Urteil des BVerwG vom 16.01.2014

Soldat, Firma, Ausschreibung des Auftrags, Dienstliche Tätigkeit

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 WD 31.12
TDG N 2 VL 11/11
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren
g e g e n
Herrn Oberstleutnant a.D. …,
…,
…,
zuletzt: …,
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentli-
chen Hauptverhandlung am 16. Januar 2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Burmeister,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
ehrenamtlicher Richter Oberst i.G. Kretzer und
ehrenamtlicher Richter Oberfeldarzt Flemming,
Leitender Regierungsdirektor …
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt …
als Verteidiger,
Hauptsekretärin …
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Die Berufung des früheren Soldaten gegen das Urteil der
2. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom 23. Mai
2012 wird zurückgewiesen.
Der frühere Soldat trägt die Kosten des Berufungsverfah-
rens einschließlich der ihm darin erwachsenen notwendi-
gen Auslagen.
G r ü n d e :
I
Der 1948 geborene frühere Soldat trat 1968 den Dienst in der Bundeswehr als
Offizieranwärter an. Er wurde 1971 in das Dienstverhältnis eines Berufssolda-
ten berufen. Zuletzt wurde er 1994 zum Oberstleutnant befördert und Anfang
2000 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 15 eingewiesen. Seine Dienst-
zeit endete zum 30. September 2006.
Der frühere Soldat war nach zahlreichen Verwendungen ab Mai 2001 beim A
als Dezernatsleiter …, eingesetzt. In dieser Funktion war er - in Zusammen-
arbeit mit dem Einsatzunterstützungskommando - mitverantwortlich für das Er-
stellen von Leistungsbeschreibungen für Lufttransporte, auf deren Basis das
Bundesamt für Wehrverwaltung (BAWV) die benötigten Leistungen ausschrieb
und die entsprechenden Verträge mit Speditionsfirmen schloss. Ab Oktober
2002 übernahm das Logistikzentrum der Bundeswehr diese Aufgabe des vom
früheren Soldaten geleiteten Dezernats.
Mit Verfügung des Befehlshabers A vom 20. Dezember 2004 wurde der frühere
Soldat wegen des streitgegenständlichen Sachverhalts ab dem 23. Dezember
2004 bis zu seinem Dienstzeitende vorläufig des Dienstes enthoben. Ab dem
1. Februar 2005 wurde die Hälfte seiner Dienstbezüge einbehalten; die Einbe-
haltung eines Teils der Versorgungsbezüge wurde nicht angeordnet.
Die Leistungen des früheren Soldaten wurden in der letzten planmäßigen Be-
urteilung vom 22. August 2001 viermal mit der seinerzeit höchsten Wertungs-
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stufe „7“, einmal mit der Wertungsstufe „5“ und im Übrigen mit der Wertungsstu-
fe „6“ bewertet. Ergänzend ist im Wesentlichen ausgeführt, der Soldat setze
sich beispielhaft und überaus erfolgreich für die Erreichung gesetzter Ziele ein,
gebe auch bei wachsenden Widerständen nicht auf und erreiche mit Tatkraft,
Beharrlichkeit und Zielstrebigkeit stets herausragende Ergebnisse. Seine stark
ausgeprägte Expertise führe insbesondere bei der Planung von Verlegeopera-
tionen zu allseitiger Anerkennung. Der Soldat überzeuge durch eine konstrukti-
ve, selbstständige und vorausschauende Aufgabenwahrnehmung. Er habe
neben seiner unmittelbaren Zuständigkeit auch in „ad hoc“-Arbeitsgruppen bei-
spielhaft und mit hohem zeitlichen Aufwand mitgewirkt. Unermüdlicher Fleiß
und kreative Ideen seien seine herausragenden Merkmale. In der Eignungs-
und Befähigungsbeurteilung erhielt der frühere Soldat für das Merkmal „Ver-
antwortungsbewusstsein“ die höchste Wertung „E“. Dazu heißt es, der Soldat
sei ein Stabsoffizier mit sehr stark ausgeprägtem Verantwortungs- und Pflicht-
bewusstsein sowie beispielhafter Loyalität. Er nehme seinen Aufgabenbereich
eigenständig und professionell wahr, biete sich über den unmittelbaren Zustän-
digkeitsbereich hinaus in wohltuender Weise an und fühle sich für den Gesamt-
auftrag verantwortlich. Die weiteren Merkmale wurden mit "D" bewertet. Der
Soldat sei ein selbstbewusster, tatkräftiger, durchsetzungsfähiger und ehrgeizi-
ger Stabsoffizier. Seine erkennbare Freude an der beruflichen AufgabensteI-
lung strahle auf sein gesamtes Umfeld aus und wirke auf Mitarbeiter motivie-
rend. Seine Expertise solle zukünftig durch herausgehobene Verwendungen auf
der A 16-Ebene oder einem Dienstposten des Generalstabsdienstes gefördert
werden.
Der nächsthöhere Vorgesetzte des früheren Soldaten und seinerzeitige Abtei-
lungsleiter der Abteilung … im A, Brigadegeneral a.D. Schw., hat dessen Förde-
rungswürdigkeit mit der zweithöchsten Stufe „D“ festgesetzt und hervorgeho-
ben, der Soldat verstehe es durch sein ausgezeichnetes Planungsverhalten und
sein hervorragendes organisatorisches Können in ganz außergewöhnlichem
Maße, seine Mitarbeiter zu sehr guten Leistungen anzuhalten. Er schätze des-
sen Fähigkeiten als Verhandlungsführer und guter Motivator.
Vor dem Truppendienstgericht hat der Zeuge Brigadegeneral a.D. Schw. er-
gänzend ausgeführt, der frühere Soldat habe seinen Zuständigkeitsbereich per-
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fekt beherrscht. Er sei hoch motiviert und aufgrund seiner Leistungen auch für
eine Verwendung als Leiter der Abteilung „Verkehr- und Transport“ geeignet
gewesen. Allerdings hätte er vor Übernahme dieser Funktion an seinem Füh-
rungsverhalten arbeiten müssen. In der Berufungshauptverhandlung hat der
Zeuge erläutert, der frühere Soldat sei ein Offizier gewesen, der auch kantige
Seiten gehabt habe und gut habe verhandeln können. Es sei allerdings nicht
immer einfach mit ihm gewesen. Auch wenn er selbst ein gutes Verhältnis zu
ihm gehabt habe, habe er sich in Gespräche des früheren Soldaten mit anderen
Institutionen gelegentlich einschalten müssen; dies habe auch das BAWV be-
troffen.
Dem früheren Soldaten wurden vier förmliche Anerkennungen erteilt. Die letzte
erhielt er im April 2002 für sein beispielhaftes Engagement und seine außerge-
wöhnliche Einsatzbereitschaft im Zusammenhang mit der in den streitbefange-
nen Zeitraum fallenden Planung und Sicherstellung des Deutschen Anteils am
Lufttransport für Afghanistan. Nach der Auskunft aus dem Zentralregister vom
12. September 2013 ist der frühere Soldat, von der sachgleichen Verurteilung
wegen Bestechlichkeit in Tateinheit mit Geheimnisverrat und Geheimnisverrat
in zwei Fällen abgesehen, strafrechtlich nicht vorbelastet.
Der verheiratete frühere Soldat erhält nach dem Stand September 2013 ein
monatliches Ruhegehalt von 4 327,50 € brutto und 3 681,01 € netto. Seine er-
wachsenen Kinder sind finanziell unabhängig. Neben einem Einfamilienhaus in
M. (Wohnsitz) und einem vermieteten Reihenhaus in S., deren Eigentümer er
jeweils zur Hälfte ist, ist er Alleineigentümer eines Apartmenthauses auf Rügen
(„…“). Sein Jahresgesamteinkommen beziffert er mit ca. 100 000 € netto. Die
monatliche Belastung für die Finanzierung des Apartmenthauses liegt bei ca.
8 500 €.
II
1. Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts … (Strafgericht) vom 19. Okto-
ber 2007 (Strafurteil) wurde der frühere Soldat wegen Bestechlichkeit in Tatein-
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heit mit Geheimnisverrat und Geheimnisverrat in zwei Fällen zu einer zur Be-
währung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Die
von der Staatsanwaltschaft gegen das Strafurteil eingelegte Berufung wurde zu-
rückgenommen. Der Zeuge Schm. wurde 2006 wegen Bestechung zu einer zur
Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt.
Vor der Verkündung des Strafurteils in der Hauptverhandlung am 19. Oktober
2007 hatten am 8. Dezember 2006 und am 27. Juni 2007 Hauptverhandlungen
stattgefunden. Zu keiner der Hauptverhandlungen, in der der frühere Soldat von
einem anderen Rechtsanwalt verteidigt worden war, waren Zeugen geladen
worden, obwohl die Anklageschrift als Beweismittel 19 Zeugen benannt hatte.
Im Protokoll zur Verhandlung vom 8. Dezember 2006 ist vermerkt, dass sich
alle Verfahrensbeteiligten vor Verlesung der Anklageschrift zu einem Rechtsge-
spräch zurückgezogen hätten. Vor dem Vertagungsbeschluss ist die Feststel-
lung, dass die Sache nicht zu Ende verhandelt werden könne, protokolliert. Im
Protokoll zur Verhandlung vom 27. Juni 2007 findet sich vor einem weiteren
Vertagungsbeschluss die Feststellung, dass die Akte noch beim Rentenamt sei.
Ausweislich der Niederschrift über die Sitzung am 19. Oktober 2007 erklärte der
Verteidiger des früheren Soldaten unter anderem, dass „der Anklage nicht ent-
gegentreten werde“. Die Anklagevorwürfe seien „voll umfänglich zutreffend“.
Sein Mandant habe einen Fehler gemacht, indem er 25 056 € angenommen
habe; weitere ihm angelastete Beträge habe er aber zurückgewiesen. Das Ge-
richt wies in der Sitzung darauf hin, dass eine Verurteilung wegen Bestechlich-
keit in Tateinheit mit Geheimnisverrat in Betracht komme, und stellte das Ver-
fahren hinsichtlich des Anklagepunktes 4 ein. Zu einer förmlichen Beweisauf-
nahme kam es nicht. Der frühere Soldat erklärte abschließend, sich den Aus-
führungen seines Verteidigers anzuschließen.
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In den Urteilsgründen, die wörtlich den in der Anklageschrift der Staatsanwalt-
schaft … (vom 8. November 2006) enthaltenen Formulierungen von den dem
früheren Soldaten zur Last gelegten Taten entsprechen und sich auch zum An-
klagepunkt 4 verhalten, heißt es ausschließlich, die tatsächlichen Feststellun-
gen beruhten auf der umfänglichen geständigen Einlassung des früheren Sol-
daten. Hinsichtlich der Strafzumessung sei es deshalb vertretbar, bei der Be-
stechlichkeit die Mindeststrafe von 6 Monaten um lediglich 2 Monate zu erhö-
hen, weil der frühere Soldat dem Gericht durch sein Geständnis eine umfang-
reiche Beweisaufnahme erspart habe.
Im Rahmen einer richterlichen Vernehmung nach einer Festnahme des frühe-
ren Soldaten im Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bestechlichkeit
hatte dieser bereits am 16. Dezember 2004 erklärt:
„Es ist richtig, dass ich die 25.000 Euro um die es hier
geht von der Firma A. erhalten habe. Hintergrund dieser
Zahlung war nicht die Bezahlung eines Mietzinses für Ap-
partements auf Rügen. Die diesbezüglichen Verträge die
man bei mir in der Küche gefunden hat, stimmen so nicht.
Entgegen den Inhalt dieser Verträge war nie beabsichtigt
das Mitarbeiter der Firma A. ein Appartement auf Rügen
beziehen sollen. Mehr Geld als diese 25.000 Euro habe
ich von der Firma A. nicht im Besitz. Es ist zwar versucht
worden mir noch zweimal diese Summe zu überweisen,
das habe ich aber zurück überwiesen. Das wollte ich nicht
haben. Weder ich noch meine Frau, noch meine Kinder
haben von der Firma A. bzw. der Firma M. oder einer
Tochter oder Schwestergesellschaft der beiden weiteres
Geld erhalten.“
2. Der frühere Soldat wurde vor Einleitung des disziplinargerichtlichen Verfah-
rens am 17. Dezember 2004 angehört. Die Niederschrift über die Anhörung
enthält den Hinweis, dass der frühere Soldat der Anhörung der Vertrauensper-
son widersprochen habe. Abschließendes Gehör wurde durch die Wehrdiszipli-
naranwaltschaft in der Form von Gelegenheit zu schriftlichen Stellungnahmen
gewährt, die der Soldat mehrfach nutzte.
3. In dem durch den Befehlshaber A durch Verfügung vom 20. Dezember 2004
eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren legte die Wehrdisziplinaranwalt-
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schaft in der dem früheren Soldaten am 7. März 2011 zugestellten Anschuldi-
gungsschrift vom 28. Februar 2011 folgendes Dienstvergehen zur Last:
„1.
a) Der frühere Soldat übersandte dem Zeugen Schm. (da-
mals Geschäftsführer des Speditionsunternehmens Firma
M. [im weiteren nur: Firma M.]) am oder unmittelbar vor
dem 18.01.2002 vorsätzlich den Entwurf seiner Bedarfs-
anforderung für den Auftrag … (Stichworte: Bereitstellung
von 10 Transportflügen mit Flugzeugen des Typs … von
… nach … im Zuge der Durchführung des Auslandsein-
satzes ‚Beteiligung der Bundeswehr an ISAF [International
Security Assistance Force]’ und ‚Enduring Freedom [EF]’),
der vom Zeugen Schm. überarbeitet wurde, mit der Folge,
dass dessen Vorgaben zu den Ziffern 2. und 3. der ‚Erläu-
terungen zum Leistungsinhalt’ übernommen und zum Ge-
genstand der nachfolgenden Ausschreibung des Auftrags
durch das Bundesamt für Wehrverwaltung (BAWV) ge-
macht wurden.
hilfsweise:
Nach Erhalt der Leistungsbeschreibung für den Auftrag …
des BAWV (Stichworte: Bereitstellung von
10 Transportflügen mit Flugzeugen des Typs … von …
nach … im Zuge der Durchführung des Auslandseinsatzes
‚Beteiligung der Bundeswehr an ISAF und EF’) - spätes-
tens aufgrund der Übersendung per Fax am 18.01.2002 -
11:12 Uhr durch das BAWV an die Firma M. -, wurde die-
se in den Ziffern 1. sowie 4. bis 6. der ‚Erläuterungen zum
Leistungsinhalt’ vom Zeugen Schm. (damals Geschäfts-
führer des Speditionsunternehmens Firma M.) für ‚ok’ so-
wie in den Ziffern 2. und 3. für änderungswürdig befunden.
Die vom Zeugen Schm. oder einem anderen Angehörigen
der Firma M. auf nicht näher feststellbare Weise sodann
an den früheren Soldaten herangetragenen, aus der Sicht
des Zeugen Schm. im Interesse seines Unternehmens für
änderungswürdig befundenen Passagen wurden seitens
des früheren Soldaten vorsätzlich bei der von ihm als De-
zernatsleiter A zu verantwortenden Bedarfsforderung des
A gegenüber dem BAWV zum nachfolgenden weiteren
Auftrag … (Stichworte: bis zu 78 Flüge mit … oder bis zu
160 Flüge mit … im Zeitraum 23./24.01. bis 01.04.2002 für
die Strecke … oder … und bei Bedarf retour) eingebracht,
an das BAWV mit Fax vom 18.01.2002 - 22:59 Uhr über-
sandt (Absenderkennung: A) und durch das BAWV bei der
Ausschreibung des Auftrags … vom 21.01.2002 unter
‚Leistungsbeschreibung’ bzw. Ziffer 2. der ‚Erläuterungen
zum Leistungsinhalt’ mitberücksichtigt. Mit seinem Verhal-
ten eröffnete der frühere Soldat der Firma M. in Person
des Zeugen Schm. vorsätzlich die Möglichkeit, in wettbe-
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werbswidriger Weise auf die von ihm zu verantwortende
Bedarfsforderung des A gegenüber dem BAWV und damit
auf das Vergabeverfahren Einfluss zu nehmen.
b) Den als Verschlusssache (VS) ‚VS - NUR FÜR DEN
DIENSTGEBRAUCH’ eingestuften Befehl des Einsatzfüh-
rungskommandos der Bundeswehr (EinsFüKdoBw) vom
18.01.2002 betreffend die Folgeverlegung von Truppen
nach Afghanistan übermittelte der frühere Soldat noch am
selben Tag per Telefax an die private Telefax-Nummer
des Zeugen Schm. Die von dem Zeugen Schm. vertretene
Firma M. war an den nachfolgenden Ausschreibungen des
BAWV als Bieter beteiligt. Der frühere Soldat verschaffte
der Firma M. durch sein Vorgehen Wettbewerbsvorteile
zumindest in Form von Informationsvorsprüngen.
hilfsweise:
Der frühere Soldat übermittelte vorsätzlich eigenmächtig
am 19.01.2002 - 13:02 Uhr per Telefax vom Faxgerät sei-
nes Dezernats· aus (Absenderkennung: A) dem Zeugen
Schm. (private TelefaxNummer: …) den als Verschlusssa-
che ‚VS - NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH’ eingestuf-
ten Entwurf des Befehls des EinsFüKdoBw ‚Befehl für die
Folgeverlegung EinsKtgt AFG im Rahmen einer, Interna-
tional Security Assistance Force' in AFG (ISAF)’ vom
18.01.2002 - in dem Art und Umfang des anstehenden
Transportbedarfs detailliert dargestellt werden - bzw. ließ
diesen vorsätzlich eigenmächtig übermitteln. Der frühere
Soldat verschaffte damit der Firma M. bewusst und gewollt
Zugang zu einem dienstinternen Dokument. Die Firma M.
erlangte so als potentieller Bieter/Auftragnehmer für die im
Weiteren zu vergebenden Lufttransportleistungen jeden-
falls einen Informationsvorsprung gegenüber Mitbewer-
bern.
2. Der frühere Soldat kam im Laufe des Februar 2002 mit
dem Zeugen Schm. überein, sich gegen Zahlung von Geld
- getarnt als Mietzins für die Nutzung zweier im Eigentum
des früheren Soldaten befindlicher Ferienappartements
auf der Insel Rügen - für die Belange der Firma M. als po-
tentiellem Auftragnehmer von durch die Bundeswehr zu
vergebenden Aufträgen auf den Geschäftsfeldern der Fir-
ma M. so einzusetzen, dass der Firma M. hieraus Vorteile
- zumindest in Form von Informationsvorsprüngen - ge-
genüber möglichen Wettbewerbern erwachsen sollten,
und erhielt hierfür - veranlasst durch den Zeugen Schm. -
einen Betrag in Höhe von € 25.056,-- auf sein Girokonto
bei der … Bank (Kontonummer: …) überwiesen und am
24.05.2002 gutgeschrieben. In Erfüllung dieser Überein-
kunft verhielt sich der frühere Soldat wie unter den nach-
folgenden Ziffern 3. und 4. angeschuldigt.
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hilfsweise:
Im Februar 2002 kamen der frühere Soldat und der Zeuge
Schm. überein, dass der frühere Soldat vom Zeugen
Schm. einen Geldbetrag - getarnt als Mietzins für die Nut-
zung zweier im Eigentum des früheren Soldaten befindli-
cher Ferienappartements auf der Insel Rügen - erhalten
sollte. Der Zeuge Schm. verband mit der avisierten Zah-
lung tatsächlich allein die Erwartung, dass der frühere
Soldat durch seine weitere Dienstausübung der Firma M.
als potentiellem Auftragnehmer von durch die Bundeswehr
zu vergebenden Aufträgen auf den Geschäftsfeldern der
Firma M. Vorteile - zumindest in Form von Informations-
vorsprüngen gegenüber möglichen Wettbewerbern ver-
schaffen würde. Eine Nutzung der Ferienappartements
war für den Zeugen Schm. zu keinem Zeitpunkt der Be-
weggrund für die später getätigte Zahlung. Dem früheren
Soldaten war bewusst, dass die avisierte Zahlung - selbst
wenn nicht ausschließlich, dann gleichwohl entscheidend -
aufgrund der vorgenannten Erwartung erfolgen sollte. Er
verhielt sich hiernach wie unter den nachfolgenden Ziffern
3. und 4. angeschuldigt und erhielt im Weiteren - veran-
lasst durch den Zeugen Schm. in Erfüllung der Überein-
kunft - einen Betrag in Höhe von € 25.056,-- auf sein Giro-
konto bei der … Bank (Kontonummer: …) überwiesen und
am 24.05.2002 gutgeschrieben. Der frühere Soldat nahm
die Zahlung - mangels Remonstration/Rücküberweisung -
zumindest konkludent an.
3.
a) Der frühere Soldat übersandte bereits am 13.03.2002
per Telefax vorsätzlich dem Zeugen Schm. die Entwürfe
der Leistungsbeschreibungen für die beiden Lose des
späteren Transportauftrags … des BAWV (Stichworte Los
1: bis zu zehn Flüge pro Woche mit … von … nach … und
retour // Stichworte Los 2: bis zu zehn Flüge pro Woche
mit … von … nach … und retour - beide Lose ab spätes-
tens 01.04.2002 für zunächst sechs Monate), wohingegen
die Mitbewerber von diesem Auftrag erst über die Aus-
schreibung durch das BAWV am 19.03.2002 erfuhren.
hilfsweise:
Der frühere Soldat ließ der Firma M. auf nicht näher fest-
stellbare Weise vorsätzlich eigenmächtig zwischen dem
11.03.2002 und vor dem 19.03.2002 eine(n) ihn als Be-
arbeiter ausweisende(n), vom A an das EinsFüKdoBw ge-
richtete(n) ‚Begleitzettel/Kurzmitteilung’ vom 11.03.2002
inklusive in den Anlagen 1 und 2 gemachter Vorschläge
für Leistungsbeschreibungen für weitere Lufttransportleis-
tungen für ISAF - die später in die Leistungsbeschreibun-
gen für die beiden Lose des am 19.03.2002 ausgeschrie-
benen Auftrags … des BAWV mündeten (Stichworte Los
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1: bis zu zehn Flüge pro Woche mit … von … nach … und
retour // Stichworte Los 2: bis zu zehn Flüge pro Woche
mit … von … nach … und retour - beide Lose ab spätes-
tens 01.04.2002 für zunächst sechs Monate) - zukommen
und verschaffte so der Firma M. bewusst und gewollt Zu-
gang zu dienstinternen Dokumenten. Die Firma M. erlang-
te so zumindest einen Informationsvorsprung gegenüber
potentiellen Wettbewerbern.
b) Er übermittelte vorsätzlich eigenmächtig am 22.03.2002
- 19:18 Uhr per Telefax von seinem privaten Telefax-
Anschluss an den Zeugen Schm. (private Telefax-
Nummer: …) oder an die Firma M. ein den damals seinem
Dezernat angehörenden Fregattenkapitän J. als Bearbei-
ter und Unterzeichner ausweisendes dienstinternes
Schreiben (ohne Unterschrift) an das Vergabereferat des
BAWV (BAWV …) vom selben Tag betreffend die Vor-
bzw. Nachläufe von den Depots zum APOE (airport of
embarkation) … bzw. ließ dieses vorsätzlich eigenmächtig
übersenden und verschaffte so der Firma M. bewusst und
gewollt Zugang zu einem dienstinternen Dokument.
c) Er übersandte vorsätzlich eigenmächtig am 09.04.2002
ein von ihm gefertigtes als Verschlusssache ‚VS - NUR
FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH’ eingestuftes Schreiben
des A an das EinsFüKdoBw vom selben Tag betreffend
den Einsatz der Bundeswehr im Ausland (Vergabe von
Transportleistungen - vertragliche Grundla-
gen/Leistungsabruf/Abrechnungsprobleme bei OEF) und
einen Vermerk (Rechtliche Aspekte aus Sicht A) an den
Zeugen Schm.
hilfsweise:
Er übersandte vorsätzlich eigenmächtig am 09.04.2002 -
17:02 Uhr per Telefax vom Faxgerät seines Dezernats
(Absenderkennung: A) ein ihn als Unterzeichner auswei-
sendes und als Verschlusssache ‚VS - NUR FÜR DEN
DIENSTGEBRAUCH’ eingestuftes Schreiben des A an
das EinsFüKdoBw vom 09.04.2002 betreffend den Einsatz
der Bundeswehr im Ausland sowie einen ebenfalls als
Verschlusssache ‚VS - NUR FÜR DEN
DIENSTGEBRAUCH’ eingestuften Vermerk (Rechtliche
Aspekte aus Sicht A) an die Firma M. (Telefax-Nummer:
…) bzw. ließ diese vorsätzlich eigenmächtig übersenden
und verschaffte so der Firma M. bewusst und gewollt Zu-
gang zu dienstinternen Dokumenten.
d) Er übersandte vorsätzlich eigenmächtig am 16.04.2002
- 17:42 Uhr per Telefax vom Faxgerät seines Dezernats
(Absenderkennung: A) an die Firma M. (Telefax-Nummer:
…) u.a. eine von ihm unterzeichnete dienstliche ‚Kurzmit-
- 11 -
teilung’ des A an das EinsFüKdoBw … vom 15.04.2002
betreffend die SichersteIlung der ISAF-Folgeversorgung -
Destination Kabul, in der er ein diesbezügliches Angebot
der Firma M. bewertet und eine Empfehlung gegenüber
dem … ausgesprochen hatte, bzw. ließ dieses vorsätzlich
eigenmächtig übersenden und verschaffte so der Firma M.
bewusst und gewollt Zugang zu einem dienstinternen Do-
kument.
4. Der frühere Soldat manipulierte Schriftverkehr zwischen
der Firma M. und dem BAWV, indem er in Zusammen-
arbeit mit dem Zeugen Schm. und dem Zeugen H. - als
Angehörigen der Firma M. - ein auf den 07.02.2002 datier-
tes Schreiben fingierte, nach dessen Inhalt eine Firma D.
gegenüber der Firma M. über angeblich schlechte Erfah-
rungen mit der Fluglinie … berichtete. Dieses Schreiben
enthält eine von dem früheren Soldaten verfasste Passa-
ge, wonach die Firma D. gegenüber der Firma M. die
Empfehlung ausspricht, ‚… für diese Operation nicht’ an-
zubieten’. Dieses Schreiben ist anschließend von der Fir-
ma M. an die Bundeswehr als Beleg für die vermeintliche
Unzuverlässigkeit der Firma … weitergeleitet worden.
Dem früheren Soldaten ging es hierbei darum, eine ver-
meintlich höhere Zuverlässigkeit der Fluglinie A. darzustel-
len und damit die Beschränkung in den Leistungsver-
zeichnissen auf den Subunternehmer A. zu rechtfertigen.
hilfsweise:
Am 06.08.2002 empfahl der frühere Soldat dem Zeugen
H. (damals Angehöriger der Firma M.) zu einem ihm vom
Zeugen H. gezeigten, auf den 07.02.2002 datierten Ent-
wurfsschreiben, in dem unter dem Kopf der Firma M. an
den Zeugen Schm. gerichtet zum ‚Einsatz von … bei
Charteroperationen’ negativ berichtet wird, das Entwurfs-
schreiben dahingehend zu ändern, dass ein Dritter als Ab-
sender sowie zumindest sinngemäß der Satz: ‚Aufgrund
dieses Sachverhalts haben wir uns dazu entschlossen, Ih-
nen … für diese Operation nicht anzubieten.’ eingefügt
werden sollte.“
4. Mit Urteil vom 23. Mai 2012 hat das Truppendienstgericht dem früheren Sol-
daten das Ruhegehalt aberkannt und die Gewährung des Unterhaltsbeitrags
ausgeschlossen.
a) Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, es sehe sich an die strafge-
richtlichen Tatsachenfeststellungen grundsätzlich gebunden. Dies gelte aller-
dings nicht hinsichtlich des Anschuldigungspunktes 4, weil das Strafgericht das
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Verfahren insoweit eingestellt habe, und auch nicht hinsichtlich der Annahme in
den Anschuldigungspunkten 1 a) und 1 b), die Übermittlung der Dokumente sei
am oder vor dem 18. Januar 2002 erfolgt; insoweit handele es sich um einen
offensichtlichen Fehler, sodass vom 19. Januar 2002 auszugehen sei. Außer
zum Anschuldigungspunkt 4 fehle es auch hinsichtlich der Anschuldigungs-
punkte 3 b) und 3 d) an bindenden strafgerichtlichen Feststellungen.
Hinsichtlich der sonstigen strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen lägen die
gesetzlichen Voraussetzungen für einen Lösungsbeschluss nicht vor. Es seien
insbesondere keine offenkundigen Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass die
Tatsachenfeststellungen des Strafgerichts unter Verletzung wesentlicher Ver-
fahrensvorschriften zustande gekommen seien. Für die von dem früheren Sol-
daten behauptete rechtswidrige Urteilsabsprache („Deal“) ergäben sich weder
aus den Urteilsgründen noch aus dem Protokoll Anhaltspunkte. Vor allem der
Umstand, dass Staatsanwaltschaft und Verteidigung unterschiedliche Anträge
gestellt und keinen Rechtsmittelverzicht erklärt hätten, spräche nicht dafür.
Auch für ein sogenanntes „Formalgeständnis“ ergäben sich keine Anhaltspunk-
te. Ein solches wäre grundsätzlich nur im Zusammenhang mit einem „Deal“
sinnvoll. Vorliegend habe der frühere Soldat aber mangels eines „Deals“ und
wegen des Ziels der Staatsanwaltschaft, eine höhere Strafe zu erreichen, da-
von ausgehen müssen, dass das Urteil mit der Berufung angegriffen werde.
Ebenso wenig ergäben sich aus dem Urteil und dem strafgerichtlichen Protokoll
Hinweise, dass das Strafgericht seine Pflicht zur Würdigung der geständigen
Einlassung verletzt habe. Es habe keinen Anlass gehabt, die Richtigkeit der
Erklärung in Zweifel zu ziehen. Sie habe keinen plötzlichen Bruch in der Einlas-
sung des früheren Soldaten dargestellt, sondern auf der Linie dessen gelegen,
was er bereits am 16. Dezember 2004 vor dem Amtsgericht … eingeräumt ha-
be.
b) Auf der Grundlage der bindenden Tatsachenfeststellungen und im Übrigen
der eigenen Beweiswürdigung stehe fest, dass der frühere Soldat vom An-
schuldigungspunkt 3 d) freizustellen und hinsichtlich des sonstigen angeschul-
digten Verhaltens bis auf den Anschuldigungspunkt 1 b), der von ihm in der
Form des hilfsweise angeschuldigten Vorwurfs vorsätzlich verwirklicht worden
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sei, jeweils der vorsätzlichen Begehung der hauptsächlich angeschuldigten
Vorwürfe überführt sei. Der frühere Soldat habe damit vorsätzlich gegen die
Pflicht verstoßen, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen (§ 7 SG),
über die ihm bei seiner dienstlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Angelegen-
heiten Verschwiegenheit zu bewahren (§ 14 Abs. 1 Satz 1 SG), keine Beloh-
nungen oder Geschenke in Bezug auf seine dienstliche Tätigkeit anzunehmen
(§ 19 Satz 1 SG), und sich so zu verhalten, dass er dem Ansehen der Bundes-
wehr und der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die sein Dienst als Sol-
dat erfordere (§ 17 Abs. 2 Satz 1, 2. Alternative SG).
c) Das Dienstvergehen wiege außerordentlich schwer. Sein Schwerpunkt liege
in der Entgegennahme der 25 056 €. Es entspreche der ständigen Rechtspre-
chung des Bundesverwaltungsgerichts, dass ein Beamter oder Soldat, der sich
bestechen oder sich erhebliche Vorteile für eine Amtshandlung gewähren lasse,
grundsätzlich die Höchstmaßnahme verwirkt habe. Erschwerend trete hinzu,
dass der frühere Soldat als Gegenleistung für die Zahlung Dritte über dienst-
interne Vorgänge unterrichtet habe. Milderungsgründe in der Tat lägen nicht
vor. Der frühere Soldat habe insbesondere nicht aus einer unverschuldeten
wirtschaftlichen Notlage heraus gehandelt. Sein Verhalten stelle sich auch nicht
als persönlichkeitsfremde Entgleisung eines ansonsten untadeligen Soldaten
dar. Auch seine langjährig erbrachten, sehr guten dienstlichen Leistungen
rechtfertigten nicht, von der Höchstmaßnahme abzusehen.
d) Der Gewährung eines Unterhaltsbeitrages bedürfe der frühere Soldat wirt-
schaftlich nicht.
5. Gegen das dem früheren Soldaten am 28. Juni 2012 zugestellte Urteil hat er
am 16. Juli 2012 vollumfänglich Berufung einlegen und sie mit am Montag, dem
30. Juli 2012 beim Truppendienstgericht eingegangenen Schriftsatz im Wesent-
lichen wie folgt begründen lassen:
a) Das Truppendienstgericht hätte sich von den strafgerichtlichen Tatsachen-
feststellungen in vollem Umfange lösen müssen. Die Urteilsgründe des Straf-
urteils enthielten keine Feststellungen zur subjektiven Tatseite. Hinzu trete vor
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allem, dass das Strafgericht seine (sonstigen) Tatsachenfeststellungen auf die
geständige Einlassung des früheren Soldaten gestützt habe, obwohl sie auf
einem „gedealten“ Geständnis beruhe. Soweit das Truppendienstgericht eine
rechtswidrige Verständigung abgelehnt habe, sei dessen Deutung der schein-
bar dagegen sprechenden Umstände sach- und lebensfremd. So hätte das
Truppendienstgericht danach fragen müssen, warum schon in der ersten Ver-
handlung vor dem Strafgericht ein Rechtsgespräch geführt worden sei. Zusätz-
lich sei übersehen worden, dass zum Termin am 19. Oktober 2007 keine Zeu-
gen geladen worden seien. Im Übrigen habe die Staatsanwaltschaft gegen das
Strafurteil nur deshalb Berufung eingelegt, weil sich im Nachhinein neue Er-
kenntnisse ergeben hätten. Es sei zudem früher nicht unüblich gewesen, bei
Urteilsabsprachen keinen Rechtsmittelverzicht zu erklären, um damit von ihnen
abzulenken. Für eine rechtswidrige Urteilsabsprache spreche zudem, dass das
Strafgericht in seine Urteilsgründe die Formulierungen der Anklageschrift wört-
lich übernommen und Feststellungen zum Anklagepunkt 4 getroffen habe, ob-
wohl insoweit das Verfahren eingestellt worden sei. Diese nachlässige Arbeits-
weise erkläre sich nur mit der Erwartung des Strafgerichts, gegen das Urteil
werde ohnehin kein Rechtsmittel eingelegt werden.
b) Ungeachtet formaler Mängel - so sei etwa der truppendienstgerichtliche Hin-
weis auf die Bindung an die sonstigen Feststellungen im Strafurteil zu pauschal
- sei das erstinstanzliche Urteil auch aus anderen Gründen rechtsfehlerhaft.
Zwar räume der frühere Soldat ein, dass die Übermittlung der Dokumente ge-
mäß den Anschuldigungspunkten 3 a) und 3 b) durch ihn erfolgt sei. Mit Schrift-
satz vom 8. Oktober 2013 erklärte er, bezüglich der Anschuldigungspunkte 1 a),
1 b) und 3 a - 3 c) die eigentlichen Tathandlungen nicht zu bestreiten.
c) Er habe aber schuldlos gehandelt. Das ergebe sich aus der Organisations-
struktur, der Aufgabenverteilung zwischen Bundesverteidigungsministerium
(BMVg), Einsatzführungskommando (EinsFüKdo) und A, seinem ohne Ent-
scheidungskompetenzen und erst auf der 5. (Durchführungs-)Ebene angesie-
delten Verantwortungsbereich, dem zu einer engen Zusammenarbeit verpflich-
tenden Rahmenvertrag „Lufttransport“ (aus dem Jahr 2000) sowie aus dem
Verhalten seiner Vorgesetzten, die sein Verhalten gebilligt und damit gerecht-
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fertigt hätten. Soweit es die Entgegennahme der 25 056 € betreffe, fehle es vor
allem deshalb an einem schuldhaften Verhalten, weil es sich dabei um eine
Mietzinszahlung für die Vermietung von zwei Apartments in der „…“ ohne
dienstlichen Zusammenhang gehandelt habe. Darüber hinaus sei die erstin-
stanzlich verhängte Disziplinarmaßnahme auch unverhältnismäßig.
III
1. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, ihre Förmlichkeiten sind gewahrt
(§ 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WDO).
2. Sie ist jedoch unbegründet.
Das Rechtsmittel ist in vollem Umfang eingelegt worden. Der Senat hat daher
auf der Grundlage eines fehlerfrei durchgeführten Verfahrens im Rahmen der
Anschuldigung (a) eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen (b), sie
rechtlich zu würdigen (c) und unter Zugrundelegung der in § 38 WDO festgeleg-
ten Bemessungsfaktoren die angemessene Disziplinarmaßnahme zu verhän-
gen (d) sowie über einen Unterhaltsbeitrag zu befinden (e).
a) Die Anschuldigungsschrift ist für eine effektive Verteidigung hinreichend be-
stimmt. Der Senat interpretiert den Anschuldigungspunkt 2 trotz seines Sat-
zes 2 nicht so, dass er Feststellungen nach den Anschuldigungspunkten 3 und
4 voraussetzt. Vielmehr ist eine Pflichtverletzung in der strafrechtlichen Form
der Vorteilsannahme von Anschuldigungspunkt 2 erfasst und dieser ist nicht nur
dann erfüllt, wenn sich die Unrechtsvereinbarung entsprechend den strafrechtli-
chen Anforderungen an Bestechlichkeit konkret auf rechtswidriges Tun entspre-
chend der Vorwürfe nach den Anschuldigungspunkten 3 und 4 bezieht.
b) Gemäß § 123 Satz 3 in Verbindung mit § 106 Abs. 1 WDO hat auch das Be-
rufungsgericht im Falle einer uneingeschränkt eingelegten Berufung zur Erfor-
schung der Wahrheit die Beweisaufnahme auf alle Tatsachen und Beweismittel
zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind. Diese Aufklä-
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rungspflicht wird jedoch durch § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO eingeschränkt (vgl. Be-
schluss vom 15. März 2013 - BVerwG 2 B 22.12 - NVwZ-RR 2013, 557 <558>;
zur Reichweite: Beschluss vom 27. März 2012 - BVerwG 2 WD 16.11 - Buch-
holz 450.2 § 84 WDO 2002 Nr 6 = NZWehrr 2012, 254 = juris Rn. 19). Danach
sind die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafver-
fahren im Disziplinarverfahren, das denselben Sachverhalt zum Gegenstand
hat, für das Wehrdienstgericht grundsätzlich bindend. Etwas anderes gilt jedoch
gem. § 84 Abs. 1 Satz 2 WDO dann, wenn das Wehrdienstgericht die nochma-
lige Prüfung solcher strafgerichtlichen Feststellungen beschließt, deren Richtig-
keit es bezweifelt. Ein solcher Fall liegt hier vor.
aa) Die Lösung von den tatsächlichen Feststellungen eines sachgleichen
rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteils ist auf Fälle beschränkt, in denen das
Wehrdienstgericht sonst gezwungen wäre, auf der Grundlage offenkundig unzu-
reichender oder inzwischen als unzutreffend erkannter Feststellungen zu ent-
scheiden. Die Wehrdienstgerichte sind nach ihrer Zuständigkeit und Funktion
keine Überprüfungsinstanz für Strafurteile. Für einen Lösungsbeschluss ausrei-
chende Zweifel an der Richtigkeit der strafgerichtlichen Feststellungen be-
stehen dann, wenn die strafgerichtlichen Feststellungen in sich widersprüchlich
oder sonst unschlüssig sind, im Widerspruch zu den Denkgesetzen oder allge-
meinen Erfahrungssätzen stehen oder aus vergleichbar gewichtigen Gründen
offenkundig unzureichend sind.
Offenkundig unzureichend sind strafgerichtliche Feststellungen, wenn sie in ei-
nem entscheidungserheblichen Punkt unter offenkundiger Verletzung wesentli-
cher Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind. Dies kann der Fall sein,
wenn der Soldat geltend macht, dem strafgerichtlichen Urteil liege ein „Deal“
zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung, der den rechtsstaatli-
chen Anforderungen an eine Verfahrensabsprache nicht genüge (Urteil vom
14. März 2007 - BVerwG 2 WD 3.06 - BVerwGE 128, 189 <191> = NZWehrr
2007, 212 <213>; vgl. zum Deal allgemein: BVerfG, Urteil vom 19. März 2013
- 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2155/11 - NJW 2013, 1058 ff. sowie
nachfolgend BGH, Urteile vom 10. Juli 2013 - 2 StR 195/12 - NJW 2013,
3046 ff. sowie 2 StR 47/13, NJW 2013, 3045) oder ein Formalgeständnis zu-
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grunde (Beschluss vom 1. März 2013 - BVerwG 2 B 78.12 - NVwZ-RR 2013,
559 ff.). Dabei kommt ein Lösungsbeschluss nur in Betracht, wenn sich die
Zweifel an der Richtigkeit aus dem Urteil selbst oder in Verbindung mit dem
Protokoll der Hauptverhandlung ergeben (vgl. Urteile vom 7. Februar 2013
- BVerwG 2 WD 36.12 - Rn. 29 m.w.N. und vom 15. März 2013 - BVerwG 2 WD
15.11 - Rn. 24 m.w.N). Hiernach war vorliegend ein Lösungsbeschluss geboten.
Das Strafgericht hat vorliegend wesentliche Verfahrensvorschriften offenkundig
verletzt, weil es seine Überzeugung von der Schuld des Angeklagten allein auf
ein inhaltsleeres Formalgeständnis gestützt und nicht geprüft hat, ob dieses mit
dem Ermittlungsergebnis zu vereinbaren, in sich stimmig ist und die getroffenen
Feststellungen trägt.
Ein inhaltsleeres Formalgeständnis liegt vor, wenn die selbstbelastende Einlas-
sung nicht wenigstens so konkret ist, dass geprüft werden kann, ob sie derart
im Einklang mit der Aktenlage steht, dass sich hiernach keine weitergehende
Sachaufklärung aufdrängt (BGH, Beschluss vom 3. März 2005 - GSSt 1/04 -
BGHSt 50, 40 = juris Rn. 42). Hiernach ist ein inhaltsleeres Formalgeständnis
jedenfalls dann anzunehmen, wenn es nicht über eine formelhafte Wiederho-
lung von Rudimenten des Anklagesatzes hinausgeht und nur pauschal dessen
Richtigkeit zugesteht.
So liegt der Fall hier: Das Strafgericht hat seine Tatsachenfeststellungen auf die
Erklärung des seinerzeitigen Verteidigers des früheren Soldaten gestützt, der
Anklage werde „nicht entgegengetreten“. Die Anklagevorwürfe „seien voll um-
fänglich zutreffend“. Ausweislich der Sitzungsniederschrift hat der Verteidiger
des Weiteren vorgetragen, „dass sein Mandant einen Fehler gemacht (habe),
indem er den hier in Rede stehenden Betrag angenommen habe (25.056 €)“.
Selbst wenn man Bedenken, ob damit überhaupt eine eigenständige Aussage
des früheren Soldaten vorliegt, angesichts seiner abschließenden Erklärung, er
schließe sich den Ausführungen seines Verteidigers an, in der Annahme einer
dadurch nachträglich erteilten Genehmigung der Einlassung des Verteidigers
zurückstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2005 - 3 StR 176/05 - NStZ-RR
2005, 353; Stuckenberg in: Kleinknecht/Müller/Reitberger, Kommentar zur
Strafprozessordnung (Stand: August 2013), § 261 Rn. 54 i.V.m. Rn. 51), fehlt
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- 18 -
es ihr weiterhin an Substanz. Dies ist offensichtlich, soweit sich die Erklärung
des Verteidigers in der Aussage erschöpft, der Anklage werde nicht entgegen-
getreten; insoweit wird nicht einmal ein Geständnis im strafprozessualen Sinne
vorgelegen haben (BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 a.a.O. S. 1063 Rn. 70).
Aber auch die Erklärung, die Anklagepunkte „seien voll umfänglich zutreffend“
und der frühere Soldat habe durch die Annahme der 25 056 € einen Fehler ge-
macht, verleiht der geständigen Einlassung keinen originären Inhalt. Dies ist
wiederum offensichtlich, soweit es die Anklagepunkte Dokumentenübermittlung
betrifft, auf die völlig pauschal Bezug genommen wird; nichts anderes gilt aber
auch für den Anklagepunkt, der die Entgegennahme des Geldes betrifft. Die
schlichte Einlassung, durch die Annahme von 25 056 € einen Fehler gemacht
zu haben, lässt insbesondere nicht ansatzweise Rückschlüsse auf den subjekti-
ven Tatbestand, insbesondere auf eine Unrechtsvereinbarung zu.
Die Beschränkung der Beweiswürdigung auf den Hinweis auf das Geständnis
genügt insbesondere dann nicht, wenn aufgrund der Komplexität und der zahl-
reichen Details des festgestellten Sachverhaltes Zweifel bestehen können, dass
der Angeklagte an das Tatgeschehen eine auch in den Einzelheiten genügende
Erinnerung hat (BGH, Beschluss vom 15. April 2013 - 3 StR 35/13 - juris Rn. 7
m.w.N.).
Hier lag dem Strafverfahren eine inhaltsreiche Anklageschrift mit einer Vielzahl
komplexer und sich über einen längeren Zeitraum hinziehender Tathandlungen
zugrunde. Wegen dieser Komplexität der Vorwürfe genügt eine Beweiswürdi-
gung, die - wie hier im Strafverfahren - allein auf eine pauschale geständige
Einlassung gestützt wird, nicht den Mindestanforderungen an eine rechtsstaatli-
chen Grundsätzen genügende richterliche Überzeugungsbildung.
bb) Als Ergebnis der demnach vom Berufungsgericht durchzuführenden Be-
weiserhebung steht zur Überzeugung des Senats in tatsächlicher Hinsicht fest:
aaa) zum Anschuldigungspunkt 2:
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α) Dem früheren Soldaten ist ausweislich der in die Berufungshauptverhandlung
eingeführten Unterlagen auf Veranlassung des Zeugen Schm., bei dem es sich
um den Geschäftsführer der mit der Bundeswehr vertraglich verbundenen Fir-
ma M. handelt, auf seinem Konto … bei der … Bank am 24. Mai 2002 ein Be-
trag von 25 056 € gutgeschrieben worden. Dem früheren Soldat war die wirt-
schaftliche Urheberschaft der Zahlung auch bekannt.
Der frühere Soldat hat sich in der Berufungshauptverhandlung insoweit erneut
geständig eingelassen. An der Richtigkeit dieser geständigen Einlassung be-
stehen keine Bedenken, da der frühere Soldat ausweislich des in die Beru-
fungshauptverhandlung eingeführten, bei ihm im Rahmen der bei ihm im Straf-
verfahren durchgeführten Hausdurchsuchung beschlagnahmten E-Mail-
Verkehrs zwischen einem Herrn K. und Herrn Schm. von der Transaktion und
der wirtschaftlichen Urheberschaft wusste. Insbesondere der dortige, vom Zeu-
gen Schm. in der Berufungshauptverhandlung als seine Handschrift und Para-
phe bestätigte Zusatz auf dessen Fax vom 22. Mai 2002, 19:14, an den frühe-
ren Soldaten („Lieber Herr …, bedauere Verzögerung viele Grüße
Schm.“) belegt, dass der frühere Soldat wusste, auf wessen Veranlassung ihm
das als Absender die Firma A. ausweisende Geld bei wirtschaftlicher Betrach-
tungsweise zufloss.
β) Die 25 056 € sind dem früheren Soldaten nicht als Entgelt (Mietzins) für die
Vermietung der in seinem Eigentum stehenden Appartements 8 und 10 in der
Ferienanlage „…“ an die Firma A. zugeflossen. Der frühere Soldat beruft sich
insoweit zwar auf einen entsprechenden Mietvertrag, der durch die Vermittlung
der Firma P. geschlossen worden sei; zur Überzeugung des Gerichts handelt
es sich dabei jedoch um einen Scheinmietvertrag. Der Senat gründet seine
Überzeugung auf eine Gesamtschau folgender Sachverhaltskomponenten:
Der frühere Soldat hat ausweislich seiner in die Berufungshauptverhandlung
eingeführten richterlichen Vernehmung am 16. Dezember 2004 im strafgericht-
lichen Ermittlungsverfahren dezidiert erklärt, Hintergrund für die Zahlung der
25 056 € sei nicht die Bezahlung eines Mietzinses für Appartements auf Rügen
gewesen. Die bei ihm diesbezüglich gefundenen Verträge stimmten so nicht. Es
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sei nie beabsichtigt gewesen, dass Mitarbeiter der Firma A. ein Appartement
beziehen sollten. Zwar hat der frühere Soldat diese richterlich protokollierte
Aussage mit der Behauptung widerrufen, dass er sie seinerzeit angesichts des
nahenden Weihnachtsfestes auf Anraten seines Rechtsanwalts abgegeben ha-
be. Ob dem früheren Soldaten sein Verteidiger tatsächlich erklärt hat, er könne
ein richterlich protokolliertes Geständnis durch eine einfache Erklärung später
„wieder einfangen“, mag dahingestellt bleiben; jedenfalls ist der Widerruf schon
deshalb nicht plausibel, weil er ausweislich des ebenfalls in die Berufungs-
hauptverhandlung eingeführten Protokolls der Hauptverhandlung des Amtsge-
richts … vom 19. Oktober 2007 auch noch annähernd drei Jahre später und oh-
ne sich der Gefahr einer Inhaftierung ausgesetzt zu sehen zumindest formal die
Entgegennahme des Geldes erneut eingeräumt und als Fehler anerkannt hat.
Soweit er auch dieses Verhalten auf ein entsprechendes Anraten seines
Rechtsanwaltes stützt und erklärt, er habe in einer Verhandlung vor dem Straf-
gericht nichts Schlechtes über die Bundeswehr sagen, insbesondere nicht ge-
gen einen so mächtigen Gegner antreten wollen, überzeugt dies den Senat
nicht. Zum einen wiederholt sich damit ein bereits bekanntes Verteidigungsmus-
ter („Anraten des Verteidigers“); zum anderen befand sich der frühere Soldat im
Jahre 2007 bereits im Ruhestand, sodass er durch die Bekanntgabe von für die
Bundeswehr unangenehmen Umständen keine nachteiligen Auswirkungen im
Dienst mehr zu befürchten gehabt hätte.
Darüber hinaus hat die in die Berufungshauptverhandlung eingeführte polizeili-
che Asservatenauswertung des Polizeipräsidiums … vom 14. Januar 2005 er-
geben, dass zahlreiche im Zusammenhang mit der Anbahnung des (vermeintli-
chen) Mietvertrags stehende Schreiben (in das Jahr 2001) vordatiert wurden,
um einen zeitlichen Bezug zur Dienstverrichtung des früheren Soldaten im Jah-
re 2002 zu verschleiern. Soweit er dem entgegenhält, die Speicherung der
Schreiben im Jahr 2002 erkläre sich mit einem defekten Computer und deren
Neuerstellung damit, dass er sie auch für das Finanzamt benötigt habe, nimmt
dies der Auswertung nicht ihre Überzeugungskraft. Denn der Einwand des frü-
heren Soldaten erklärt nicht, warum er für die Steuererklärung selbst augen-
scheinlich unwichtige Schreiben - wie angeblich die seines Vaters - wiederher-
gestellt hat. Die Ehefrau des früheren Soldaten schließlich hat zwar in der Beru-
41
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fungshauptverhandlung von einer defekten Festplatte berichtet, konnte sich an
den Zeitpunkt jedoch nicht mehr erinnern, ebenso wenig wie daran, welche Un-
terlagen verlorengegangen seien. Da sie jedoch erklärte, sie habe wegen der
Vermietung seinerzeit die Korrespondenz geführt, hätte es nahe gelegen, sich
an einen Computerabsturz zu erinnern, wenn er es notwendig gemacht hätte,
steuerlich relevante Dokumente wiederherzustellen. Unstimmig ist ferner, dass
der frühere Soldat ein auf die Begründung eines Mietverhältnisses ausgerichte-
tes Schreiben aus dem Jahre 2001 wiederhergestellt haben will, obwohl sich
ein in die Berufungshauptverhandlung eingeführtes Originalschreiben der P. (an
den Vater des früheren Soldaten), mit dem sie sich nach Vermietungsobjekten
erkundigt, erst vom 14. Februar 2002 datiert.
Fest steht des Weiteren, dass auch nach Aussage des früheren Soldaten und
seiner in der Berufungshauptverhandlung als Zeugin vernommenen Ehefrau
eine Nutzung der Appartements durch Angehörige der A. nicht stattgefunden
hat. Darüber hinaus hat auch der Zeuge Schn. in der Berufungshauptverhand-
lung ausgeführt, ihm sei nicht bekannt, dass es im Jahre 2002 Dauermieter ge-
geben habe; dies hätte ihm gesagt werden müssen, weil er freie Appartements
vor Ort vermieten durfte. Er könne sich auch nicht daran erinnern, dass die Ap-
partements in den Jahren 2002/2003 für zwei Monate gesperrt gewesen seien.
Soweit der frühere Soldat und dessen Ehefrau dem entgegenhalten, vertraglich
sei es zulässig gewesen, die Appartements anderweitig zu vermieten, wenn sie
von der A. nicht beansprucht würden, nimmt dies der gänzlich fehlenden Nut-
zung durch Angehörige der A. nicht die indizielle Bedeutung dafür, dass für den
Zufluss der 25 056 € zu keinem Zeitpunkt eine Vermietung von Ferienwohnun-
gen als Gegenleistung im Raum gestanden hat. Wenn dies der Fall gewesen
wäre, hätte es im Hinblick auf den erheblichen wirtschaftlichen Vorteil für die
Eheleute nahegelegen, die in der Vereinbarung vorgesehene Verlängerungsop-
tion zu nutzen. Warum dies nicht geschah, erschloss sich weder aus der Aus-
sage des früheren Soldaten noch aus der seiner Ehefrau auch nur ansatzweise.
γ) Sowohl die Zahlung als auch die Entgegennahme der 25 056 € standen mit
der dienstlichen Tätigkeit des früheren Soldaten in einem Zusammenhang der
Gestalt, dass ein Klima allgemeinen Wohlwollens gegenüber der Firma M. im
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Rahmen der Amtsausübung geschaffen wurde. Sowohl der frühere Soldat als
auch der Zeuge Schm. waren sich dessen bewusst.
Der frühere Soldat hat in der Berufungshauptverhandlung ausgesagt, ihm sei
zwar bewusst gewesen, dass die Anweisung/Vermittlung durch Herrn Schm.
erfolgt sei; nicht bewusst sei ihm allerdings eine Verbindung zwischen Geldzah-
lung und seinen dienstlichen Handlungen gewesen, er bestreite jede Verknüp-
fung zwischen der Geldzuwendung und seiner dienstlichen Tätigkeit. Zur Über-
zeugung des Senats handelt es sich dabei um eine Schutzbehauptung.
Da zwischen dem früheren Soldaten und dem Zeugen Schm. nach beider Aus-
sage in der Berufungshauptverhandlung keinerlei private Beziehung bestand,
die die Zuwendung des Geldes als freundschaftlichen Akt der Hilfeleistung er-
klären könnte, steht kein anderes Zuwendungsmotiv als der berufliche Kontakt
zwischen beiden im Raum. Dem entspricht, dass der Zeuge Schm. in der Beru-
fungshauptverhandlung trotz massiver Erinnerungslücken ausgesagt hat, es
habe schon Dinge gegeben, die über die Dienstpflichten hinausgegangen sei-
en.
Dass auch der frühere Soldat von einer unzulässigen Verknüpfung zwischen
Dienstausübung und Entgegennahme des Geldes ausgegangen ist, wird daran
deutlich, dass er durch die Erstellung eines fingierten Schriftverkehrs an der
Vortäuschung eines Mietvertragsverhältnisses aktiv mitgewirkt und dabei nach
eigener Einlassung in Kenntnis dessen gehandelt hat, dass der Geschäftsführer
der den angeblichen Mietvertrag vermittelnden P. ebenfalls der Zeuge Schm.
war, auf dessen Veranlassung ihm - wie ihm ebenfalls bekannt - der Geldbetrag
zufloss.
Für eine Verknüpfung zwischen Geldzufluss und dienstlicher Tätigkeit spricht
ferner, dass der frühere Soldat ausweislich des in die Berufungshauptverhand-
lung eingeführten Aktenvermerks des Polizeipräsidiums … vom 4./5. Oktober
2004 (einschließlich Anlage) und nach seiner in der Berufungshauptverhand-
lung, bereits aber auch anlässlich seiner richterlichen Vernehmung am 16. De-
zember 2004 getätigten Aussage zwei weitere Zahlungen vom 20. November
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2002 und 29. November 2002 am 25. November 2002 und am 5. Dezember
2002 jeweils rücküberwiesen hat. Dies erfolgte somit zu einem Zeitpunkt, zu
dem er wegen des im Oktober 2002 erfolgten Übergangs der bislang seinem
Dezernat obliegenden Aufgabe an das Logistikzentrum der Bundeswehr zur
Firma M. sowie zu deren Geschäftsführer Schm. in keinem dienstlichen Kontakt
mehr stand, der - jedenfalls aus der Warte des früheren Soldaten - weitere Zu-
wendungen „gerechtfertigt“ hätte.
Dabei mag dahingestellt bleiben, ob der Zusammenhang zwischen Dienstaus-
übung und Entgegennahme des Geldes zusätzlich durch die weitere Aussage
des Zeugen Schm. bestätigt wird, der in der Berufungshauptverhandlung erklärt
hat, keinen Anlass zu haben, an der Richtigkeit seiner - ihm in der Berufungs-
hauptverhandlung vorgehaltenen - Aussage vom 20. Februar 2006 zu zweifeln;
er hatte seinerzeit ausgesagt, der frühere Soldat habe zwei Überweisungen mit
dem Bemerken zurückgehen lassen, er - der frühere Soldat - habe sich dieses
Geld „nicht (Zusatz: mehr) verdient“. Darüber hinaus hatte der Zeuge Schm.
dort erklärt, aufgrund der Zahlung habe er von dem früheren Soldaten erwartet,
dass die bisherige Zusammenarbeit auch in Zukunft entsprechend eng und ver-
traulich weitergeführt werde. Er habe insbesondere erwartet, dass der frühere
Soldat Probleme im Sinne von der Firma M. lösen bzw. im Rahmen seiner Mög-
lichkeiten Einfluss auf die Lösung solcher Probleme nehmen werde. Mit der
Übersendung vertraulicher Unterlagen seien vom früheren Soldaten ebenfalls
Erwartungen erfüllt worden, die er - der Zeuge - an die Leistung des Geldbetra-
ges geknüpft habe. Aus seiner Sicht habe der frühere Soldat dies auch so ver-
standen.
δ) Auch ohne Zuständigkeit für die Ausschreibung und Vergabe konnte der frü-
here Soldat seine beschränkten Einflussmöglichkeiten vorteilhaft für die Firma
M. nutzen.
Zwar traf die Entscheidung über die Vergabe der Aufträge an die Firma M. for-
mal das BAWV; dies jedoch auf der Grundlage von Leistungsbeschreibungen,
die das A nach den operativen Vorgaben des EinsFüKdo umgesetzt hatte. Da-
bei steht zum einen auf der Grundlage der Aussage des Zeugen Brigadegene-
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ral a.D. Schw. fest, dass das BAWV - mangels militärfachlicher Expertise - von
den Leistungsbeschreibungen des A faktisch nicht mehr abrückte: Gravierende
Veränderungen durch das BAWV seien nicht erfolgt; in der praktischen Durch-
führung sei das Endprodukt in ihrer Abteilung gewesen, die inhaltlichen Vorga-
ben für das BAWV seien durch die Leistungsbeschreibungen gesetzt gewesen.
Zum anderen folgt aus der Aussage des Zeugen Oberstleutnant S., dass die
operativen Vorgaben des EinsFüKdo nicht bereits derart konkret waren, dass
dem A bei ihrer Umsetzung kein Spielraum mehr verblieben wäre. Er hat aus-
gesagt, einen Spielraum habe es beispielsweise bei der Luftfrachtsicherheit ge-
geben.
Soweit es die Erstellung der Leistungsbeschreibungen innerhalb des A betrifft,
steht als Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass der frühere Soldat auf die
Erstellung der Leistungsbeschreibungen durchaus Einfluss nehmen konnte,
auch wenn ihm keine Letztentscheidungsbefugnis zustand und er nach seinen
Angaben auf der 5. Durchführungsebene eingesetzt war. Der Zeuge Oberst-
leutnant S. hat dazu ausgesagt, selbstverständlich gebe es beim Erstellen einer
Leistungsbeschreibung Spielräume. Zwar hat der Zeuge Brigadegeneral a.D.
Schw. ausgesagt, die Unterzeichnung der Leistungsbeschreibung sei nicht nur
Sache der … gewesen, es hätten mehrere darauf gesehen; allerdings hat er
auch ausgeführt, er sehe, wenn auch geringe, Gestaltungsspielräume des frü-
heren Soldaten; jeder habe Gestaltungsspielraum gehabt. Dem entspricht, dass
auch der Zeuge Oberst a.D. K. ausgesagt hat, die Leistungsbeschreibung sei
zwar kein alleiniges Produkt eines Soldaten oder eines Dezernats gewesen,
jedoch habe der frühere Soldat im Rahmen seiner Fachexpertise bei der Erstel-
lung der Leistungsbeschreibungen über Spielraum verfügt (wenn auch ohne
direkte Auswirkungen auf die Auswahl). Es sei immer möglich gewesen, Krite-
rien in der Leistungsbeschreibung enger oder weiter zu fassen. Weichen hätten
immer gestellt werden können. Damit rundet sich das Bild von einem Aufga-
benbereich des früheren Soldaten ab, in dem dieser zwar nicht allein an der
Erstellung einer Leistungsbeschreibung beteiligt war, ihm aber im Rahmen des
Prozesses zur Herstellung der Leistungsbeschreibungen durchaus Einfluss-
möglichkeiten zustanden. Über die Einflussnahme auf den Inhalt von Leis-
tungsbeschreibungen hinaus konnte der frühere Soldat der Firma M. frühzeitig
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Informationen verschaffen, die die Firma als Wettbewerbsvorteile oder zur Ver-
besserung ihrer Verhandlungsposition nutzen konnte.
bbb) zum Anschuldigungspunkt 3 a):
α) Auf der Grundlage der in der Berufungshauptverhandlung nun geständigen
Einlassung des früheren Soldaten sowie des in die Berufungshauptverhandlung
eingeführten E-Mail-Verkehrs zwischen dem Zeugen Schm. und seinem dama-
ligen Mitarbeiter H. vom 12. bzw. 14. März 2002 steht fest, dass der frühere
Soldat in diesem zeitlichen Zusammenhang, jedenfalls vor dem 19. März 2002,
wissentlich und willentlich dem Zeugen Schm. den Entwurf einer Leistungsbe-
schreibung für den späteren Transportauftrag … des BAWV übersandt hat, wo-
hingegen die Mitbewerber von diesem Auftrag erst über die Ausschreibung
durch das BAWV am 19. März 2002 erfuhren. An der Richtigkeit der geständi-
gen Einlassung des früheren Soldaten zu zweifeln besteht kein Anlass, zumal
sie mit den oben genannten Emails korrespondiert.
β) Des Weiteren steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Übermittlung
weder durch eine vertragliche Regelung zwischen dem Bund und der Firma M.
noch durch ein billigendes Verhalten von Vorgesetzten des früheren Soldaten
abgedeckt war.
Soweit sich der frühere Soldat auf einen Rahmenvertrag aus dem Jahre 2000
stützt, bezieht er sich auf eine vertragliche Regelung mit dem Luftwaffenunter-
stützungskommando, die sich auf den Transport von Stückgut bezog, während
es vorliegend - wie angeschuldigt und vom früheren Soldaten nicht in Zweifel
gezogen - um Charterflüge ging. Dies folgt zum einen aus der in die Berufungs-
hauptverhandlung eingeführten E-Mail vom 21. Januar 2002 (bzw. 17. Januar
2002) der Mitarbeiterin des BAWV U., der zu entnehmen ist, dass die damalige
Zusammenarbeit mit der Firma M. jeglicher vertraglichen Grundlage deshalb
entbehrt(e), weil der bestehende Rahmenvertrag lediglich eine Abrechnung
nach den dort vereinbarten Stückgutpreisen zuließ, wozu die Firma M. seiner-
zeit aber nicht mehr bereit gewesen sei. Zum anderen aber auch aus gleichlau-
tenden Zeugenaussagen: Der Zeuge Oberstleutnant S. konnte sich daran erin-
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nern, dass der Rahmenvertrag auf Stückgut beschränkt war und er nur für die
ersten zwei Flüge zugrunde gelegt worden sei. Auch der Zeuge Brigadegeneral
a.D. Schw. hat bestätigt, dass sich der Rahmenvertrag auf Stückguttransporte
bezogen habe. Des Weiteren hat auch der Zeuge Oberst a.D. K. bestätigt, dass
ein Rahmenvertrag zwischen M. und dem Luftwaffenunterstützungskommando
bestand und dieser nur Stückgut betroffen habe. Von daher wäre der Vertrag
bereits nicht einschlägig gewesen.
Ungeachtet dessen hätte er aber auch nicht das Verhalten des früheren Sol-
daten gerechtfertigt, der aus ihm die Übermittlung als im Rahmen der vertragli-
chen Zusammenarbeit erforderlich ableitet. Denn die Übermittlung des Entwurfs
einer Leistungsbeschreibung für die Ausschreibung eines künftig erst zu verge-
benden Auftrages an einen Mitbewerber vor den anderen Mitbewerbern kann
nicht in einem bestehenden Vertrag mit einem Mitbewerber geregelt sein. Wür-
de ein bestehender Vertrag den Auftrag abdecken, wäre eine Ausschreibung für
den Abschluss eines neuen Vertrages mit dem günstigsten Bewerber überflüs-
sig. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die öffentliche Hand mit einem Mitbe-
werber die Umgehung der elementaren Voraussetzungen des Vergaberechts
zu Gunsten dieses Mitbewerbers und unter Verzerrung des Wettbewerbes
durch eine exklusive Vorabinformation regeln würde. Soweit der frühere Soldat
das Bestehen einer solchen Vertragsklausel behauptet, die nicht ermittelt wer-
den konnte, stellt er eine Behauptung ins Blaue hinein auf, der der Senat nicht
weiter nachgehen musste. Dem entspricht, dass der Zeuge Oberst a.D. K. aus-
gesagt hat, es habe etwa 5 oder 6 Unternehmen als Bewerber gegeben, jeden-
falls mehr als ein Unternehmen. Dass der frühere Soldat in der Berufungs-
hauptverhandlung geäußert hat, ihm sei bis heute nicht klar, warum man die
Ausschreibung habe abwarten sollen, weil doch klar gewesen sei, dass - wegen
des präferierten Flugzeugtyps und damit der Fluggesellschaft - nur die Vergabe
an die Firma M. in Frage komme, steht dem nicht entgegen. Die Äußerung be-
legt vielmehr, dass sich der frühere Soldat der rechtlichen Rahmenbedingungen
durchaus bewusst, jedoch nicht bereit war, sie zu akzeptieren. Dem entspricht
seine Aussage in der Berufungshauptverhandlung, es sei ihm darum gegangen,
das Konzept des A dem BAWV gegenüber durchzusetzen, er habe die Firma
M. nicht als Wettbewerber, sondern als Teammitglied gesehen.
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Die Übersendung erklärt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass - wie
von den Zeugen Oberstleutnant K. und Oberstleutnant S. angesprochen - noch
im Vorfeld der Erstellung von Leistungsbeschreibungen der Markt danach abge-
fragt werden sollte, ob und in welcher Form die ausgeschriebene Leistung
überhaupt erbringbar ist. Die Übersendung des Entwurfs der Leistungsbe-
schreibung erfolgte nur wenige Tage vor der Ausschreibung des BAWV vom
19. März 2002. Es musste sich deshalb zumindest um einen der Endfassung
sehr nahe kommenden Entwurf handeln. Für die Annahme einer vorgeschalte-
ten Marktabfrage war zu diesem Zeitpunkt kein Raum mehr.
Ebenso wenig erfolgte die Übersendung des Dokuments mit Billigung der dem
früheren Soldaten Vorgesetzten. In diesem Sinne hat etwa der Zeuge Brigade-
general a.D. Schw. ausgeführt, es sei zwar nicht verwerflich, dass ein Entwurf
vorab an die Firma M. gesandt würde; nicht üblich sei indes, einzelnen Wettbe-
werbern Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Gleich lautend hat der dem frühe-
ren Soldaten seinerzeit unmittelbar (fach-)vorgesetzte Zeuge Oberst a.D. K. zu
dem streitgegenständlichen Schriftstück dezidiert ausgeführt, weder sei ihm
dessen Übersendung bekannt noch habe es einer üblichen Verfahrensweise
entsprochen, solche internen Schreiben an Dritte zu übermitteln. Der Zeuge
Oberst a.D. B. hat ebenfalls ausgeführt, einem Anbieter das streitgegenständli-
che Schriftstück zur Kenntnis zu bringen, wäre eher ungewöhnlich. Ob eine
derartige „Mitzeichnung“ eines Anbieters korrekt bzw. legal wäre, könne man
bezweifeln. Auch Oberstleutnant S. hat erklärt, er wisse keinen Grund dafür,
warum eine fertige Leistungsbeschreibung an einen Dritten vorab übermittelt
werden müsste. Die früheren Mitarbeiter im Dezernat des früheren Soldaten,
die Zeugen Oberstleutnant Sch. und Oberstleutnant K., haben in Übereinstim-
mung damit ebenfalls erklärt, weder selbst Leistungsbeschreibungen vorab an
zukünftige oder gegenwärtige Vertragspartner versendet zu haben noch von
der Versendung durch andere Dezernatsmitarbeiter zu wissen. Dabei hat der
Zeuge Oberstleutnant Sch. bestätigt, dass es nicht üblich gewesen sei, den
Entwurf einer Leistungsbeschreibung an eine Firma zu geben.
ccc) zum Anschuldigungspunkt 3 b):
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α) Auf der Grundlage der auch in der Berufungshauptverhandlung geständigen
Einlassung des früheren Soldaten sowie des in die Berufungshauptverhandlung
eingeführten streitgegenständlichen Dokuments steht fest, dass dieser wissent-
lich und willentlich am 22. März 2002 - 19:18 Uhr per Telefax von seinem priva-
ten Telefax-Anschluss an den Zeugen Schm. (private Telefax-Nummer: …)
oder an die Firma M. ein den damals seinem Dezernat angehörenden Fregat-
tenkapitän J. als Bearbeiter und Unterzeichner ausweisendes dienstinternes
Schreiben (ohne Unterschrift) an das Vergabereferat des BAWV (…) vom sel-
ben Tag betreffend die Vor- bzw. Nachläufe von den Depots zum APOE (airport
of embarkation) … übermittelte und dadurch der Firma M. bewusst und gewollt
Zugang zu einem dienstinternen Dokument verschaffte. An der Richtigkeit der
geständigen Einlassung des früheren Soldaten zu zweifeln besteht kein Anlass,
weil das fragliche Schreiben bei der Durchsuchung der Räume der Firma M.
während des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sichergestellt worden war
und eine Faxkennung des privaten Anschlusses des früheren Soldaten aufwies.
β) Zur Überzeugung des Senats steht entgegen den Erklärungen des früheren
Soldaten fest, dass die Übermittlung weder durch eine vertragliche Reglung
zwischen dem Bund und der Firma M. noch durch ein billigendes Verhalten von
Vorgesetzten des früheren Soldaten gedeckt und sich der frühere Soldat des-
sen auch bewusst war.
Das Schreiben vom 22. März 2002 enthält keine Informationen, die die Firma
M. gebraucht hätte, um einen bestehenden Auftrag umzusetzen. Nicht ersicht-
lich ist insbesondere, warum - so der frühere Soldat in der Berufungshauptver-
handlung - die Firma M. einen gleichen Informationsstand hätte haben müssen
wie die Dienststellen der Bundeswehr. Das Schreiben enthielt zudem unter Zif-
fer 5 den Hinweis auf die „Möglichkeit der Nachverhandlung“ mit der Firma M.
wegen unklarer Rechnungsstellungen und es oblag nicht dem früheren Sol-
daten, der Firma M. vorab mitzuteilen, dass sie sich auf Forderungen einer an-
deren Dienststelle des Bundes vorbereiten müsse. Eine frühzeitige Information
hierüber vor einem entsprechenden Anschreiben der zuständigen Dienststelle
lag deshalb im Interesse allein der Firma M., weil ihr dies mehr Zeit verschaffte,
ihre Argumentation gegen Nachforderungen vorzubereiten.
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Darüber hinaus hat der Zeuge Brigadegeneral a.D. Schw. auch hinsichtlich die-
ses Schriftstückes ausgeführt, er halte es nicht für üblich, Schriftstücke zwi-
schen Bundeswehrdienststellen Firmen zur Kenntnis zu bringen. Ebenso hat
der Zeuge Oberst a.D. K. erklärt, die Versendung dieses Dokuments erachte er
nicht für notwendig und er halte dies auf gar keinen Fall für richtig, da es sich
um internen Schriftverkehr handle. Es sei auch nicht üblich gewesen, dass sol-
che internen Sachen übermittelt würden.
c) Das zu den Anschuldigungspunkten 2 sowie 3 a) und 3 b) festgestellte Ver-
halten begründet ein Dienstvergehen gemäß § 23 Abs. 1 SG.
aa) Die gemäß Anschuldigungspunkt 2 festgestellte Handlung bildet eine
Pflichtverletzung.
aaa) Der frühere Soldat hat durch sie vorsätzlich gegen die nach § 7 SG be-
stehende Pflicht zum treuen Dienen verstoßen. Sie schließt insbesondere die
Verpflichtung zur Loyalität gegenüber der geltenden Rechtsordnung, vor allem
die Beachtung der Strafgesetze ein. Allerdings stellt nicht jede Verletzung einer
Rechtsvorschrift bereits eine Verletzung der Pflicht zum treuen Dienen dar. Es
muss sich vielmehr um einen Rechtsverstoß von Gewicht handeln, der zudem
in einem Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht (Urteil vom 25. Sep-
tember 2008 - BVerwG 2 WD 19.07 - Buchholz 449 § 17 SG Nr. 42 Rn. 32 =
NZWehrr 2009, 73 <75> = juris Rn. 32 m.w.N.).
Ein disziplinarrechtlich relevanter Verstoß gegen Strafgesetze liegt vor. Dabei
kann dahingestellt bleiben, ob sich der frühere Soldat - wie vom Strafgericht
angenommen - nach § 332 Abs. 1 StGB der Bestechlichkeit strafbar gemacht
hat; jedenfalls hat er den Straftatbestand der Vorteilsannahme gem. § 331
Abs. 1 StGB verwirklicht, dessen auch dienstliche Relevanz schon daraus folgt,
dass es sich um ein gemäß § 48 Abs. 1 WStG auch für einen Soldaten relevan-
tes Amtsdelikt handelt.
Der frühere Soldat hat vorsätzlich einen Vorteil dadurch angenommen, dass er
wissentlich und willentlich die ihm im Mai 2002 - wie ihm auch bekannt - auf
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Veranlassung des Geschäftsführers der Firma M. überwiesenen 25 056 €, auf
die er keinen Anspruch hatte und die seine wirtschaftliche Situation verbesser-
ten (BGH, Urteil vom 2. Februar 2005 - 5 StR 168/04 - NStZ 2005, 334 <335>),
behalten hat.
Die Entgegennahme erfolgte „für“ seine Dienstausübung im Sinne des § 331
Abs. 1 StGB, wobei die beiden Seiten bewusste Verknüpfung von Dienstaus-
übung und Vorteilsannahme (Unrechtsvereinbarung) sich nicht auf eine konkre-
te Dienstleistung zu beziehen brauchte; es reicht aus, wenn die Zuwendung
dazu dient, ein allgemeines Wohlwollen zu schaffen. Nach den Feststellungen
des Senats
(unter bb), aaa), β) und γ) bestand zwischen dem Zeugen Schm.
und dem früheren Soldaten Einverständnis darüber, dass der Vorteil für die
Dienstausübung gewährt wurde. Dass die Dienstausübung - worauf der Ein-
wand des früheren Soldaten abzielt - auch und gerade für den Vorteil vorge-
nommen wurde, ist hingegen nicht erforderlich. Nach der Neufassung des § 331
Abs. 1 StGB ist es ausreichend, dass der Vorteil von Vorteilsgeber und Vor-
teilsnehmer allgemein im Sinne eines Gegenseitigkeitsverhältnisses mit der
Dienstausübung des Amtsträgers verknüpft wird, wodurch auch schon einem
bewussten Handeln von Amtsträgern begegnet werden soll, mit dem ein böser
Anschein möglicher „Käuflichkeit“ erweckt wird. Nur darauf muss sich der Vor-
satz des Vorteilnehmers auch beziehen (BGH, Urteil vom 2. Februar 2005
a.a.O. S. 335).
Der frühere Soldat befand sich nicht in einem entsprechend § 16 Abs. 1 Satz 1
StGB den Vorsatz ausschließenden Irrtum über das Bestehen einer Unrechts-
vereinbarung. Denn wer sich - wie der frühere Soldat - an der Vortäuschung
eines Mietvertrages beteiligt, weiß um den zu verschleiernden wahren Hinter-
grund der Zahlungen.
bbb) Der frühere Soldat hat mit seinem Verhalten darüber hinaus vorsätzlich
gegen § 19 Abs. 1 Satz 1 SG verstoßen, der ihm verbietet, in Bezug auf seine
dienstliche Tätigkeit Belohnungen, Geschenke oder sonstige Vorteile anzu-
nehmen. Eine Zustimmung durch die oberste Dienstbehörde, die die Annahme
ausnahmsweise gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB gerechtfertigt hätte, liegt er-
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sichtlich nicht vor. Vorsatzausschließende Umstände fehlen aus den bereits
zuvor dargelegten Gründen ebenfalls.
ccc) Ferner hat der frühere Soldat gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 SG verstoßen. Je-
der Verstoß eines Soldaten gegen eine gesetzliche Dienstpflicht enthält zudem
einen Verstoß gegen § 17 Abs. 2 SG, wenn dem festgestellten Verhalten unab-
hängig von den anderen Pflichtenverstößen die Eignung zur Ansehensminde-
rung innewohnt. Dies ist schon dann der Fall, wenn es Zweifel an seiner Zuver-
lässigkeit weckt oder die Eignung des Soldaten für die jeweilige Verwendung in
Frage stellt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung der Ach-
tungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf,
ob das festgestellte Verhalten dazu geeignet war (vgl. Urteil vom 17. Januar
2011 - BVerwG 2 WD 25.11 - juris Rn. 37 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind
durch die Annahme der 25 056 €, durch die der frühere Soldat zumindest den
bösen Anschein seiner Käuflichkeit erweckt hat, erfüllt.
bb) Durch die gemäß Anschuldigungspunkt 3 a) und 3 b) festgestellten Hand-
lungen hat der frühere Soldat jeweils zusätzliche Pflichtverletzungen begangen.
aaa) Mit der Übersendung der Leistungsbeschreibung und der festgestellten
Übersendung des dienstinternen Schreibens hat der frühere Soldat vorsätzlich
gegen die nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SG bestehende Pflicht verstoßen, über die
ihm bei oder bei Gelegenheit seiner dienstlichen Tätigkeit bekannt gewordenen
Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Dabei steht nach dem Er-
gebnis der Beweisaufnahme auch fest, dass die Übermittlung der Leistungsbe-
schreibung und des Schreibens weder im dienstlichen Verkehr geboten war
(§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SG) noch damit Tatsachen mitgeteilt wurden, die of-
fenkundig waren oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedurften
(§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SG).
Den Vorsatz des früheren Soldaten ausschließende Umstände liegen auch in-
soweit nicht vor, insbesondere fehlt es an einem Irrtum. Seine Äußerung in der
Berufungshauptverhandlung, er verstehe bis heute nicht, warum auf das Er-
gebnis der Ausschreibung habe gewartet werden sollen, dokumentiert insbe-
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sondere keinen Irrtum über die Grenzen seines rechtlichen Tuns, sondern be-
legt vielmehr die fehlende Akzeptanz des früheren Soldaten über ihm durchaus
bekannte, von ihm allerdings für unzweckmäßig erachtete rechtliche Grenzen.
Dessen Äußerung in der Berufungshauptverhandlung, er habe einen gleichen
Informationsstand für die Bundeswehr und die Firma M. herstellen wollen, und
es sei ihm darum gegangen, das Konzept (des A) gegenüber dem BAWV
durchzusetzen, dokumentiert ebenfalls keinen Irrtum über die Grenzen seines
rechtlichen Tuns, sondern belegt erneut die fehlende Akzeptanz des Soldaten
über ihm durchaus bekannte, von ihm jedoch für unzweckmäßig erachtete
rechtliche Grenzen.
bbb) Ob der frühere Soldat darüber hinaus den Straftatbestand des Geheimnis-
verrats nach § 353 b Abs. 1 Nr. 1 StGB begangen hat, kann deshalb dahinge-
stellt bleiben, weil dies für den Ausgang des Rechtsmittels ohne Bedeutung ist
(vgl. Urteil vom 18. Juli 2013 - BVerwG 2 WD 3.12 - Rn. 48).
ccc) Ferner hat der frühere Soldat aus den bereits im Zusammenhang mit An-
schuldigungspunkt 2 dargelegten Gründen jeweils vorsätzlich gegen § 17 Abs.
2 Satz 1 SG verstoßen.
d) Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs
wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen.
Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen
Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten (vgl. Urteil vom
11. Juni 2008 - BVerwG 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26
m.w.N. = juris jeweils Rn. 23). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind
nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienst-
vergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit,
die bisherige Führung und die Beweggründe des früheren Soldaten zu berück-
sichtigen.
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Hiernach ist die Aberkennung des Ruhegehalts geboten, weil der frühere Soldat
aus dem Dienstverhältnis zu entfernen gewesen wäre, falls er sich noch im
Dienst befände, § 65 Abs. 1 Satz 2 WDO. Da die disziplinarische Höchstmaß-
nahme damit bereits auf der Grundlage der zu den Anschuldigungspunkten 2
und 3 a) sowie 3 b) festgestellten Pflichtverletzungen zu verhängen ist, fielen
die sonstigen angeschuldigten Pflichtverletzungen für die Art und Höhe der Dis-
ziplinarmaßnahme nicht mehr ins Gewicht. Sie konnten deshalb ausgeklammert
werden (§ 107 Abs. 2 Satz 1 WDO). Wenn die festgestellten Verfehlungen die
Höchstmaßnahme rechtfertigen, kann das Bundesverwaltungsgericht von der
erschöpfenden Überprüfung aller Anschuldigungspunkte absehen (Dau, WDO
6. Aufl., § 116 Rn. 12 m.w.N., stRspr).
aa) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Un-
rechtsgehalt der Verfehlungen, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienst-
pflichten. Danach wiegt die Verfehlung äußerst schwer.
Der besondere Unrechtsgehalt des Dienstvergehens ergibt sich daraus, dass
der frühere Soldat gegen das Verbot der Annahme von Belohnungen und Ge-
schenken gem. § 19 Abs. 1 SG und zugleich gegen seine Pflicht zur Loyalität
gegenüber der Rechtsordnung, vor allem der Beachtung der Strafgesetze,
massiv verstoßen hat. Mit dem Verstoß gegen § 331 Abs. 1 StGB hat der frühe-
re Soldat den Tatbestand eines Amtsdelikts verwirklicht. Die uneigennützige,
auf keinen privaten Vorteil bedachte Führung der Dienstgeschäfte stellt eine
wesentliche Grundlage nicht nur des Berufsbeamten-, sondern - wie aus § 48
Abs. 1, 5. Spiegelstrich WStG folgt - auch des Soldatentums dar. Zweck der
Vorschrift ist, bereits den Anschein zu vermeiden, ein Beamter oder Soldat
könne sich bei Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben aus Eigennutz
durch sachwidrige Erwägungen beeinflussen lassen und für Amtshandlungen
allgemein käuflich sein. Einen solchen Eindruck erweckt ein Soldat, der in Be-
zug auf seine dienstliche Tätigkeit Vorteile annimmt, auch dann, wenn er hierfür
nicht pflichtwidrig handelt. Dies kann im Interesse des allgemeinen Vertrauens
in ein rechtsstaatliches Handeln staatlicher Institutionen nicht hingenommen
werden. Der hohe Stellenwert, den der Gesetzgeber dem Verbot der Vorteils-
annahme für die Dienstausübung beigemessen hat, wird durch den Straftatbe-
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stand des § 331 Abs. 1 StGB i.d.F. des Korruptionsbekämpfungsgesetzes vom
13. August 1997 (BGBl I S. 2038) verdeutlicht. Die Annahme eines Vorteils
steht danach auch dann unter Strafe, wenn der Vorteilsgeber keine bestimmte
Amtshandlung erkaufen, sondern den Soldaten wohlwollend stimmen will (Urteil
vom 23. November 2006 - BVerwG 1 D 1.06 - Buchholz 232 § 70 BBG Nr. 12 =
juris jeweils Rn. 29 m.w.N.).
Erschwerend tritt hinzu, dass der frühere Soldat mit 25 056 € einen Vorteil in
erheblicher Höhe angenommen hat. Hinzu kommt, dass er es bei dieser Pflicht-
verletzung nicht hat bewenden lassen, sondern darüber hinaus in mindestens
zwei weiteren Fällen - durch die Übermittlung von Dokumenten an die Firma M.
- Pflichtverletzungen begangen hat.
Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden des Weiteren dadurch be-
stimmt, dass der frühere Soldat aufgrund seines Dienstgrades als Oberstleut-
nant in einem Vorgesetztenverhältnis stand (§ 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 SG i.V.m.
§ 4 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 VorgV). Soldaten in Vorgesetztenstellung obliegt eine
höhere Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen. Wegen seiner
herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter in besonderem Maße für die
ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich und unterliegt
damit im Falle einer Pflichtverletzung einer verschärften Haftung, da Vorgesetz-
te in ihrer Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen (§ 10 Abs. 1
SG). Dabei ist nicht erforderlich, dass es der Soldat bei seinem Fehlverhalten
innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Beispielhaftigkeit hat
fehlen lassen. Es reicht das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund
des Dienstgrades aus (vgl. Urteil vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10 - juris
Rn. 30 ).
bb) Das Dienstvergehen hatte auch gravierende nachteilige Auswirkungen für
den Dienstherrn. Neben dem Bekanntwerden der Geschehnisse in der Öffent-
lichkeit durch einschlägige Presseberichte gehört dazu vor allem die Suspen-
dierung des früheren Soldaten bis zu seinem Dienstzeitende.
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cc) Die Beweggründe des früheren Soldaten sind durch finanziellen Eigennutz
geprägt, soweit es den Anschuldigungspunkt 2 betrifft, und im Übrigen durch
die Vorstellung, sich aus - vermeintlichen - Praktikabilitätsgründen über rechtli-
che Vorgaben hinwegsetzen zu dürfen.
dd) Das Maß der Schuld wird durch das vorsätzliche Handeln des voll schuldfä-
higen früheren Soldaten bestimmt.
Auf Milderungsgründe in den Umständen der Tat hat sich der frühere Soldat
nicht berufen; sie sind auch nicht ersichtlich. Angesichts der Mehrzahl der Ein-
zelpflichtverletzungen handelte es sich insbesondere nicht um eine einmalige
persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst
bewährten Soldaten. Auch eine wirtschaftliche Notsituation lag bei dem frühe-
ren Soldaten angesichts seines Immobilieneigentums und seiner Einkünfte
nach der Besoldungsgruppe A 15 nicht vor.
ee) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien „Persönlichkeit“ und „bisherige
Führung“ sprechen die besonders herausragende Beurteilung aus dem Jahr
2001, die Angaben des Leumundszeugen und die förmlichen Anerkennungen in
besonderer Weise für den früheren Soldaten. Nachdem er bis zuletzt an seiner
Einschätzung festgehalten hat, dass keine Verknüpfung zwischen Geldzuwen-
dung und seiner dienstlichen Tätigkeit bestanden habe, und er auch im Zu-
sammenhang mit der Übermittlung dienstlicher Dokumente erklärt hat, hier mö-
ge er einer Fehleinschätzung erlegen sein, konnte der Senat jedoch keine Un-
rechtseinsicht feststellen.
ff) Nach einer Gesamtwürdigung aller vorgenannten be- und entlastenden Um-
stände ist im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und
die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts die Aberkennung des Ruhegehalts
nach § 58 Abs. 2 Nr. 4, § 65 WDO erforderlich. Bei der konkreten Bemessung
der Disziplinarmaßnahme geht der Senat von einem zweistufigen Prüfungs-
schema aus:
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aaa) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbe-
handlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen
Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regel-
maßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als „Ausgangspunkt der Zu-
messungserwägungen“.
Korruptives Fehlverhalten eines Soldaten ist in besonderer Weise geeignet, die
Grundlage des Vertrauens des Dienstherrn in seine dienstliche Zuverlässigkeit
und Integrität zu zerstören:
Die Unbestechlichkeit des Soldaten ist für die militärische Ordnung sowie für
das Ansehen und die Integrität des Soldatentums von entscheidender Bedeu-
tung. Ein Verstoß gegen diesen unabdingbaren Grundsatz erfordert schärfste
disziplinare Reaktion. Der Senat hat daher dann, wenn die Gegenleistung des
Soldaten in pflichtwidrigen Handlungen bestand, wegen der sich daraus erge-
benden unheilbaren Zerstörung des Vertrauensverhältnisses in aller Regel die
Entfernung aus dem Dienstverhältnis für geboten erachtet. Werden Belohnun-
gen oder Geschenke für eine an sich nicht pflichtwidrige Handlung entgegen-
genommen, so mindert dies zwar die Eigenart der Verfehlung, aber es bleibt die
Beeinträchtigung der Integrität des Soldaten und seiner Vertrauenswürdigkeit,
sodass in solchen Fällen nach der Rechtsprechung des Senats regelmäßig eine
Dienstgradherabsetzung gerechtfertigt ist (Urteil vom 2. Juni 1981 - BVerwG
2 WD 22.80 - juris Rn. 35).
Nimmt ein Soldat allerdings im Rahmen einer Vorteilsannahme einen erhebli-
chen Vorteil an, ist ebenso wie bei der Bestechlichkeit in der Regel die Verhän-
gung der Höchstmaßnahme geboten (Urteil vom 16. Juni 2011 - BVerwG 2 WD
11.10 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 32 Rn. 37 m.w.N. = NZWehrr 2012,
219 nur LS). Ein erheblicher Vorteil liegt jedenfalls dann vor, wenn - wie hier -
ein fünfstelliger Euro-Betrag in Rede steht. Ob es darüber hinaus eines hervor-
gehobenen Amtes oder einer dienstlichen Vertrauensstellung bedarf (so für das
Beamtenrecht: Urteil vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 3.12 - BVerwGE 146,
98 <106> = NVwZ 2013, 1087 Rn. 31) kann hier dahinstehen. Denn als Oberst-
leutnant und Dezernatsleiter war der frühere Soldat Inhaber eines herausgeho-
benen Amtes.
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bbb) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick
auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zweckset-
zung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer
Milderung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaß-
nahme eröffnen. Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des
Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich angesichts
der be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten
Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein
höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt
der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach
„oben“ bzw. nach „unten“ zu modifizieren. Zusätzlich sind die gesetzlich nor-
mierten Bemessungskriterien für die Bestimmung der konkreten Sanktion zu
gewichten, wenn die Maßnahmeart, die den Ausgangspunkt der Zumessungs-
erwägungen bildet, dem Wehrdienstgericht einen Spielraum eröffnet.
Nach Maßgabe dessen erreichen die für den Soldaten sprechenden Aspekte
kein ausreichendes Gewicht, um von einem Rest an objektiv berechtigtem Ver-
trauen in den früheren Soldaten auszugehen. Dies gilt namentlich für die sehr
guten Leistungen des früheren Soldaten. Von der Höchstmaßnahme ist nicht
deshalb abzusehen, weil ein Soldat weit überdurchschnittliche Leistungen auf-
weist, er fachlich gleichsam unentbehrlich erscheint und auch nach dem
Dienstvergehen außergewöhnliche Leistungen erbringt. Die persönliche Integri-
tät eines Soldaten steht gleichberechtigt neben dem Erfordernis der fachlichen
Qualifikation, sodass gravierende Defizite an der persönlichen Integrität, die bei
objektiver Betrachtung zu einem endgültigen Vertrauensverlust des Dienstherrn
führen müssen, auch nicht durch fachliche Kompetenz ausgeglichen werden
können (Urteil vom 13. Januar 2011 -- juris Rn. 51
m.w.N).
Ebenso wenig ist es mit Rücksicht auf die - weitgehend - sachgleiche strafrecht-
liche Verurteilung des früheren Soldaten geboten, gegen ihn eine mildere Diszi-
plinarmaßnahme zu verhängen. Weder § 16 Abs. 1 WDO noch § 17 Abs. 2 bis
4 WDO stehen der Verhängung der Höchstmaßnahme entgegen. Steht im Ein-
zelfall - wie hier - § 16 WDO der Zulässigkeit des Ausspruchs einer Disziplinar-
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maßnahme nicht entgegen, ist die Art oder Höhe einer Kriminalstrafe oder
sonstigen Strafsanktion für die Gewichtung der Schwere des sachgleichen
Dienstvergehens regelmäßig nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Straf-
verfahren und Disziplinarverfahren verfolgen unterschiedliche Zwecke. Die Kri-
minalstrafe unterscheidet sich nach Wesen und Zweck grundlegend von der
Disziplinarmaßnahme. Während erstere neben Abschreckung und Besserung
der Vergeltung und Sühne für begangenes Unrecht gegen den allgemeinen
Rechtsfrieden dient, ist die disziplinarische Ahndung darauf ausgerichtet, unter
Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes einen geordneten und integren
Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen, indem sie denjeni-
gen, der die ihm obliegenden Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat, entweder
durch eine erzieherische Maßnahme zu künftig pflichtgemäßem Verhalten
mahnt oder die sonst gebotene Höchstmaßnahme ausspricht (vgl. Urteil vom
13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - juris Rn. 49 m.w.N.).
e) Der Unterhaltsbeitrag war gem. § 65 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 63
Abs. 3 Satz 1 WDO vom Urteil der Vorinstanz rechtsfehlerfrei ausgeschlossen
worden, da der frühere Soldat seiner nicht bedürftig ist. Auch wenn sich seine
derzeit auf jährlich 100 000 € belaufenden Gesamteinkünfte angesichts der Ab-
erkennung des Ruhegehalts - und einer sich daraus ergebenden Reduzierung
der monatlichen Ruhestandseinkünfte von gut 3 600 € auf etwa 1 400 € - ver-
ringern, stehen ihm damit noch immer über 70 000 € jährlich zur Verfügung.
3. Da das Rechtsmittel des früheren Soldaten erfolglos geblieben ist, hat er die
Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen, § 139 Abs. 2 WDO. Die Aus-
klammerung mehrerer Anschuldigungspunkte begründet keinen Anlass, die ihm
darin erwachsenen notwendigen Auslagen aus Billigkeitsgründen nach § 140
Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 WDO dem Bund aufzuerlegen. Denn die
Berufung war bereits so in vollem Umfang zurückzuweisen.
Dr. von Heimburg
Dr. Burmeister
Dr. Eppelt
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Sachgebiet:
BVerwGE:
Nein
Wehrdisziplinarrecht
Fachpresse:
Ja
Rechtsquellen:
SG
§ 1 Abs. 3, §§ 7, 14 Abs. 1 Satz 1, § 17 Abs. 2 Satz 2, § 19 Abs. 1
Satz 1, § 23 Abs. 1
WDO
§§ 16, 17 Abs. 2 bis 4, § 38 Abs. 1, § 58 Abs. 2 Nr. 4, § 63 Abs. 3
Satz 1, § 65 Abs. 1 Satz 2, § 84 Abs. 1, § 106 Abs. 1, § 107 Abs. 2
Satz 1, § 139 Abs. 2, § 140 Abs. 2 Satz 2
StGB
§ 331 Abs. 1, § 332 Abs. 1, § 353 b Abs. 1 Nr. 1
WStG
§ 48 Abs. 1
VorgV
§ 4 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3
Stichworte:
Aufklärungspflicht, Aufklärungsmangel, Lösung von strafgerichtlichen Tatsa-
chenfeststellungen, inhaltsleeres Formalgeständnis, rechtswidrige Verfahrens-
absprache (Deal), Ausklammerung, Zurückverweisung, Verstoß gegen Strafge-
setze, Pflicht zur Amtsverschwiegenheit, Annahme von Vorteilen, Bestechlich-
keit, Vorteilsannahme, Korruption, Unterhaltsbeitrag, Ausgangspunkt der Zu-
messungserwägung, Höchstmaßnahme.
Leitsätze:
1. Beruhen die tatsächlichen Feststellungen eines sachgleichen rechtskräftigen
Strafurteils auf einem inhaltsleeren Formalgeständnis, dessen Vereinbarkeit mit
dem Ermittlungsergebnis das Strafgericht nicht geprüft hat, hat ein Wehrdienst-
gericht Anlass, nach § 84 Abs. 1 Satz 2 WDO die nochmalige Prüfung der Fest-
stellungen zu beschließen.
2. Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen ist bei einer Vorteilsannahme
jedenfalls dann die Höchstmaßnahme, wenn ein Stabsoffizier und Dezernatslei-
ter einen fünfstelligen Euro-Betrag annimmt.
Urteil des 2. Wehrdienstsenats vom 16. Januar 2014 - BVerwG 2 WD 31.12 -
I. TDG Nord - 2. Kammer - vom 23.05.2012 - Az. TDG N 2 VL 11/11 -