
chungen zur Feststellung der fliegerischen Tauglichkeit (sog. Private Pilot Licence
[PPL]-Untersuchungen) an Bundeswehrangehörigen durch, die sie als zivile Luftfahrer
gem. den vom Bundesministerium für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen erlassenen
Richtlinien benötigen, um mit einem Zeugnis einer solchen fliegerärztlichen Untersu-
chungsstelle ihre körperliche Tauglichkeit nachweisen zu können. Dabei unterscheidet
sich der Untersuchungsumfang, (z.B. Blut, Augen, Belastungs-EKG) nach dem Lebensal-
ter bzw. danach, ob es sich um eine Erst- oder Wiederholungsuntersuchung handelt. Im
Rahmen solcher Untersuchungen sah sich der Soldat veranlasst, in der Zeit vom 7. März
1996 bis 16. März 2000 in 31 Fällen Laboranalysen in seiner Dienststelle durchführen zu
lassen, die auch in den entsprechenden Laborbüchern der Abteilung … dokumentiert
sind. Er unterließ es aber, die gem. Nr. 18 der Inanspruchnahmerichtlinien geforderte
Sachkostenanzeige nach jeder Behandlung/Untersuchung an die Truppenverwaltung zu
erstatten, obwohl er diesen Bestimmungen in früheren Zeiten schon nachgekommen war,
diese Vorschriften also kannte. Vielmehr meldete er für das II. Quartal 1996 entsprechend
Nr. 26 Abs. 1 am 30. September 1996 „Fehlanzeige“. Auch in der Folgezeit erstattete er
schriftlich wahrheitswidrig Fehlanzeige, obwohl er gem. Nr. 19 der zum 1. April 1996 neu
gefassten Inanspruchnahmerichtlinien monatlich der zuständigen Truppenverwaltung
Rechnung zu legen hatte. Auch die in jedem Jahr halbjährlich geforderten Meldungen
über die Einkünfte aus einer Nebentätigkeit gem. Nr. 19 (Altfassung) bzw. Nr. 20
(Neufassung) der Inanspruchnahmerichtlinien gab er nicht ab, sondern ließ auch in Bezug
auf die erforderliche Berechnung des Vorteilsausgleichs wahrheitswidrig schriftlich
„Fehlanzeige“ melden. Durch die Unterlassungen entstand dem Dienstherrn unter
Zugrundelegung der hierfür einschlägigen GOÄ-Ziffern ein Gesamtschaden von
1.389,28 DM, der sich auch aus 1.354,10 DM (Sachkostenanteil) und 35,18 DM (Vor-
teilsausgleich) zusammensetzt. Stattdessen wurden für jede durch den Soldaten vorge-
nommene PPL-Untersuchung entweder 30 DM (Jugendliche) oder 50 DM (Erwachsene)
bar als Entgelt verlangt und entsprechend nach jeder Untersuchung bei Aushändigung
des Tauglichkeitszeugnisses durch den Abteilungsfeldwebel für den Soldaten entgegen-
genommen, dem es auch entsprechend einer Weisung des Soldaten vorbehalten blieb,
jeweils von den 30 DM 10 DM bzw. von den 50 DM 15 DM abzuziehen und diese Summe
in eine sog. „PPL-Kasse“ (= „Freud- und Leidkasse“) abzuführen, aus der z.B. für die Ab-
teilung Bierbestuhlungen, Kosten für Getränke und Speisen bei Betriebsausflügen, Ge-
burtstagsgeschenke u.a. mit Zustimmung des Soldaten bezahlt wurden.
- 17 -
Der Einwand des Soldaten, dass er nach VMBl 1959 S. 464 berechtigt gewesen sei, we-
gen der Geringfügigkeit der erzielten Einkünfte „Fehlanzeige“ zu melden, vermag ihn nicht
zu entlasten. Der Erlass, der zum Zeitpunkt der Anfrage des Soldaten an die Trup-
penverwaltung der Offizierschule der Luftwaffe - Telefax vom 19. Dezember 1996 - schon
keine Gültigkeit mehr hatte - er wurde bei Erlass der neu gefassten Inanspruchnahme-
richtlinien (InSan II 3 - Az 42-01-01/01 - ) mit Wirkung zum 1. April
1996 aufgehoben - kann den Soldaten schon deshalb nicht entlasten, weil er schon sei-
nem Wortlaut nach nur von der grundsätzlich erforderlichen Nebentätigkeitsgenehmigung
befreite, sofern die daraus erzielten Einkünfte eine bestimmte Wertgrenze (50 DM monat-
lich) nicht überschritten. Eine Befreiung von der Erstattungsverpflichtung für die Inan-
spruchnahme dienstlichen Materials und Personals war mit dieser Regelung nach dem
eindeutigen Wortlaut nicht verbunden. Im Übrigen hat die Truppenverwaltung der Offi-
zierschule der Luftwaffe nicht bestätigt, dass der Soldat „Fehlanzeige“ melden dürfe. Eine
entsprechende Antwort ist dem Soldaten, wie er selbst einräumt, nicht zugegangen. Auch
hat der Soldat nicht schlüssig dargetan, von dem Generalarzt der Luftwaffe die Auskunft
erhalten zu haben, man dürfe „Fehlanzeige“ melden. Er hat nicht einmal anzugeben ver-
mocht, mit wem er dort gesprochen haben will. Der Senat wertet seine Behauptung daher
als Schutzbehauptung, zumal sich der Soldat in seinem formlos gestellten Antrag auf
Genehmigung dieser Nebentätigkeit vom 5. Januar 1995 unter ausdrücklicher Bezug-
nahme auf die Inanspruchnahmerichtlinien verpflichtet hatte, hiernach zu verfahren. Einen
weiteren Hinweis hatte der Soldat durch das Schreiben des Generalarztes der Luftwaffe
vom 28. September 1995 erhalten, in dem dieser die Inanspruchnahme von Einrichtun-
gen, Personal oder Material des Dienstherrn genehmigte und dabei ausdrücklich auf die
Inanspruchnahmerichtlinien Bezug nahm. Soweit der Soldat schließlich geltend macht,
der Zeuge M. habe seinerzeit das „PPL-Geschäft“ geleitet und die zu Untersuchenden
eigenverantwortlich einbestellt, ist dies nach den Feststellungen des Senats unzutreffend.
Sowohl der Zeuge M. als auch der Zeuge R. haben glaubhaft ausgesagt, der Soldat habe
die Einbestellungen eigenständig vorgenommen und die Termine jeweils gebilligt. Da der
Soldat jeweils auch in eigener Verantwortung die „Fehlanzeigen“ unterschrieb, ist sein
Vorbringen insgesamt nicht geeignet, seine Alleinverantwortung in Frage zu stellen.
Zu Anschuldigungspunkt 6:
Das ihm als Fehlverhalten vorgeworfene Unterlassen wahrheitsgemäßer Meldungen/An-
zeigen in der Zeit zwischen 14. April und 16. Oktober 2000, also nach Bekanntgabe der
- 18 -
Einleitungsverfügung zu diesem gerichtlichen Disziplinarverfahren am 23. März 2000, in
15 Fällen konnte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht nachgewiesen werden.
Denn es hat sich herausgestellt, dass sich unter den namentlichen in der Anschuldi-
gungsschrift auf Seite 21 und 22 genannten 15 Untersuchungsfällen (lfd. Nr. 32 - 46) auch
solche Personen (z.B. F., K., H. und E.) befanden, die als Angehörige der Firma …/…
aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit als Testpiloten auf Flugzeugmustern der Bundeswehr
o.ä. Wehrfliegerverwendungsfähigkeitsuntersuchungen unterworfen waren und
berechtigterweise und unentgeltlich, da dienstlich, durch den Soldaten fliegerärztlich be-
treut wurden. Insgesamt konnte deshalb der diesem Vorwurf zugrunde liegende Sachver-
halt nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit in Bezug auf eine bewuss-
te finanzielle Schädigung des Dienstherrn festgestellt werden. Der Soldat war deshalb
insoweit freizustellen.
Zu den Anschuldigungspunkten 7 a), b) und 8:
Obwohl dienstliche Genehmigungen zur Ausübung einer Nebentätigkeit gem. § 20 Abs. 1
SG sowie zur Inanspruchnahme von Einrichtungen, Personal oder Material des Dienst-
herrn nicht vorlagen und auch die Anerkennung als Fliegerarzt der Bundeswehr für den
zivilen Bereich in Bezug auf Erlaubnisse der Tauglichkeitsgrade III und II durch das Baye-
rische Staatsministerium für Verkehr, Wirtschaft und Technologie ausdrücklich nur auf
Angehörige der Bundeswehr beschränkt war, führte der Soldat in der Zeit zwischen
31. Juli 1994 und 20. März 2000 an 93 Tagen 114 Untersuchungen in seiner Dienststelle
an Personen durch, die nicht der Bundeswehr angehörten. Trotz des Umstandes, dass er
pro Untersuchung 30 DM bzw. 50 DM in bar als Entgelt entrichten ließ, meldete er wie-
derum „Fehlanzeige“, sodass dem Dienstherrn durch den entgangenen Vorteilsausgleich
ein Schaden von 96,44 DM entstand. In diesem Zusammenhang veranlasste er ferner in
110 Fällen medizinische Laboranalysen, die der Truppenverwaltung nicht angezeigt wur-
den, sodass aufgrund dieser „Fehlanzeigen“ dem Dienstherrn ein Sachkostenanteil von
4.414 DM entging.
Soweit sich der Soldat auf seine Anfrage an die Truppenverwaltung der Offizierschule der
Luftwaffe (Telefax vom 19. Dezember 1996) beruft, wird auf die Ausführungen des Senats
zu den Anschuldigungspunkten 5 a) und b) Bezug genommen. Da die Truppenverwaltung
die Anfrage nicht bestätigt hatte, konnte der Soldat ohnehin nicht davon ausgehen, dass
seine Vorgehensweise dort gebilligt wurde.
Auch seine Einlassung, er sei sich darüber im Unklaren gewesen, wie die Beschränkung
seiner Genehmigungen auf PPL-Untersuchungen an Angehörigen der Bundeswehr zu
- 19 -
verstehen gewesen sei, ob darunter z.B. auch Ehemalige oder Söhne von Piloten fielen,
vermag den Soldaten nicht zu entlasten. Auch hierin sieht der Senat eine Schutzbehaup-
tung. Auf jeden Fall hätte der Soldat Zweifel über den Umfang schriftlicher Genehmigun-
gen im Schriftwege klären müssen. Wenn er gleichwohl ohne Vorliegen schriftlicher Er-
klärungen der Genehmigungsbehörden den Umfang seiner PPL-Untersuchungen über
den Personenkreis aktiver Soldaten hinaus ausdehnte, muss ihm dies jedenfalls als be-
dingt vorsätzliches Vorgehen angelastet werden.
Auch nach Zustellung der Einleitungsverfügung des Inspekteurs der Luftwaffe am
23. März 2000 setzte der Soldat diese Praxis der ungenehmigten Tauglichkeitsuntersu-
chungen einschließlich medizinischer Laboranalysen fort, erstattete aber gleichwohl wei-
ter „Fehlanzeigen“.
Der Hinweis des Soldaten, die zweite Durchsuchung und Beschlagnahme von Unterlagen
über PPL-Untersuchungen am 22. Dezember 2000 sei entgegen der Regelung des § 20
WDO erfolgt und die dabei sichergestellten Unterlagen unterlägen deshalb einem Be-
weisverwertungsverbot, bedarf keiner abschließenden Klärung. Hiermit ist lediglich ein für
die Entscheidung über Art und Höhe der Disziplinarmaßnahme nicht ins Gewicht fallender
Teil der dem Soldaten zur Last gelegten Pflichtverletzungen bei der Vornahme und Ab-
wicklung von PPL-Untersuchungen angesprochen, während der weit überwiegende Teil
der Vorwürfe auf Unterlagen basiert, die bereits durch die erste, richterlich angeordnete
Durchsuchung und Beschlagnahme vom 17. Dezember 1999 (siehe auch Beschluss vom
19. April 2000 - BVerwG 2 WDB 2.00 -
2000, 209>) gewonnen worden sind. Da die Frage eines Beweisverwertungsverbots bei
Durchsuchungen unter Verstoß gegen einen Richtervorbehalt verfassungsrechtlich noch
nicht geklärt ist (BVerfG, Urteil vom 20. Februar 2001 - 2 BvR 1444/00 -
142> hat sie nicht behandelt), unterstellt der erkennende Senat - was ohnehin nicht ent-
scheidungserheblich - zugunsten des Soldaten ein solches Verwertungsverbot. Betroffen
davon sind die in der Anschuldigungsschrift auf S. 25 unter den Nrn. 122 bis 133 und 135
aufgeführten, also insgesamt 13 PPL-Untersuchungen (vgl. die Auflistung der am
22. Dezember 2000 sichergestellten PPL-Unterlagen [Blatt 407 f. der Gerichtsakte]), die
deshalb im folgenden bei der Gesamtwürdigung außer Betracht bleiben. Der dem Solda-
ten in Punkt 8 zur Last gelegte, dem Bund entstandene Schaden beträgt damit jedenfalls
mindestens noch 300 DM.
Zu Anschuldigungspunkt 9:
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In allen von den Tatvorwürfen 5, 7 und 8 erfassten Fällen liquidierte der Soldat seine ärzt-
lichen Leistungen entgegen der Nr. 12 der einschlägigen Erlasse InSan II 3 vom 13. März
1989 bzw. 1. März 1996 nicht nach der GOÄ.
Darin lag aber keine eigenständige disziplinar relevante Pflichtverletzung, sodass der
Soldat ebenso wie vom Tatvorwurf 6 freizustellen war. Dies ergibt sich daraus, dass dem
Soldaten in den Punkten 5 und folgenden jeweils angelastet wird, entweder trotz Geneh-
migung der Inanspruchnahme von Einrichtungen, Personal und Material des Dienstherrn
sich weder Sachkosten in Rechnung stellen noch sich den Vorteilsausgleich anrechnen
zu lassen, vielmehr „Fehlanzeige“ gemeldet, oder aber ohne diese Genehmigung in glei-
cher Weise zum Schaden des Dienstherrn verfahren zu haben, ohne auch nur wenigstens
die Bareinkünfte (30 bzw. 50 DM) anzugeben. Aus diesem insgesamt als pflichtwidrig
anzusehenden und ihm entsprechend vorgeworfenen Verhalten kann nicht auch noch die
Einzelforderung gegen den Soldaten erhoben werden, dass er zumindest im Fall der
Liquidation den Inanspruchnahmerichtlinien hätte entsprechen, also nach der GOÄ ab-
rechnen müssen. Allenfalls kann die Forderung Gegenstand eines Regressverfahrens
sein, disziplinarrechtlich ist dieser Vorwurf eigenständig aber nicht verfolgbar.
b) Der Soldat hat dadurch, dass er ohne Genehmigung Nebentätigkeiten nachging, mehr-
fach gegen seine Pflichten verstoßen, vor Übernahme jeder Nebentätigkeit dafür die vor-
herige Genehmigung einzuholen, diese nur außerhalb des Dienstes auszuüben sowie
Einrichtungen, Personal oder Material des Dienstherrn nur mit zuvor erfolgter Genehmi-
gung zu nutzen (§ 20 Abs. 1, 3 und 4 SG). Soweit er wahrheitswidrige „Fehlanzeigen“ an
Dienststellen der Bundeswehr abgab oder abgeben ließ, hat er die Wahrheitspflicht gem.
§ 13 SG verletzt. Darüber hinaus hat der Soldat gegen seine Pflicht zum treuen Dienen
(§ 7 SG) verstoßen, die eine gewissenhafte und ordnungsgemäße Dienstleistung ver-
langt; ferner hat er die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten im dienst-
lichen Bereich (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) verletzt, da sein Verhalten geeignet war, sowohl
das Vertrauen seiner Vorgesetzten als auch die Achtung bei Untergebenen erheblich zu
beeinträchtigen. Ein Vorgesetzter, der unter Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften ei-
gennützig eine nicht genehmigte Nebentätigkeit ausübt, erschüttert seine persönliche und
dienstliche Integrität. Der Soldat hat auch vorsätzlich, jedenfalls bedingt vorsätzlich, seine
Dienstpflichten verletzt und damit insgesamt ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG
begangen.
c) Nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO sind bei Art und Maß der Disziplinarmaß-
nahme Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie seine Auswirkungen, das Maß
- 21 -
der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten
zu berücksichtigen.
Das Dienstvergehen hat nach seiner Eigenart und Schwere, dem Maß der Schuld und
den Auswirkungen ganz erhebliches Gewicht.
Die Kammer ist bei ihrer Maßnahmebemessung zutreffend davon ausgegangen, dass das
Dienstvergehen sowohl hinsichtlich der Eigenart der Verfehlungen als auch bezüglich des
Maßes der Schuld schwer wiegt. Die Ausübung einer Nebentätigkeit ohne Einholung der
erforderlichen Genehmigungen stellt einen erheblichen Verstoß gegen die Grundpflicht
des Soldaten zum treuen Dienen (§ 7 SG) dar. Staat und Soldaten sind durch ge-
genseitige Treue miteinander verbunden (§ 1 Abs. 1 Satz 2 SG). Dies gilt insbesondere
für einen Berufssoldaten. Die Vorschrift des § 7 SG gebietet einem Soldaten, im Dienst
und außerhalb des Dienstes zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr beizu-
tragen und alles zu unterlassen, was sie in ihrem verfassungsmäßig festgelegten Aufga-
benbereich einschränken könnte. Die Bundeswehr kann den ihr erteilten Verfassungsauf-
trag nur dann erfüllen, wenn nicht nur das innere Gefüge der Streitkräfte so gestaltet ist,
dass sie ihren militärischen Aufgaben gewachsen ist, sondern auch ihre Angehörigen
jederzeit präsent und einsatzbereit sind. Der Dienstherr muss sich darauf verlassen kön-
nen, dass jeder Soldat seinen Pflichten zur Verwirklichung des Verfassungsauftrages der
Bundeswehr nachkommt und alles unterlässt, was dessen konkreter Wahrnehmung zu-
widerläuft. Als wesentlicher Inhalt der Treuepflicht ergibt sich - neben den Pflichten zur
Anwesenheit, zum sorgsamen Umgang mit dienstlich anvertrauten Sachgütern und einer
gewissenhaften Dienstleistung - vor allem die Verpflichtung zur Loyalität gegenüber der
Rechtsordnung (vgl. Urteil vom 31. Juli 1996 - BVerwG 2 WD 21.96 -
[363] = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 9 = NZWehrr 1997, 117 = NJW 1997, 536 = DVBl
1997, 356> m.w.N.). Hiergegen hat der Soldat, der an einer Vielzahl von Werktagen uner-
laubt seine Dienststelle für mehrere Stunden verließ, um einer nicht genehmigten be-
triebsärztlichen Vertretung nachzugehen, in eklatanter Weise verstoßen.
Das als einheitliches Dienstvergehen zu wertende gesamte Fehlverhalten erweist sich vor
allem deshalb als so gravierend, weil eigennützige Erwägungen des Soldaten mit aus-
schlaggebend waren, dienstliche Pflichten zu verletzen oder zu vernachlässigen und da-
mit zu seinen Gunsten eine Schädigung des Vermögens des Dienstherrn billigend in Kauf
zu nehmen. Es handelte sich hier um Nebentätigkeiten, die durchweg gegen Entgelt ge-
leistet und zudem teilweise während der Tagesdienstzeit ausgeübt wurden.
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Der Senat hielt es daher für sachgerecht, hier seine für den unberechtigten Zugriff auf
Vermögen des Dienstherrn entwickelten Grundsätze entsprechend anzuwenden, weil der
Soldat zumindest billigend in Kauf genommen hat, dass durch seine ungenehmigte Ne-
bentätigkeit und insbesondere die von ihm gemeldeten „Fehlanzeigen“ das Vermögen des
Dienstherrn geschädigt wurde. Nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden
Senats ist eine empfindliche disziplinare Reaktion geboten, wenn sich ein Soldat durch
eine Schädigung und/oder Gefährdung des Vermögens des Dienstherrn eines schweren
Vertrauensbruchs schuldig gemacht hat. Denn die vorsätzliche Bereicherung eines Zeit-
oder Berufssoldaten zum Nachteil des Dienstherrn ist eine besonders verwerfliche Tat.
Die Bundeswehr ist auf die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer Soldaten beim Umgang
mit öffentlichem Geld und Gut in hohem Maße angewiesen, weil sie ihre Angehörigen
nicht ständig und überall überwachen kann; sie muss gerade bei solchen Vorgängen, die
erfahrungsgemäß schwer kontrolliert werden können, auf besondere Sorgfalt und
Ehrlichkeit bestehen. Erfüllt ein Soldat diese Erwartungen nicht, sondern schädigt er aus
eigennützigen Beweggründen vorsätzlich seinen Dienstherrn, um ungerechtfertigt
Zuwendungen zu erhalten, so stört er das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn
nachhaltig und begründet ernsthafte Zweifel an seiner Zuverlässigkeit, Integrität und
Treuebereitschaft. Da sich ein Soldat in Vorgesetztenstellung, der nach § 10 Abs. 1 SG in
seiner Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben soll, regelmäßig durch ein solches
Verhalten als Vorgesetzter disqualifiziert, ist als Ausgangspunkt der Zumessungserwä-
gungen jedenfalls eine Dienstgradherabsetzung, gegebenenfalls bei erheblichen Er-
schwerungsgründen auch die disziplinare Höchstmaßnahme, in Betracht zu ziehen (Urteil
vom 29. Februar 1996 - BVerwG 2 WD 35.95 -
WDO Nr. 13> m.w.N.). Es bedarf ganz erheblicher Milderungsgründe in der Tat, um von
einer Dienstgradherabsetzung im Einzelfall Abstand nehmen zu können (vgl. Urteil vom
28. November 1996 - BVerwG 2 WD 32.96 - ).
Soweit der Soldat wahrheitswidrige „Fehlanzeigen“ tätigte, wodurch beim Dienstherrn ein
Schaden hinsichtlich der nicht erstatteten Sachkosten und des nicht abgeführten Vorteils-
ausgleichs verursacht wurde, geschah dies ebenfalls eigennützig und ist mithin erschwe-
rend zu berücksichtigen. Die Wahrheitspflicht hat gerade im militärischen Bereich beson-
dere Bedeutung. Sie bezieht sich nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 13 Abs. 1 SG
auf „dienstliche Angelegenheiten“ schlechthin, also nicht nur auf den eigentlichen militäri-
schen Bereich, sondern auch auf alle mit dem Dienst zusammenhängenden Vorgänge,
beispielsweise Zahlungsvorgänge im Rahmen der besoldungsrechtlichen Nebenalimenta-
tion. Das kommt schon darin zum Ausdruck, dass die in keinem anderen gesetzlichen
Pflichtenkatalog ausdrücklich normierte Wahrheitspflicht für Soldaten gesetzlich geregelt
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ist (§ 13 Abs. 1 SG). Eine militärische Einheit kann nicht geführt werden, wenn sich die
Führung nicht auf die Richtigkeit abgegebener Meldungen, Erklärungen und Aussagen
verlassen kann. Denn auf ihrer Grundlage müssen im Frieden und erst recht im Verteidi-
gungsfall gegebenenfalls Entschlüsse von erheblicher Tragweite gefasst werden (Urteile
vom 27. Januar 1983 - BVerwG 2 WD 25.82 -
= ZBR 1983, 373>, vom 23. November 1989 - BVerwG 2 WD 50.86 -
[222] = NZWehrr 1990, 119>, vom 19. März 1991 - BVerwG 2 WD 50.90 -
52 [54] = NZWehrr 1991, 161> und vom 27. April 1994 - BVerwG 2 WD 38.93 -
GE 103, 104 = NZWehrr 1994, 213 = ZBR 1994, 317 = NVwZ-RR 1995, 94>). Ein Soldat,
der gegenüber Vorgesetzten und Dienststellen der Bundeswehr unwahre Erklärungen
abgibt, büßt hierdurch allgemein seine Glaubwürdigkeit ein (vgl. Urteil vom 24. Juni 1992
- BVerwG 2 WD 62.91 -
91>).
Darüber hinaus ist es schwerlich nachvollziehbar, dass ein Abteilungsleiter als Vorgesetz-
ter allgemeiner Art, ob mit oder ohne Genehmigung, zeitweilig während des Tagesdiens-
tes seine Dienststelle verlassen hat, um unter Zurückstellung dringender dienstlicher Ob-
liegenheiten und der Wahrnehmung eigener Dienstaufsichtsverpflichtung einer Nebentä-
tigkeit nachzugehen oder eine solche sogar in der Dienststelle unter Ausnutzung von
dienstlichen Einrichtungen, Personal und Material für Entgelt in Form von Untersuchun-
gen an Personen vorzunehmen, die mit der Bundeswehr keinen Bezug haben. Je höher
ein Soldat in den Dienstgradgruppen steigt, umso größer sind die Anforderungen, die an
seine Zuverlässigkeit, sein Pflichtgefühl und sein Verantwortungsbewusstsein gestellt
werden müssen, und umso schwerer wiegt eine Pflichtverletzung, die er sich zuschulden
kommen lässt (vgl. Urteile vom 9. Juli 1991 - BVerwG 2 WD 41.90 -
[132] = NZWehrr 1994, 254> und vom 24. Juni 1992 - BVerwG 2 WD 62.91 - ).
Die herausgehobene Stellung des Soldaten als Oberstarzt erforderte es, dass er als Vor-
gesetzter in Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel zu geben hatte (§ 10 Abs. 1 SG).
Denn nur wenn er dieses Beispiel gibt, kann er von seinen Untergebenen erwarten, dass
sie sich am Vorbild ihres Vorgesetzten orientieren und ihre Pflichten nach besten Kräften
und aus innerer Überzeugung erfüllen. Durch sein Fehlverhalten, das geeignet war, zur
erheblichen Minderung seiner Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit sowohl bei Vorgesetz-
ten als auch bei Untergeben beizutragen, hat er jedoch ein außerordentlich schlechtes
Beispiel gegeben.
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Den Soldaten belastet es ferner ganz erheblich, dass er über einen langen Zeitraum hin-
weg wiederholt in seiner dienstlichen Stellung Dienstpflichtverletzungen beging und teil-
weise auch noch nach Zugang der Einleitungsverfügung des Inspekteurs der Luftwaffe
vom 21. März 2000 sein pflichtwidriges Verhalten fortsetzte.
In den Umständen der Tat selbst liegen hier keine Milderungsgründe, die zugunsten des
Soldaten sprechen könnten. Solche Milderungsgründe sind nach ständiger Rechtspre-
chung des Senats dann gegeben, wenn die Situation, in der ein Soldat versagt hat, von so
außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet war, dass ein an normalen Maß-
stäben orientiertes Verhalten schlechthin nicht mehr erwartet und daher auch nicht vor-
ausgesetzt werden konnte (vgl. Urteile vom 27. Januar 1987 - BVerwG 2 WD 41.86 -
2 WD 23.01, 32.02 -
RR 2003, 364>). Eine solche Ausnahmesituation war hier jedoch nicht gegeben.
Soweit der Verteidiger aus dem vom Truppendienstgericht im Urteil angesprochen „Wild-
wuchs“ im gesamten Bereich des FlMedInstLw tatmildernde Umstände zugunsten des
Soldaten herzuleiten versucht, kann dem der Senat nicht folgen. Abgesehen davon, dass
sich ein solcher „Wildwuchs“ in der Beweisaufnahme des Senats nicht konkret feststellen
ließ, sieht der Senat auch nicht die Voraussetzungen des Tatmilderungsgrundes man-
gelnder Dienstaufsicht als erfüllt an. Mangelnde Dienstaufsicht kann als Ursache einer
dienstlichen Verfehlung bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme nur dann mildernd
berücksichtigt werden, wenn Kontrollmaßnahmen durch Vorgesetzte aufgrund besonderer
Umstände unerlässlich waren und pflichtwidrig unterlassen wurden (vgl. Urteil vom
19. September 1985 - BVerwG 2 WD 63.84 - , vom 21. Mai 1996
- BVerwG 2 WD 22.95 -
NZWehrr 1997, 205 = NVwZ 1997, 504 = ZBR 1997, 325> und vom 13. Februar 2003
- BVerwG 2 WD 33.02 -). Eine Minderung seiner Eigenverantwortung kann dem Soldaten
vorliegend aber nicht zugebilligt werden. Denn ihm ist vorzuwerfen, dass er genau wuss-
te, dass der Dienst bei der Firma …/… nicht zu den Aufgaben seiner Abteilung zählte. Er
kannte seinen dienstlichen Aufgabenbereich ganz genau. Die Vertretung des Betriebsarz-
tes bei der Firma …/… gehörte nicht dazu. Dementsprechend war dem damaligen Leiter
des FlMedInstLw und Disziplinarvorgesetzten des Soldaten, dem Zeugen Generalarzt
a.D. Dr. A., bei einem Besuch der Abteilung … am 16. November 1998 in einer Unterlage
aufgefallen, dass unter den Aufgaben der Abteilung … auch Dienstleistungen bei der
Firma …/… aufgezählt waren. Obgleich der Zeuge Dr. A. dies beanstandete, setzte der
Soldat seine ungenehmigte Nebentätigkeit bei der Firma …/… fort. Der Zeuge Dr. A. er-
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fuhr erst am 4. August 1999, als der S 1-Offizier bei der Firma …/… anrief, von der be-
triebsärztlichen Vertretungstätigkeit des Soldaten, was dann am nächsten Tag zu Ermitt-
lungen führte. Der Zeuge Generalarzt Dr. R. hat bekundet, bei der Meldung „Fehlanzeige“
werde normalerweise nicht weiter nachgeprüft, weil man davon ausgehe, dass Ärzte ver-
antwortungsbewusst handeln. Demnach ist festzustellen, dass ein Stabsoffizier und Abtei-
lungsleiter, der aufgrund seiner Vertrauensstellung eigenverantwortlich tätig ist und nicht
ständig überwacht werden kann, einen nicht unerheblichen Charaktermangel offenbart,
wenn er solche Situationen, wie oben ausgeführt, ausnutzt, und er kann sich demgemäß
nicht auf den Tatmilderungsgrund der mangelnden Dienstaufsicht berufen.
Zugunsten des Soldaten sprechen demgegenüber seine bislang tadellose Führung in und
außer Dienst. Des Weiteren ist nach seinen dienstlichen Beurteilungen von einer hohen
fachlichen Kompetenz des Soldaten auszugehen. Auch hat er eine Auszeichnung erhal-
ten. Hervorzuheben ist seine Sonderbeurteilung vom 29. Oktober 2002, aus welcher sich
u.a. ergibt, dass er mit seiner hohen Erfahrung immer bemerkenswerte Arbeitsergebnisse
erzielt, sich stets und fortwährend mit seiner ganzen Kraft, seinem vielseitigen Engage-
ment und seinem Ideenreichtum auch gegen Widerstände einsetzt, fordernd arbeitet und
überzeugt werden will, sein Auftrag ihm über alles geht und er dabei auch in Kauf nimmt,
zeitweise als anstrengend empfunden zu werden.
Auch unter Berücksichtigung der Milderungsgründe in der Person des Soldaten ist das
Dienstvergehen, insbesondere im Hinblick auf seine Eigenart, die Auswirkungen, das Maß
der Schuld und wegen Fehlens von Tatmilderungsgründen insgesamt als so
schwerwiegend einzustufen, dass der Senat - auch aus Gründen der Generalprävention -
von einer Degradierung um einen Dienstgrad als erforderlicher und angemessener Maß-
regelung nicht absehen konnte. An einer weitergehenden gerichtlichen Disziplinarmaß-
nahme ist der Senat ohnehin durch das Verschlechterungsverbot gehindert.
Die günstige Persönlichkeitsbeschreibung, wie sie insbesondere in der Sonderbeurteilung
vom 29. Oktober 2002 zum Ausdruck kommt, hat der Senat in der Weise gewürdigt, dass
er die Frist für die Wiederbeförderung des Soldaten gemäß § 62 Abs. 3 Satz 3 WDO auf
zwei Jahre herabgesetzt hat.
Der mit der Dienstgradherabsetzung verbundenen Achtungsverlust sowie die dadurch
bedingten Nachteile und finanziellen Einbußen für den Soldaten sind zwar nicht zu ver-
kennen und werden auch vom Senat nicht unterschätzt. Diese Folge musste der Soldat
aber hinnehmen, da sie der Gesetzgeber bei der Regelung der Degradierung und ihrer
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Folgen nicht verkannt, sondern bewusst in Betracht gezogen hat. Die darin gegebenen-
falls liegende Härte für den Betroffenen ist im Ergebnis auch nicht unbillig, weil sie im
Risikobereich eines für sein Handeln verantwortlichen Soldaten liegt, der sich bewusst
sein muss, dass er bei einem schwerwiegenden Verstoß gegen seine Dienstpflichten un-
ter Umständen seinen Dienstgrad und seine Dienststellung in der Bundeswehr sowie die
Höhe der Alimentation aufs Spiel setzt, die ihm der Dienstherr schuldet (Urteil vom 8. Juli
1998 - BVerwG 2 WD 42.97 -
= NVwZ 1999, 192>).
4. Da die Berufung des Soldaten keinen Erfolg hatte, waren ihm gemäß § 139 Abs. 2
WDO die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen. Nach § 140 Abs. 5 Satz 2 WDO
trägt der Soldat damit auch die ihm im Berufungsverfahren erwachsenen notwendigen
Auslagen.
Prof. Dr. Pietzner
Prof. Dr. Widmaier
Dr. Deiseroth