Urteil des BVerwG vom 26.10.2005

Soldat, Sexuelle Belästigung, Fürsorgepflicht, Ehre

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
Im Namen des Volkes
Urteil
BVerwG 2 WD 33.04
TDG S 10 VL 25/03
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren
gegen
,
…,
…, …,
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentli-
chen Hauptverhandlung am 26. Oktober 2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Pietzner,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
sowie
Major Tadge,
Hauptfeldwebel Schlothauer
als ehrenamtliche Richter,
Leitender Regierungsdirektor …
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt …, …,
als Verteidiger,
Protokollführerin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Die Berufung des Soldaten gegen das Urteil der 10. Kammer
des Truppendienstgerichts Süd vom 1. Oktober 2004 wird zu-
rückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu zwei Dritteln
dem Soldaten und zu einem Drittel dem Bund auferlegt, der
auch ein Drittel der dem Soldaten darin erwachsenen notwen-
digen Auslagen zu tragen hat.
G r ü n d e :
I
Der … Jahre alte Soldat erlangte am 24. Juli 1987 den qualifizierenden Hauptschul-
abschluss. Es schloss sich eine Ausbildung bei der Deutschen Bundesbahn zum In-
dustriemechaniker, Fachrichtung Betriebstechnik, an, die er im Februar 1991 erfolg-
reich beendete. In der Folgezeit war er bis Ende September 1991 in seinem erlernten
Beruf in einem …werk der Deutschen Bundesbahn tätig.
Aufgrund seiner Bewerbung und Verpflichtung für den freiwilligen Dienst in der Bun-
deswehr wurde er am 14. Oktober 1991 als Sanitätssoldat in das Dienstverhältnis
eines Soldaten auf Zeit berufen. Die Eigenschaft eines Berufssoldaten wurde ihm am
5. August 1999 verliehen. Seine Dienstzeit endet voraussichtlich mit Ablauf des
30. April 2025. Seinen Bewerbungen um Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des
militärfachlichen Dienstes vom 3. April 1998 und 23. April 1999 wurde nicht entspro-
chen.
Er wurde regelmäßig befördert, zuletzt mit Wirkung zum 1. Oktober 2000 zum Haupt-
feldwebel.
Der Soldat trat am 1. Oktober 1991 seinen Dienst bei der .../…bataillon (…Btl) … in
M. an. Den an der Sanitätsakademie der Bundeswehr (SanAkBw) vom 14. Juli bis
25. September 1992 absolvierten Unteroffizierlehrgang des Sanitätsdienstes bestand
er mit der Note „befriedigend“. Zum 1. Oktober 1992 wurde er zur .../…Btl … ver-
setzt, zum 1. März 1993 wieder zur .../…Btl ... In der Zeit vom 16. Mai bis 28. Juni
1995 besuchte er den Feldwebellehrgang des Sanitätsdienstes an der SanAkBw,
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den er mit der Abschlussnote „befriedigend“ bestand. Zum 1. Januar 1997 wurde er
zur … der SanAkBw und zum 1. Oktober 1997 zu deren …kompanie (…Kp) versetzt.
Nach Auflösung der …Kp am 1. Juli 2003 wurde er zum 1. August 2003 - unter vo-
rangehender Kommandierung - zur … der SanAkBw versetzt. Zurzeit ist der Soldat in
deren … als Lehr- und Hörsaalfeldwebel in der lehrgangsgebundenen Offizierausbil-
dung
eingesetzt.
In seiner letzten planmäßigen Beurteilung vom 22. Juli 2002 erhielt der Soldat in den
Einzelmerkmalen zweimal die Wertung „7“, achtmal die Wertung „6“ und sechsmal
die Wertung „5“. Hinsichtlich seiner „Eignung und Befähigung“ wurde ihm einmal
(„Verantwortungsbewusstsein“) die Wertung „E“ und dreimal („geistige Befähigung“,
„Eignung zur Menschenführung/Teambefähigung“, „Befähigung zur Einsatz- und Be-
triebsführung“) die Wertung „D“ zuerkannt. Im Abschnitt „Herausragende charakterli-
che Merkmale, Kameradschaft, berufliches Selbstverständnis, Bewährung im Einsatz
und ergänzende Aussagen“ wurde der Soldat wie folgt beschrieben:
„HFw ... ist eine bescheidene, charakterlich gefestigte Persönlichkeit, die
loyal und verläßlich ihren Dienst versieht. Aufrichtig und gewissenhaft im
Gesamtverhalten übernimmt er pflichtbewußt Führungsaufgaben. HFw ...
hat klare Zielvorstellungen, welche er auch in Konfliktsituationen willen-
stark vertritt. Standhaft setzt er dienstliche Erfordernisse unter Einsatz an-
gemessener Mittel durch und verliert dabei auch in Streßsituationen nicht
die erforderliche Konsequenz und Gelassenheit. HFw ... stellt sich verant-
wortungsfreudig und freiwillig für Zusatzaufgaben zur Verfügung. Loyal zur
Kompanieführung hat er souverän und umsichtig die Vertretung des ZgFhr
OffzmilFD übernommen und in dieser Funktion eine optimale Zusammen-
arbeit und Arbeitsqualität gewährleistet.
HFw ... fügt sich unproblematisch in die Unteroffizierskameradschaft ein
und überzeugt durch Leistung und Hilfsbereitschaft. Seine Meinung und
Lösungsvorschläge tragen wesentlich zur Auftragserfüllung bei. HFw ...
bringt seine Fähigkeiten und Qualitäten in die Gemeinschaft ein und fördert
somit uneingeschränkt den Zusammenhalt.
HFw ... ist als Mensch und Soldat ein Vorbild. Er steht zu den Grundwerten
der demokratischen Ordnung und erfüllt seine Pflichten gegenüber Staat
und Gesellschaft. HFw ... ist bereit sich für einen Einsatz im Ausland zur
Verfügung zu stellen. Insgesamt ist der beispielhafte Portepee-Unteroffizier
eine gestandene Persönlichkeit, die sich überzeugend in der Gemeinschaft
behauptet.“
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In seiner kommissarischen Vernehmung durch den Vorsitzenden Richter der
10. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 8. September 2004 bezeichnete
Hauptmann S., Disziplinarvorgesetzter des Soldaten vom Juni 2002 bis September
2003, diesen als pflichtbewusst, sehr fürsorglich, untadelig und vorbildlich. Hinsicht-
lich dessen gemeinsamer Unternehmungen mit unterstellten Soldaten nach Dienst
wies er darauf hin, dass diese fürsorgliche Art gelegentlich auch missinterpretiert
werden könne. In der Hauptverhandlung vor dem Truppendienstgericht sagte sein
Disziplinarvorgesetzter, Oberstleutnant M., aus, dass das Leistungsbild des Soldaten
gut sei, dieser seine Aufgaben tadellos erfülle und dass es mit ihm in dessen neuen
Aufgabenbereich keine Probleme gebe.
In der Sonderbeurteilung vom 9. Dezember 2004 erhielt der Soldat in den Einzel-
merkmalen dreimal die Wertung „7“ und 13-mal die Wertung „6“. Bei „Eignung und
Befähigung“ wurde ihm für „Verantwortungsbewusstsein“ und „Eignung zur Men-
schenführung/Teambefähigung“ die Wertung „E“ sowie für „geistige Befähigung“ und
„Befähigung zur Einsatz- und Betriebsführung“ die Wertung „D“ zuerkannt. Bei „Ver-
wendungshinweise“ erhielt er für allgemeine Führungsverwendungen und Lehrver-
wendungen die Stufe „besonders geeignet“. Unter „Herausragende charakterliche
Merkmale, Kameradschaft, berufliches Selbstverständnis, Bewährung im Einsatz und
ergänzende Aussagen“ wurde über ihn ausgeführt:
„HptFw … ist ein loyaler und weit überdurchschnittlich fleißiger Soldat, der
sich uneingeschränkt und vorbildlich mit dem Soldatenberuf identifiziert,
angemessen zurückhaltend auftritt ohne seine außerordentlichen sportli-
chen Erfolge in den Vordergrund zu stellen.
Jeder Aufgabe steht er aufgeschlossen gegenüber und führt die ihm über-
tragenen Aufträge mit großem Engagement und unermüdlicher Ausdauer
aus. Dabei zeigt HptFw …, dass er effizient arbeiten kann und auch in Be-
lastungssituationen Ruhe ausstrahlt und Übersicht bewahrt.
Seine Loyalität und Teamfähigkeit ist vorbildlich, er hat ein ausgeglichenes,
offenes Wesen und ist in der Lage, zweckmäßige Kompromisse zu schlie-
ßen, ohne dabei das Auftragsziel aus den Augen zu verlieren. Nicht zuletzt
wegen seiner außerordentlichen sportlichen Leistungsfähigkeit und dem
Vermögen, Leistungssport und militärische Belange in harmonischer Weise
zu vereinigen, seinem methodischen/didaktischen Können wie auch sein
Integrationsvermögen empfehlen HptFw … langfristig für den Dienstposten
‚Leiter Sportfördergruppe’ (UmP 7) an einer Sportschule der Bundeswehr.“
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Der nächsthöhere Vorgesetzte führte in seiner Stellungnahme aus, dass der Soldat
loyal und verantwortungsbewusst sei und leistungs- sowie zielorientiert seinen Auf-
trag erfülle. Effizienz und Nachdrücklichkeit prägten seine Methodik mit entsprechend
guten Ausbildungsergebnissen. Hierbei lägen seine absoluten Stärken in der Fürsor-
ge seinen Lehrgangsteilnehmern gegenüber; er sei stets um ein Feedback bemüht
und richte seine Methodik gegebenenfalls entsprechend neu aus. Auch seine sonst
gezeigten Leistungen überträfen die an ihn gerichteten Anforderungen sehr deutlich.
Hinsichtlich der Förderungswürdigkeit vergab er die Höchstwertung „E“.
Dem Soldaten wurde dreimal eine förmliche Anerkennung erteilt, nämlich am
25. April 1995, am 7. August 1998 und am 17. Dezember 2002 jeweils wegen vor-
bildlicher Pflichterfüllung. Am 17. Juni 1999 erhielt er eine Leistungsprämie in Höhe
von 750 DM und am 12. Februar 2001 eine solche über 1.600 DM.
Der Auszug aus dem Disziplinarbuch vom 8. Dezember 2004 weist keine disziplinare
Maßregelung aus. Die Zentralregisterauskunft vom 14. Oktober 2005 enthält keinen
Eintrag.
Der Soldat ist berechtigt, das Leistungsabzeichen (der Stufe III) in Gold, die Schüt-
zenschnur in Bronze und das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Silber zu tragen. Des
Weiteren wurde ihm die Ehrenmedaille der Bundeswehr verliehen.
Der ledige Soldat erhält nach Auskunft der Wehrbereichsverwaltung Süd - Gebühr-
niswesen - monatliche Dienstbezüge nach der Besoldungsgruppe A 8, Dienstalters-
stufe 6, in Höhe von 2.158,58 € brutto und 1.779,78 € netto. Tatsächlich werden ihm
1.739,90 € ausbezahlt.
Die finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Soldaten sind geordnet.
II
In dem mit Verfügung des Amtschefs des SanAkBw vom 27. Juni 2003 ordnungsge-
mäß eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der Wehrdisziplinaranwalt
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dem Soldaten mit der Anschuldigungsschrift vom 22. Oktober 2003 folgenden Sach-
verhalt als Dienstvergehen zur Last gelegt:
„1. Im Frühjahr/Sommer 2001 übersandte der Soldat dem StUffz (w) S.,
Angehörige - wie der Soldat - der damaligen …Kp, in die dienstliche Unter-
kunft, für die Dauer von ca. 4 Wochen, zunächst ohne Namensangabe und
auf Nachfragen von StUffz (w) S. dann mit Namensangabe, täglich, mit
Ausnahme der Wochenenden, mindestens eine SMS-Nachricht, in der er
nachfragte, wie es ihr gehe und was sie mache, wobei er wusste, hilfswei-
se hätte wissen müssen, dass diese SMS-Anfragen unerwünscht waren
und belästigend wirkten.
2. Im September/Oktober 2001, etwa für die Dauer für 4 Wochen, über-
sandte der Soldat dem HG (w) H., Angehörige - wie der Soldat - der dama-
ligen …Kp, während des Dienstes und nach Dienst, in die dienstliche Un-
terkunft, ohne Namensangabe, wöchentlich ca. 5 - 10 SMS-Nachrichten,
die u.a. folgende Inhalte hatten: ‚Du kennst mich, wir sehen uns täglich’,
‚Du bist mein Stern, ich hab Dich so gern’, ‚Ich bring Dich zu Bett und deck
Dich zu’, wobei er wusste, hilfsweise hätte wissen müssen, dass diese
SMS-Anfragen unerwünscht waren und belästigend wirkten.
3. Vom November 2001 bis Ende Januar 2002 übersandte der Soldat dem
HG (w) H., die ab November 2001 dem Zug des Soldaten angehörte an
wöchentlich 4 - 5 Tagen, nach Dienst, in die dienstliche Unterkunft, SMS-
Nachrichten, in denen HG (w) H. zum Abendessen oder Weggehen einge-
laden wurde, wobei er wusste, hilfsweise hätte wissen müssen, dass seine
SMS-Einladungen unerwünscht waren und belästigend wirkten. Seine
SMS-Einladungen unterfertigte der Soldat nun überwiegend mit ‚Bussi ...’.
4. Von Mitte Januar 2002 bis Juni 2002 übersandte der Soldat dem Uffz
(w) K., Angehörige seines Zuges, nach Dienst, in die dienstliche Unterkunft
an wöchentlich 3 - 4 Tagen jeweils 3 - 7 SMS-Nachrichten mit folgenden
Inhalten:
- ‚Wollen wir ins Kino gehen?’
- ‚Bist Du allein?’
- ‚Wir könnten uns mal treffen.’
- ‚Wollen wir essen gehen?’
- ‚Wollen wir zusammen mal Sport machen?’
- ‚Wollen wir zusammen mal laufen gehen?’
- ‚Du hast einen Supi-Körper.’
- ‚Schläfst Du schon?’
- ‚Träum was süßes, kleine Maus.’
- ‚Warum gehst Du immer so früh zu Bett?’,
wobei er wusste, hilfsweise hätte wissen müssen, dass diese SMS-
Nachrichten unerwünscht waren und belästigend wirkten.
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5. Am 25. Juli 2002 schickte der Soldat seiner Untergebenen Uffz (w) K.,
nach Dienst, in die dienstliche Unterkunft, folgende SMS-Nachricht:
- ‚Was machst Du jetzt?’
- ‚Du kannst ja mal bei mir vorbeischauen, wenn es Dir langweilig ist.’
- ‚Ich kann gut massieren, kann es dir ja mal zeigen, kleine Maus.’
- ‚Es gibt gute Tricks gegen Verspannungen, kann es Dir ja zeigen.’
- ‚Jetzt bist du aber ein ganz böses Mädchen’, als Uffz (w) K. das Mas-
sageangebot ablehnte.
6. Am 06. August 2002 schickte der Soldat seiner Untergebenen Uffz (w)
K. nach Dienst, in die dienstliche Unterkunft, folgende SMS-Nachricht:
- ‚Wollen wir ficken?’
- ‚Wähle 1 für blasen, 2 für ficken, 3 für Arschfick, 4 für mich und das
ganze Paket.’ “
Die 10. Kammer des Truppendienstgerichts Süd hat gegen den Soldaten mit Urteil
vom 1. Oktober 2004 wegen eines Dienstvergehens ein Beförderungsverbot für die
Dauer von zweieinhalb Jahren verhängt.
Zur rechtlichen Würdigung hat die Truppendienstkammer im Wesentlichen ausge-
führt, dass der Soldat mit seinem Verhalten in den Anschuldigungspunkten 4 und 5
mit bedingtem Vorsatz gegen § 10 Abs. 3, § 12 Satz 2, § 17 Abs. 2 Satz 1 SG ver-
stoßen habe. Die vorgeworfenen Pflichtverletzungen in den Anschuldigungspunk-
ten 1, 2 und 3 hat die Kammer nach Anhörung des Wehrdisziplinaranwalts gemäß
§ 107 Abs. 2 Satz 1 WDO aus dem Verfahren ausgeklammert. Vom Vorwurf im An-
schuldigungspunkt 6 ist der Soldat freigestellt worden, weil die Kammer Zweifel hat-
te, ob der angeschuldigte Text der SMS zum Sprachgebrauch des Soldaten gehöre
und ihm zurechenbar sei.
Zur Maßnahmebemessung hat sich die Truppendienstkammer im Wesentlichen da-
hingehend geäußert, dass dem Dienstvergehen erhebliches Gewicht zukomme, da
der Soldat zumindest mit den anzüglichen SMS-Texten eine entwürdigende Behand-
lung einer weiblichen Untergebenen und damit unter Verstoß gegen § 31 WStG kri-
minelles Unrecht begangen habe. Zugleich habe er auch gegen § 2 Abs. 2 Nr. 2 des
Beschäftigtenschutzgesetzes verstoßen. Sein Verhalten sei nicht nur ungebührlich,
sondern eindeutig geschlechtsbezogen belästigend gewesen und von den Zeugen
auch so empfunden worden. Hinsichtlich der Auswirkungen handele es sich um ein
schwerwiegendes Dienstvergehen. Das pflichtwidrige Verhalten des Soldaten ge-
genüber der Zeugin K. habe diese nicht nur mehrfach in deren Würde und Ehre ver-
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letzt, sondern habe auch nachteilige gesundheitliche Auswirkungen in Form von
Bauchschmerzen und Schlafstörungen gehabt. Der Soldat habe bei seinen Verfeh-
lungen mit Vorsatz gehandelt. Was seine Beweggründe betreffe, habe er keine
Hemmungen gehabt, den von ihm gesuchten Kontakt zur Zeugin K. mit einer bemer-
kenswerten Häufigkeit und Dauer dieser aufzudrängen. Dies offenbare ein hohes
Maß an Rücksichtslosigkeit. Im Fall einer sexuellen Belästigung sei nach der ständi-
gen Rechtsprechung der Wehrdienstgerichte von einer „reinigenden“ Maßnahme in
Form einer Dienstgradherabsetzung auszugehen. Hier sei allerdings zu berücksichti-
gen, dass die am schwersten wiegende Äußerung in Anschuldigungspunkt 6 dem
Soldaten nicht zugerechnet werden könne und die anzüglichen Texte in den An-
schuldigungspunkten 4 und 5 nicht so schwerwiegend seien, dass eine reinigende
Maßnahme verwirkt gewesen sei. Mildernd sei gewertet worden, dass die Zeugin K.
nie eindeutig zu erkennen gegeben habe, dass sie die SMS als belästigend empfun-
den habe. Außerdem sei zu Gunsten des Soldaten berücksichtigt worden, dass er
sich über viele Jahre seiner Dienstzeit innerhalb und außerhalb des Dienstes ein-
wandfrei geführt, mehrere Auszeichnungen und drei förmliche Anerkennungen erhal-
ten habe. Des Weiteren habe er überdurchschnittliche dienstliche Leistungen ge-
zeigt, sich stets hoch motiviert, pflichtbewusst und verantwortungsvoll verhalten und
im Anschluss an sein Fehlverhalten dienstliche Kontinuität gezeigt sowie alles daran
gesetzt, um seine Dienstpflichten optimal zu erfüllen. Im Umgang mit weiblichen Sol-
daten habe er sich seitdem in jeder Hinsicht korrekt verhalten. Diese Milderungs-
gründe änderten aber nichts daran, dass der Soldat als Vorgesetzter gegenüber der
Zeugin (K.) versagt habe und deshalb diesem Fehlverhalten auch aus generalprä-
ventiven Gründen mit disziplinarrechtlichen Mitteln in der gebotenen Entschiedenheit
und Nachdrücklichkeit begegnet werden müsse. Dies gelte umso mehr, als das Fehl-
verhalten keine kurzfristige Entgleisung darstelle, sondern es sich über einen länge-
ren Zeitraum hingezogen habe und eine besondere Nachhaltigkeit erkennen lasse.
Gegen das ihm am 26. Oktober 2004 zugestellte Urteil hat der Soldat durch Schrei-
ben seines Verteidigers vom 22. November 2004, das per Fax am selben Tag beim
Truppendienstgericht Süd - 10. Kammer - einging, Berufung mit dem Antrag einge-
legt, das Urteil im Schuldspruch aufzuheben und den Soldaten freizusprechen.
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Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen: Das Gericht sei fehlerhaft da-
von ausgegangen, dass der Soldat auch die von ihm vehement bestrittenen anzügli-
chen SMS der Anschuldigungspunkte 4 und 5 an die Zeugin K. gesandt habe. Es
habe es insofern fehlerhaft unterlassen, die Konsequenzen aus den Zweifeln hin-
sichtlich des Anschuldigungspunktes 6 in Beziehung zu den vorher genannten Punk-
ten zu ziehen. Das Gericht hätte sich mit der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin
K. auch hinsichtlich der übrigen Anschuldigungspunkte auseinandersetzen müssen;
das gelte auch für die Annahme einer Fälschung der SMS durch einen Dritten. Es sei
grob fehlerhaft, dass sich das Gericht an keiner Stelle mit der Möglichkeit einer Fäl-
schung weiterer SMS an die Zeugin K. durch den als Fälscher der SMS im Anschul-
digungspunkt 6 in Betracht kommenden Dritten auseinander gesetzt habe. Die
Kammer habe außerdem fehlerhaft angenommen, dass der Soldat davon habe aus-
gehen müssen, der Zeugin K. seien die SMS lästig gewesen. Im Gespräch mit dem
Soldaten über die Zeugin H. habe die Zeugin K., was ihr unschwer möglich gewesen
sei, nichts davon erkennen lassen, dass ihr ihrerseits die bis dahin erhaltenen SMS
lästig gewesen seien. Sie habe, im Gegenteil, im Nachhinein auf weitere SMS ge-
antwortet und auch SMS von sich aus an den Soldaten geschrieben und sich mit ihm
außerdem über Privates ausgetauscht. Gerade weil der Soldat mit der Zeugin K. eine
Abklärung des Vorfalls mit der Zeugin H. vorgenommen habe, habe er darauf ver-
trauen können, dass sie zumindest diese SMS als nicht lästig oder gar als anzüglich
empfunden habe. Er habe sich sogar bestärkt sehen dürfen, weil die Zeugin K. nach-
folgend noch den SMS-Verkehr mit dem Soldaten fortgesetzt und mit ihm Vertrau-
lichkeiten ausgetauscht habe.
Der Wehrdisziplinaranwalt hat gegen das Urteil mit am selben Tag beim Truppen-
dienstgericht Süd - 10. Kammer - eingegangenem Schreiben vom 24. November
2004 maßnahmebeschränkte Berufung eingelegt. Er hat beantragt, das Urteil im
Ausspruch über die Disziplinarmaßnahme zu ändern und den Soldaten zur Dienst-
gradherabsetzung zu verurteilen. Der Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts
hat diese Berufung zu Beginn der Berufungshauptverhandlung mit Zustimmung des
Soldaten zurückgenommen.
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1. Die Berufung des Soldaten ist zulässig. Sie ist statthaft, ihre Förmlichkeiten sind
gewahrt (§ 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WDO).
2. Da die Berufung nach dem wesentlichen Inhalt ihrer Begründung in vollem Um-
fang eingelegt worden ist, hat der Senat im Rahmen der Anschuldigung (§ 107
Abs. 1 i.V.m. § 123 Satz 3 WDO) eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen,
diese rechtlich zu würdigen und unter Beachtung des Verschlechterungsverbots
(§ 331 Abs. 1 StPO i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO) die angemessene Disziplinar-
maßnahme zu finden.
3. Die Berufung hatte keinen Erfolg.
a) Aufgrund der Einlassung des Soldaten, soweit ihr gefolgt werden kann, der gemäß
§ 249 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO zum Gegenstand der Beru-
fungshauptverhandlung gemachten Urkunden und Schriftstücke, der gemäß § 123
Satz 1 WDO verlesenen Aussagen der Zeugen Hauptmann S., Oberstleutnant M.,
Oberfeldwebel H., Hauptgefreiter der Reserve E. sowie der Aussagen der in der Be-
rufungshauptverhandlung vernommenen Zeugen Hauptmann G., Feldwebel (w) K.
und Oberfeldwebel (w) W. hat der Senat folgenden Sachverhalt zu den - nach erfolg-
ter Ausklammerung der Anschuldigungspunkte 1 bis 3 durch die Truppendienstkam-
mer - verbliebenen Anschuldigungspunkten 4 bis 6 festgestellt und ihn wie folgt
rechtlich gewürdigt:
aa) Zu Anschuldigungspunkt 4:
Von Mitte Januar bis Ende Juni 2002 schickte der Soldat, zu dieser Zeit Zugführer
des …zuges … der …Kp an der SanAkBw, der Zeugin K., damals Unteroffizier und
Angehörige desselben Zuges, nach Dienst nahezu täglich ca. 5 - 8 SMS mit folgen-
den Inhalten an ihr privates Handy:
- „Wollen wir ins Kino gehen?“
- „Bist Du allein?“
- „Wir könnten uns mal treffen.“
- „Wollen wir essen gehen?“
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- „Wollen wir zusammen mal laufen gehen?“
- „Du hast einen Supi-Körper.“
- „Schläfst Du schon?“
- „Träum was Süßes, kleine Maus.“
- „Warum gehst Du immer so früh zu Bett?“
Die Zeugin K. hielt sich beim Empfang der meist in der Zeit von 16 bis 18 Uhr gesen-
deten SMS jeweils in ihrer dienstlichen Unterkunft in der …-Kaserne in M. auf. Sie
antwortete in der Regel jeweils auf eine SMS; manchmal gab sie auch keine Antwort.
Persönliche Einladungen des Soldaten nahm sie nie an. Ihre Handynummer hatte sie
dem Soldaten vorher nicht mitgeteilt. Die als belästigend empfundenen SMS führten
bei ihr im Laufe der Zeit zu nachteiligen gesundheitlichen Auswirkungen, wie Bauch-
schmerzen, innerem Druck und Schlafstörungen. Der behandelnde Arzt Dr. S. diag-
nostizierte bei ihr am 25. Februar 2003 eine „Anpassungsstörung mit depressiver
Symptomatik bzw. psychosomatischen Symptomen und Schlafstörungen bei chroni-
schem Konflikt am Arbeitsplatz, bedingt durch das Fehlverhalten des Vorgesetzten
und sexuelle Belästigung“.
Der Soldat bestreitet nicht, der Zeugin SMS geschickt zu haben. Jedoch habe es
sich dabei nur um Gute-Nacht- und - am Wochenende - um Gute-Fahrt-Grüße sowie
um Einladungen zum gemeinsamen Essen mit anderen Soldaten gehandelt. Er habe
die SMS jeweils in der Absicht geschrieben, die Zeugin mehr in das Gemeinschafts-
leben mit einzubinden, da sie sich nach Dienst isoliert habe. Ihre Handynummer ha-
be er von ihr selbst erhalten. Er bestreitet ausdrücklich, SMS mit dem angeschuldig-
ten Inhalt gesendet zu haben, und betont, sich gegenüber der Zeugin K. nie anzüg-
lich geäußert zu haben.
Das Bestreiten des Vorwurfs durch den Soldaten ist als Schutzbehauptung zu wer-
ten. Denn es besteht kein Anlass, an der glaubhaften Aussage der Zeugin K. zu
zweifeln.
Nach der Regelung des § 261 StPO hat das Gericht über das Ergebnis der Beweis-
aufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Über-
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zeugung zu entscheiden. Dabei kommt es allein darauf an, ob der Tatrichter die per-
sönliche Überzeugung von einem bestimmten Sachverhalt erlangt hat oder nicht.
Das Gericht muss von der persönlichen Schuld des Angeschuldigten überzeugt sein.
Der Begriff der Überzeugung schließt die Möglichkeit eines anderen, auch gegentei-
ligen Geschehensablaufs nicht aus; denn im Bereich der vom Tatrichter zu würdi-
genden Tatsachen ist der menschlichen Erkenntnis ein absolut sicheres Wissen über
den Tathergang, demgegenüber andere Möglichkeiten seines Ablaufs unter allen
Umständen ausscheiden müssten, verschlossen. Nach der gesetzlichen Regelung ist
es allein Aufgabe des Tatrichters, ohne Bindung an feste gesetzliche Beweisregeln
und nur nach seinem Gewissen verantwortlich zu prüfen und zu entscheiden, ob er
die an sich möglichen Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachver-
halt überzeugen kann oder nicht (Urteil vom 3. Juli 2003 - BVerwG 1 WD 3.03 -
;
BGH, Urteile vom 9. Februar 1957 - 2 StR 508/56 -
7. Juni 1979 - 4 StR 441/78 - ). Die für die Überführung eines
Angeschuldigten erforderliche persönliche Gewissheit des Tatrichters erfordert ein
nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, demgegenüber ver-
nünftige Zweifel nicht mehr aufkommen (Urteil vom 12. Februar 2003 - BVerwG
2 WD 8.02 -
214 = DVBl 2003, 757>; Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl. 2005, § 261 RNr. 2 m.w.N.;
BGH, Urteil vom 8. Januar 1988 - 2 StR 551/87 - ). Zwar ist
zur Überführung des Angeschuldigten keine „mathematische“ Gewissheit erforder-
lich. Der Beweis muss jedoch mit lückenlosen, nachvollziehbaren Argumenten ge-
führt sein. Die Beweiswürdigung muss auf einer tragfähigen, verstandesmäßig ein-
sichtigen Tatsachengrundlage beruhen und muss erschöpfend sein. Der Tatrichter ist
gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entschei-
dung wesentlichen Gesichtspunkten auseinander zu setzen, wenn sie geeignet sind,
das Beweisergebnis zu beeinflussen, sowie diese Tatsachen und deren Würdigung
in den Urteilsgründen darzulegen (Urteil vom 12. Februar 2003 - BVerwG 2 WD
8.02 - im Anschluss an die stRspr. des BGH zu § 261 StPO, vgl. u.a. Be-
schlüsse vom 5. August 1997 - 5 StR 178/97 - m.w.N. und vom
17. Januar 2002 - 3 StR 417/01 - m.w.N.). Allein damit wird
die Unschuldsvermutung widerlegt (vgl. Urteil vom 12. Februar 2003 - BVerwG 2 WD
8.02 - < a.a.O.>). Hängt die Entscheidung bei gegensätzlichen Aussagen des Ange-
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schuldigten und von Zeugen allein davon ab, welchen Angaben das Gericht glaubt,
dann müssen, damit es nicht zu einer Verurteilung aufgrund einer subjektiven Fehl-
beurteilung der Zeugenaussage(n) kommt, alle Umstände, denen eine indizielle Be-
deutung für die Schuld oder Unschuld des Angeschuldigten zukommen kann, in die
Beweiswürdigung eingestellt und in den Urteilsgründen dargelegt werden (vgl. dazu
BGH, Urteil vom 3. Februar 1993 - 2 StR 531/92 - m.w.N. und Be-
schluss vom 6. März 2002 - 5 StR 501/01 - m.w.N.).
Selbst wenn einzelne Indizien jeweils für sich genommen noch keine vernünftigen
Zweifel an der Richtigkeit einer den Angeschuldigten belastenden Aussage aufkom-
men lassen, so kann jedoch eine Häufung solcher Indizien bei einer Gesamtbetrach-
tung zu solchen Zweifeln führen (Urteil vom 3. Juli 2003 - BVerwG 1 WD 3.03 -
; BGH, Urteile vom 16. Dezember 1987 - 2 StR 495/87 -
und vom 19. Juli 1989 - 2 StR 182/89 - m.w.N.).
Nach Maßgabe dieser Anforderungen hat der Senat die für die Überführung des Sol-
daten erforderliche Gewissheit, d.h. ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes
Maß an Sicherheit darüber gewinnen können, dass der Soldat die angeschuldigte
Tat begangen hat. Nach Durchführung der Beweisaufnahme liegen keine Umstände
vor, die zu vernünftigen Zweifeln in für den Schuldspruch relevanten Fragen Anlass
geben und einer Verurteilung des Soldaten entgegenstehen.
Die Zeugin K. hat in der Berufungshauptverhandlung ihre bisherigen Aussagen hin-
sichtlich der Tatzeiten, des Inhalts sowie des Absenders der SMS im Kern bestätigt.
Ihre in den wesentlichen Punkten widerspruchsfreien Ausführungen wiesen - vor
dem Hintergrund, dass die Vorgänge mehrere Jahre zurückliegen - eine recht große
Detailgenauigkeit auf. Ihre Einlassung, sie habe ihren Kalender, in den sie Notizen
zum jeweiligen Inhalt der ihr vom Soldaten zugesandten SMS gemacht hatte, nach
der Verhandlung vor dem Truppendienstgericht weggeworfen, weil sie davon ausge-
gangen sei, dass dieser danach nicht mehr benötigt werde, und weil sie einen
Schlussstrich unter den für sie belastenden Vorgang habe ziehen wollen, erscheint
dem Senat nachvollziehbar und glaubhaft. Konkrete Anhaltspunkte, insbesondere
ernsthafte Motive dafür, dass sie ihre Anschuldigungen erfunden haben könnte, sind
nicht ersichtlich. Die Zeugin K. stand in keinem negativen oder gar feindseligen Ver-
hältnis zum Soldaten; in der Berufungshauptverhandlung hat sie ihn sogar als „meist
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netten Vorgesetzten“ bezeichnet. Die vom Soldaten behaupteten dienstlichen Maß-
regelungen gegenüber der Zeugin K. (z.B. wegen Mängel eines von ihr gehaltenen
Unterrichts) sind nach Ansicht des Senats keine hinreichende Grundlage für das Vor-
liegen eines Rachemotivs für derartig schwerwiegende Anschuldigungen. Hätte sie
dem Soldaten schaden wollen, hätte es nahe gelegen, dass sie sofort eine Meldung
abgegeben hätte und nicht Monate wartete, bis sie - ärztlich nachweisbar - gesund-
heitliche Probleme davon trug. Ihre Einlassung, sie habe das Fehlverhalten des Sol-
daten deshalb erst so spät gemeldet, weil sie sich dies vorher aufgrund ihres damals
geringeren Selbstbewusstseins nicht zugetraut habe, erscheint nachvollziehbar und
glaubhaft. Denn sie hatte zunächst gehofft, dass der Soldat mit dem weiteren Zusen-
den von SMS von selbst aufhören werde, wenn er merke, dass diese ihr uner-
wünscht seien. Zudem hatte sie zu ihrem damaligen Kompaniechef, dem Zeugen S.,
kein hinreichendes Vertrauen, weil dieser aus ihrer Sicht mit dem Soldaten freund-
schaftlich verbunden war. Die Existenz der Gleichstellungsbeauftragten war ihr nach
eigenen Angaben, woran der Senat nicht zweifelt, zunächst nicht bekannt. Schließ-
lich hatte sie Angst vor negativen Reaktionen des Soldaten im Dienst; als sie nämlich
einmal nicht auf seine SMS antwortete, zeigte er sich ihr gegenüber am nächsten
Tag beleidigt.
Die vom Soldaten zugegebene Zusendung von Gute-Nacht-Grüßen sowie das von
ihm ausgehende „Duzen“ der Zeugin K. zeigen zudem, dass er ihr gegenüber eine
im Vorgesetzten-Untergebenen-Verhältnis unübliche Vertraulichkeit pflegte, die wei-
tergehende Zudringlichkeiten, so wie angeschuldigt, nicht als persönlichkeitsfremd
und deshalb unwahrscheinlich erscheinen lässt. Für die Glaubwürdigkeit der Zeugin
K. spricht auch, dass sie ihre Unsicherheit und ihr seinerzeit geringes Selbstbe-
wusstsein sowie ihre damalige aufgrund des zeitweiligen Nebeneinanders ihrer
gleichzeitigen persönlichen Beziehungen zu den Zeugen E. und H. bestehende psy-
chische Belastung in der Berufungshauptverhandlung von sich aus zur Sprache
brachte, obwohl es sich um für sie eher unangenehme Umstände handelte.
Es liegen auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass eine andere Person
(ein „Dritter“) als der Soldat in manipulativer Absicht unter dessen Telefonnummer
die SMS mit dem angeschuldigten Inhalt verschickt haben könnte.
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Zwar bejahte der Sachverständige Dipl.-Ing. K. in seinem Sachverständigengutach-
ten vom 7. September 2004 die im Beweisbeschluss des Vorsitzenden der
10. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 6. Juli 2004 - abstrakt - gestellte
Frage, ob es möglich sei, dass SMS-Nachrichten von Handys mit gefälschten Ab-
sendern verschickt werden können. Dies begründet aber keine vernünftigen Zweifel
an der Urheberschaft des Soldaten im konkreten Fall. Der Umstand, dass der ehe-
malige Freund der Zeugin K., der Zeuge E., als Programmierer die technische Fähig-
keit zur „Absenderfälschung“ gehabt haben könnte, reicht dafür nicht aus. Es ist nicht
nachvollziehbar, weshalb der Zeuge E. gerade dem Soldaten, den er persönlich gar
nicht kannte und dessen Namen er nur einmal zuvor gehört hatte, durch unterge-
schobene SMS hätte schaden wollen. Er hatte nach den glaubhaften Bekundungen
der Zeugin K. keine Veranlassung, anzunehmen, dass der Soldat ein Grund für ihre
Trennung hätte sein können. Bei ihm fehlte es an einem erkennbaren Motiv für ein
solches Verhalten. Das Motiv der „Rache“ für die von der Zeugin K. vorgenommene
Trennung am 30. August 2002, durch die er nach ihrer glaubhaften Aussage „wie vor
den Kopf gestoßen“ war, ist nicht erkennbar, weil die letzte dem Soldaten angelaste-
te SMS bereits am 6. August 2002 versendet wurde, also zu einem Zeitpunkt, an
dem der Zeuge E. von einer Trennungsabsicht noch nichts wusste oder zumindest
noch nicht von der Endgültigkeit der Trennung ausging; die früheren SMS erfolgten
gar zu einer Zeit, als eine Trennungsabsicht der Zeugin K. noch nicht im Raum
stand. Damit ist kein Grund ersichtlich, warum er die Absenderhandynummer gerade
des Soldaten - wenn er sie gekannt hätte - hätte verwenden sollen. Außerdem bliebe
dann noch der Zugang zur Handynummer des Soldaten unerklärlich.
Noch weniger wahrscheinlich ist es, dass der Zeuge H. die SMS manipuliert haben
könnte. Denn für ihn gibt es überhaupt kein nachvollziehbares Motiv, die Zeugin K.,
die er im Rahmen ihrer Fahrschulausbildung im März 2002 kennen lernte und mit der
er seit August 2002 liiert ist, zu belästigen. Die zeitlich ersten angeschuldigten SMS,
deren Absenden der Soldat leugnet und die daher von einem Dritten stammen müss-
ten, wurden außerdem bereits im Januar 2002 gesendet, also zu einem Zeitpunkt, zu
dem der Zeuge H. die Zeugin K. noch nicht kannte. Sonstige mögliche Absender der
in Rede stehenden SMS sind nicht ersichtlich.
Aus den vorgenannten Gründen sah der Senat die Einlassung des Soldaten als wi-
derlegt an.
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Das Verhalten des Soldaten stellt, rechtlich gesehen, einen Verstoß gegen § 10
Abs. 3, § 12 Satz 2 und § 17 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 SG dar.
Die Fürsorgepflicht (§ 10 Abs. 3 SG) ist u.a. dann verletzt, wenn sich der Vorgesetzte
nicht bei allen Handlungen vom Wohlwollen gegenüber dem Untergebenen leiten
lässt und er nicht bemüht ist, ihn vor Schäden und Nachteilen zu bewahren (stRspr.:
vgl. zuletzt Urteil vom 21. Juni 2005 - BVerwG 2 WD 12.04 - ).
Das gilt auch für immaterielle Schäden (Urteil vom 16. April 2002 - BVerwG 2 WD
43.01 -
2002, 3722 = DokBer(B) 2002, 230>).
Dies ist hier der Fall, weil der Soldat die Zeugin K., deren Zugführer und somit unmit-
telbarer Vorgesetzter (§ 1 Abs. 1 VorgV) er war, in ihrer privaten Lebensführung
durch das von ihr nicht veranlasste, kontinuierlich über einen Zeitraum von einem
halben Jahr erfolgte Zusenden von zumindest einem Dutzend SMS pro Woche nach
Dienstschluss erheblich störte und damit belästigte. Er setzte die Störung ihrer Pri-
vatsphäre fort, obwohl sie ihm durch jeweils ablehnende - wenn auch manchmal nur
ausweichende - Antworten auf seine SMS, insbesondere auf seine Einladungen ins
Kino oder zum Essen, deutlich gemacht hatte, dass sie keinen außerdienstlichen
Kontakt zu ihm wünschte. Sie erlitt dadurch im Laufe der Zeit - ärztlich festgestellte -
gesundheitliche Nachteile und musste mehrfach krank geschrieben und schließlich
versetzt werden.
Aus den gleichen Gründen liegt eine Kameradschaftspflichtverletzung (§ 12 Satz 2
SG) vor, deren Feststellung durch die gleichzeitige Feststellung eines Verstoßes ge-
gen die Fürsorgepflicht nicht ausgeschlossen ist (stRspr.: u.a. Urteil vom 19. Februar
2004 - BVerwG 2 WD 14.03 -
235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 16>). Das ständige, von der Zeugin K. unerwünschte
Eindringen in ihre Privatsphäre durch Zuschicken unzähliger SMS stellt eine Miss-
achtung des als (sonstiges) Recht i.S.d. § 12 Satz 2 Halbsatz 1 Alternative 3 SG gel-
tenden (vgl. dazu Urteil vom 17. Februar 2004 - BVerwG 2 WD 15.03. - m.w.N.) all-
gemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) dar. Dieses
schützt die Intimsphäre und die engere persönliche Lebenssphäre (Urteil vom
28. April 2005 - BVerwG 2 WD 25.04 -) gegen fortgesetzte erkennbar unerwünschte
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Zudringlichkeiten und fortgesetztes nachhaltiges Bedrängen, die die persönliche Au-
tonomie empfindlich beeinträchtigen.
Die Bezeichnung „kleine Maus“ ist in diesem Kontext („Träum was Süßes, …“) aller-
dings nicht als Ehrverletzung i.S.d. § 12 Satz 2 Halbsatz 1 Alternative 2 SG zu quali-
fizieren, weil der Soldat mit diesem - unwiderlegt - so gemeinten Koseausdruck aus
der Sicht eines objektiven Dritten die Zeugin K. nicht beleidigte, sondern offenbar
seine persönliche Zuneigung zu ihr zum Ausdruck brachte.
Schließlich hat der Soldat gegen die innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht (§ 17
Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 SG) verstoßen. Nach der ständigen Rechtsprechung des
Senats kommt es nicht darauf an, ob eine Ansehensschädigung im konkreten Fall
tatsächlich eingetreten ist. Es reicht vielmehr aus, dass das Verhalten eines Soldaten
geeignet war, eine ansehensschädigende Wirkung auszulösen (zuletzt Urteil vom
21. Juni 2005 - BVerwG 2 WD 12.04 -). Diese Geeignetheit ist zu bejahen, wenn ein
Soldat - wie hier - eine Untergebene über einen langen Zeitraum durch eine Vielzahl
aufgedrängter SMS belästigt. Denn er vermittelt mit einem solchen Verhalten den
Eindruck, dass er nicht willens und/oder nicht in der Lage ist, das Persönlichkeits-
recht anderer zu respektieren.
Der Soldat handelte jeweils vorsätzlich. Er wusste und wollte, was er tat. Bezüglich
der Verletzung der innerdienstlichen Wohlverhaltenspflicht nahm er es - in der Paral-
lelwertung in der Laiensphäre - billigend in Kauf, dass seine dienstliche Wertschät-
zung bei seinen Kameraden beeinträchtigt werden könnte.
bb) Zu Anschuldigungspunkt 5:
Am 25. Juli 2002 schickte der Soldat, zu dieser Zeit Zugführer des …zuges … der
…Kp an der SanAkBw, der Zeugin K., damals Unteroffizier und Angehörige dessel-
ben Zuges, nach Dienst SMS folgenden Inhalts an ihr Handy:
- „Was machst Du jetzt?“
- „Du kannst ja mal bei mir vorbeischauen, wenn es Dir langweilig ist.“
- „Ich kann gut massieren, kann es Dir ja mal zeigen, kleine Maus.“
- „Es gibt gute Tricks gegen Verspannungen, kann es Dir ja zeigen.“
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- „Jetzt bist Du aber ein ganz böses Mädchen.“ nach ablehnender Antwort der
Zeugin K. auf ein vorangegangenes Massageangebot des Soldaten.
Die Zeugin K. hielt sich beim Empfang der SMS jeweils in ihrer dienstlichen Unter-
kunft in der …-Kaserne in M. auf.
Der Soldat bestreitet die Anschuldigung. Seine Einlassung ist aus den oben zu An-
schuldigungspunkt 4 genannten Erwägungen als Schutzbehauptung zu werten. Au-
ßerdem ist hier zu berücksichtigen, dass die Zeugin W. Teile der angeschuldigten
SMS-Inhalte auf dem Display des Handys der Zeugin K. selbst las, was zusätzlich für
die Glaubwürdigkeit der Zeugin K. spricht. Die Zeugin W. hat, wie schon in ihrer
kommissarischen Vernehmung vom 10. September 2004 vor dem Vorsitzenden
Richter der 10. Kammer des Truppendienstgerichts Süd, zum Ausdruck kam, ausge-
sagt, sich daran zu erinnern, Texte wie z.B. „etwas von massieren“, „bist du noch
wach“ und „irgendwas vom bösen Mädchen“, gelesen zu haben. Die Zeugin W. hat
weiter ausgesagt, die Zeugin Klause habe ihr gegenüber geäußert, sie habe auch
anderen Personen von diesen SMS-Texten erzählt. Die Aussagen der Zeugin W.
waren in sich schlüssig, frei von Widersprüchen, auch im Hinblick auf ihre Aussagen
in der kommissarischen Vernehmung vom 10. September 2004, konkret und dem-
gemäß glaubhaft. Der Senat hielt die Zeugin auch für glaubwürdig.
In Anschuldigungspunkt 5 hat der Soldat die gleichen Dienstpflichten wie in Anschul-
digungspunkt 4 verletzt, nämlich § 10 Abs. 3, § 12 Satz 2 und § 17 Abs. 2 Satz 1 Al-
ternative 2 SG.
Ein Verstoß gegen die Fürsorgepflicht (§ 10 Abs. 3 SG) liegt deshalb vor, weil der
Soldat durch die Zusendung der SMS mit den Inhalten „Ich kann gut massieren, kann
es Dir ja mal zeigen, kleine Maus.“, „Es gibt gute Tricks gegen Verspannungen, kann
es Dir ja zeigen.“ sowie „Jetzt bist Du aber ein ganz böses Mädchen.“ die Grenze
des fürsorglichen Umgangs als unmittelbarer Vorgesetzter (§ 1 Abs. 1 VorgV) ge-
genüber der Zeugin K. überschritt und sich dadurch nicht mehr vom geforderten
Wohlwollen ihr gegenüber leiten ließ. Die Angebote, die ihm dienstlich unterstellte
Soldatin zu „massieren“, waren nach den Umständen von einem objektiven Stand-
punkt aus als sexuell intendiert anzusehen, zumal die Soldatin keinerlei Veranlas-
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sung zu der Annahme gegeben hatte, sie benötige etwa wegen aufgetretener ge-
sundheitlicher Probleme seine Hilfestellung. Die Bezeichnung als „kleine Maus“
brachte in diesem Zusammenhang - anders als bei Anschuldigungspunkt 4 - fehlen-
den Respekt zum Ausdruck, was durch die Bemerkung „Jetzt bist Du aber ein ganz
böses Mädchen.“ unterstrichen wird. Die Zeugin Klause wurde wie eine unmündige
oder leicht steuerbare Person behandelt. Solche Äußerungen, für die die Zeugin kei-
nen Anlass gegeben hatte, werden von davon Betroffenen regelmäßig zu Recht als
belästigend empfunden. Dies bedarf keiner näheren Darlegung. Letztlich zieht auch
der Soldat dies nicht in Zweifel, sondern versucht, „lediglich“ den Vorgang abzustrei-
ten.
Der Soldat hat mit seinem Verhalten zudem gegen die Kameradschaftspflicht (§ 12
Satz 2 SG) verstoßen. Die Bezeichnungen „kleine Maus“ sowie „ganz böses Mäd-
chen“ gegenüber der unterstellten Zeugin K. stellen im Zusammenhang mit dem An-
gebot einer Massage eine Ehrverletzung im Sinne des § 12 Satz 2 Halbsatz 1 Alter-
native 2 SG dar. Die Ehre eines Menschen, die dem durch § 185 StGB allgemein ge-
schützten Rechtsgut entspricht (Urteil vom 27. September 1991 - BVerwG 2 WD
16.91 -), wird durch die Kundgabe einer Missachtung oder einer Nichtachtung (vgl.
Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl. 2004, § 185 RNr. 4) verletzt. Diese liegt hier darin,
dass die Betroffene durch die Wortwahl in Verbindung mit dem Kontext als sexuell
verfügbar hingestellt und wie jemand behandelt wurde, der nicht ernst genommen
wird. Das ist insbesondere vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Zeugin K. durch
ihr vorangegangenes Verhalten ihr offenkundiges Desinteresse an einem näheren
persönlichen Kontakt mit dem Soldaten deutlich gemacht hatte.
§ 17 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 SG ist ebenfalls verletzt, da das Verhalten des Sol-
daten aus den oben genannten Gründen geeignet war, sein dienstliches Ansehen bei
Vorgesetzten, Gleichgestellten und Untergebenen zu beeinträchtigen.
Der Soldat handelte jeweils vorsätzlich. Er wusste und wollte, was er tat. Hinsichtlich
des Verstoßes gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 SG hielt er es für möglich,
dass sein Verhalten seine dienstliche Wertschätzung bei seinen Kameraden mindern
könnte, nahm das also - in der Parallelwertung in der Laiensphäre - billigend in Kauf.
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cc) Zu Anschuldigungspunkt 6:
Am 6. August 2002 zwischen 17 und 18 Uhr schickte der Soldat, zu dieser Zeit Zug-
führer des …zuges … der …Kp an der SanAkBw, der Zeugin K., damals Unteroffizier
und Angehörige desselben Zuges, nach Dienst folgende SMS an ihr Handy:
- „Wollen wir ficken?“
- „Wähle 1 für blasen, 2 für ficken, 3 für Arschfick, 4 für mich und das ganze
Paket.“
Die Zeugin K. hielt sich beim Empfang der SMS jeweils in ihrer dienstlichen Unter-
kunft in der …Kaserne in M. auf. Sie empfand diese SMS als massive Belästigung.
Der Soldat bestreitet, diese SMS gesendet zu haben. Seine Einlassung ist aus den
oben bei Anschuldigungspunkt 4 genannten Argumenten als Schutzbehauptung zu
werten. Auch hier ist zu berücksichtigen, dass die Zeugin
W. Teile der angeschuldig-
ten SMS-Inhalte auf dem Display des Handys der Zeugin K. selbst las, was zusätz-
lich für die Glaubwürdigkeit der Zeugin K. spricht. Die Zeugin W. hat in Übereinstim-
mung mit ihrer Aussage bei der kommissarischen Vernehmung vom 10. September
2004 vor dem Vorsitzenden Richter der 10. Kammer des Truppendienstgerichts Süd
bekundet, sich daran zu erinnern, einen Text wie „wollen wir ficken“ gelesen zu ha-
ben. Angesichts der widerspruchsfreien und detaillierten Aussage dieser Zeugin hat
der Senat keine Zweifel an deren Glaubhaftigkeit. Der Senat hält die Zeugin auch für
glaubwürdig.
Auch in Anschuldigungspunkt 6 hat der Soldat gegen § 10 Abs. 3, § 12 Satz 2 und
§ 17 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 SG verstoßen.
Aufgrund seiner in § 10 Abs. 3 SG normierten Fürsorgepflicht hat jeder Vorgesetzte
den Untergebenen nach Recht und Gesetz zu behandeln (Urteil vom 19. Februar
2004 - BVerwG 2 WD 14.03 -
Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 16>). Dazu gehört, sein Recht auf Würde und
Ehre zu achten. Dagegen hat der Soldat hier verstoßen, indem er die Zeugin K. auf
sprachlich drastische Weise, nämlich mit der Frage „Wollen wir ficken?“ und an-
schließender Auswahlmöglichkeiten in obszöner Formulierung, zu einem bloßen
Sexualobjekt erniedrigte. Eine Würde- und Ehrverletzung ist insbesondere auch des-
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halb anzunehmen, weil die SMS zu einer Zeit abgeschickt wurden, als die Zeugin K.
dem Soldaten gegenüber bereits mehrfach durch ihr Verhalten ihre Ablehnung eines
persönlichen Kontakts deutlich gemacht hatte; das Ignorieren dieses Umstands und
das offene Verlangen eines sexuellen Kontakts hatte damit objektiv einen verletzen-
den und demütigenden Charakter.
Damit hat der Soldat auch gegen die Kameradschaftspflicht verstoßen, die in § 12
Satz 2 Halbsatz 1 Alternativen 1 und 2 SG ebenfalls das Recht auf Würde und Ehre
schützt. Des Weiteren hat er in das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ge-
schützte allgemeine Persönlichkeitsrecht der Zeugin K. - in Ausprägung der Pri-
vatheit der Sexualsphäre (vgl. Urteil vom 17. Februar 2004 - BVerwG 2 WD 15.03 -
m.w.N.) - eingegriffen und damit ein (sonstiges) Recht i.S.d. § 12 Satz 2 Halbsatz 1
Alternative 3 SG verletzt.
Sein Verhalten stellt gleichzeitig einen Verstoß gegen die innerdienstliche Wohlver-
haltenspflicht (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 SG) dar. Denn es wird nicht der Ach-
tung und dem Vertrauen gerecht, die sein Dienst als Soldat erfordert. Achtungs- und
Vertrauenwürdigkeit eines Soldaten können durch sein Verhalten schon dann Scha-
den nehmen, wenn dieses Zweifel an seiner Redlichkeit und Zuverlässigkeit weckt
oder seine Eignung für die jeweilige Verwendung in Frage stellt (vgl. u.a. Urteile vom
2. April 1974 - BVerwG 2 WD 5.74 - und vom 2. Juli
2003 - BVerwG 2 WD 42.02 -). Dies ist - wie hier - bei Eingriffen in die Sexualsphäre
einer untergebenen Soldatin der Fall. Denn nach einem solchen schuldhaften Fehl-
verhalten kann nicht mehr uneingeschränkt von der Zuverlässigkeit des Soldaten
ausgegangen werden.
Der Soldat handelte jeweils vorsätzlich. Was die Fürsorge- und Kameradschafts-
pflichtverletzung betrifft, wusste er genau, welche drastischen Worte er gebrauchte;
er wollte dies auch. Durch das Abschicken der SMS nahm er die bei der Zeugin K.
eintretenden negativen Folgen in seinen Willen auf. Bezüglich der Verletzung der
innerdienstlichen Wohlverhaltenspflicht ist von bedingtem Vorsatz auszugehen, weil
er eine Ansehensminderung bei der betroffenen Zeugin und weiteren Personen für
möglich hielt und trotzdem handelte.
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Entgegen der Ansicht der Truppendienstkammer liegt kein Verstoß gegen § 2 Abs. 2
Nr. 2 des Gesetzes zum Schutz der Beschäftigten vor sexueller Belästigung am Ar-
beitsplatz (Beschäftigtenschutzgesetz - BeschSchG) vor, der als Verstoß gegen die
Rechtsordnung eine Treuepflichtverletzung i.S.d. § 7 Halbsatz 1 SG darstellen würde
(vgl. Urteil vom 21. Oktober 2004 - BVerwG 2 WD 17.04 - m.w.N.). Denn dieses Ge-
setz ist hier nicht einschlägig. Es fehlt die erforderliche funktionale Beziehung zu ei-
ner Dienstverrichtung, weil sich die Zeugin K. beim Empfang der angeschuldigten
SMS nach Dienst jeweils in ihrem Unterkunftsgebäude aufhielt. Dieses Erfordernis
ergibt sich daraus, dass das BeschSchG nur vor sexueller Belästigung „am Arbeits-
platz“ schützt (vgl. u.a. § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 BeschSchG).
Darunter ist nicht (nur), wie es der Wortlaut nahe legen könnte, ein örtlicher Bezug im
Sinne eines Aufenthalts in demjenigen Bereich zu verstehen, in dem allgemein oder
konkret gearbeitet wird. Das würde dem Sinn und Zweck des Gesetzes, nämlich der
Wahrung der Würde der Beschäftigten im Sinne des Gesetzes durch Schutzmaß-
nahmen (vgl. § 1 BeschSchG), nicht gerecht. Vielmehr ist eine darüber hinausge-
hende funktionale Betrachtungsweise angezeigt (so auch Schieck/Dieball/Fritsche/
Klein-Schonnefeld/Malzahn/Wankel, Frauengleichstellungsgesetze des Bundes und
der Länder, 1996, § 1 BeschSchG, RNr. 2562). Auf diese Weise wird dem Schutzge-
danken, am Arbeitsplatz ein Klima zu schaffen, in dem die Würde jeder Person res-
pektiert wird (vgl. BTDrucks 12/5468 vom 21. Juli 1993, zu § 1 BeschSchG, S. 46),
am besten Rechnung getragen. Dadurch wird beispielsweise vermieden, dass Be-
schäftigte, die sich während der Mittagspause am Arbeitsort räumlich entfernt von
ihrem konkreten Arbeitsplatz aufhalten oder auf Dienstreisen sind, aus dem Anwen-
dungsbereich fallen. Das bedeutet aber im Umkehrschluss, dass die Beschäftigten
dann nicht mehr geschützt sind, wenn sie - wie hier - ihre Arbeit beendet und den
Arbeitsbereich verlassen haben.
Der Soldat hat insgesamt ein Dienstvergehen gemäß § 23 Abs. 1 SG begangen.
b) Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind gemäß § 38 Abs. 1 i.V.m. § 58
Abs. 7 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens, seine Auswirkungen, das
Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung sowie die Beweggründe
des Soldaten zu berücksichtigen.
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aa) Die Eigenart und Schwere eines Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Un-
rechtsgehalt der Verfehlungen, also nach der Bedeutung der verletzten Pflichten.
Danach wiegt das Dienstvergehen des Soldaten schwer.
Die unwürdige und ehrverletzende Behandlung einer Untergebenen ist für einen Sol-
daten in Vorgesetztenstellung stets ein sehr ernst zu nehmendes Fehlverhalten.
Nach Art. 1 Abs. 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar; sie zu achten und
zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Dieses Gebot gilt auch für die
Streitkräfte als Teil der Exekutive und bedarf im militärischen Bereich mit seiner
streng hierarchischen Gliederung besonderer Beachtung. Welche Bedeutung der
Gesetzgeber dem Schutz Untergebener beimisst, ergibt sich aus der Tatsache, dass
die entwürdigende Behandlung Untergebener mit Freiheitsstrafe bedroht ist (§ 31
Abs. 1 WStG). Ein Vorgesetzter, der Untergebene entwürdigend behandelt, begeht
nicht nur eine Wehrstraftat, sondern auch eine schwerwiegende Dienstpflichtverlet-
zung (vgl. Urteile vom 28. Januar 1999 - BVerwG 2 WD 17.98 -
§ 12 SG Nr. 8>, vom 19. Juli 2000 - BVerwG 2 WD 6.00 -, vom 17. Oktober 2000
- BVerwG 2 WD 12.00, 13.00 - und vom 17. März 2004 - BVerwG 2 WD 17.03 -).
Die Fürsorgepflicht (§ 10 Abs. 3 SG) gehört zu den vornehmsten Pflichten eines Vor-
gesetzten gegenüber seinen Untergebenen, die das berechtigte Gefühl haben müs-
sen, dass sie vom Vorgesetzten nicht nur als Befehlsempfänger betrachtet, sondern
in ihrer Personenwürde geachtet und mit menschlicher Rücksichtnahme behandelt
werden.
Eine bisher ausgebliebene strafrechtliche Ahndung ist allein darauf zurückzuführen,
dass weder eine Strafanzeige durch die Zeugin K. gestellt wurde, noch eine Abgabe
an die Staatsanwaltschaft durch die zuständigen Disziplinarvorgesetzten erfolgte.
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Die Beachtung der Kameradschaftspflicht ist nicht minder wichtig; denn der Zusam-
menhalt der Bundeswehr beruht wesentlich auf Kameradschaft (§ 12 Satz 1 SG). Die
dienstlichen Aufgaben erfordern im Frieden und in noch höherem Maße im Verteidi-
gungsfall gegenseitiges Vertrauen und das Bewusstsein, sich bedingungslos aufein-
ander verlassen zu können. Ein Vorgesetzter, der die Rechte, die Ehre oder die
Würde seiner Kameraden verletzt, untergräbt den dienstlichen Zusammenhalt, stört
den Dienstbetrieb und beeinträchtigt damit letztlich auch die Einsatzbereitschaft der
Truppe (u.a. Urteile vom 28. Oktober 2003 - BVerwG 2 WD 10.03 -
193> und vom 17. März 2004 - BVerwG 2 WD 17.03 -
2005, 133> m.w.N.).
Aber auch die festgestellte Verletzung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 SG
normierten Pflicht jedes Soldaten, der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu wer-
den, die sein Dienst als Soldat erfordert, wiegt schwer. Es geht dabei nicht um eine
bloße Nebenpflicht. Denn sie hat wegen ihres funktionellen Bezugs zur Erfüllung des
grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militäri-
schen Dienstbetriebs erhebliche Bedeutung. Ein Soldat, insbesondere ein Vorgesetz-
ter, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens
seiner militärischen Vorgesetzten, um seine Aufgabe so zu erfüllen, dass der gesam-
te Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist (zuletzt Urteil vom
16. Dezember 2004 - BVerwG 2 WD 15.04 -).
Zu Lasten des Soldaten fällt erschwerend ins Gewicht, dass er die in Rede stehen-
den Pflichtverletzungen nicht nur einmal beging, sondern - in ähnlicher Form - in ho-
her Anzahl. Denn er hat wiederholt gegen die Pflichten zur Fürsorge, zur Kamerad-
schaft und zur Achtungs- und Vertrauenswahrung im dienstlichen Bereich verstoßen,
indem er eine unterstellte Soldatin mehrfach - bei Anschuldigungspunkt 4 sogar über
einen Zeitraum von etwa einem halben Jahr - durch Zusendung unerwünschter SMS
belästigte. Er ließ sich selbst durch regelmäßig ablehnende oder zumindest auswei-
chende Antworten der Zeugin K. nicht davon abbringen, sein Fehlverhalten fortzu-
setzen. Das zeigt ein hohes Maß an Rücksichtslosigkeit.
Bei der Bewertung der Schwere des Dienstvergehens ist ferner zu berücksichtigen,
dass der Soldat zum Zeitpunkt der Dienstpflichtverletzungen einen Dienstgrad trug,
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der ihm kraft Gesetzes (§ 1 Abs. 5 Satz 1 und 2 SG i.V.m. § 1 Abs. 1 VorgV) Vorge-
setzteneigenschaft gegenüber der Zeugin K. verlieh. Mit seinem Fehlverhalten gab er
nicht das von einem Vorgesetzten gemäß § 10 Abs. 1 SG verlangte Beispiel in Hal-
tung und Pflichterfüllung, sondern im Gegenteil ein außerordentlich schlechtes Bei-
spiel.
bb) Zu Lasten des Soldaten sind die negativen gesundheitlichen Folgen bei der Zeu-
gin K. zu berücksichtigen. So traten bei ihr nach eigenen Angaben Bauchschmerzen,
innerer Druck, Angstgefühle und Schlafstörungen auf. Im Untersuchungsbericht des
Leiters der FU-Stelle 6 (Neurologie und Psychatrie) des Bundeswehrkrankenhauses
A. Oberfeldarzt G., vom 21. März 2003 wurde festgestellt, dass es bei ihr seit Mitte
2002 zu Ängsten (insbesondere zur Angst, in die Kompanie zu gehen), Magenbe-
schwerden, Durchfall und Schlafstörungen gekommen sei; eine „gut verstehbare de-
pressive und besorgte Reaktion bei konflikthafter Belastung“ wurde diagnostiziert.
Der Senat hat keine Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der insoweit getroffenen
Feststellungen, zumal ihnen der Soldat auch in der Berufungshauptverhandlung nicht
entgegengetreten ist.
Außerdem fällt negativ ins Gewicht, dass der Dienstbetrieb nicht unerheblich beein-
trächtigt wurde. Denn zum einen sah sich die Zeugin K. gezwungen, dem Soldaten
regelmäßig aus dem Weg zu gehen und nicht mehr in der notwendigen vertrauens-
vollen Weise mit ihm zusammen zu arbeiten. Zum anderen bewirkte das Fehlverhal-
ten des Soldaten, dass die Zeugin K. anschließend aus Gesundheitsgründen ver-
setzt wurde.
cc) Das Maß der Schuld ist von der vorsätzlichen Begehungsweise geprägt.
Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Soldat zum Zeitpunkt des Dienstvergehens
in seiner Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB eingeschränkt oder gar im Sinne
des § 20 StGB schuldunfähig war, sind nicht ersichtlich.
Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die die Schuld des Soldaten mindern
würden, liegen nicht vor. Sie sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats
(u.a. Urteile vom 6. Mai 2003 - BVerwG 2 WD 29.02 -
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Buchholz 235.01 § 107 WDO 2002 Nr. 3 = NZWehrr 2004, 31 = NVwZ-RR 2004, 46
[insoweit nicht veröffentlicht]> m.w.N., vom 1. Juli 2003 - BVerwG 2 WD 51.02 - und
vom 16. Dezember 2004 - BVerwG 2 WD 15.04 -) nur dann gegeben, wenn die Situ-
ation, in der der Soldat versagt hat, von so außergewöhnlichen Besonderheiten ge-
kennzeichnet war, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht
mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte. Als solche Be-
sonderheiten sind beispielsweise ein Handeln in einer ausweglos erscheinenden,
unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage, die auf andere Weise nicht zu beheben
war, ein Handeln unter schockartig ausgelöstem psychischem Zwang oder unter
Umständen anerkannt worden, die es als unbedachte, im Grunde persönlichkeits-
fremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Solda-
ten erscheinen lassen, sowie ein Handeln in einer körperlichen oder seelischen Aus-
nahmesituation (stRspr.: vgl. u.a. Urteile vom 16. Oktober 2002 - BVerwG 2 WD
23.01, 32.02 -
RR 2003, 364>, vom 13. März 2003 - BVerwG 1 WD 4.03 -
WDO 2002 Nr. 2 = DokBer 2003, 303> sowie vom 16. Dezember 2004 - BVerwG
2 WD 15.04 -). Die Voraussetzungen für das Vorliegen solcher Milderungsgründe
sind ersichtlich nicht erfüllt. Der Soldat handelte insbesondere weder in einer psychi-
schen Ausnahmesituation, etwa unter Schock, noch liegen Anhaltspunkte für eine
unbedachte persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und
im Dienst bewährten Soldaten vor. Nach der Rechtsprechung des Senats (dazu zu-
letzt Urteil vom 21. Oktober 2004 - BVerwG 2 WD 17.04 - m.w.N.) ist für eine Augen-
blickstat entscheidend, ob der Soldat das Dienstvergehen in einem Zustand began-
gen hat, in dem er die rechtlichen und tatsächlichen Folgen seines Verhaltens nicht
bedacht hat, wozu ein gewisses Maß an Spontaneität, Kopflosigkeit und Unüberlegt-
heit gehört. Das war hier nicht der Fall. Denn das Schreiben und Abschicken der an-
geschuldigten SMS erforderte jeweils ein wohlüberlegtes Handeln.
Konkrete Anhaltspunkte für ein Mitverschulden von Vorgesetzten - etwa im Hinblick
auf eine nicht hinreichende Wahrnehmung ihrer erforderlichen Dienstaufsicht (vgl.
dazu Urteile vom 17. Oktober 2002 - BVerwG 2 WD 14.02 - < Buchholz 236.1 § 12
SG Nr. 19 = NZWehrr 2003, 127 = NVwZ-RR 2003, 366 <367> = ZBR 2003, 392)
und vom 13. März 2003 - BVerwG 1 WD 4.03 -
Nr. 2 = DokBer 2003, 303>) - sind nicht ersichtlich. Vielmehr wurde der damalige
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Kompaniechef der …Kp, der Zeuge S., sofort tätig, nachdem ihm die Vorwürfe von
der Gleichstellungsbeauftragten am 20. Januar 2003 mitgeteilt worden waren. Vor
diesem Zeitpunkt hatten die Vorgesetzten des Soldaten nach den getroffenen Fest-
stellungen keine Kenntnis von einer Belästigung der Zeugin K.
dd) Die Beweggründe für das Fehlverhalten lagen offenbar im Interesse des Solda-
ten, näheren - intimen - Kontakt mit der betroffenen Zeugin K.zu knüpfen. Dafür
spricht insbesondere, dass der Soldat bereits vorher die im Dienst gebotene Distanz
zu der unterstellten Soldatin nicht einhielt, indem er sie - von sich aus - duzte und
dass er sie schließlich ganz offen mit seinen sexuellen Bedürfnissen konfrontierte
und sie mit sexuellen Anzüglichkeiten und Aufforderungen bedrängte.
ee) Im Hinblick auf die Persönlichkeit und die bisherige Führung sind seine sehr gu-
ten dienstlichen Leistungen hervorzuheben, die insbesondere in seiner letzten plan-
mäßigen Beurteilung vom 22. Juli 2002 sowie auch in der Sonderbeurteilung vom
9. Dezember 2004 zum Ausdruck gekommen sind. Nach Begehung seiner Verfeh-
lungen hat der Soldat in seinen Leistungen nicht nachgelassen. Ebenfalls zu seinen
Gunsten sprechen die ihm erteilten drei förmlichen Anerkennungen, die zwei gewähr-
ten Leistungsprämien sowie die verliehenen Auszeichnungen, wie z.B. das Ehren-
kreuz der Bundeswehr in Silber sowie die Ehrenmedaille der Bundeswehr. Zudem ist
er weder disziplinar noch strafrechtlich vorbelastet.
Zu seinen Lasten spricht dagegen seine Uneinsichtigkeit. Alle Vorwürfe in den An-
schuldigungspunkten 4 bis 6 bestritt er ausdrücklich. Er versuchte auch in der Beru-
fungshauptverhandlung hartnäckig und nachhaltig seine Pflichtverletzungen zu ver-
schleiern.
ff) Bei der gebotenen Gesamtwürdigung des Fehlverhaltens des Soldaten war vor
allem die Schwere des Dienstvergehens zu gewichten.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist bei einer entwürdigenden Behand-
lung von Untergebenen im Regelfall die Dienstgradherabsetzung, in schweren Fällen
sogar die Höchstmaßnahme verwirkt (zuletzt Urteil vom 17. März 2004 - BVerwG
2 WD 17.03 - m.w.N.). Auch bei einer sexuellen Belästigung ohne (wehr-)
strafrechtlichen Hintergrund hat der Senat wiederholt entschieden, dass eine solche
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„reinigende Maßnahme” Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen ist (vgl. Urteile
vom 15. Februar 2000 - BVerwG 2 WD 30.99 -
NZWehrr 2001, 30 [32]>, vom 24. Januar 2002 - BVerwG 2 WD 33.01 - und vom
1. April 2003 - BVerwG 2 WD 48.02 -).
Vorliegend wäre im Hinblick auf die zahlreichen und teilweise erheblichen Belästi-
gungen und angesichts der äußerst negativen Auswirkungen des vorsätzlich began-
genen Dienstvergehens und der Uneinsichtigkeit des Soldaten sowie aus general-
präventiven Gesichtspunkten an sich eine Dienstgradherabsetzung um einen Dienst-
grad als die tat- und schuldangemessene Reaktion anzusehen.
Dem Ausspruch dieser Disziplinarmaßnahme durch den Senat stand jedoch das
Verschlechterungsverbot (§ 331 Abs. 1 StPO i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO) entge-
gen, das nunmehr als Folge der Berufungsrücknahme durch den Vertreter des Bun-
deswehrdisziplinaranwalts zu Beginn der Berufungshauptverhandlung zu beachten
ist. Über das vom Truppendienstgericht Süd - 10. Kammer - im Urteil vom 1. Oktober
2004 ausgesprochene Beförderungsverbot von zweieinhalb Jahren durfte der Senat
deshalb nicht hinausgehen. Die auf Freispruch gerichtete Berufung des Soldaten war
zurückzuweisen.
4. Da die Berufung des Wehrdisziplinaranwalts zurückgenommen wurde und die des
Soldaten erfolglos blieb, waren die Kosten des Berufungsverfahrens gemäß § 139
Abs. 2 WDO und die dem Soldaten erwachsenen notwendigen Auslagen gemäß
§ 140 Abs. 3 Satz 1 WDO entsprechend zu verteilen, wobei dem Senat eine Auftei-
lung von einem Drittel zu zwei Dritteln als angemessen erschien.
Prof. Dr. Pietzner
Prof. Dr. Widmaier
Dr. Deiseroth
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