Urteil des BVerwG vom 27.08.2003

Soldat, Datum, Reisekosten, Mitfahrer

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
Im Namen des Volkes
Urteil
BVerwG 2 WD 5.03
TDG N … VL …/02
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren
gegen
geboren am … in …,
… ., …,
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentli-
chen Hauptverhandlung am 27. August 2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Pietzner,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
sowie
Oberstleutnant Roßmann,
Stabsfeldwebel Schröder
als ehrenamtliche Richter,
Leitender Regierungsdirektor Sandbaumhüter
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Justizobersekretärin von Förster
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 2 -
Auf die Berufung des Soldaten wird das Urteil der
…. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom
12. November 2002 im Ausspruch über die Disziplinarmaß-
nahme geändert.
Gegen den Soldaten wird ein Beförderungsverbot für die
Dauer von zwei Jahren und die Kürzung seiner Dienstbezüge
um ein Zwanzigstel auf die Dauer von zwölf Monaten ver-
hängt.
Die Kosten des Berufungsverfahrens und die dem Soldaten
darin erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem
Bund auferlegt.
G r ü n d e :
I
Der 29 Jahre alte Soldat absolvierte nach dem Besuch der Polytechnischen Ober-
schule von 1980 bis 1990 eine Lehre als Koch, die er im Juli 1993 erfolgreich be-
endete.
Am 4. Oktober 1993 trat er als Eignungsübender mit dem Dienstgrad Hauptgefrei-
ter bei der .../Nachschubbataillon … in A. in die Bundeswehr ein und wurde am
4. Februar 1994 in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Seine
Dienstzeit wurde zunächst auf vier, sodann acht und schließlich auf zwölf Jahre
festgesetzt; sie wird voraussichtlich mit Ablauf des 3. Oktober 2005 enden.
Nach regelmäßigen Zwischenbeförderungen wurde der Soldat mit Wirkung vom
15. Juli 1998 zum Feldwebel und mit Wirkung vom 15. Juli 1999 zum Oberfeldwe-
bel befördert.
Zum 1. Januar 1994 wurde er zur .../Beobachtungsartilleriebataillon … in D. als
Feldkoch versetzt. In der Zeit vom 12. April bis 17. Juni 1994 nahm er am Unterof-
fiziergrundlehrgang - Allgemeinmilitärischer Teil - bei der .../Jägerbataillon … in D.
teil und vom 28. Juni bis 30. September 1994 besuchte er den Unteroffiziergrund-
lehrgang - Militärfachlicher Teil - bei der .../Nachschubschule des Heeres in B.,
- 3 -
den er mit Zeugnis vom 30. September 1994 bestand. Ab 1. Oktober 1994 wurde
er als Feldkochunteroffizier und Truppführer eingesetzt, zum 1. April 1995 mit glei-
cher Verwendung zur .../Beobachtungspanzerartilleriebataillon … in D. versetzt
und ab 1. März 1997 als Verpflegungsfeldwebel und Gruppenführer eingesetzt.
Vom 16. April bis 15. Juli 1998 nahm er am Feldwebellehrgang Nachschub-
dienst/Verpflegung bei der .../Nachschubschule des Heeres in O.-S. teil, den er mit
der Abschlussnote „befriedigend“ bestand. Seit 1. Dezember 1998 ist er als Ver-
pflegungsfeldwebel und Gruppenführer in Braunschweig, derzeit bei der
.../Panzerbataillon (PzBtl) … eingesetzt.
In der planmäßigen Beurteilung von 12. September 2001 beurteilte ihn der Kom-
paniechef .../PzBtl … hinsichtlich seiner Leistungen im Beurteilungszeitraum ein-
mal mit der Wertung „6“, neunmal mit der Wertung „5“ und sechsmal mit der Wer-
tung „4“. In der Eignungs- und Befähigungsbeurteilung setzte der Beurteiler für
„Verantwortungsbewusstsein“, „Geistige Befähigung“ und „Befähigung zur Einsatz-
und Betriebsführung“ jeweils die Wertung der Stufe „C“ und für „Eignung zur Men-
schenführung/Teambefähigung“ die Wertung der Stufe „B“ fest. Zu dem Merkmal
„Verantwortungsbewusstsein“ bewertete er im Einzelnen:
„OFw … ist als Verpflegungsfeldwebel für den StO B. in einer Schlüs-
selposition eingesetzt. Dieser Funktion mit herausgehobener Verant-
wortung wird er in Zusammenarbeit mit seinem militärischen und zivilen
Personal gerecht. Er steht für sein Handeln und die Arbeit des zu-
geordneten Personals stets uneingeschränkt ein. Alle an ihn gestellten
Aufgaben erfüllt er mit dem notwendigen Engagement, zeitgerecht und
vollständig. Zusätzliche Aufträge übernimmt er ebenso selbstverständ-
lich und erledigt sie gewissenhaft.
Er sieht sich selbst weitestgehend in die Aufgabe der Realversorgung
eingebunden und zeigt daher wenig Initiative, über seinen Verantwor-
tungsbereich hinaus aktiv zu werden. Er kann sich stärker engagieren
und im Sinne des Ganzen einbringen.“
Unter „Herausragende charakterlichen Merkmale, Kameradschaft, berufliches
Selbstverständnis, Bewährung im Einsatz und ergänzende Aussagen“ führte der
beurteilende Vorgesetzte aus:
„OFw … ist ein lebensbejahender Soldat, der eine solide Leistungsfä-
higkeit und gute Leistungsbereitschaft an den Tag legt. Seine hohe Be-
lastbarkeit und die Bereitschaft, sich in den Dienst der Sache zu stellen
- 4 -
sind besonders hervorzuheben. Diese lassen auch in Phasen höchsten
Arbeitsanfalles nicht nach.
OFw … identifiziert sich mit seinem Beruf und sieht sich hier als Fach-
mann, der seine Aufgabe im militärischen Gefüge wahrzunehmen hat.
Er verfügt über keine Erfahrung im erweiterten Aufgabenspektrum der
Bundeswehr.
In den Kreis seiner Kameraden ist er voll integriert. Hier tritt er mit
Selbstbewusstsein auf, ohne sich in den Vordergrund zu drängen und
wird anerkannt.“
In der Sonderbeurteilung vom 18. Juli 2003 durch Major K. wurden die Leistungen
des Soldaten in den Einzelmerkmalen neunmal mit „6“, sechsmal mit „5“ und ein-
mal mit „4“ bewertet. Bei Eignung und Befähigung wurde ihm für „Verantwortungs-
bewusstsein“ und „Befähigung zur Einsatz- und Betriebsführung“ jeweils die Wer-
tung „D“ sowie für „Geistige Befähigung“ und „Eignung zur Menschenfüh-
rung/Teambefähigung“ jeweils die Wertung „C“ zuerkannt. Unter „Herausragende
charakterliche Merkmale, Kameradschaft, berufliches Selbstverständnis, Bewäh-
rung im Einsatz und ergänzende Aussagen“ wurde über ihn ausgeführt:
„OFw … ist ein unkomplizierter, höflich auftretender Soldat, der seine
Arbeit ernsthaft angeht und dabei trotzdem einen Schuss Unbeküm-
mertheit ausstrahlt. Er verfügt über ein ausgeprägtes Selbstbewusst-
sein, ist geradlinig im Handeln und versteht es, seine praktischen Erfah-
rungen nutzbringend einzusetzen.
Mit seiner grundsätzlich untadeligen Berufsauffassung steht er voll hin-
ter dem Auftrag der Bundeswehr und vertritt dieses auch gegenüber
anderen.
Er ist bei Vorgesetzten und Untergebenen gleichermaßen anerkannt.
Im Kameradenkreis ist er voll integriert und angemessen hilfs- und
unterstützungsbereit. Offenheit und Toleranz machen ihn darüber hin-
aus zu einem gerne gesuchten Ansprechpartner für jüngere Unteroffi-
ziere, sodass er deren Integration in die Gemeinschaft unterstützt. OFw
… verfügt über keine Erfahrung im erweiterten Aufgabenspektrum der
Bundeswehr.“
Der nächsthöhere Vorgesetzte, Oberstleutnant und Bataillonskommandeur A.,
führte in seiner Stellungnahme aus, er stimme der Beurteilung durch Major K. nur
in groben Zügen zu, er erachte die Beurteilung insgesamt als ausgesprochen
wohlwollend. Diese Stellungnahme war dem Soldaten zum Zeitpunkt der Beru-
fungshauptverhandlung noch nicht eröffnet worden.
Major K., Disziplinarvorgesetzter des Soldaten seit 26. Juni 2001, sagte als Leu-
mundszeuge vor dem Truppendienstgericht aus, der Soldat habe ein gutes orga-
- 5 -
nisatorisches Vermögen und sei der Fachmann auf seinem Gebiet; ihm seien fünf
Unteroffiziere und sechs Soldaten unterstellt, mit denen er sehr gut klar komme;
er, der Soldat, sei jedoch nicht der Führer. Im Kameradenkreis sei er voll integriert
und angesehen, zusammen mit dem „Spieß” und dem Versorgungsfeldwebel sei
er der Geist des Unteroffizierkorps und immer bereit, Sonderveranstaltungen mit
seinen Unteroffizieren auszurichten.
Ausweislich des Auszuges aus dem Disziplinarbuch und der Auskunft aus dem
Zentralregister ist der Soldat bislang weder disziplinar noch strafgerichtlich in Er-
scheinung getreten.
Der Soldat ist berechtigt, seit 22. Oktober 1997 die Schützenschnur in Bronze zu
tragen.
Die Dienstbezüge des ledigen Soldaten berechnen sich aus der 4. Dienst-
altersstufe der Besoldungsgruppe A 7 des Bundesbesoldungsgesetzes und betra-
gen monatlich 1.838,23 € brutto und 1.534,39 € netto. Tatsächlich ausbezahlt
werden ihm 1.359,51 €.
II
Aufgrund einer Abgabe an die Staatsanwaltschaft nach § 33 Abs. 3 WDO durch
den Kompaniechef .../PzBtl … kam es im Mai 2002 zu einem Strafverfahren gegen
den Soldaten bei der Staatsanwaltschaft B. wegen Betruges, das durch Verfügung
der Staatsanwaltschaft (202 Js 21765/02) vom 27. Juni 2002 gemäß § 153 a StPO
vorläufig und nach Zahlung eines Betrages von 400 € am 9. September 2002
endgültig eingestellt wurde.
In dem mit Verfügung des Kommandeurs ... Panzerdivision vom 29. Mai 2002
ordnungsgemäß eingeleiteten sachgleichen gerichtlichen Disziplinarverfahren fand
die ... Kammer des Truppendienstgerichts Nord, ausgehend von der Anschuldi-
gungsschrift vom 25. September 2002, den Soldaten am 12. November 2002 ei-
nes Dienstvergehens schuldig und setzte ihn in den Dienstgrad eines Feldwebels
herab.
- 6 -
Sie traf folgende tatsächliche Feststellungen:
„Für die Teilnahme an einem Lehrgang über Hygienevorschriften in der
Truppenküche war der Soldat als Verpflegungsgruppenführer des
PzBtl … gemeinsam mit dem ihm unterstellen Zeugen L. für die Zeit
vom 11.03 bis 13.03.2002 an die Bundeswehrverwaltungsschule in M.
abgeordnet worden. Der Lehrgang dauerte vom 11.03.2002, 12.00 Uhr,
bis 13.03.2002, 13.00 Uhr. Der Soldat und der Zeuge Lutz vereinbarten,
gemeinsam mit dem PKW des Zeugen L. von B. aus zu diesem Lehr-
gang anzureisen. Entsprechend dieser Absicht traten sie die Hinreise
am 11.03.2002 gegen ca. 07.00 Uhr in der Heinrich der Löwe-Kaserne
in B. an und erreichten M. gegen ca. 11.00 Uhr. Nach Abschluss des
Lehrgangs starteten sie gemeinsam im PKW des Zeugen Lutz gegen
13.00 Uhr von M. und erreichten gegen ca. 16.00 Uhr die Heinrich der
Löwe-Kaserne in B.. Da beide am Donnerstag, dem 14.03., und Freitag,
dem 15.03.2002, Erholungsurlaub hatten, begab sich der Soldat nach
Dienstantritt am Montag, dem 18.03.2002, zu dem Rechnungsführer
des Bataillons, dem Zeugen W., um dort die für die Abrechnung der
Reise erforderlichen Formulare ‚Reisekostenrechnung mit Forderungs-
nachweis für Kommandierungen/Abordnungen bis zu 14 Tagen’ abzu-
holen. Der Zeuge W. händigte dem Soldaten zwei entsprechende For-
mulare aus, die für den Soldaten und den Zeugen L. bestimmt waren.
Auf die Frage des Soldaten, was er an Gepäck anzugeben habe, erwi-
derte der Zeuge W., er solle dort 90 kg eintragen, da schwereres Ge-
päck reisekostenrechtlich nicht berücksichtigt werden könnte. Der Sol-
dat ging anschließend in sein Dienstzimmer im Küchenbereich, um dort
den Antrag auszufüllen. Ob dies gemeinsam mit dem Zeugen L. erfolg-
te oder ob die Eintragungen lediglich abgesprochen wurden, war nicht
mehr festzustellen. Die Kammer war aber davon überzeugt, dass der
Soldat mit dem Zeugen L. die Abfahrts- und Ankunftszeiten in M. und B.
sowie die zurückgelegte Wegstrecke und das mitgenommene Gepäck
abstimmte, weil sonst die vollkommene Identität beider Anträge (mit
Ausnahme des Hubraums des genutzten PKW) und die glatten An-
kunfts- und Abfahrtszeiten nicht erklärlich wären. Bei einer Fahrt von B.
nach M. und zurück ist es nicht denkbar, dass sowohl bei Abfahrt wie
Ankunft jeweils genau die volle Stunde als Zeitpunkt getroffen wird. Im
Einzelnen machte er in seinem Antrag folgende Angaben:
‚Reisekosten
a) Hinreise
Abfahrt von
B.
am (Datum)
11.03.02
Uhrzeit
07.00
Ankunft in
M.
am (Datum)
11.03.02
Uhrzeit
11.00
Bei Benutzung des ei-
- 7 -
genen Kfz
Hubraum
2800 cm
3
Wegstrecke
230 km
Gepäck
90 kg
Bei Mitnahme im Kfz
Fahrer
Dienstantritt
Datum
11.03.02
Uhrzeit
11.00
Dienstende
Datum Uhrzeit
13.03.02 13.00
b) Rückreise
Abfahrt von (Ort)
M.
am (Datum)
13.03.02
Uhrzeit
13.00
Ankunft in
B.
am
13.03.02
Uhrzeit
16.00
Bei Benutzung des ei-
genen Kfz
Hubraum
2800 cm
3
Wegstrecke
230 km
Gepäck
90 kg
Bei Mitnahme im Kfz
Fahrer
Die bei Mitnahme im Kfz eines Kameraden vorgesehne Spalte ‚Bei Mit-
nahme im Kfz’ füllte der Soldat nicht aus. Die ausgefüllte Reisekosten-
rechnung unterschrieb er auf der Rückseite, versicherte mit seiner Un-
terschrift, ‚dass die vorstehenden Angaben richtig und vollständig sind’
und gab ihn bei dem Zeugen W. ab.
Der Zeuge L. füllte das von dem Soldaten empfangene Formular ‚Rei-
sekostenrechnung mit Forderungsnachweis’ wie folgt aus:
‚Reisekosten
a) Hinreise
Abfahrt von
B.
am (Datum)
11.03.02
Uhrzeit
07.00
Ankunft in
M.
am (Datum)
11.03.02
Uhrzeit
11.00
Bei Benutzung des ei-
genen Kfz
Hubraum
1400 cm
3
Wegstrecke
230 km
Gepäck
90 kg
Mitfahrer
(Name, Dienstgrad,
Amtsbez.)
Dienstantritt
Datum
11.03.02
Uhrzeit
11.00
Dienstende
Datum Uhrzeit
13.03.02 13.00
b) Rückreise
Abfahrt von (Ort)
Mölln
am (Datum)
13.03.02
Uhrzeit
13.00
- 8 -
Ankunft in
B.
am
13.03.02
Uhrzeit
16.00
Bei Benutzung des ei-
genen Kfz
Hubraum
1400 cm
3
Wegstrecke
230 km
Gepäck
90 kg
Mitfahrer
grad, Amtsbez.)
Wegstrecke
Der Zeuge L. füllte die bei Benutzung des eigenen Kfz vorgesehene
Spalte ‚Mitfahrer’, in der ein Begleiter angegeben werden kann, nicht
aus. Ob dies in Absprache mit dem Soldaten, seinem Vorgesetzten, er-
folgte, konnte nicht mit letzter Sicherheit aufgeklärt werden, da der
Zeuge insoweit bekundete, die Bedeutung dieser Spalte nicht erkannt
zu haben. Der Zeuge legte den von ihm ausgefüllten und unterschrie-
benen Forderungsnachweis in das für den Postausgang vorgesehene
Fach der Truppenküche, sodass es gleichfalls an den Zeugen W. ge-
langte. Der Zeuge W. rechnete im Vertrauen auf die Richtigkeit der An-
gaben des Soldaten die diesem zustehenden Reisekosten ab, was da-
zu führte, dass dem Soldaten Reisekosten in Höhe von 92,90 € ausge-
zahlt wurden. Bei wahrheitsgemäßen Angaben im Reisekostenerstat-
tungsantrag (Mitfahrt im Kfz des Zeugen L.) hätte er lediglich Anspruch
auf Zahlung von 2 Tagegeldern in Höhe von je 12,00 € (insgesamt
24,00 €) gehabt. Aufgrund der Meldung eines zivilen Mitarbeiters des
PzBtl 24, der der Truppenverwaltung angegeben hatte, dass nach sei-
ner Beobachtung der Soldat und der Zeuge gemeinsam in einem Fahr-
zeug die Reise nach M. angetreten hätten, und der deshalb eine Über-
prüfung der Reisekostenrechnung der beiden Soldaten angeregt hatte,
kam es zu Ermittlungen gegen den Soldaten, die am 29.04.2002 zu ei-
ner ersten Vernehmung durch den Kommandeur PzBtl … führten. In
dieser Vernehmung räumte der Soldat sofort ein, als Mitfahrer im Fahr-
zeug des Zeugen L. die Reise nach M. durchgeführt zu haben. Er bot
an, den Schaden wieder gut zumachen. Daraufhin wurde am
30.04.2002 durch die Truppenverwaltung PzBtl … eine Annahmean-
ordnung in Höhe von 68,90 € erstellt, aufgrund derer der Soldat diesen
Betrag der Bundeswehrkasse erstattete.
Die Kammer war überzeugt, dass der Soldat die Spalte ‚Bei Benutzung
des eigenen Kfz’ bewusst wahrheitswidrig ausgefüllt hat, um in den Ge-
nuss einer Fahrkostenerstattung zu kommen. Der Soldat hat dies be-
stritten und sich eingelassen, er habe längere Zeit keine Reisekosten-
rechnung mehr ausgefüllt, deshalb habe er das Formular so ausgefüllt,
wie er es in der Vergangenheit stets gemacht habe. Bei den bisherigen
Reisen habe er stets seinen eigenen PKW genutzt und dies auch jetzt
entsprechend eingetragen. Er habe sich aber über den Inhalt dieser
Angaben beim Ausfüllen des Formulars keine großen Gedanken ge-
macht. Erst jetzt sei ihm klar geworden, dass er falsche Angaben ge-
macht habe. Diese Einlassung war nach Überzeugung der Kammer ei-
ne nicht glaubwürdige Schutzbehauptung. Das Formular ‚Reisekosten-
- 9 -
rechnung mit Forderungsnachweis’ ist hinsichtlich der Benutzung eines
Kraftfahrzeugs und der Abrechnung dieser Fahrten unmissverständlich.
Durch Fettdruck hervorgehoben wird nach dem Antrag unterschieden
zwischen der Benutzung eines eigenen Kfz und der Mitnahme im Kfz
eines anderen Fahrers. Darüber hinaus wird, dies hat der Zeuge W.
überzeugend und glaubwürdig bekundet, bei nahezu jedem Lehrgang in
einer bis zu zweistündigen Belehrung durch den Rechnungsführer die
Reisekostenerstattung erläutert und dabei auf die Unterschiede in der
Abrechnung einer Mitfahrt und einer im eigenen Kfz durchgeführten
Fahrt hingewiesen. Nach der Bekundung dieses Zeugen treten in der
Praxis häufig Probleme und Fragen bei der Reisekostenabrechnung
auf, die aber in keinem Fall Unklarheiten im Zusammenhang mit der
Benutzung des eigenen Kfz, sondern die Mitnahme von Gepäck oder
den Verlauf der Dienstreise betreffen. Die Kammer hat dem Soldaten
nicht abgenommen, dass er als Oberfeldwebel mit einer Dienstzeit von
mehr als acht Jahren zum Zeitpunkt des Ausfüllens der Anträge und mit
der Erfahrung der wiederholten Teilnahme an Lehrgängen den Unter-
schied zwischen der Benutzung des eigenen Kfz und der Mitnahme im
Kfz eines Kameraden nicht kannte. Die Kammer hielt es auch für aus-
geschlossen, dass er die Spalte ‚Bei Mitnahme im Kfz’ übersehen hat.
Diese Spalte liegt unmittelbar unter der Spalte ‚Bei Benutzung des ei-
genen Kfz’ und unmittelbar über der Spalte ‚Dienstantritt - Dienstende’,
die beide durch den Soldaten ausgefüllt wurden. Gerade wenn der Sol-
dat längere Zeit keine Reisekostenrechnung ausgefüllt hat, ist davon
auszugehen, dass er das Formular Spalte für Spalte durchgehen muss-
te. Hierbei musste sein Blick zwangsläufig auf die Spalte ‚Bei Mitnahme
im Kfz’ fallen. Der Soldat hatte in der Spalte ‚Bei Benutzung des eige-
nen Kfz’ darüber hinaus konkrete Angaben zum Hubraum des benutz-
ten PKW, zur Wegstrecke und zum Gepäck zu machen. Bei der Anga-
be dieser Einzelheiten war dem Soldaten klar, dass die Angabe des
Hubraums und der Wegstrecke nur dann Sinn macht, wenn durch die
Benutzung des eigenen Kfz Unkosten entstanden sind. Diese Angaben
hat der Soldat deshalb ganz bewusst und nicht aus Versehen gemacht.
Nach seiner Einlassung und den Bekundungen des Zeugen W. hat er
den Zeugen hinsichtlich des Gewichts des mitgeführten Gepäcks be-
fragt. Hätte er tatsächlich Zweifel hinsichtlich der sonstigen in der Spal-
te vorzunehmenden Angaben gehabt, hätte es sich aufgedrängt, auch
hinsichtlich dieser Angaben den Zeugen zu befragen.“
Die Truppendienstkammer wertete die Eintragung wahrheitswidriger Angaben in
der Reisekostenrechnung in der Absicht, dadurch eine Überzahlung zu bewirken,
als Verstoß gegen die Pflicht, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen (§ 7
SG). Diese Pflicht beinhalte, dass der Soldat alles zu unterlassen habe, was dem
Dienstherrn einen Schaden zufüge. Hier habe er durch unwahre Angaben eine um
68,90 € überhöhte Auszahlung von Reisekosten erlangt. Darüber hinaus habe er
durch seine wahrheitswidrigen Angaben seine Pflicht verletzt, in dienstlichen An-
- 10 -
gelegenheiten die Wahrheit zu sagen (§ 13 Abs. 1 SG). Insgesamt sei er auch der
Achtung und dem Vertrauen nicht gerecht geworden, die sein Dienst als Soldat
erfordere (§ 17 Abs. 2 Satz 1 WDO). Der Soldat habe gewusst und gewollt, was er
tue und somit vorsätzlich seine Pflichten verletzt und insgesamt ein Dienstverge-
hen gemäß § 23 Abs. 1 SG begangen.
Zur Maßnahmebemessung führte die Kammer im Wesentlichen aus:
Das Dienstvergehen des Soldaten wiege schwer. Ausgangspunkt der Zumes-
sungserwägungen sei mindestens eine Dienstgradherabsetzung, bei erheblichen
Erschwerungsgründen sei auch die disziplinare Höchstmaßnahme in Betracht zu
ziehen. Die Kammer habe im vorliegenden Fall die Dienstgradherabsetzung zum
Ausgangspunkt ihrer Zumessungserwägungen machen müssen. Milderungsgrün-
de in der Tat, die ein Absehen von dieser nach Eigenart und Schwere gebotenen
Disziplinarmaßnahme zugelassen hätten, seien nicht erkennbar gewesen. Die für
den Soldaten sprechenden Milderungsgründe in seiner Person hätten die Kammer
veranlasst, eine Dienstgradherabsetzung in den Dienstgrad eines Feldwebels zur
angemessenen Ahndung des Fehlverhaltens als ausreichend anzusehen.
Gegen dieses ihm am 25. November 2002 zugestellte Urteil hat der Soldat mit
Schriftsatz vom 12. Dezember 2002, beim Truppendienstgericht eingegangen am
17. Dezember 2002, Berufung eingelegt.
Zur Begründung hat er vorgetragen:
„Ich lege Berufung, gegen die Herabsetzung des Dienstgrades, vom
Oberfeldwebel zum Feldwebel ein, da … meines Erachtens eine Un-
gleichbehandlung bei der Fällung des Urteils vorliegt.
Da der SU L., für den gleichen Sacherhalt, nur über Kompanieebene
bestraft wurde und in meinem Falle eine Dienstgradherabsetzung bean-
tragt/entschieden wurde, sehe ich die Härte des Urteils als nicht ge-
rechtfertigt an.“
- 11 -
III
1. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, ihre Förmlichkeiten sind gewahrt
(§ 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WDO). Die Berufung ist noch
hinreichend begründet.
2. Das Rechtsmittel des Soldaten ist nach dem maßgeblichen Inhalt seiner Be-
gründung auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkt worden. Der
Senat hat daher die Tat- und Schuldfeststellungen sowie die rechtliche Würdigung
der Truppendienstkammer seiner Entscheidung zugrunde zu legen und unter Be-
achtung des Verschlechterungsverbots nur noch über die angemessene Diszipli-
narmaßnahme zu befinden (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. §§ 327, 331 Abs. 1
StPO).
3. Die Berufung des Soldaten hatte Erfolg. Das Truppendienstgericht hat das
Dienstvergehen des Soldaten zu hart geahndet.
Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38
Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkun-
gen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Be-
weggründe des Soldaten zu berücksichtigen.
a) Das Dienstvergehen des Soldaten wiegt nicht leicht. Dies ergibt sich aus der
Bedeutung der verletzten Pflichten. Ein Zeit- oder Berufssoldat, der sich zu Lasten
seines Dienstherrn einen rechtswidrigen Vermögensvorteil verschafft, begeht eine
verwerfliche Tat. Die Bundeswehr ist auf die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer
Soldaten beim Umgang mit öffentlichem Geld und Gut in hohem Maße angewie-
sen, weil sie ihre Angehörigen nicht ständig und überall überwachen kann; sie
muss gerade bei solchen Vorgängen, die erfahrungsgemäß schwer kontrolliert
werden können, auf die Einhaltung besonderer Genauigkeit bestehen. Erfüllt ein
Soldat diese Erwartungen nicht, sondern täuscht er aus eigennützigen Beweg-
gründen vorsätzlich seinen Dienstherrn, um ungerechtfertigt Zuwendungen zu er-
halten, so stört er das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn nachhaltig und
begründet ernsthafte Zweifel an seiner Zuverlässigkeit, Integrität und Loyalität.
- 12 -
Erschwerend ist zu Lasten des Soldaten zu berücksichtigten, dass er in seiner
Reisekostenrechnung die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben versi-
chert hat. Die Wahrheitspflicht hat gerade im militärischen Bereich besondere Be-
deutung. Sie bezieht sich nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 13 Abs. 1 SG
auf „dienstliche Angelegenheiten“ schlechthin, also nicht nur auf den eigentlich
militärischen Bereich, sondern auch auf alle mit dem Dienst zusammenhängenden
Vorgänge, beispielsweise Zahlungsvorgänge im Rahmen der besoldungsrechtli-
chen Nebenalimentation (Urteile vom 27. Januar 1983 - BVerwG 2 WD 25.82 -
, vom 23. November 1989 - BVerwG 2 WD 50.86 -
, vom 19. März 1991 - BVerwG 2 WD 50.90 -
103, 104 = NZWehrr 1994, 213 = ZBR 1994, 317>). Das kommt schon darin zum
Ausdruck, dass die in keinem anderen gesetzlichen Pflichtenkatalog ausdrücklich
normierte Wahrheitspflicht für Soldaten gesetzlich geregelt ist (§ 13 Abs. 1 SG).
Eine militärische Einheit kann nämlich nicht geführt werden, wenn die Führung
sich nicht auf die Richtigkeit abgegebener Meldungen, Erklärungen und Aussagen
verlassen kann. Denn auf ihrer Grundlage müssen im Frieden und erst recht im
Verteidigungsfall ggf. Entschlüsse vor erheblicher Tragweite gefasst werden. Ein
Soldat, der gegenüber Vorgesetzten und Dienststellen der Bundeswehr unwahre
Erklärungen abgibt, büßt hierdurch allgemein seine Glaubwürdigkeit ein (vgl. Urteil
vom 27. April 1994 - BVerwG 2 WD 38.93 -
213>).
Der erkennende Senat hat in ständiger Rechtsprechung in Fällen, in denen sich
ein Soldat in Vorgesetztenstellung am Vermögen oder am Eigentum seines
Dienstherrn vergriffen hat, als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen
grundsätzlich eine Dienstgradherabsetzung bis in einen Mannschaftsdienstgrad
angenommen (vgl. u.a. Urteile vom 26. April 1983 - BVerwG 2 WD 3.83 -
, vom 27. Januar 1987 - BVerwG 2 WD 11.86 -
83, 273 [f.]>, vom 23. Oktober 1990 - BVerwG 2 WD 40.90 -
[f.]>, vom 9. Juli 1991 - BVerwG 2 WD 41.90 -
1994, 254>, vom 29. Februar 1996 - BVerwG 2 WD 35.95 -
WDO Nr. 13 = § 85 WDO Nr. 1> und vom 27. Oktober 1998 - BVerwG 2 WD
14.98 - ). Erfolgte der Zugriff im
- 13 -
Bereich der dienstlichen Kernpflichten des Soldaten und wurde dadurch bei der
gebotenen objektiven Betrachtung eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses für
den Dienstherrn unzumutbar, ist eine Entfernung aus dem Dienstverhältnis gebo-
ten (stRspr.: zuletzt Urteil vom 6. Mai 2003 - BVerwG 2 WD 29.02 - m.w.N.). In
Fällen, die eine mildere Beurteilung der Schwere des Dienstvergehens zuließen,
hat er den Einsatz dienstlichen Personals und dienstlicher Mittel zu privaten Zwe-
cken jedoch mit Gehaltskürzung und/oder Beförderungsverbot geahndet (vgl. u.a.
Urteile vom 21. Januar 1986 - BVerwG 2 WD 31.85 -
= NZWehrr 1986, 249>, vom 16. Dezember 1987 - BVerwG 2 WD 22.87 - und
vom 29. November 1990 - BVerwG 2 WD 28.90 ).
Dagegen hat der Senat bisher in ständiger Rechtsprechung bei vorsätzlicher ver-
suchter oder vollendeter Schädigung des Dienstherrn bzw. Gefährdung des Ver-
mögens des Dienstherrn auf dem Gebiet des Reisekosten-Trennungsgeld-
betruges als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen stets eine Dienstgrad-
herabsetzung bis in einen Mannschaftsdienstgrad, ggf. bei erheblichen Erschwe-
rungsgründen auch die disziplinare Höchstmaßnahme in Betracht gezogen, da
sich ein Soldat in Vorgesetztenstellung, der nach § 10 Abs. 1 SG in seiner Haltung
und Pflichterfüllung ein Beispiel geben soll, regelmäßig durch ein solches Verhal-
ten als Vorgesetzter disqualifiziere (Urteile vom 27. April 1994 - BVerwG 2 WD
38.93 - , vom 29. Februar 1996 - BVerwG 2 WD 35.95 - , vom
21. Juni 2000 - BVerwG 2 WD 19.00 -
2001, 33 = ZBR 2001, 53> und vom 26. April 2001 - BVerwG 2 WD 47.00 -).
Aus Gründen der Gleichbehandlung und der Einheitlichkeit der Rechtsprechung
(Art. 3 Abs. 1 GG) in allen Fällen des Zugriffs des Soldaten auf Vermögen des
Dienstherrn, hält der Senat an der bisherigen - nicht hinreichend nach der Schwe-
re des Dienstvergehens differenzierenden - Rechtsprechung zur disziplinarrechtli-
chen Einstufung von Fällen des Reisekosten- und Trennungsgeldbetruges nicht
mehr fest. Gerade auch im Disziplinarrecht gilt, dass die Disziplinarmaßnahme
stets in einem angemessenen Verhältnis zum Dienstvergehen und seinem Un-
rechtsgehalt (vgl. § 38 Abs. 1 WDO - „Eigenart und Schwere„) stehen muss (vgl.
Dau, WDO, 4. Auflage 2002, § 15 RNr. 13). Deshalb ist auch bei Dienstvergehen,
die einen Zugriff auf das Vermögen des Dienstherrn in Form unrichtiger oder un-
vollständiger Reisekostenabrechnungen zum Gegenstand haben, eine Differenzie-
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rung nach der Schwere des Dienstvergehens geboten, und zwar nicht nur nach
„oben“, sondern auch nach „unten“.
Ausgehend von dieser Bewertung sind im vorliegenden Fall „Eigenart und Schwe-
re“ des Dienstvergehens dadurch gekennzeichnet, dass das Fehlverhalten des
Soldaten erstmals und nur einmal erfolgte und in keinem Zusammenhang zu den
Kernpflichten seines dienstlichen Aufgabenbereichs als Verpflegungsfeldwebel
steht, sodass der Unrechtsgehalt seines Dienstvergehens eher dem unteren Be-
reich zuzuordnen ist. Im Übrigen war dem Soldaten nicht nachzuweisen, dass er
beim Ausfüllen des Reisekostenerstattungsformulars des Stabsunteroffiziers L.
zugegen war oder sonst seine Vorgesetzteneigenschaft ins Spiel brachte, als die-
ser sein Formular ausfüllte. Des Weiteren hat das Truppendienstgericht nicht fest-
gestellt, dass der Soldat sein ausgefülltes Formular dem Stabsunteroffiziers L.
gezeigt hat.
b) Das Dienstvergehen des Soldaten bewirkte einen relativ geringen Vermögens-
schaden. Bei wahrheitsgemäßen Angaben im Reisekostenantrag hätte der Soldat
lediglich Anspruch auf Zahlung von zwei Teiltagegeldern in Höhe von je 12 €, ins-
gesamt 24 €, gehabt. Durch das Einreichen des nicht wahrheitsgemäß ausgefüll-
ten Reisekostenerstattungsformulars bei dem Rechnungsführer des Bataillons
wurden nach den vom Truppendienstgericht getroffenen Feststellungen, denen
der Soldat nicht entgegengetreten ist und an denen zu zweifeln auch der Senat
keine Veranlassung hat, eine Überzahlung in Höhe von insgesamt 68,90 € verur-
sacht. Auswirkungen auf die Personalplanung des Dienstherrn hatte das Dienst-
vergehen nicht.
c) Nach den den Senat bindenden Feststellungen des Truppendienstgerichts han-
delte der Soldat vorsätzlich. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er zum Zeitpunkt
des Dienstvergehens in seiner Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB einge-
schränkt oder gar im Sinne des § 20 StGB schuldunfähig war, sind nicht ersicht-
lich.
Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die die Schuld mindern würden, lie-
gen nicht vor. Sie sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a.
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Urteile vom 31. Juli 1996 - BVerwG 2 WD 21.96 -
1997, 117> und zuletzt vom 6. Mai 2003 - BVerwG 2 WD 29.02 - m.w.N.) dann
gegeben, wenn die Situation, in der der Soldat versagt hat, von so außergewöhnli-
chen Besonderheiten gekennzeichnet war, dass ein an normalen Maßstäben ori-
entiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt wer-
den konnte. Als solche Besonderheiten sind z.B. ein Handeln in einer ausweglos
erscheinenden, unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage, die auf andere Weise
nicht zu beheben war, ein Handeln unter schockartig ausgelöstem psychischem
Zwang oder unter Umständen anerkannt worden, die es als unbedachte, im Grun-
de persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im
Dienst bewährten Soldaten erscheinen lassen, sowie ein Handeln in einer körper-
lichen oder psychischen Ausnahmesituation (stRspr., vgl. u.a. Urteile vom
23. Februar 1999 - BVerwG 2 WD 15.98 -
236.1 § 12 SG Nr. 9 = NZWehrr 1999, 250> und vom 6. Mai 2003 - BVerwG 2 WD
29.02 -). Die Voraussetzungen für das Vorliegen solcher Milderungsgründe sind
hier nicht erfüllt.
d) Nach den Feststellungen des Truppendienstgerichtsgerichts hat der Soldat die
Spalte „Bei Benutzung des eigenen Kfz“ bewusst wahrheitswidrig ausgefüllt, um in
den Genuss einer Fahrkostenerstattung zu kommen. Der Soldat hat dies bestritten
und sich eingelassen, er habe längere Zeit keine Reisekostenrechnung mehr aus-
gefüllt, deshalb habe er das Formular so ausgefüllt, wie er es in der Vergangenheit
stets gemacht habe. Bei den bisherigen Reisen habe er stets seinen eigenen PKW
genutzt und dies auch jetzt entsprechend eingetragen. Er habe sich aber über den
Inhalt dieser Angaben beim Ausfüllen des Formulars keine großen Gedanken ge-
macht. Erst jetzt sei ihm klar geworden, dass er falsche Angaben gemacht habe.
Diese Einlassung hielt die Kammer für eine nicht glaubwürdige Schutzbehauptung.
Daran ist der Senat gebunden.
e) Im Hinblick auf seine bisherige Führung und seine Persönlichkeit liegen erhebli-
che „Milderungsgründe in der Person“ vor. Zu seinen Gunsten ist insbesondere zu
berücksichtigen, dass er über Jahre hinweg überdurchschnittliche dienstliche Leis-
tungen erbrachte. Dieses positive dienstliche Leistungsbild des Soldaten wird auch
dadurch dokumentiert, dass er am 22. Oktober 1997 eine Auszeichnung erhielt
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und dass sein gegenwärtiger nächster Disziplinarvorgesetzter, Major K., in der
mündlichen Verhandlung vor dem Truppendienstgericht zum Ausdruck gebracht
hat, der Soldat sei im Kameradenkreis voll integriert und angesehen, zusammen
mit dem „Spieß” und dem Versorgungsfeldwebel der Geist des Unteroffizierkorps
und immer bereit, Sonderveranstaltungen mit seinen Unteroffizieren auszurichten.
Zugunsten des Soldaten spricht in diesem Zusammenhang auch, dass er ausweis-
lich des vorliegenden Auszugs aus dem Zentralregister nicht vorbestraft und dis-
ziplinarrechtlich nicht negativ in Erscheinung getreten ist. Ferner ist von Bedeu-
tung, dass er sich einsichtig und in der Sache geständig gezeigt hat, bei der Auf-
klärung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe bereitwillig mitgearbeitet hat, und bei
den disziplinaren Vernehmungen durch Oberstleutnant A. und den damaligen
Hauptmann K. sogleich eingeräumt hat, Mitfahrer gewesen zu sein und zudem
den entstandenen Schaden sofort bei der Truppenverwaltung B. ausgeglichen hat.
f) Unter Würdigung aller be- und entlastenden Umstände des Fehlverhaltens des
Soldaten hielt der Senat ein Beförderungsverbot im mittleren Bereich für ausrei-
chend und angemessen. Um dem Soldaten jedoch darüber hinaus eine als not-
wendig angesehene spürbare Pflichtenmahnung zu erteilen, hat der Senat zusätz-
lich eine Kürzung seiner monatlichen Dienstbezüge um ein Zwanzigstel auf die
Dauer von zwölf Monaten für erforderlich gehalten.
4. Da die Berufung des Soldaten Erfolg hatte, sind die Kosten des Berufungsver-
fahrens gemäß § 139 Abs. 1 Satz 1 WDO und die ihm im Berufungsverfahren er-
wachsenen notwendigen Auslagen gemäß § 140 Abs. 4 WDO dem Bund aufzuer-
legen.
Prof. Dr. Pietzner
Prof. Dr. Widmaier
Dr. Deiseroth