Urteil des BVerwG vom 13.02.2008

Soldat, Einstellung des Verfahrens, Luftwaffe, Erste Hilfe

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 WD 5.07
TDG S 4 VL 7/07
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren
g e g e n
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentli-
chen Hauptverhandlung am 13. Februar 2008, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier als Vorsitzender,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth,
ehrenamtlicher Richter Major Szalai und
ehrenamtlicher Richter Oberfeldwebel Schunck,
Leitender Regierungsdirektor Sandbaumhüter
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt Weber, München,
als Verteidiger,
Geschäftsstellenverwalterin Kairies
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Auf die Berufung des früheren Soldaten wird das Urteil der
4. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom
1. Februar 2007 aufgehoben.
Der frühere Soldat hat ein Dienstvergehen begangen.
Das Verfahren wird eingestellt.
Die Kosten des Verfahrens und die dem früheren Soldaten
erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Bund
auferlegt.
G r ü n d e :
I
Der 54 Jahre alte frühere Soldat absolvierte nach dem Besuch der Realschule,
die er 1969 ohne Abschluss verließ, eine Lehre als Großhandelskaufmann.
Diese schloss er im Juli 1972 mit Erfolg ab. Im Februar 1973 wurde er zur Ab-
leistung seines Grundwehrdienstes einberufen. Aufgrund seiner Verpflichtungs-
erklärung wurde er im Juni 1973 in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit
berufen. Auf seinen Antrag hin wurde ihm mit Urkunde vom 12. Juni 1979, aus-
gehändigt am 25. Juni 1979, die Eigenschaft eines Berufssoldaten verliehen.
Seine Dienstzeit endete am 30. Juni 2006.
Der frühere Soldat wurde während seiner Dienstzeit regelmäßig befördert, zu-
letzt mit Urkunde vom 15. Januar 2002, ausgehändigt am 24. Januar 2002, zum
Stabsfeldwebel.
Nach seiner Grundausbildung wurde der frühere Soldat in verschiedenen Be-
reichen der Technischen Schulen der Luftwaffe eingesetzt. Zuletzt wurde er
zum 1. April 2001 zur .../... Schule der Luftwaffe ... nach U. versetzt, wo er bis
zu seinem Dienstzeitende als Personalfeldwebel Dienst leistete.
Der frühere Soldat wurde zuletzt am 31. Juli 2000 planmäßig im Dienstgrad ei-
nes Hauptfeldwebels beurteilt. Seine dienstlichen Leistungen wurden dabei
viermal mit der Stufe „5“, elfmal mit „6“ und einmal („Eigenständigkeit“) mit „7“
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bewertet. Seine „Eignung und Befähigung“ wurden in dieser Beurteilung einmal
(„Geistige Befähigung“) mit der Wertung „c“, zweimal mit „d“ und einmal („Befä-
higung zur Einsatz- und Betriebsführung“) mit „e“ bewertet. Im Abschnitt „Her-
ausragende charakterliche Merkmale, Kameradschaft, berufliches Selbstver-
ständnis, Bewährung im Einsatz und ergänzende Aussagen“ wird ausgeführt:
„HptFw B. ist ein profilierter und äußerst gewissenhafter
Berufsunteroffizier, auf den jederzeit und in allen Lagen
Verlass ist. Als lebens- und berufserfahrene, gereifte und
gestandene Persönlichkeit wird er mit allen Situationen
ausgesprochen selbständig fertig und meistert durch
Überblick und Verantwortungsbewusstsein alle auftreten-
den Situationen vorbildhaft. Ausgeprägtes Fachwissen,
Teambefähigung und hohe Leistungsbereitschaft lassen
ihn weit überdurchschnittliche Arbeitsergebnisse erzielen.
Sein Auftreten ist stets korrekt, er ist ausgesprochen höf-
lich und hilfsbereit und integriert sich ohne ‚Wenn und
Aber’ in die soldatische Gemeinschaft. Notwendige Ent-
scheidungen - auch unliebsame - werden sehr eigenstän-
dig herbeigeführt und auf allen Ebenen konsequent umge-
setzt. Seine fachliche Autorität ist dabei von Offenheit und
Geradlinigkeit geprägt. HptFw B. gehört zur absoluten
Spitze der Unteroffiziere mit Portepee der neuen II. Lehr-
gruppe und verdient uneingeschränkte Förderung.“
Der nächsthöhere Vorgesetzte des früheren Soldaten stimmte dieser Beurtei-
lung zu. Die Förderungswürdigkeit beurteilte er mit „D“.
Der in der Hauptverhandlung vor der Truppendienstkammer als Leumundszeu-
ge gehörte letzte Disziplinarvorgesetzte des früheren Soldaten, der Zeuge
Oberstleutnant T., hat den früheren Soldaten als hervorragenden Soldaten be-
schrieben. Es habe an ihm nichts auszusetzen gegeben. Die letzte Beurteilung
treffe „bis zum Dienstvergehen zu“. Danach „wäre sie bestimmt schwächer“
gewesen. Diese Aussage hat der Zeuge in der Berufungshauptverhandlung
bestätigt und bekräftigt.
Der Auszug aus dem Zentralregister vom 11. Mai 2006 enthält keine Eintragun-
gen über gerichtliche Vorstrafen.
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Ausweislich des Auszuges aus dem Disziplinarbuch Teil I vom 7. Juli 2005 wur-
den dem früheren Soldaten während seiner Dienstzeit zwei förmliche Anerken-
nungen erteilt, die er am 18. September 1981 durch den Inspektionschef .../...
Fachschule der Luftwaffe wegen einer hervorragenden Einzeltat (Rettung von
Schwerverletzten, Erste-Hilfe-Leistung nach schwerem Unfall) und am 4. Feb-
ruar 2000 durch den Inspektionschef ..../... Schule der Luftwaffe ... wegen vor-
bildlicher Pflichterfüllung (herausragende fachliche Leistungen, speziell im Zuge
der Umstrukturierung der ... Schule der Luftwaffe ...) erhielt. Unter dem 1. Juli
2002 wurde dem früheren Soldaten eine Leistungsprämie in Höhe von 2 000 €
bewilligt. Am 29. November 2004 verhängte der Kommandeur der .../... Schule
der Luftwaffe ... gegen ihn eine Disziplinarbuße in Höhe von 100 € (wegen ei-
nes zu spät eingereichten Korrekturbelegs - Gleittag - bei der elektronischen
Zeiterfassung) und setzte diese Maßnahme auf die Dauer von fünf Monaten zur
Bewährung aus.
Während seiner Dienstzeit erhielt der frühere Soldat mehrere Auszeichnungen
(Abzeichen für Leistungen im Truppendienst in Bronze am 16. Mai 1977, Abzei-
chen für Leistungen im Truppendienst in Silber am 3. November 1977, Deut-
sches Sportabzeichen in Bronze am 25. Oktober 1977, Ehrenkreuz der Bun-
deswehr in Silber am 29. September 1983 und Ehrenkreuz der Bundeswehr in
Gold am 2. August 1999).
Der frühere Soldat ist zum zweiten Mal geschieden und Vater von drei Kindern
im Alter von 31, 12 und 10 Jahren.
Ausweislich der Mitteilung der Wehrbereichsverwaltung Süd - Gebührnis-
wesen - vom 29. Mai 2007 erhält der frühere Soldat ein Ruhegehalt in Höhe von
monatlich 1 994,42 € brutto bzw. 1 849,74 € netto. Der „Ausgleich bei Alters-
grenzen“ ist gemäß § 38 Abs. 2 SVG bisher in Höhe von 7 259 € (vorläufig)
nicht zur Auszahlung gelangt. Außerdem erzielt der frühere Soldat derzeit Ne-
beneinkünfte in Höhe von 460 €. Nach den Angaben seines Verteidigers zahlt
er gegenwärtig monatlich 700 € Unterhalt an seine beiden früheren Ehefrauen.
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II
Mit Verfügung vom 13. Oktober 2005, dem früheren Soldaten ausgehändigt am
3. November 2005, leitete der Kommandeur Luftwaffenausbildungskommando
nach vorheriger Anhörung das gerichtliche Disziplinarverfahren ein.
Das durch Abgabe des Kommandeurs der .../... Schule der Luftwaffe ... in L. an
die Staatsanwaltschaft gemäß § 33 Abs. 3 WDO zuvor eingeleitete sachgleiche
strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurde von der Staatsanwaltschaft A. mit
Verfügung vom 31. Oktober 2005 gemäß § 153a Abs. 1 StPO nach Erfüllung
der Auflage in Form einer Geldzahlung in Höhe von 500 € eingestellt (Az.:
601 Js 129403/05).
Aufgrund der Anschuldigungsschrift der Wehrdisziplinaranwaltschaft vom
15. Mai 2006 hat die 4. Kammer des Truppendienstgerichts Süd mit dem im
vorliegenden Verfahren angefochtenen Urteil vom 1. Februar 2007 den früheren
Soldaten wegen eines Dienstvergehens in den Dienstgrad eines Hauptfeldwe-
bels a.D. herabgesetzt und ihm die Kosten des Verfahrens auferlegt. Dabei hat
die Truppendienstkammer folgende tatsächliche Feststellungen getroffen:
„Der frühere Soldat befand sich in der Zeit vom 25. April
2005 bis zum 30. Mai 2005 im Kurzentrum Sch. in einer
Anschlussheilbehandlung.
Nach der Wiederaufnahme seines Dienstes als Personal-
feldwebel nahm er am 6. Juni 2005 zunächst telefonisch
Kontakt mit dem ihm persönlich gut bekannten Leiter der
für ihn zuständigen Truppenverwaltung der ... Schule der
Luftwaffe ... (Außenstelle L.), dem Zeugen Sch., auf. Da-
bei erkundigte sich der frühere Soldat darüber, ob er die
Besuchsfahrten seiner Lebensgefährtin während der An-
schlussheilbehandlung im Wege eines Reisebeihilfeantra-
ges abrechnen könne. Da der Zeuge Sch. sich in dieser
Frage nicht sicher war, verwies er auf die Erforderlichkeit
einer Prüfung. Daraufhin befragte der frühere Soldat den
Zeugen Sch. bezüglich der Abrechnungsmöglichkeit der
Besuchsreisen seiner Kinder, was durch den Zeugen Sch.
bejaht wurde.
Zu einem späteren Zeitpunkt dieses Tages suchte der frü-
here Soldat den Zeugen Sch. in seinem Dienstzimmer in
der ...kaserne in ... L. auf, um diese Frage in einem per-
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sönlichen Gespräch nochmals zu erörtern. Da der Zeuge
Sch. noch immer keine konkrete Auskunft zur Abrech-
nungsfähigkeit der Besuchsreise der Lebensgefährtin des
früheren Soldaten geben konnte, übergab der frühere Sol-
dat im Dienstzimmer des Zeugen Sch. drei ausgefüllte
‚Anträge auf Reisebeihilfe für Angehörige von Soldaten,
die in auswärtige Bundeswehrkrankenhäuser oder zivile
Krankenanstalten eingewiesen wurden’ für seine Kinder N.
und A. In diesen Anträgen gab der frühere Soldat an, dass
seine Kinder ihn an den Wochenenden vom 29. auf den
30. April 2005, vom 13. auf den 14. und vom 28. auf den
29. Mai 2005 in Sch. besucht hätten. Die unterschriebe-
nen Anträge, in denen der frühere Soldat versicherte, dass
die gemachten Angaben richtig sind, übergab er an den
Zeugen Sch.. Gleichzeitig beauftragte er den Zeugen
Sch., die Abrechnungsfähigkeit der Reisen für seine Le-
bensgefährtin weiter zu prüfen. Am folgenden Tag ging
der frühere Soldat in Urlaub.
Die Anträge auf Gewährung einer Reisebeihilfe übergab
der Zeuge Sch. am folgenden Tag der für die Abrechnung
zuständigen Zeugin T. Die Zeugin T. teilte ihr Dienstzim-
mer mit der geschiedenen Frau des früheren Soldaten.
Aus gemeinsamen Gesprächen wusste sie, dass sich der
frühere Soldat an den Wochenenden aufgrund seiner Ne-
bentätigkeit als Fußballtrainer nur eingeschränkt um seine
Kinder kümmerte. Aus diesem Grund äußerte sie gegen-
über der geschiedenen Frau des früheren Soldaten bei
der Sichtung der Anträge, dass sie ja ein paar schöne
Wochenenden gehabt habe. Bei dem sich daraufhin ent-
spannenden Gespräch stellte sich heraus, dass die Kinder
an den in den Anträgen genannten Wochenenden bei ih-
rer Mutter und nicht in Schwangau waren. Daraufhin mel-
dete die Zeugin T. den Vorfall dem Zeugen Sch., wodurch
es nicht zu einer Auszahlung der nicht zustehenden Rei-
sekostenbeihilfe von 33,- € kam. (…)
Auf der Grundlage der Aussage des Zeugen Sch., die in
sich schlüssig, überzeugend und widerspruchsfrei war,
steht für die Kammer fest, dass der frühere Soldat die An-
träge auf Reisebeihilfe für seine Kinder zur Abrechung
übergeben hat. Neben der Aussage des Zeugen Sch. er-
gibt sich dies nach Auffassung der Kammer auch aus der
Tatsache, dass der frühere Soldat aufgrund seiner Tätig-
keit als Personalfeldwebel, dem die Erstattungsfähigkeit
derartiger Reisen bekannt war, ein erfahrener Soldat war.
Als solcher musste ihm bewusst sein, dass Anträge der in
Rede stehenden Art, wenn sie denn lediglich zur Prüfung
der Abrechnungsfähigkeit eingereicht werden sollten, nicht
unterschrieben werden. Darüber hinaus ist die Einlassung
des früheren Soldaten auch widersprüchlich. Nach seiner
eigenen Einlassung in der Vernehmung vom 5. Juli 2005,
die in der Hauptverhandlung auf Antrag des Verteidigers
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als Einlassung verlesen wurde, hatte der Zeuge Sch. ihm
auf seine Frage, ob die Kinder abrechnungsfähig seien,
dies bestätigt. Weshalb dann die unterschriebenen und
übergebenen Anträge für die Kinder hätten weggeschmis-
sen werden sollen ist für die Kammer nicht ersichtlich. Die
Kammer ist insoweit zu der Überzeugung gelangt, dass
das Handeln des früheren Soldaten letztlich darauf gerich-
tet war, eine Reisekostenbeihilfe sowohl für die Lebensge-
fährtin als auch für die Kinder zu erlangen. Demgegenüber
ist die vom früheren Soldaten dargestellte Gefahr einer
Entdeckung des versuchten Betruges und die damit ver-
bundene Dummheit durch die Kammer nicht zu bewerten.“
Mit seinem festgestellten Fehlverhalten habe der frühere Soldat nicht nur gegen
„Strafgesetze“ verstoßen, sondern auch gegen die ihm obliegenden Dienst-
pflichten, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen (§ 7 SG), in dienstli-
chen Angelegenheiten die Wahrheit zu sagen (§ 13 Abs. 1 SG) sowie sich so
zu verhalten, dass er der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die sein
Dienst als Soldat erfordert (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 SG). Der frühere Soldat
habe damit ein Dienstvergehen im Sinne des § 23 Abs. 1 SG unter den er-
schwerenden Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 SG begangen.
Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme hat die Truppendienstkammer
zum Ausdruck gebracht, sie vermöge sich der neueren Rechtsprechung des
erkennenden Senats nicht anzuschließen, wonach aus Gründen der Gleichbe-
handlung und der Einheitlichkeit der Rechtsprechung in allen Fällen des Zugriffs
eines Soldaten auf das Vermögen des Dienstherrn eine Differenzierung der
Maßnahmebemessung nach der Schwere des Dienstvergehens zulässig sei.
Entgegen der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts habe sich die Maß-
nahmebemessung allein daran zu orientieren, in welchem Maße durch sein
strafbares Verhalten gegen das Eigentum bzw. Vermögen des Dienstherrn ein
Vertrauensverlust zwischen dem Dienstherrn und dem Soldaten eingetreten sei.
Bestimmend für den Vertrauensverlust sei die Straftat als solche, nicht jedoch
die Höhe des eingetretenen Schadens. Dies entspreche auch der Rechtspre-
chung der Arbeitsgerichte, insbesondere des Bundesarbeitsgerichts, das bei
Verletzung von Eigentum oder Vermögen des Arbeitsgebers stets, auch bei
geringwertigem Wert, einen Vertrauensverlust für gegeben erachte, der eine
fristlose Kündigung rechtfertige. Durch die Rechtsprechung des erkennenden
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Senats trete eine Privilegierung von Soldaten gegenüber Arbeitnehmern ein, die
für die Truppendienstkammer mit den Gleichbehandlungsgrundsätzen der Ver-
fassung nicht in Einklang zu bringen sei. Auch das besondere Vertrauensver-
hältnis zwischen Dienstherrn und Soldaten sei nicht geeignet, eine Sonderbe-
handlung von Soldaten zu rechtfertigen. Vielmehr spreche im Hinblick auf die
besondere Stellung der Soldaten vieles dafür, dass für diese eher strengere
Maßstäbe anzulegen seien. Zu Gunsten des früheren Soldaten seien seine an-
sonsten tadelfreien dienstlichen Leistungen, die auch in zwei förmlichen Aner-
kennungen ihren Niederschlag gefunden hätten, zu berücksichtigen. Milde-
rungsgründe in den Umständen der Tat seien nicht ersichtlich. Unter Berück-
sichtigung aller be- und entlastenden Umstände sei eine „reinigende Maßnah-
me“ in Form einer Dienstgradherabsetzung geboten und erforderlich, um der
Schwere des Pflichtenverstoßes des früheren Soldaten angemessen Rechnung
zu tragen. Die Kammer verkenne dabei nicht, dass es sich um eine sehr
schwerwiegende disziplinare Reaktion handele und im Hinblick auf die Tatsa-
che, dass die Dienstzeit des früheren Soldaten zwischenzeitlich beendet sei,
eine Nachbewährung des früheren Soldaten nicht mehr möglich sei. Sie sei je-
doch der Auffassung, dass nach angemessener Zeit ein Gnadengesuch des
früheren Soldaten positiv beschieden werden könnte.
Gegen das ihm am 15. Februar 2007 zugestellte Urteil hat der Soldat mit
Schriftsatz vom 28. Februar 2007, eingegangen am 1. März 2007, Berufung
eingelegt, und diese auf die Maßnahmebemessung beschränkt. Er begehrt die
Einstellung des Verfahrens unter der Feststellung, dass er ein Dienstvergehen
begangen habe. Hilfsweise beantragt er, gegen ihn eine Kürzung des Ruhege-
haltes zu verhängen.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor:
Aufgrund der Beschränkung seiner Berufung auf die Maßnahmebemessung
stehe der im angefochtenen Urteil niedergelegte Sachverhalt fest. Danach habe
er, der frühere Soldat, drei Anträge auf Reisebeihilfe bei dem Leiter der für ihn
zuständigen Truppenverwaltung der ... Schule der Luftwaffe ... abgegeben. Die-
se Anträge seien objektiv falsch und mit seiner Unterschrift versehen gewesen.
Vor Abgabe dieser Anträge habe er mit dem Leiter der Truppenverwaltung (Re-
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gierungsoberinspektor Sch.) zunächst ein fernmündliches Gespräch am 6. Juni
2005 und am Nachmittag desselben Tages eine mündliche Besprechung ge-
führt, in der er habe klären wollen, ob „die Besuche durch die Lebensgefährtin“
ebenfalls im Rahmen der Reisebeihilfe abgerechnet werden könnten. Da diese
Frage ungeklärt geblieben sei, habe er, der frühere Soldat, die objektiv unrichti-
gen Anträge „beim Leiter der Hauptverwaltung belassen“ und sich am nächsten
Tag in den Jahresurlaub begeben. Die von der Truppendienstkammer vorge-
nommene Maßnahmebemessung sei überzogen und sei mit der neueren
Rechtsprechung des erkennenden Senats nicht vereinbar. Zunächst sei festzu-
stellen, dass es zu einer Auszahlung des von ihm mit den Anträgen geltend
gemachten Betrages von 33 € nicht gekommen sei, sodass allenfalls von einem
versuchten Reisekostenbetrug auszugehen sei. Er verkenne nicht, dass ein
Soldat, der versuche, sich zu Lasten des Dienstherrn einen Vermögensvorteil
zu verschaffen, ein schwerwiegendes Dienstvergehen begehe. Es dürfe in ei-
nem solchen Fall davon ausgegangen werden, dass der betreffende Soldat in
seiner Stellung als Vorgesetzter und in seiner Vorbildfunktion versagt habe.
Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats sei deshalb grundsätzlich
von einer „reinigenden Maßnahme“ auszugehen, jedoch eine Differenzierung
der Maßnahmebemessung nach der Schwere des Dienstvergehens zulässig.
Das ihm vorgeworfene Dienstvergehen sei als leichter Fall einzustufen, der eine
Dienstgradherabsetzung nicht rechtfertige. Auch im Hinblick auf seine Persön-
lichkeit, die Auswirkungen des Dienstvergehens, das Maß der Schuld und seine
bisherige Führung sei eine Degradierung unverhältnismäßig. Gerade bei einem
ausgeschiedenen Soldaten sei zu berücksichtigen, dass diesem keine Möglich-
keit der Nachbewährung eingeräumt sei. Vielmehr stelle sich eine Dienstgrad-
herabsetzung als eine gerichtliche Maßnahme dar, die für einen früheren Solda-
ten „lebenslänglich“ wirke. Der Hinweis der Truppendienstkammer auf die Mög-
lichkeit eines Gnadengesuches gehe völlig fehl, da dem Truppendienstgericht
Süd im Gnadenverfahren keinerlei Entscheidungsbefugnis zustehe.
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III
1. Die gegen das ihm am 15. Februar 2007 zugestellte Urteil am 1. März 2007
und damit innerhalb der Berufungsfrist eingelegte Berufung des früheren Solda-
ten ist zulässig. Sie ist statthaft. Ihre Förmlichkeiten sind gewahrt (§ 115 Abs. 1,
§ 116 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 WDO).
Die Abwesenheit des früheren Soldaten in der Berufungshauptverhandlung
steht deren Durchführung sowie der Entscheidung des Senats über die Beru-
fung nicht entgegen.
Die Berufungshauptverhandlung findet gemäß § 124 WDO (außer in den Fällen
des § 104 Abs. 1 WDO) auch dann ohne den Soldaten statt, wenn dieser zum
Termin ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden
ist, dass in seiner Abwesenheit verhandelt werden kann. Diese Vorschrift, die
durch Art. 1 des 2. Wehrdisziplinarneuordnungsgesetzes vom 16. August 2001
(BGBl. I S. 2093) in die Wehrdisziplinarordnung eingefügt worden ist, gilt nicht
nur für Verfahren, in denen aktive Soldaten angeschuldigt sind, sondern auch
für Verfahren gegen frühere Soldaten (vgl. Urteil vom 28. November 2007
- BVerwG 2 WD 28.06 -).
Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 124 WDO sind im vorliegenden Fall
erfüllt. Der frühere Soldat ist mit dem ihm ausweislich der Postzustellungsur-
kunde am 15. Januar 2008 zugestellten Ladungsschreiben vom 10. Januar
2008, gegen die er und sein Verteidiger keine Einwände erhoben haben, aus-
drücklich auf die Möglichkeit hingewiesen worden, dass auch im Falle seines
Nichterscheinens verhandelt werden kann. Ungeachtet dessen ist er zur Beru-
fungshauptverhandlung nicht erschienen.
2. Die Berufung ist ausdrücklich und nach ihrem eindeutigen Wortlaut auf die
Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkt worden. Der Senat hat des-
halb seiner Entscheidung die Tat- und Schuldfeststellungen sowie die rechtliche
Würdigung der Truppendienstkammer zugrunde zu legen und sodann über die
zu verhängende gerichtliche Disziplinarmaßnahme zu befinden. Dabei kann
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offenbleiben, ob im Wehrdisziplinarrecht der nichtangefochtene Teil des Urteils
(hier: Tat- und Schuldfeststellungen) gemäß § 316 StPO bereits teil-
rechtskräftig geworden ist (vgl. dazu Dau, WDO, 4. Aufl. 2002, § 125 Rn. 4
m.w.N.). Denn jedenfalls darf der Senat bei einer auf die Maßnahmebemessung
beschränkten Berufung Einwendungen des betreffenden Soldaten gegen die
tatsächlichen Feststellungen und die Schuldfeststellungen nicht mehr nachge-
hen (stRspr, vgl. u.a. Urteil vom 2. Dezember 1969 - BVerwG 1 WD 7.69 -; Dau,
a.a.O. § 116 Rn. 20). Der Prozessstoff wird bei der beschränkten Berufung
nicht mehr durch die Anschuldigungsschrift, sondern durch die unnachprüfbar
gewordenen Tat- und Schuldfeststellungen des angefochtenen Urteils abge-
steckt. Der Senat ist jedoch nicht gehindert, Lücken in den tatsächlichen Fest-
stellungen des Truppendienstgerichts zu schließen und zusätzlich eigene, für
die Maßnahmebemessung erhebliche Feststellungen zum Tathergang zu tref-
fen, solange dies weder im Widerspruch zu den Tat- und Schuldfeststellungen
des Truppendienstgerichts steht noch dadurch dessen rechtliche Würdigung in
Frage gestellt wird (vgl. u.a. Urteil vom 23. Juli 1974 - BVerwG 2 WD 30.74 -;
Dau, a.a.O. § 116 Rn. 22).
3. Die Berufung des früheren Soldaten ist begründet.
a) Nach den von der Truppendienstkammer getroffenen Feststellungen hat der
frühere Soldat mit seinem festgestellten Verhalten, nämlich der am 6. Juni 2005
bei der zuständigen Truppenverwaltung in L. vorgenommenen Einreichung der
von ihm unterzeichneten, jedoch objektiv unrichtigen drei Reisebeihilfeanträge
(für angeblich am 29./30. April, 13./14. und 28./29. Mai 2005 bei ihm im Kur-
zentrum in Sch. erfolgte Besuchsreisen seiner Kinder N. und A.) seine Dienst-
pflichten nach §§ 7 SG, 13 Abs. 1 und § 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 SG verletzt.
Anhaltspunkte dafür, dass in dem angefochtenen Urteil der Truppendienst-
kammer keine für diese Schuldfeststellungen hinreichenden und widerspruchs-
freien tatsächlichen Feststellungen getroffen worden sind mit der Folge, dass
das Verfahren an einem schweren Mangel im Sinne des § 120 Abs. 1 Nr. 2
bzw. § 121 Abs. 2 WDO leidet, der zur Aufhebung des Urteils und Zurückver-
weisung zwingt (vgl. dazu u.a. Beschlüsse vom 11. Mai 1978 - BVerwG 2 WD
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36.78 - BVerwGE 63, 72 <74> = NZWehrr 1979, 32 m.w.N., vom 21. März 1990
- BVerwG 2 WD 7.90 - BVerwGE 86, 267 <268 f.> = NZWehrr 1990, 172, vom
1. Juli 2003 - BVerwG 2 WD 34.02 - BVerwGE 118, 262 = Buchholz 236.01
§ 108 WDO 2002 Nr. 2 = NZWehrr 2004, 36 m.w.N. und vom 7. November
2007 - BVerwG 2 WD 1.07 -; Dau, a.a.O. § 116 Rn. 23 und § 120 Rn. 7
m.w.N.), sind nicht ersichtlich.
b) Entgegen der Auffassung der Truppendienstkammer bedarf es in vorliegen-
dem Fall nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO keiner Herabsetzung des
früheren Soldaten in den Dienstgrad eines Hauptfeldwebels a.D. Vielmehr ist es
gemäß § 123 Satz 3 i.V.m. § 108 Abs. 3 und § 16 Abs. 1 Nr. 2 WDO geboten,
das Verfahren bei Feststellung eines Dienstvergehens des früheren Soldaten
einzustellen.
Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind Eigenart und Schwere des
Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persön-
lichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des betreffenden Soldaten
zu berücksichtigen (§ 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO).
aa) Die „Eigenart und Schwere“ des Dienstvergehens des früheren Soldaten,
die sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlung, mithin also nach der Bedeu-
tung der verletzten Pflichten bestimmen, sind vorliegend dadurch geprägt, dass
er kriminelles Unrecht (versuchter Betrug nach § 263 Abs. 1 und 2, §§ 22, 23
StGB) zu Lasten seines Dienstherrn beging.
Nach den den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen der Truppen-
dienstkammer und den glaubhaften Bekundungen des Zeugen Sch., der vom
Senat in der Berufungshauptverhandlung hierzu ergänzend vernommen worden
ist, ließ der frühere Soldat bei seinem Vorgehen keinen Zweifel daran, dass er
seine in den drei in Rede stehenden objektiv unrichtig ausgefüllten Reisebeihil-
feanträgen angegebenen Besuchsfahrten seiner Kinder N. und A. tatsächlich
der Truppenverwaltung übergab und von dieser auch bearbeitet wissen wollte.
Zu diesem Zweck hatte er die Anträge persönlich unterschrieben und am 6. Ju-
ni 2005 bei dem Zeugen Sch., dem Leiter der für ihn zuständigen Truppenver-
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waltung, bedingungslos zur weiteren Bearbeitung eingereicht. Dabei war ihm
bewusst, dass er an den in den Anträgen angegebenen Tagen nicht von seinen
Kindern, sondern von seiner Lebensgefährtin am Ort seiner Anschlussheilbe-
handlung in Sch. besucht worden war. Dies hat er ausdrücklich eingeräumt.
Zwar hoffte der frühere Soldat damals offenbar, die von ihm mit dem Zeugen
Sch. parallel dazu vereinbarte weitere Prüfung der Abrechnungsfähigkeit von
Besuchsreisen seiner Lebensgefährtin werde ein für ihn positives Ergebnis ha-
ben, so dass er dann ggf. nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub auch für diese
- bislang nicht näher spezifizierte - Besuchsreisen einen oder mehrere Anträge
auf Reisebeihilfe stellen könne. Er ließ jedoch gegenüber dem Zeugen Sch. bei
Übergabe der drei allein auf seine Kinder bezogenen - objektiv unrichtigen -
Anträge keinen Zweifel daran, dass seine in diesen Anträgen gemachten tat-
sächlichen Angaben zutreffend seien und dass die Anträge ohne weitere Maß-
gaben zur Bearbeitung übergeben wurden. Soweit der frühere Soldat mit sei-
nem Berufungsvorbringen (weiter) geltend macht, diese auf die Kinder bezoge-
nen Anträge sollten bei positivem Ausgang der mündlich vom Zeugen Sch. zu-
gesagten Prüfung der Abrechnungsfähigkeit von Besuchsreisen der Lebensge-
fährtin „weggeschmissen“, also als zurückgezogen behandelt und vernichtet
werden, kann er damit im Berufungsverfahren nicht mehr gehört werden. Denn
dem stehen die diesbezüglichen, den Senat angesichts der vorgenommenen
Berufungsbeschränkung bindenden gegenteiligen tatsächlichen Feststellungen
der Truppendienstkammer entgegen. Wenn der frühere Soldat diese unmiss-
verständlichen tatsächlichen Feststellungen weiterhin hätte angreifen wollen,
wäre er gehalten gewesen, die von ihm eingelegte Berufung nicht auf die Maß-
nahmebemessung zu beschränken. Das hat er jedoch nicht getan.
Indem der frühere Soldat die drei von ihm unterzeichneten, objektiv unrichtigen
Anträge ungeachtet des noch ausstehenden Ergebnisses der ihm vom Zeugen
Sch. offenbar zugesagten Prüfung der Abrechnungsfähigkeit von Besuchsrei-
sen seiner Lebensgefährtin bedingungslos einreichte, unternahm er den Ver-
such, in persönlicher Bereicherungsabsicht durch Täuschung und Irrtumserre-
gung eine rechtlich nicht gebotene Vermögensverfügung und dadurch einen
Vermögensschaden seines Dienstherrn zu erreichen. Eine Vollendung des von
ihm intendierten Betruges trat nur deshalb nicht ein, weil aufgrund des Ge-
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sprächs zwischen der Angestellten T. und der früheren Ehefrau des früheren
Soldaten bereits am 7. Juni 2005 bekannt wurde, dass die in Rede stehenden
Besuchsreisen am 29./30. April, 13./14. und 28./29 Mai 2005 nicht von den Kin-
dern durchgeführt worden waren. Dadurch kam es nicht zu der Auszahlung der
beantragten Reisebeihilfe von insgesamt 33 € und damit zu keinem Vermö-
gensschaden des Dienstherrn.
Das Dienstvergehen des früheren Soldaten ist von erheblichem Gewicht. Dabei
liegt der Schwerpunkt des Dienstvergehens bei der Verletzung der Pflicht zum
treuen Dienen (§ 7 SG). Die Verpflichtung zum treuen Dienen gebietet jedem
Soldaten, seine dienstlichen Aufgaben und Pflichten gewissenhaft, sorgfältig
und loyal gegenüber seinem Dienstherrn zur erfüllen. Das schließt ein, inner-
halb und außerhalb des Dienstes mit den ihm zur Verfügung stehenden Kräften
dazu beizutragen, dass die Streitkräfte der Bundeswehr ihre durch die Verfas-
sung festgelegten Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen können, sowie alles zu
unterlassen, was diese bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben in unzulässiger
Weise schwächen könnte. Zu der in § 7 SG normierten Pflicht zum „treuen Die-
nen“ gehört insbesondere die Verpflichtung zur Loyalität gegenüber der gelten-
den Rechtsordnung, insbesondere die Beachtung der Strafgesetze (Urteile vom
28. September 1990 - BVerwG 2 WD 27.89 - BVerwGE 86, 321 <326> =
Buchholz 236.1 § 8 SG Nr. 1 = NZWehrr 1991, 32, vom 28. Januar 2004
- BVerwG 2 WD 13.03 - BVerwGE 120, 105 <107> = Buchholz 236.1 § 10 SG
Nr. 53 = NZWehrr 2004, 169, vom 22. März 2006 - BVerwG 2 WD 7.05 - Buch-
holz 450.2 § 107 WDO 2002 Nr. 2 jeweils m.w.N.
und Urteil vom 26. September 2006 - BVerwG 2 WD 2.06 - BVerwGE 127, 1
<22> = Buchholz 449 § 10 SG Nr. 55 = NZWehrr 2007, 79). Denn die Anforde-
rungen an die insoweit von den Soldatinnen und Soldaten geforderte „Treue“
(zum Dienstherrn Bundesrepublik Deutschland) werden in der rechtsstaatlichen
parlamentarischen Demokratie des Grundgesetzes, in der - anders als in der
absolutistischen oder konstitutionellen Monarchie - ein monarchischer „Souve-
rän“ als personelles Bezugsobjekt für die Treueverpflichtung nicht (mehr) zur
Verfügung steht, in erster Linie durch den vom Volk, von dem gemäß Art. 20
Abs. 2 Satz 1 GG „alle Staatsgewalt“ ausgeht, gewählten Gesetzgeber und in-
nerhalb dieses Rahmens von der parlamentarisch verantwortlichen Exekutive
32
- 15 -
festgelegt (vgl. dazu u.a. Urteil vom 22. August 2007 - BVerwG 2 WD 27.06 -
DokBer 2008, 16). Die Pflicht zum „treuen Dienen“ gehört zu den zentralen
Pflichten eines Soldaten. Ihre Verletzung hat in der Regel schon deshalb erheb-
liches Gewicht. Sie ist gerade bei solchen Vorgängen, die erfahrungsgemäß
schwer kontrolliert werden können, von besonderer Bedeutung. Beim Umgang
mit öffentlichem Geld und Gut ist die Bundeswehr auf die Ehrlichkeit und Zuver-
lässigkeit ihrer Soldaten in hohem Maße angewiesen. Erfüllt ein Soldat in straf-
barer Weise diese dienstlichen Erwartungen nicht, so stört er das Vertrauens-
verhältnis zu seinem Dienstherrn nachhaltig und begründet ernsthafte Zweifel
an seiner Zuverlässigkeit und Integrität. Auch die Öffentlichkeit hat kein Ver-
ständnis dafür, wenn ein Soldat durch unrichtige Angaben in Reisebeihilfean-
trägen die Gefahr begründet, dass ihm nicht zustehende öffentliche Mittel aus-
gezahlt werden.
Aber auch die Verletzungen der Pflicht zur Wahrheit (§ 13 Abs. 1 SG) sowie der
in § 17 Abs. 2 Satz 1 SG normierten Pflicht jedes Soldaten, dem Ansehen der
Bundeswehr sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein
Dienst als Soldat erfordert, beziehen sich nicht auf bloße Nebenpflichten; diese
Pflichten haben wegen ihres funktionellen Bezugs auf den militärischen Dienst-
betrieb erhebliche Bedeutung. Die Wahrheitspflicht bezieht sich nach dem aus-
drücklichen Wortlaut des § 13 Abs. 1 SG auf „dienstliche Angelegenheiten“
schlechthin, also nicht nur auf den eigentlich militärischen Bereich, sondern
auch auf alle mit dem Dienst zusammenhängenden Vorgänge (Urteile vom
27. Januar 1983 - BVerwG 2 WD 25.82 - BVerwGE 76, 54 <59>, vom
23. November 1989 - BVerwG 2 WD 50.86 - BVerwGE 86, 218 <222>
= NZWehrr 1990, 119, vom 19. März 1991 - BVerwG 2 WD 50.90 - BVerwGE
93, 52 <54>, vom 27. April 1994 - BVerwG 2 WD 38.93 - BVerwGE 103, 104
<107> = NZWehrr 1994, 213 und vom 19. April 2007 - BVerwG 2 WD 7.06 -
Buchholz 450.2 § 38 WDO Nr. 21 ). Die Bedeu-
tung kommt schon darin zum Ausdruck, dass die in keinem anderen gesetzli-
chen Pflichtenkatalog ausdrücklich normierte Wahrheitspflicht für Soldaten ge-
setzlich geregelt ist. Ein Soldat, der gegenüber Vorgesetzten oder Dienststellen
der Bundeswehr eine unwahre Erklärung abgibt, büßt hierdurch allgemein in
seiner Glaubwürdigkeit ein (vgl. Urteile vom 24. Juni 1992 - BVerwG 2 WD
33
- 16 -
62.91 - BVerwGE 93, 265 <269> = NZWehrr 1993, 76 und vom 18. Juni 2003
- BVerwG 2 WD 50.02 - Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 6). Eine militäri-
sche Einheit kann nicht ordnungsgemäß geführt werden, wenn sich die Führung
und die Vorgesetzten nicht auf die Richtigkeit abgegebener Meldungen, Erklä-
rungen und Aussagen Untergebener verlassen können. Denn auf ihrer Grund-
lage müssen im Frieden und erst recht im Einsatzfalle gegebenenfalls Ent-
schlüsse von erheblicher Tragweite gefasst werden (stRspr, vgl. u.a. Urteile
vom 27. Januar 1983 - BVerwG 2 WD 25.82 - BVerwGE 76, 54 <59> =
NZWehrr 1984, 69, vom 27. April 1994 a.a.O., vom 18. Juni 2003 a.a.O. und
vom 18. September 2003 - BVerwG 2 WD 3.03 - BVerwGE 119, 76 = Buchholz
235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 11 = NZWehrr 2005, 122). Wer in Anträgen auf Rei-
sekostenbeihilfe gegenüber der Truppenverwaltung in betrügerischer Absicht
unrichtige Angaben macht, lässt unmissverständlich erkennen, dass seine Be-
reitschaft zur Erfüllung der Wahrheitspflicht nicht in dem gebotenen Umfang
vorhanden ist. Eine solche Dienstpflichtverletzung und die daraus folgende Be-
schädigung seiner persönlichen Integrität haben gravierende Bedeutung für die
gesamte militärische Verwendungsfähigkeit des betreffenden Soldaten.
Der nach §§ 58 Abs. 7, 38 Abs. 1 WDO zu berücksichtigende Unrechtsgehalt
der in Rede stehenden Pflichtverletzungen nach § 7 SG sowie nach § 13 Abs. 1
und § 17 Abs. 2 Satz 1 SG hängt jedoch maßgeblich von den konkreten Um-
ständen des Einzelfalles ab. Denn § 38 Abs. 1 WDO stellt zur Bestimmung von
Eigenart und Schwere auf das konkrete Dienstvergehen ab (vgl. dazu Urteile
vom 1. April 2003 - BVerwG 2 WD 48.02 -, vom 18. September 2003 a.a.O.).
Zu Lasten des früheren Soldaten fällt hier zunächst ins Gewicht, dass er seine
Wahrheitspflicht nicht nur in einem Antrag auf Reisebeihilfe, sondern - in einem
einheitlichen Vorgang - in drei Anträgen verletzte.
Ferner ist erschwerend zu berücksichtigen, dass der frühere Soldat aufgrund
seines Dienstgrades als Stabsfeldwebel eine besonders herausgehobene Vor-
gesetztenstellung innehatte (§ 1 Abs. 5 SG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3
VorgV). Als Vorgesetzter soll er gemäß § 10 Abs. 1 SG in seiner Haltung und
Pflichterfüllung ein Beispiel geben. Zur Anwendung der Vorschrift ist nicht erfor-
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derlich, dass der Soldat es innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnis-
ses an Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es reicht aus, dass er aufgrund sei-
nes Dienstgrades Vorgesetztenfunktionen ausüben kann (vgl. dazu u.a. Urteile
vom 13. März 2003 - BVerwG 2 WD 2.03 - Buchholz 235.01 § 84 WDO 2002
Nr. 2 = NZWehrr 2003, 170 und vom 24. November 2005 - BVerwG 2 WD
32.04 - NZWehrr 2006, 127; Scherer/Alff, SG, 7. Aufl. 2003, § 10 Rn. 3 m.w.N.).
bb) Zugunsten des früheren Soldaten ist zu berücksichtigen, dass sein Dienst-
vergehen relativ geringfügige konkrete Auswirkungen hatte.
Da die strafbare Betrugshandlung (Einreichung der drei objektiv unrichtigen An-
träge) über das Versuchsstadium nicht hinausgelangte, führte das Dienstverge-
hen zu keiner Schädigung des Vermögens des Dienstherrn. Selbst wenn der
Zeuge Sch. aufgrund der von der Angestellten T. gemachten Angaben die in
Rede stehenden drei Anträge nicht beanstandet und nicht zurückgewiesen hät-
te, wäre im Falle einer Bewilligung und Auszahlung der Reisebeihilfen nach den
den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen der Truppendienstkammer
sowie nach den ergänzenden Angaben des Zeugen Sch. in der Berufungs-
hauptverhandlung ein Vermögensschaden in Höhe von 33 € entstanden. Dieser
trat aber aufgrund der Aufdeckung des Fehlverhaltens nicht ein. Die durch das
strafbare Verhalten des früheren Soldaten bewirkte Vermögensgefährdung ging
über den Betrag von 33 € nicht hinaus.
Nach den glaubhaften Bekundungen des damaligen Disziplinarvorgesetzten,
des in der Berufungshauptverhandlung ergänzend vernommenen Zeugen T.,
wurde der Vorfall - außerhalb des in der Truppenverwaltung damit befassten
Personenkreises - „nach außen“ nicht bekannt. Gegenteilige Feststellungen
sind hierzu von der Truppendienstkammer nicht getroffen worden. In der ...
Schule haben, so der Zeuge, nur die unmittelbar dienstlich mit dem Vorgang
Befassten (Kompaniechef, Kompaniefeldwebel, Kommandeur) davon Kenntnis
erlangt. Negative Reaktionen von Kameraden des früheren Soldaten sind, wie
der Zeuge T. vor dem Senat nachvollziehbar und glaubhaft dargelegt hat, nicht
erfolgt oder jedenfalls nicht erkennbar geworden. Auch in der Öffentlichkeit
wurde der Vorfall nicht bekannt.
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Personalwirtschaftliche Maßnahmen wurden seitens der zuständigen Stellen
nach Bekanntwerden der Dienstpflichtverletzungen nicht veranlasst. Die dama-
ligen Vorgesetzten hielten ungeachtet der durch das Dienstvergehen bewirkten
Beeinträchtigung der persönlichen Integrität des früheren Soldaten seine Weg-
kommandierung oder Versetzung nicht für erforderlich und geboten. Dement-
sprechend wurde er auch weiterhin als Personalfeldwebel und Stabsdienstfeld-
webel verwendet. Nach ausgiebiger Beratung entschieden sich sowohl sein
damaliger unmittelbarer Disziplinarvorgesetzter, der Zeuge T., als auch der
Kommandeur der ... Schule dazu, ihn angesichts der nur noch relativ kurzen
Restdienstzeit weiterhin im bisherigen Verwendungsbereich einzusetzen. An-
gesichts ihres fortbestehenden, wenn auch eingeschränkten, Vertrauens in die
persönliche Integrität des früheren Soldaten hielten sie eine verstärkte Dienst-
aufsicht für ausreichend, um sicherzustellen, dass der frühere Soldat seine
dienstlichen Pflichten in der verbleibenden Restdienstzeit uneingeschränkt er-
füllte. In dieser Erwartung und Einschätzung sind sie durch das nachfolgende
beanstandungsfreie Verhalten des früheren Soldaten bis zu seinem mit Ablauf
des 30. Juni 2006 erfolgten Ausscheiden aus dem Dienst in vollem Umfang
bestätigt worden.
cc) Das Maß der Schuld des früheren Soldaten wird durch die festgestellte vor-
sätzliche Begehungsweise geprägt. Bei der Bemessung des Verschuldensgra-
des ist insoweit jedoch zu beachten, dass die für die Verfolgung von Straftaten
zuständige Staatsanwaltschaft das strafrechtliche Ermittlungsverfahren durch
Verfügung vom 31. Oktober 2005 nach § 153a StPO, mithin aufgrund fehlender
„Schwere der Schuld“ des früheren Soldaten, einstellte.
Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der frühere Soldat zum Zeitpunkt des
Dienstvergehens in seiner Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB einge-
schränkt oder gar im Sinne des § 20 StGB schuldunfähig war, sind nicht ersicht-
lich.
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Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die die Schuld des Soldaten min-
dern würden, sind nicht erkennbar geworden. Sie wären nach der ständigen
Rechtsprechung des Senats dann gegeben, wenn die Situation, in der der Sol-
dat versagt hat, von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet
war, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwar-
tet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte (vgl. u.a. Urteile vom
18. März 1997 - BVerwG 2 WD 29.95 - BVerwGE 113, 70 = Buchholz 235.0
§ 34 WDO Nr. 28 = NZWehrr 1997, 212 und vom
6. Mai 2003 - BVerwG 2 WD 29.02 - BVerwGE 118, 161 = Buchholz 235.01
§ 107 WDO 2002 Nr. 1 = NZWehrr 2004, 31
m.w.N.). Die Voraussetzungen für das Vorliegen solcher Milderungsgründe sind
hier nicht erfüllt.
Namentlich der Milderungsgrund einer unbedachten persönlichkeitsfremden
Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten
liegt nicht vor. Der frühere Soldat hatte sowohl aufgrund des vorherigen Telefo-
nats als auch nach dem anschließenden persönlichen Gespräch mit dem Zeu-
gen Sch. beim Ausfüllen der Reisebeihilfeanträge hinreichend Zeit, sich die
Formulare jeweils genau durchzulesen und die erbetenen Angaben richtig ein-
zutragen. Soweit ihm einzelne Fragen unklar waren, war er gehalten, gegebe-
nenfalls bei seinen Vorgesetzten oder bei den Zuständigen der Truppenverwal-
tung um Aufklärung und Unterstützung zu bitten. Dies hat er nach den getroffe-
nen Feststellungen auch beim Zeugen Sch., dem Leiter der Truppenverwaltung,
getan. Außerdem wurde von ihm gefordert, ausdrücklich mit seiner Unterschrift
die inhaltliche Richtigkeit seiner Angaben zu versichern. Der frühere Soldat
kann sich nicht darauf berufen, er habe die Warnfunktion der entsprechenden
Hinweise in den Antragsformularen nicht ernst genommen. Aufgrund seiner
Ausbildung, seiner dienstlichen Stellung als langjähriger und erfahrener Perso-
nalfeldwebel sowie seines Dienstgrades konnte und musste von ihm erwartet
werden, dass er die für die Antragstellung erforderlichen tatsächlichen Angaben
zutreffend in das Formular eintrug und erst dann deren Vollständigkeit und
Richtigkeit durch seine Unterschrift ausdrücklich versicherte. Angesichts dessen
kann bei dem vorsätzlich erfolgten unrichtigen Ausfüllen der drei Reisebeihilfe-
anträge und bei ihrer Übergabe an den Zeugen Sch. von einer unbedachten
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persönlichkeitsfremden Augenblickstat nicht die Rede sein. Das wiederholte
Fehlverhalten erfolgte gerade nicht in einer Augenblickssituation, in der der
Soldat spontan und kopflos gehandelt hätte. Daran vermag auch der Umstand
nichts zu ändern, dass der frühere Soldat am folgenden Tag in Urlaub gehen
wollte.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich der frühere Soldat bei seinem Fehlverhal-
ten unverschuldet einer außergewöhnlichen situationsgebundenen Erschwernis
bei der Erfüllung eines dienstlichen Auftrags gegenübersah (vgl. dazu u.a. Ur-
teile vom 28. Januar 1999 - BVerwG 2 WD 17.98 - Buchholz 236.1 § 12 SG
Nr. 8 und vom 6. Mai 2003 a.a.O.).
Konkrete Anhaltspunkte für ein den früheren Soldaten teilweise entlastendes
Mitverschulden von Vorgesetzten - etwa im Hinblick auf eine nicht hinreichende
Wahrnehmung der Dienstaufsicht (vgl. dazu Urteile vom 19. September 2001
- BVerwG 2 WD 9.01 - Buchholz 236.1 § 10 SG Nr. 48
licht>, vom 17. Oktober 2002 - BVerwG 2 WD 14.02 - Buchholz 236.1 § 12 SG
Nr. 19, vom 13. März 2003 - BVerwG 1 WD 4.03 - Buchholz 235.01 § 38 WDO
2002 Nr. 2 und vom 6. Mai 2003 a.a.O.) - sind ebenfalls nicht erkennbar. Es war
allein Sache des früheren Soldaten, in seinen Reisebeihilfeanträgen zutreffende
tatsächliche Angaben zur Identität der Reisenden und zum Zeitpunkt der Rei-
sen zu machen. Er konnte und kann nicht beanspruchen, dass etwa der Leiter
der Truppenverwaltung oder seine Vorgesetzten von sich aus die für die An-
tragsbearbeitung maßgeblichen Daten ermittelten und ihm bei der Ausfüllung
der Formulare gleichsam „die Hand führten”. Sie standen nach Maßgabe ihrer
dienstlichen Pflichten für Rückfragen zur Verfügung, waren jedoch nicht gehal-
ten, ohne eine solche Rückfrage von sich aus den früheren Soldaten nach mög-
lichen Unklarheiten zu befragen oder solche gar zu unterstellen.
Sonstige außergewöhnliche Besonderheiten, wonach ein an normalen Maßstä-
ben orientiertes Verhalten vom früheren Soldaten nicht mehr erwartet und nicht
vorausgesetzt werden konnte, sind nicht erkennbar.
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dd) Das unrichtige Ausfüllen der Reisebeihilfeanträge durch den früheren Sol-
daten erfolgte offenkundig eigennützig. Der frühere Soldat wollte erkennbar un-
geachtet der damals für ihn noch ungeklärten Abrechnungsfähigkeit der Be-
suchsreisen seiner Lebensgefährtin jedenfalls die für die Reisen am 29./30. Ap-
ril, 13./14. Mai und am 28./29. Mai 2005 aufgewendeten Kosten über seine Kin-
der zumindest teilweise erstattet erhalten, obwohl ihm diese nicht zustanden.
ee) Im Hinblick auf die bisherige Führung und die Persönlichkeit des früheren
Soldaten liegen erhebliche Milderungsgründe in der Person vor. Zu seinen
Gunsten ist insbesondere zu berücksichtigten, dass er in seiner Dienstzeit aus-
weislich der letzten vorliegenden planmäßigen Beurteilung vom 31. Juli 2000
ansprechende dienstliche Leistungen erbrachte. Dies kommt in der Bewertung
der Persönlichkeit des früheren Soldaten durch seinen damaligen Disziplinar-
vorgesetzten, den Kommandeur .... bzw. ..../... Schule der Luftwaffe, eindeutig
zum Ausdruck, in der es heißt:
„HptFw B. ist ein profilierter und äußerst gewissenhafter
Berufsunteroffizier, auf den jederzeit und in allen Lagen
Verlass ist. Als lebens- und berufserfahrene, gereifte und
gestandene Persönlichkeit wird mit allen Situationen aus-
gesprochen selbständig fertig und meistert durch Über-
blick und Verantwortungsbewusstsein alle auftretenden Si-
tuationen vorbildhaft. Ausgeprägtes Fachwissen, Teambe-
fähigung und hohe Leistungsbereitschaft lassen ihn weit
überdurchschnittliche Arbeitsergebnisse erzielen. Sein
Auftreten ist stets korrekt, er ist ausgesprochen höflich
und hilfsbereit und integriert sich ohne ‚Wenn und Aber’ in
die soldatische Gemeinschaft. Notwendige Entscheidun-
gen - auch unliebsame - werden sehr eigenständig her-
beigeführt und auf allen Ebenen konsequent umgesetzt.
Seine fachliche Autorität ist dabei von Offenheit und Ge-
radlinigkeit geprägt. HptFw B. gehört zur absoluten Spitze
der Unteroffiziere mit Portepee der neuen II. Lehrgruppe
und verdient uneingeschränkte Förderung.“
Der Leumundszeuge Oberstleutnant T. hat zudem sowohl vor der Truppen-
dienstkammer als auch in der Berufungshauptverhandlung die ansprechende
Qualität der dienstlichen Leistungen des früheren Soldaten für die Folgezeit
ausdrücklich bestätigt. Nach den glaubhaften Bekundungen des Zeugen versah
der frühere Soldat seinen Dienst durchweg motiviert und zeigte - abgesehen
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von dem festgestellten Dienstvergehen - keine negativen Auffälligkeiten. Er ha-
be seine dienstlichen Aufgaben fachlich „profiliert“ und „zur vollsten Zufrieden-
heit“ seiner Vorgesetzten erfüllt. Auch nach dem Bekanntwerden der Dienst-
pflichtverletzungen habe sich der frühere Soldat „nicht hängen lassen“, sondern
weiterhin „gute Arbeit“ geleistet.
Zu berücksichtigen ist ferner, dass der frühere Soldat vor dem hier in Rede ste-
henden Fehlverhalten vom 5. Juni 2005 strafrechtlich nicht in Erscheinung ge-
treten war.
Zwar war bereits am 29. November 2004 und damit vor dem hier in Rede ste-
henden, am 5. Juni 2005 begangenen Dienstvergehen gegen den früheren Sol-
daten durch den Kommandeur ..../... Schule der Luftwaffe ... wegen einer ande-
ren schuldhaften Dienstplichtverletzung eine Disziplinarbuße in Höhe von 100 €
auf Bewährung verhängt worden. Ausweislich der Erläuterungen im Auszug aus
dem Disziplinarbuch ging es dabei um einen verspätet eingereichten Korrektur-
beleg (Gleittag), wodurch es zu „Diskrepanzen mit der elektronischen Zeiterfas-
sung“ kam. Diese einfache Disziplinarmaßnahme konnte jedoch im vorliegen-
den Verfahren gemäß § 8 Abs. 7 WDO keine Berücksichtigung (mehr) finden,
weil nach § 8 Abs. 2 WDO eine einfache Disziplinarmaßnahme nach drei Jah-
ren zu tilgen ist (Satz 1), wobei die Frist mit dem Tag beginnt, an dem die Dis-
ziplinarmaßnahme verhängt wird (Satz 2). Die hier in Rede stehende Diszipli-
narmaßnahme, gegen die der frühere Soldat keine Beschwerde erhob, ist aus-
weislich des Vermerks des Disziplinarvorgesetzten seit dem 14. Dezember
2004 unanfechtbar, so dass die Tilgungsfrist zum Zeitpunkt des Ergehens des
Urteils bereits abgelaufen war. Eine Unterbrechung der Tilgungsfrist nach § 8
Abs. 2 Satz 3 WDO war nicht eingetreten, weil der frühere Soldat während der
Frist nicht wegen einer anderen Tat rechtskräftig bestraft wurde; denn das
Strafverfahren wurde nach § 153a StPO eingestellt. Gegen ihn wurde innerhalb
der Tilgungsfrist auch keine Disziplinarmaßnahme unanfechtbar verhängt.
Zugunsten des früheren Soldaten ist im vorliegenden gerichtlichen Verfahren zu
berücksichtigen, dass er sich hinsichtlich seines Fehlverhaltens einsichtig und
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letztlich geständig gezeigt sowie bei der Aufklärung der gegen ihn erhobenen
Vorwürfe bereitwillig mitgearbeitet hat.
ff) Unter Würdigung aller be- und entlastenden Umstände des Fehlverhaltens
des früheren Soldaten ist nach dem Ergebnis der Berufungshauptverhandlung
gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 64 i.V.m. § 59 WDO eine Kürzung des Ru-
hegehalts (im mittleren bis oberen Bereich) angemessen und ausreichend. Eine
Herabsetzung des Dienstgrades ist dagegen nicht geboten. Die Verhängung
eines Beförderungsverbotes sieht § 58 Abs. 2 WDO bei früheren Soldaten nicht
vor.
Der erkennende Senat hat in ständiger Rechtsprechung in Fällen, in denen sich
ein Soldat in Vorgesetztenstellung vorsätzlich am Vermögen oder am Eigentum
seines Dienstherrn vergriffen hat, als Ausgangspunkt der Zumessungserwä-
gungen grundsätzlich eine Dienstgradherabsetzung „bis“ in einen Mannschafts-
dienstgrad angenommen (vgl. u.a. Urteile vom 26. April 1983 - BVerwG 2 WD
3.83 - BVerwGE 76, 73 , vom 27. Januar 1987 - BVerwG 2 WD 11.86 -
BVerwGE 83, 273 , vom 23. Oktober 1990 - BVerwG 2 WD 40.90 -
BVerwGE 86, 341 , vom 9. Juli 1991 - BVerwG 2 WD 41.90 - BVerwGE 93,
126 = NZWehrr 1994, 254 und vom 27. August 2003 - BVerwG 2 WD
5.03 - BVerwGE 119, 1 = Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 10 m.w.N.). Er-
folgte der vorsätzliche Zugriff im Bereich der dienstlichen Kernpflichten des Sol-
daten und wurde dadurch bei der gebotenen objektiven Betrachtung eine Fort-
setzung des Dienstverhältnisses für den Dienstherrn unzumutbar, ist eine Ent-
fernung aus dem Dienstverhältnis geboten (stRspr, vgl. u.a. Urteile vom 6. Mai
2003 - BVerwG 2 WD 29.02 - BVerwGE 118, 161 = Buchholz 235.01 § 107
WDO 2002 Nr. 1 = NZWehrr 2004, 31 und vom 27. August 2003 a.a.O.). Auch
bei vorsätzlich versuchter oder vollendeter Schädigung bzw. Gefährdung des
Vermögens des Dienstherrn durch einen Reisekosten- oder Trennungsgeldbe-
trug hat der Senat in seiner - früheren - Rechtsprechung als Ausgangspunkt der
Zumessungserwägungen stets eine Dienstgradherabsetzung „bis“ in einen
Mannschaftsdienstgrad, gegebenenfalls bei erheblichen Erschwerungsgründen
auch die disziplinare Höchstmaßnahme in Betracht gezogen (vgl. Urteile vom
27. April 1994 - BVerwG 2 WD 38.93 - BVerwGE 103, 104 = NZWehrr 1994,
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213, vom 29. Februar 1996 - BVerwG 2 WD 35.95 - Buchholz 235.0 § 34 WDO
Nr. 13 = § 85 WDO Nr. 1, vom 21. Juni 2000 - BVerwG 2 WD 19.00 - Buchholz
236.1 § 7 SG Nr. 37 = NZWehrr 2001, 33 und vom 26. April 2001 - BVerwG
2 WD 47.00 -). Es bedurfte danach in solchen Fällen ganz erheblicher Milde-
rungsgründe in den Umständen der Tat, um von einer Dienstgradherabsetzung
im Einzelfalle Abstand nehmen zu können.
In seiner neueren Rechtsprechung hat der Senat allerdings aus Gründen der
Gleichbehandlung und der Einheitlichkeit der Rechtsprechung (Art. 3 Abs. 1
GG) in allen Fällen des Zugriffs eines Soldaten auf Vermögen des Dienstherrn,
auch in Gestalt unrichtiger oder unvollständiger Reisekostenabrechnungen, bei
der Bemessung von Art und Höhe der Disziplinarmaßnahme vor allem nach der
Schwere des Dienstvergehens und dem Maß der Schuld differenziert (vgl. u.a.
Urteile vom 18. September 2003 - BVerwG 2 WD 3.03 - BVerwG 119, 76 =
Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 11 = NZWehrr 2005, 122, vom 18. Febru-
ar 2004 - BVerwG 2 WD 11.03 - Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 15 und
vom 22. März 2006 - BVerwG 2 WD 7.05 - Buchholz 450.2 § 107 WDO 2002
Nr. 2). Denn gerade auch im Disziplinarrecht ist das verfassungsrechtlich ge-
währleistete Verhältnismäßigkeitsgebot zu beachten. Dieses ist im Soldaten-
Disziplinarrecht vom Gesetzgeber dahingehend konkretisiert, dass die Bemes-
sung der Disziplinarmaßnahme stets in einem angemessenen Verhältnis zum
Dienstvergehen und seinem Unrechtsgehalt (vgl. § 38 Abs. 1 WDO - „Eigenart
und Schwere”) stehen (vgl. Urteile vom 27. August 2003 a.a.O., vom 18. Febru-
ar 2004 a.a.O. und vom 22. März 2006 a.a.O.) sowie ferner die Auswirkungen
des Dienstvergehens, das Maß der Schuld, die bisherige Führung und die Per-
sönlichkeit sowie die Beweggründe des Soldaten berücksichtigen muss. Des-
halb ist eine Differenzierung nach der Eigenart und Schwere des Dienstverge-
hens sowie nach den weiteren im Gesetz genannten Kriterien der Maßnahme-
bemessung zwingend geboten, und zwar nicht nur nach „oben”, sondern auch
nach „unten”. Davon sind bestimmte Arten von Dienstvergehen, etwa solche zu
Lasten des Vermögens des Dienstherrn, nicht ausgenommen. Das Verhältnis-
mäßigkeitsgebot steht nicht zur Disposition der Wehrdienstgerichte.
56
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Soweit die Truppendienstkammer im angefochtenen Urteil demgegenüber an-
geführt hat, zur Vermeidung einer „privilegierenden“ Ungleichbehandlung von
Soldaten gegenüber in privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen stehenden Arbeit-
nehmern sei unabhängig von den konkreten Auswirkungen des Fehlverhaltens
bei jedem Zeit- oder Berufssoldaten, „der sich zu Lasten seines Dienstherrn
einen rechtswidrigen Vermögensvorteil verschafft bzw. zu verschaffen versucht“
und damit eine „verwerfliche Tat“ begangen hat, „in Fällen der vorliegenden Art
stets eine deutliche Dienstgradherabsetzung zum Ausgangspunkt der Zumes-
sungserwägungen zu machen“, folgt dem der Senat in dieser Pauschalität nicht.
Zwar geht auch der Senat, wie dargelegt, davon aus, dass bei der Schädigung
des Eigentums oder Vermögens des Dienstherrn durch einen Soldaten Aus-
gangspunkt der Zumessungserwägungen stets eine Dienstgradherabsetzung
ist. Eine Differenzierung der gerichtlichen Maßnahmebemessung nach der Ei-
genart und Schwere des Dienstvergehens sowie nach den weiteren in § 58
Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO genannten Kriterien ist jedoch rechtlich zwin-
gend geboten. Angesichts der Unterschiedlichkeit des Unrechtsgehalts, der
Auswirkungen, des Maßes der Schuld des Dienstvergehens sowie der bisheri-
gen Führung, der Persönlichkeit und der Beweggründe des betroffenen Solda-
ten kann diese Differenzierung nicht nur nach „oben” (Degradierung „bis“ in den
Mannschaftsdienstgrad oder Verhängung der Höchstmaßnahme), sondern
muss auch nach „unten”, also zugunsten des betroffenen Soldaten, erfolgen.
Die von der Truppendienstkammer angeführte Rechtsprechung des Bundesar-
beitsgerichts (BAG, Urteil vom 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 -) steht dem
nicht entgegen.
Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung geht überwiegend zwar davon aus (an-
derer Auffassung: u.a. Schwerdtner, in: Münchner Kommentar zum BGB,
4. Aufl. 2005, § 626 Rn. 178 und 185 ff.; Däubler, Das Arbeitsrecht 2, 11. Aufl.
1998, Rn. 1137; Gerhards, BB 1996, 794 <796>), dass von einem Arbeitneh-
mer begangene Eigentums- und Vermögensdelikte zum Nachteil des Arbeitge-
bers an sich geeignet sind, eine außerordentliche („fristlose“) Kündigung zu
rechtfertigen (sog. Prüfung auf der ersten Stufe des § 626 Abs. 1 BGB). Dies
gelte auch dann, wenn es um Gegenstände von geringem Wert gehe. Aber erst
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die Würdigung, ob dem Arbeitgeber deshalb außerdem die Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist bzw. der
vertragsgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung
aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Ver-
tragsteile unzumutbar ist (sog. Prüfung auf der zweiten Stufe des § 626 Abs. 1
BGB), kann zur Feststellung der Berechtigung/Nichtberechtigung der außeror-
dentlichen Kündigung führen (vgl. dazu u.a. Urteile des BAG vom 17. Mai 1984
- 2 AZR 3/83 - AP Nr. 14 zu § 626 BGB, vom 12. August 1999 - 2 AZR 923/98 -
BAGE 92, 184 m.w.N. und vom 11. Dezember 2003 a.a.O. m.w.N.).
Unabhängig davon ist bereits im Ausgangspunkt festzuhalten, dass das Bun-
desverwaltungsgericht im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des
Art. 3 Abs. 1 GG nicht gehalten ist, Dienstvergehen eines Soldaten nach den
gleichen Maßstäben zu beurteilen, die bei Arbeitsvertragsverstößen oder Straf-
taten von Arbeitnehmern von den Arbeitsgerichten angewendet werden. Selbst
abweichende Auslegungen derselben Rechtsnorm durch verschiedene Gerichte
verletzen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG nicht, weil die
Rechtspflege angesichts der verfassungsrechtlichen Garantie der richterlichen
Unabhängigkeit (Art. 92 und 97 Abs. 1 GG) konstitutionell „uneinheitlich“ ist (vgl.
dazu die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, u.a. Be-
schlüsse vom 26. April 1988 - 1 BvR 669, 686, 687/87 - BVerfGE 78, 123
<126> und vom 3. November 1992 - 1 BvR 1243/88 - BVerfGE 87, 273 <278>;
Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. I, Stand: Juni 2007, Art. 3 Abs. 1 Rn. 410).
Entscheidend ist aber letztlich, dass der Rechtsprechung des Senats bei der
disziplinarrechtlichen Würdigung von Dienstvergehen von Soldaten andere
Rechtsnormen zugrunde liegen als der Judikatur der Arbeitsgerichte bei Ver-
mögensdelikten in privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen. Die vom Gesetzgeber
für die Bemessung von gerichtlichen Disziplinarmaßnahmen der Wehrdienstge-
richte getroffenen Regelungen in § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO unter-
scheiden sich sowohl verfahrens- als auch materiellrechtlich grundlegend von
den Rechtsnormen, nach denen sich die Rechtmäßigkeit z.B. einer von einem
Arbeitgeber gegenüber einem Arbeitnehmer ausgesprochenen ordentlichen
oder außerordentlichen Kündigung bemisst. Ob etwa im Falle einer Verletzung
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von Eigentum oder Vermögen des Arbeitgebers durch einen Arbeitnehmer nach
§ 626 BGB eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist oder nicht, ist für die Be-
messung einer gerichtlichen Disziplinarmaßnahme gegen einen Soldaten oder
früheren Soldaten nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO ohne rechtliche
Bedeutung. Es ist Sache des Gesetzgebers, für Pflichtverletzungen in unter-
schiedlichen Rechtsbereichen die rechtspolitische Angemessenheit gleicher
oder unterschiedlicher disziplinarer Sanktionen oder Maßnahmen zu beurteilen
und hierüber zu entscheiden. Die Gerichte sind gemäß Art. 20 Abs. 3 und Art.
97 Abs. 1 GG an diese gesetzgeberischen Entscheidungen, sofern diese nicht
ihrerseits verfassungswidrig sind, gebunden, und zwar auch dann, wenn es bei
den gesetzgeberischen Entscheidungen in den verschiedenen Rechtsbereichen
zu vermeintlichen oder tatsächlichen Wertungswidersprüchen gekommen ist.
Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass auch in der Rechtsprechung der für
das Beamtenrecht zuständigen Senate des Bundesverwaltungsgerichts bei der
Bemessung einer gegen einen Beamten, der das Vermögen oder das Eigentum
des Dienstherrn geschädigt hat, zu verhängenden Disziplinarmaßnahme die
Höhe des angerichteten Schadens Berücksichtigung findet.
Nach der Rechtsprechung des Disziplinarsenats und des 2. Revisionssenats
des Bundesverwaltungsgerichts kann - bei anvertrauten angeeigneten Gegen-
ständen - in Anlehnung an § 248 a StGB (Verfolgung von Diebstahl und Unter-
schlagung geringwertiger Sachen) von der Entfernung eines Beamten aus dem
Dienst dann abgesehen werden, wenn der veruntreute Betrag gering ist und
durch das Dienstvergehen keine weiteren wichtigen öffentlichen oder privaten
Interessen verletzt sind. Bei der Bemessung der Geringwertigkeitsgrenze ging
der Disziplinarsenat zunächst von einem Betrag von 50 DM aus, „ohne damit al-
lerdings eine starre Grenze festzusetzen, wie es auch den Grundsätzen zu
§ 248 a StGB entspricht” (vgl. Urteil vom 24. November 1992 - BVerwG 1 D
66.91 - BVerwGE 93, 314); zwischenzeitlich hat er diesen Wert auf 50 Euro er-
höht (Urteil vom 11. Juni 2002 - BVerwG 1 D 31.01 - BVerwGE 116, 308 =
Buchholz 232 § 54 Satz 2 BBG Nr. 28). Dem ist der 2. Revisionssenat gefolgt
(vgl. u.a. Beschluss vom 22. September 2006 - BVerwG 2 B 52.06 - DÖD 2007,
187). Diese Grundsätze dürften entsprechende Berücksichtigung finden, wenn
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das in Rede stehende Vermögen dem betreffenden Beamten nicht anvertraut
war.
Im vorliegenden Fall war das Vermögen des Dienstherrn, gegen das sich das
Dienstvergehen des früheren Soldaten richtete, diesem nicht anvertraut. Denn
über die Bewilligung und Auszahlung der Reisekostenbeihilfe hatte die Trup-
penverwaltung zu entscheiden. Die in der Rechtsprechung der für das Beamten
recht zuständigen Senate des Bundesverwaltungsgerichts herangezogene „Ba-
gatellgrenze“ ist im vorliegenden Fall nicht erreicht. Ein Vermögensschaden trat
nicht ein; die von dem früheren Soldaten verursachte Vermögensgefährdung
war auf einen Betrag von 33 € gerichtet.
Unter Abwägung aller für und gegen den früheren Soldaten sprechenden Ge-
sichtspunkte kommt als angemessene Maßnahme im vorliegenden Fall nach
der Überzeugung des Senats allein eine Kürzung des Ruhegehalts im mittleren
bis oberen Bereich in Betracht. Eine Herabsetzung des Dienstgrades des aus
der Bundeswehr mit Ablauf des 30. Juni 2006 ausgeschiedenen früheren Sol-
daten ist dagegen angesichts der nicht eingetretenen Vollendung der Straftat,
der relativ geringen konkreten Auswirkungen des Dienstvergehens, des bei ei-
ner Versuchstat ohnehin geringeren Maßes der Schuld sowie wegen der straf-
rechtlichen Unbescholtenheit des früheren Soldaten, seiner ansprechenden
dienstlichen Leistungen und wegen seiner gezeigten Einsicht in sein Fehlver-
halten nicht geboten. Die Verhängung eines Beförderungsverbotes ist bei frühe-
ren Soldaten im Gesetz nicht vorgesehen.
Im Hinblick auf den Zweck des Wehrdisziplinarrechts, zur Aufrechterhaltung
und Wiederherstellung eines geordneten Dienstbetriebs beizutragen (stRspr,
vgl. u.a. Urteile vom 2. Juli 1997 - BVerwG 2 WD 12.97 -, vom 13. Juli 1999
- BVerwG 2 WD 4.99 - Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 30, vom 28. Oktober 2003
- BVerwG 2 WD 8.03 - DokBer 2004, 78 und vom 13. November 2007
- BVerwG 2 WD 20.06 -), sind bei der konkreten Maßnahmebemessung regel-
mäßig sowohl auf den Täter bezogene spezial-, als auch generalpräventive Ge-
sichtspunkte bei der Maßnahmebemessung zu berücksichtigen.
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Da der frühere Soldat bereits mit Ablauf des 30. Juni 2006 aus der Bundeswehr
ausgeschieden ist und sich im Ruhestand befindet, ist eine Dienstgradherab-
setzung zur Pflichtenmahnung aus verwendungsbezogenen spezialpräventiven
Gründen nicht mehr erforderlich. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er künftig
zum Dienst in der Bundeswehr noch herangezogen wird, sind nicht ersichtlich,
auch wenn er weiterhin der Wehrüberwachung unterliegt.
Aber auch generalpräventive Gesichtspunkte erfordern vor allem angesichts
des verminderten Unrechtsgehalts der verletzten Dienstpflichten, der relativ ge-
ringfügigen konkreten Auswirkungen des Dienstvergehens und der gezeigten
Unrechtseinsicht des früheren Soldaten keine Dienstgradherabsetzung. Eine
„Bagatellisierung“ des Dienstvergehens ist damit nicht verbunden. Mit dem vor-
liegenden Urteil wird unmissverständlich festgestellt, dass der frühere Soldat
mit den festgestellten schuldhaften Pflichtverletzungen ein Dienstvergehen be-
gangen hat. Da das Dienstvergehen nach den getroffenen Feststellungen - über
den damit dienstlich unmittelbar befassten Personenkreis hinaus - im dienstli-
chen Umfeld des früheren Soldaten und in der Öffentlichkeit nicht bekannt ge-
worden ist, steht nicht zu befürchten, dass andere Soldaten in ihrem Rechtsbe-
wusstsein und in ihrer Bereitschaft zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer
Dienstpflichten beeinträchtigt werden.
Erfolgte das unrichtige oder unvollständige Ausfüllen und Einreichen eines Rei-
sekostenantrages mit einem geringeren Maß der Schuld (z.B. teils vorsätzlich,
teils fahrlässig), so hat der Senat bereits früher eine Dienstgradherabsetzung
nicht für zwingend geboten gehalten, sondern eine mildere Maßnahme ver-
hängt, zum Beispiel eine Gehaltskürzung (vgl. etwa Urteil vom 16. März 1989
- BVerwG 2 WD 42.88 - DokBer B 1989, 237). Im vorliegenden Fall ist insoweit
zu berücksichtigen, dass die Staatsanwaltschaft unanfechtbar das sachgleiche
Strafverfahren nach § 153a Abs. 1 StPO nach Erfüllung von Auflagen einge-
stellt hat, weil die Schwere der Schuld dem nicht entgegenstand.
Wegen des - gegenüber durchschnittlichen Fällen - objektiv geringeren Ge-
wichts des Dienstvergehens erschiene es aus Gründen der Verhältnismäßigkeit
zudem nicht angemessen, durch eine Dienstgradherabsetzung das Ruhegehalt
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des früheren Soldaten auf unabsehbare Zeit zu kürzen. Bei einem Soldaten im
Ruhestand wirkt sich eine Dienstgradherabsetzung wie eine Kürzung des Ru-
hegehalts auf Dauer aus, weil der davon Betroffene - anders als ein aktiver Sol-
dat - nicht mehr die Möglichkeit hat, seinen früheren Dienstgrad nach erfolgter
Bewährung erneut zu erreichen. Demgegenüber kann ein früherer Soldat auch
nicht auf die abstrakte Möglichkeit eines späteren Gnadengesuchs verwiesen
werden. Denn bereits bei einer Entscheidung über die gebotene und angemes-
sene gerichtliche Disziplinarmaßnahme ist das verfassungsrechtliche und in
§ 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO konkretisierte Verhältnismäßigkeitsgebot
zu beachten. Hierauf besteht ein Anspruch von Rechts wegen, nicht aber erst
im Wege einer Gnadenentscheidung.
Da die Staatsanwaltschaft im vorliegenden Fall unanfechtbar das sachgleiche
Strafverfahren nach § 153a Abs. 1 Satz 5 StPO nach Erfüllung von Auflagen
eingestellt hat, kommt die - an sich gebotene - nach Maßgabe der §§ 58 Abs. 2
Nr. 1, 64, 59 WDO vorzunehmende (befristete) Kürzung des Ruhegehalts nur in
Betracht, soweit dies § 16 Abs. 1 Nr. 2 WDO zulässt. Nach dieser Vorschrift
darf dann, wenn - wie hier - eine Tat nach § 153a Abs. 1 Satz 5 oder Abs. 2
Satz 2 StPO nach Erfüllung von Auflagen nicht mehr als Vergehen verfolgt wer-
den darf, wegen desselben Sachverhalts eine Kürzung des Ruhegehalts nur
verhängt werden, wenn dies zusätzlich erforderlich ist, um die militärische Ord-
nung aufrechtzuerhalten oder wenn durch das Fehlverhalten das Ansehen der
Bundeswehr ernsthaft beeinträchtigt worden ist.
Anders als in dem vom erkennenden Senat mit Urteil vom 22. März 2006 ent-
schiedenen Verfahren (- BVerwG 2 WD 7.05 - Buchholz 450.2 § 107 WDO
2002 Nr. 2) sind vorliegend keine dieser beiden Voraussetzungen erfüllt.
Das Ansehen der Bundeswehr ist durch das festgestellte Fehlverhalten des frü-
heren Soldaten nicht ernsthaft beeinträchtigt worden.
Eine Beeinträchtigung des „Ansehens“ der Bundeswehr, also ihres „guten Rufs“
bei Außenstehenden, liegt dann vor, wenn der betreffende Soldat als „Reprä-
sentant“ der Bundeswehr oder eines bestimmten Truppenteils anzusehen ist
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und sein Verhalten negative Rückschlüsse auf die Streitkräfte als Angehörige
eines - an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG), insbesondere an die Grund-
rechte (Art. 1 Abs. 3 GG) gebundenen - Organs des sozialen und demokrati-
schen Rechtsstaats Bundesrepublik Deutschland (vgl. Urteile vom 28. Septem-
ber 1990 - BVerwG 2 WD 27.89 - BVerwGE 86, 321 <329 f.> = Buchholz 236.1
§ 8 SG Nr. 1 = NZWehrr 1991, 32, und vom 22. August 2007 - BVerwG 2 WD
27.06 - DokBer 2008, 16; Scherer/Alff, SG, 7. Aufl. 2003, § 17 Rn. 25) zulässt.
Der „gute Ruf“ der Bundeswehr bezieht sich namentlich auch auf die Qualität
der Ausbildung, die sittlich-moralische Integrität und die allgemeine Dienstauf-
fassung ihrer Soldatinnen und Soldaten sowie die - an Recht und Gesetz ge-
bundene - militärische Disziplin der Truppe (vgl. u.a. Urteile vom 18. Juli 1995
- BVerwG 2 WD 32.94 - BVerwGE 103, 257 <259> = Buchholz 236.1 § 12 SG
Nr. 2 = NZWehrr 1996, 34 und vom 22. August 2007 a.a.O.; Scherer/Alff,
a.a.O.). Wie sich aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift des § 16
Abs. 1 Nr. 2 WDO („wenn durch das Fehlverhalten das Ansehen der Bundes-
wehr ernsthaft beeinträchtigt wurde …“) ergibt, muss eine Ansehensschädigung
im konkreten Fall tatsächlich eingetreten sein.
Der frühere Soldat war im dargelegten Sinne kein „Repräsentant“ der Bundes-
wehr. Denn er handelte als Antragsteller für drei Reisebeihilfen allein gegen-
über der Truppenverwaltung. Das festgestellte Verhalten wurde zudem nach
den getroffenen Feststellungen bei Außenstehenden nicht bekannt.
Die Verhängung dieser Disziplinarmaßnahme ist auch nicht erforderlich, um die
militärische Ordnung aufrechtzuerhalten. Anders als in dem mit Urteil vom
22. März 2006 vom erkennenden Senat entschiedenen Fall (BVerwG 2 WD
7.05) führte das Fehlverhalten des früheren Soldaten zu keinem Vermögens-
schaden des Dienstherrn. Anders als in jenem Fall wurde der frühere Soldat
auch nicht aufgrund des Dienstvergehens von seinem Dienstposten abgelöst
und wegversetzt. Sein unmittelbarer Disziplinarvorgesetzter und der Komman-
deur der ... Schule hatten das erforderliche Vertrauen in seine persönliche und
dienstliche Integrität nicht gänzlich verloren und setzten ihn bis zu seinem da-
mals in wenigen Monaten bevorstehenden Dienstzeitende weiterhin in seinem
bisherigen Verwendungsbereich ein. Der frühere Soldat bestätigte in der Folge-
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zeit das in ihn gesetzte Vertrauen seiner Vorgesetzten. Angesichts des von ihm
gezeigten Verhaltens nach der Tat und seiner dabei glaubhaft offenbarten Ein-
sicht in sein - von ihm nachdrücklich bedauertes - Fehlverhalten steht jedenfalls
zum allein maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats nicht (mehr)
zu befürchten, dass sich der frühere Soldat ungeachtet der erfolgten strafrecht-
lichen Reaktion und der mit dem vorliegenden Urteil erfolgenden ausdrückli-
chen Feststellung eines Dienstvergehens künftig damit brüsten könnte, er habe
letztlich „obsiegt“. Ebenso wenig steht zu befürchten, dass Angehörige der
Bundeswehr den Eindruck gewinnen könnten, ein Soldat, der demnächst in den
Ruhestand tritt, brauche bei einer im Dienst begangenen (versuchten) Betrugs-
handlung im Zusammenhang mit der Abrechnung von Reisekosten nach sei-
nem Ausscheiden aus der Bundeswehr nicht mehr mit einer disziplinargerichtli-
chen Ahndung zu rechnen.
Damit ist das Verfahren nach § 123 Satz 3 i.V.m. § 108 Abs. 3 WDO wegen des
Verhängungsverbotes (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 WDO) bei gleichzeitiger Feststellung
eines Dienstvergehens einzustellen.
4. Bei einer Einstellung nach § 123 Satz 3 i.V.m. § 108 Abs. 3 und § 16 Abs. 1
Nr. 2 WDO sind die Kosten des Verfahrens gemäß § 138 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4
WDO dem Bund aufzuerlegen, der auch die dem früheren Soldaten notwendi-
gen Auslagen gemäß § 140 Abs. 1 WDO zu tragen hat.
Prof. Dr. Widmaier Dr. Frentz Dr. Deiseroth
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