Urteil des BVerwG vom 16.03.2004

Soldat, Anhörung, Rechtliches Gehör, Körperliche Unversehrtheit

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
Im Namen des Volkes
Urteil
BVerwG 2 WD 3.04
TDG … … VL …/03
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren
gegen
… ,
geboren am … in …,
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentli-
chen Hauptverhandlung am 16. März 2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Pietzner,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
sowie
Oberstleutnant …
Oberleutnant …
als ehrenamtliche Richter,
Leitender Regierungsdirektor Sandbaumhüter
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt …,
als Verteidiger,
Justizangestellte …
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 2 -
Auf die Berufung des Soldaten wird das Urteil der ... Kammer
des Truppendienstgerichts ... vom 3. Juli 2003 aufgehoben.
Das Verfahren wird eingestellt.
Die Kosten des Verfahrens und die dem Soldaten darin erwach-
senen notwendigen Auslagen werden dem Bund auferlegt.
G r ü n d e :
I
Der gegenwärtig hre alte Soldat erwarb im Jahre e Fachhochschulreife. Zur Ableis-
tung des Grundwehrdienstes trat er am … bei der .../… … in ... in die Bundeswehr
ein. Aufgrund seiner Verpflichtungserklärung wurde er mit Wirkung vom … in das
Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Seine zunächst auf sieben Jahre
festgesetzte Dienstzeit wurde zuletzt auf 13 Jahre festgesetzt, sodass sie voraus-
sichtlich am … enden wird.
Nach der allgemeinen Grundausbildung wurde der Soldat zur …in ... versetzt. Am
1. Oktober 1993 erfolgte seine Versetzung zur .../… … in ... zwecks Ausbildung zum
Offizier der … und am … zur … in … zur Absolvierung des Offizieranwärterlehr-
gangs. Den Offizieranwärterlehrgang … sowie danach auch den Offizierlehrgang
Truppendienst an der Offizierschule des Heeres bestand er jeweils mit der Ab-
schlussnote „befriedigend“. Zum … wurde er zur Universität der Bundeswehr ... zum
Fachhochschulstudiengang Maschinenbau versetzt. Dieses Studium beendete er
erfolgreich mit dem Diplom als Dipl.Ing. (FH) im … mit der Gesamtnote „gut bestan-
den“. Zum … wurde er zur ... in ... versetzt und dort als Zugführer und anschließend
ab … als … sowie als … verwendet. Bis zu der zum Jahresende 2002 erfolgten Auf-
lösung der ... wurde er in dieser Einheit u.a. als Bearbeiter für Alarm- und Mobilma-
chungsangelegenheiten eingesetzt. Seitdem wird er im Stab der ... als Offizier für …
verwendet.
Der Soldat wurde regelmäßig befördert, zuletzt mit Wirkung vom … zum Oberleut-
nant.
- 3 -
In seiner planmäßigen Beurteilung vom … durch den Chef der ... wurden seine Leis-
tungen dreimal („Einsatzbereitschaft“, „Eigenständigkeit“, „Auffassungsgabe“) mit der
Wertungsstufe „6“ („Leistungen übertreffen sehr deutlich die Anforderungen“), neun-
mal mit „5“ sowie viermal („Belastbarkeit“, „Praktisches Können“, „Planungsverhal-
ten“, „Organisatorisches Können“) mit „4“ bewertet. Seine Eignung und Befähigung
wurden je zweimal mit der Wertung „D“ („Geistige Befähigung“; „Befähigung zur Ein-
satz- und Betriebsführung“) und der Wertung „C“ („Verantwortungsbewusstsein“;
„Eignung zur Menschenführung/Teambefähigung“) beurteilt. Unter „Herausragende
charakterliche Merkmale, Kameradschaft, berufliches Selbstverständnis, Bewährung
im Einsatz und ergänzende Aussagen“ wird ausgeführt:
„OLt ... reagiert gelegentlich impulsiv, ist aber insgesamt eher zurückhal-
tend, ruhig und beherrscht. Er ist sehr geradlinig. Hohe Anforderungen
stellt er an sich und an sein Umfeld, neigt zum Perfektionismus. Dabei ist
er teilweise zu kritisch gegenüber dem Umfeld und manchmal zu wenig
bereit, Kritik an der eigenen Leistung zuzulassen.
Er ist in den Kreis des Führerkorps der Kompanie gut integriert und macht
sein Interesse an der Steigerung des Gemeinschaftsgefühls deutlich.
Sein berufliches Selbstverständnis ist sehr gut ausgeprägt. Dienstlichen
Belangen gibt er in aller Regel Vorrang, obwohl es für ihn sicher ist, dass
er nach Ablauf seiner Verpflichtungszeit als SaZ aus dem aktiven Dienst
ausscheiden möchte. …“
Der nächsthöhere Vorgesetzte bewertete seine Förderungswürdigkeit mit „C“ („För-
derung wird mit Nachdruck empfohlen“).
In der weiteren planmäßigen Beurteilung vom … durch den Kompaniechef der ...
wurden die Leistungen im Beurteilungszeitraum seit 7. Januar 2002 viermal
(„Einsatzbereitschaft“, „Eigenständigkeit“, „Auffassungsgabe“ und „Ausbildungsges-
taltung“) mit der Stufe „6“ und zwölfmal mit der Stufe „5“ bewertet. Seine Eignung
und Befähigung wurde einmal („Geistige Befähigung“) mit der Wertung „D“ („Eignung
und Befähigung sind besonders vorhanden“) und dreimal („Verantwortungsbewusst-
sein“, „Eignung zur Menschenführung/Teambefähigung“ sowie „Befähigung zur Ein-
satz- und Betriebsführung“) mit „C“ beurteilt. Unter „Herausragende charakterliche
Merkmale, Kameradschaft, berufliches Selbstverständnis, Bewährung im Einsatz und
ergänzende Aussagen“ wird der Soldat mit nahezu den gleichen Worten wie in der
Beurteilung vom … eingeschätzt.
- 4 -
In der Sonderbeurteilung vom … bewertete der Kommandeur der ... die Leistungen
des Soldaten im Beurteilungszeitraum seit dem 17. November 2003 einmal („Auffas-
sungsgabe“) mit der Stufe „7“, fünfmal („Einsatzbereitschaft“, „Eigenständigkeit“,
„Ausbildungsgestaltung“, „Beurteilungsverhalten“, „Fürsorgeverhalten“) mit der Stufe
„6“ sowie zehnmal mit „5“. Die Vergabe der Höchstnote begründete er damit, der
Soldat habe deutlich unter Beweis gestellt, dass er Sachzusammenhänge schnell,
umfassend und in die Tiefe gehend erfasse, daraus die entsprechenden Schlüsse zu
ziehen vermöge und in Lösungsansätze einbringe. Seine geistige Beweglichkeit ha-
be er eindrucksvoll durch die Schnelligkeit unter Beweis gestellt, mit der er sich in
sein neues Aufgabengebiet eingearbeitet habe. Die Eignung und Befähigung beur-
teilte er dreimal („Verantwortungsbewusstsein“, „Geistige Befähigung“ sowie „Befähi-
gung zur Einsatz- und Betriebsführung“) mit der Wertung „D“ und einmal („Eignung
zur Menschenführung/Teambefähigung“) mit der Wertung „C“. Unter „Herausragende
charakterliche Merkmale, Kameradschaft, berufliches Selbstverständnis, Bewährung
im Einsatz und ergänzende Aussagen“ wird über den Soldaten ausgeführt:
„OLt ... ist ein verantwortungsbewusster Offizier, der anderen gegenüber
von einem positiv geprägten Menschenbild ausgeht und eine entspre-
chende Reaktion erwartet. Fehlt diese aus Phlegmatismus oder aus be-
wusster Opposition, kann OLt ... energisch werden und verhalten impulsiv
reagieren. Dabei steht für ihn die Fürsorge im Vordergrund; hier versucht
er, alles Mögliche zu erreichen und nimmt keine Abstriche in Kauf.
Im Führerkorps der Kompanie wie auch im Kreis der Offiziere des Briga-
destabes, dem er als … zuzuordnen ist, ist er anerkannt und integriert.
Seine Einstellung zum Soldatenberuf ist deutlich ausgeprägt; den dienstli-
chen Belangen ordnet er private Angelegenheiten unter.
Hinsichtlich seiner körperlichen Fitness sollte OLt ... schon aus eigenem
Interesse dieser stärker Beachtung widmen, dennoch sehe ich ihn für Aus-
landseinsätze als geeignet an.“
Für Stabsverwendungen beurteilte Oberst B. den Soldaten als „besonders geeignet“,
für Fachverwendungen, allgemeine Führungsverwendungen und Lehrverwendungen
als „gut geeignet“. Eine Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten unterblieb.
Am 27. Juni 2001 bewilligte der Kommandeur der ... dem Soldaten eine Leistungs-
prämie mit der Begründung, der Soldat habe vom 17. April bis 30. Mai 2001, erst-
mals eingesetzt als Stellvertreter des …, sehr engagiert und mit großem Elan diesen
für ihn vollkommen neuen Aufgabenbereich mit gutem Erfolg wahrgenommen. Dabei
habe er sich überzeugend gut und schnell eingearbeitet sowie sich mit seinem erwei-
- 5 -
terten Verantwortungsbereich auch als Disziplinarvorgesetzter voll identifiziert. Er
habe eine für seinen Erfahrungshorizont insgesamt souveräne Leistung gezeigt.
In der Hauptverhandlung vor der Truppendienstkammer haben Hauptmann K. als
früherer Disziplinarvorgesetzter und der … Oberst B. die zuvor wiedergegebenen Be-
urteilungen der Sache nach bestätigt.
Im Auszug aus dem Disziplinarbuch Teil 1 vom 8. Oktober 2003 ist die mit den bei-
den Anschuldigungspunkten des vorliegenden Verfahrens sachgleiche Disziplinar-
buße von 1.000 € vom 30. Juli 2002 aufgeführt. Im Auszug aus dem Zentralregister
vom 6. Oktober 2003 finden sich keine Eintragungen.
Der seit dem … verheiratete Soldat mit einem am … geborenen Sohn erhält aus-
weislich der Mitteilung der Wehrbereichsverwaltung ... - Gebührniswesen - vom
6. Oktober 2003 Dienstbezüge aus der Besoldungsgruppe ...
Der Soldat bezeichnet seine wirtschaftlichen Verhältnisse insbesondere aufgrund
seiner Belastungen durch den Bau eines Wohnhauses als angespannt. Er erhalte
deshalb noch finanzielle Unterstützungsleistungen von seinen Eltern.
II
Mit Bescheid vom 30. Juli 2002 verhängte der Kommandeur der … gegen den Solda-
ten eine Disziplinarbuße von 1.000 €, die dem Soldaten am selben Tage durch Aus-
händigung zur Kenntnis gebracht wurde. In der Begründung heißt es:
„Er (= OLt ...) hat am 27.06.02 von ca. 14.00 bis 16.00 Uhr in ..., … im
Gebäude …, den Spind des Gefreiten F. kontrolliert, um fehlende Ausrüs-
tungsgegenstände zu suchen, ohne die notwendigen rechtlichen Voraus-
setzungen zu beachten und am Ende der Spinddurchsicht den Gefreiten
F. mit der rechten Hand am Kragen seiner Feldbluse gepackt und gesagt,
dass er sich das nicht bieten lasse, er solle sich bemühen, seine Sachen
in Ordnung zu halten bevor er andere Soldaten unterdrückt, wörtlich: ‚Und
lassen sie mir bloß den L. in Ruh und bis morgen zum Antreten hat der
seine Sachen zurück, auch seinen Schlafsack’; dabei hat er den Gefreiten
F. mit der linken Hand mehrmals ca. fünf- bis zehnmal auf die Wange ge-
tätschelt.“
- 6 -
Die Vollstreckung der Disziplinarbuße wurde auf die Dauer von fünf Monaten zur
Bewährung ausgesetzt.
Die Vertrauensperson der ..., Major R., war zuvor durch den Kompaniechef am
12. Juli 2002 zur Person des Soldaten und zum Sachverhalt des ihm vorgeworfenen
Dienstvergehens angehört worden. Am 24. Juli 2002 erfolgte eine erneute Anhörung
der Vertrauensperson durch den stellvertretenden Kommandeur der ... zur Person
des Soldaten, zum Sachverhalt des dem Soldaten vorgeworfenen Dienstvergehens
sowie zur beabsichtigten Disziplinarmaßnahme. Am 25. Juli 2002 wurde der Soldat
durch den Stellvertretenden Kommandeur der ... befragt, ob er etwas zu seiner Ent-
lastung vorbringen wolle, wobei der Soldat erklärte, er habe „keine weiteren Erläute-
rungen abzugeben“.
Nachdem die ... die Ermittlungsakten der ... vorgelegt hatte, leitete deren Komman-
deur ein gerichtliches Disziplinarverfahren gegen den Soldaten ein. Vor Ergehen der
dem Soldaten am 11. September 2002 ausgehändigten Einleitungsverfügung vom
9. September 2002 erfolgte keine weitere Anhörung des Soldaten durch die Einlei-
tungsbehörde, die auch die Vertrauensperson vor Ergehen der Einleitungsverfügung
nicht mehr anhörte. Mit Schreiben vom 16. Dezember 2002 teilte der Soldat durch
seinen Verteidiger dem Wehrdisziplinaranwalt mit, er verzichte auf ein abschließen-
des rechtliches Gehör gemäß § 97 Abs. 3 Satz 1 WDO.
Mit der Anschuldigungsschrift vom 24. Februar 2003, dem Soldaten ausgehändigt
am 10. März 2003, legte der Wehrdisziplinaranwalt dem Soldaten folgenden Sach-
verhalt als Dienstvergehen zur Last:
„1. Am 27. Juni 2002 zwischen 14.00 Uhr und 16.00 Uhr durchsuchte der
Soldat den Spind des Gefreiten F. in dessen Stube im Unterkunftsgebäu-
de der ... in der … in ... wegen des Verdachtes des Betäubungsmittel-
missbrauchs sowie des Diebstahls von Ausrüstungsgegenständen eines
Kameraden, obwohl er hätte erkennen können und müssen, dass er we-
der die für eine Durchsuchung eines Spindes erforderliche vorherige Zu-
stimmung des Truppendienstrichters nach § 20 Abs. 1 Wehrdisziplinar-
ordnung (WDO) hatte, noch Gefahr im Verzug im Sinne des Abs. 2 dieser
Norm vorlag und die Durchsuchung daher rechtswidrig war.
- 7 -
2. Nach Abschluss der Durchsuchung packte der Soldat aufgrund seiner
Verärgerung über die im Spind des Gefreiten F. herrschende Unordnung
den Gefreiten mit der rechten Hand am Kragen seiner Feldbluse, hielt ihn
daran fest und tätschelte ihm mit der linken Hand etwa fünf- bis zehnmal
auf die Wange und forderte ihn auf: ‚Und lassen sie mir den L. in Ruh! Bis
morgen zum Antreten hat der seine Sachen zurück, auch seinen Schlaf-
sack!’“
In der Hauptverhandlung vor der ... Kammer des Truppendienstgerichts ... am 3. Juli
2003 hat der Soldat zu seiner Person sowie zur Sache ausgesagt und von seinem
Recht auf das „letzte Wort“ (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 326 StPO) Gebrauch
gemacht. Nach Beratung der Truppendienstkammer hat diese durch den Vorsitzen-
den am 3. Juli 2003 um 21.00 Uhr folgendes Urteil verkündet:
„1. Gegen den Soldaten wird wegen eines Dienstvergehens ein Beförde-
rungsverbot für die Dauer von 18 Monaten, verbunden mit einer Kürzung
der Dienstbezüge um ein Zwanzigstel für die Dauer von sechs Monaten,
verhängt.
2. Der Soldat hat die Kosten und die notwendigen Auslagen des Verfah-
rens zu tragen.“
Nach Verkündung dieses Tenors zog sich die Truppendienstkammer erneut zur Be-
ratung zurück und verkündete um 21.10 Uhr desselben Tages:
„Der Urteilstenor wurde wie folgt ergänzt:
3. Die am 30. Juli 2002 vom ... verhängte Disziplinarmaßnahme über
1.000 € wird aufgehoben.“
Die Truppendienstkammer hat das Verhalten des Soldaten jeweils - Anschuldigungs-
punkt 1 und 2 - als Verstoß gegen die Kameradschaftspflicht (§ 12 Satz 2 SG) und
gegen die Wohlverhaltenspflicht (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) sowie hinsichtlich des An-
schuldigungspunktes 2 zusätzlich als Verletzung der Fürsorgepflicht (§ 10 Abs. 3
SG) gewertet.
Das vom Vorsitzenden der Truppendienstkammer unterzeichnete Urteil vom 3. Juli
2003 ist ausweislich des vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle angebrachten
Vermerks am 5. September 2003 zu den Akten gebracht worden. Die Zustellung des
Urteils ist am 11. September 2003 an den Soldaten erfolgt.
- 8 -
Bereits zuvor hat der Soldat durch seinen Verteidiger mit Schreiben vom 26. August
2003, eingegangen beim Bundesverwaltungsgericht am selben Tage, Berufung in
vollem Umfang eingelegt. Nach zuvor erfolgter Stellungnahme des Wehrdisziplinar-
anwalts vom 2. September 2003 verwarf der Vorsitzende der ... Kammer des Trup-
pendienstgerichts ... mit Beschluss vom 5. September 2003 die Berufung des Solda-
ten gemäß § 117 WDO als unzulässig mit der Begründung, zum Zeitpunkt des Ein-
gangs der Berufungsschrift des Verteidigers am 26. August 2003 beim Bundesver-
waltungsgericht hätten sich die schriftlichen Urteilsgründe noch im Geschäftsgang
befunden und seien noch nicht vom Vorsitzenden Richter unterschrieben und damit
nicht gemäß § 111 Abs. 2 WDO zu den Akten gegeben worden.
Nachdem der Vorsitzende der ... Kammer des Truppendienstgerichts ... mit Be-
schluss vom 26. September 2003 der Beschwerde des Soldaten vom 18. September
2003 gegen den Beschluss vom 5. September 2003 nicht abgeholfen hatte, hob der
Senat auf die Beschwerde des Soldaten mit Beschluss vom 26. September 2003
- BVerwG 2 WDB 2.03 - den Beschluss des Vorsitzenden der ... Kammer des Trup-
pendienstgerichts ... vom 5. September 2003 auf; die Entscheidung über die Kosten
blieb der Endentscheidung vorbehalten.
Zur Begründung seiner im vollen Umfange eingelegten Berufung hat der Soldat im
Wesentlichen vorgetragen: Das Urteil der Truppendienstkammer leide an mehreren
gravierenden Mängeln. Zum einen seien die schriftlichen Urteilsgründe entgegen
§§ 111 WDO, 275 StPO nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von fünf Wochen vor-
gelegt worden. Zum anderen habe die Truppendienstkammer am 3. Juli 2003 in
rechtswidriger Weise „zweimal einen Urteilstenor verkündet“, nämlich gegen
21.00 Uhr zunächst die Entscheidung, wonach der Soldat zu einem Beförderungs-
verbot von 18 Monaten, verbunden mit einer Gehaltskürzung von einem Zwanzigstel
auf die Dauer von sechs Monaten, und in die Kosten und notwendigen Auslagen
verurteilt worden sei, und sodann nach erneuter Beratung die Entscheidung, wonach
die gegen den Soldaten verhängte Disziplinarbuße vom 30. Juli 2002 nunmehr - da
sachgleich - richtigerweise aufgehoben worden sei. Darüber hinaus sei der Soldat
entgegen der Vorschrift des § 93 Abs. 1 Satz 2 WDO vor der Einleitungsentschei-
dung der Einleitungsbehörde nicht angehört worden. Eine Anhörung im einfachen
Disziplinarverfahren könne die zwingend vorgeschriebene Anhörung gemäß § 93
Abs. 1 Satz 2 WDO nicht ersetzen, sodass damit ein schwerer Verfahrensfehler vor-
- 9 -
liege. Schließlich sei das Urteil auch deshalb aufzuheben, weil die Truppendienst-
kammer es unterlassen habe zu prüfen, ob sich der Soldat durch die „zumindest
nicht ausschließbare erteilte Zustimmung“ zur Durchschau des Spindes des Gefrei-
ten F. nicht in einem Verbotsirrtum befunden habe. Denn der Soldat sei irrigerweise
der Ansicht gewesen, dass eine richterliche Genehmigung gemäß § 20 WDO dann
nicht erforderlich sei, wenn der betroffene Soldat die Durchführung gestattet oder
Gegenstände, die für die Aufklärung eines Dienstvergehens von Bedeutung sein
könnten, freiwillig herausgebe. Auch könne nicht ausgeschlossen werden, dass es
sich bei dem Fehlverhalten des Soldaten um eine persönlichkeitsfremde situations-
bedingte Augenblickstat gehandelt habe. Dies habe die Truppendienstkammer bei
der Maßnahmebemessung ebenso wenig berücksichtigt wie die überdurchschnittli-
chen dienstlichen Leistungen.
Der Soldat beantragt,
das Urteil des Truppendienstgerichts ... aufzuheben und das Verfahren
einzustellen;
die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Beschwerdever-
fahrens hat der Bund zu tragen;
hilfsweise,
das Verfahren wegen Verstoßes gegen § 93 Abs. 1 Satz 2 WDO einzu-
stellen.
Der Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts beantragt,
das Urteil des Truppendienstgerichts ... aufzuheben und den Soldaten
wegen eines Dienstvergehens zu einer Gehaltskürzung um 1/20 für die
Dauer eines Jahres zu verurteilen.
Die Kosten des Verfahrens außer den Kosten des erfolgreichen Be-
schwerdeverfahrens trägt der Soldat.
Der Bundeswehrdisziplinaranwalt hat zur Begründung vorgetragen, es treffe zwar zu,
dass der Soldat und auch die Vertrauensperson vor Einleitung des gerichtlichen Dis-
ziplinarverfahrens nicht nochmals ausdrücklich zu der Absicht einer Verfahrenseinlei-
tung angehört worden seien. Der Soldat und die Vertrauensperson seien jedoch im
Rahmen der disziplinaren Ermittlungen des nächsten Disziplinarvorgesetzten ange-
- 10 -
hört worden. Selbst wenn diese Anhörungen die nachträgliche Einleitung eines ge-
richtlichen Disziplinarverfahrens nach § 96 Abs. 1 WDO nicht mit umfassen sollten,
sei das Verfahren nicht allein deshalb einzustellen. Für die Vertrauensperson sei in
der Rechtsprechung des Senats anerkannt, dass eine gegebenenfalls fehlerhafte
oder unterbliebene Anhörung nachgeholt werden könne. Überdies habe sich die Ver-
trauensperson vorliegend zur Person, zum Sachverhalt und zum Disziplinarmaß äu-
ßern können. Hiervon habe sie in der Weise Gebrauch gemacht, dass sie zum Dis-
ziplinarmaß eine Disziplinarbuße von 1.000 € als angemessen erachtet und damit
zugleich zum Ausdruck gebracht habe, dass sie die Einleitung eines gerichtlichen
Disziplinarverfahrens nicht als geboten erachte. Eine andere Äußerung sei auch bei
einer nochmaligen Anhörung nicht zu erwarten gewesen, sodass sich ein möglicher
Mangel nicht ausgewirkt habe. Auch ein etwaiger Anhörungsmangel hinsichtlich des
Soldaten sei geheilt worden. Die zu einer nicht ordnungsgemäßen Anhörung bei Ver-
fahrenseinleitung in der Literatur vertretene gegenteilige Auffassung finde in der Be-
gründung des 2. WehrDiszNOG keine Bestätigung. Eine Verfahrenseinstellung oder
Zurückverweisung aus formalen Gründen laufe insbesondere bei einem weit fortge-
schrittenen Verfahren dem Beschleunigungsgrundsatz zuwider. Soweit - wie hier -
die Verteidigung des Soldaten nicht auf Dauer beeinträchtigt sei, spreche nichts da-
für, das Verfahren wegen einer unterbliebenen oder unzureichenden Anhörung ein-
zustellen. Von unzureichenden Verteidigungsmöglichkeiten könne nicht die Rede
sein, zumal im erstinstanzlichen Verfahren keine Einwände gegen die vom Kammer-
vorsitzenden geäußerte Auffassung erhoben worden seien, der Mangel könne auch
noch durch die Anhörung des Soldaten in der Hauptverhandlung geheilt werden. Die
in der Hauptverhandlung am 3. Juli 2003 durch die Truppendienstkammer erfolgte
Ergänzung des am selben Tage zuvor verkündeten Urteils stelle keinen schwerwie-
genden Verfahrensmangel dar. In Rechtsprechung und Literatur sei anerkannt, dass
ein Urteil erst dann unabänderlich sei, wenn die Mitteilung der Urteilsgründe abge-
schlossen sei. Vorliegend sei das Urteil vor Mitteilung der Urteilsgründe und damit
noch zeitgerecht berichtigt worden. Das schriftliche Urteil der Truppendienstkammer
sei zwar nicht innerhalb der gesetzlich bestimmten Frist zu den Akten gebracht wor-
den. Auch wenn kein diese Fristüberschreitung rechtfertigender Grund ersichtlich sei,
sei jedoch in der bisherigen Rechtsprechung des Senats zu Recht bei einer solchen
Fristüberschreitung von einer Zurückverweisung in die erste Instanz abgesehen wor-
- 11 -
den. Die mit der Berufung gerügten Mängel seien für sich genommen nicht so ge-
wichtig, dass von einer unzureichenden Sachaufklärung gesprochen werden könne.
III
1. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, ihre Förmlichkeiten sind gewahrt (§ 115
Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 WDO). Insbesondere steht der Zulässig-
keit der Berufung nicht entgegen, dass sie bereits vor dem in § 115 Abs. 1 Satz 1
WDO genannten Zeitpunkt der Zustellung des Urteils eingelegt worden ist. Zur Ver-
meidung von Wiederholungen wird insoweit auf den Beschluss des Senats vom
26. September 2003 - BVerwG 2 WDB 2.03 - verwiesen.
2. Da das Rechtsmittel des Soldaten ausdrücklich und nach dem wesentlichen Inhalt
seiner Begründung in vollem Umfang eingelegt worden ist, hat der Senat im Rahmen
der Anschuldigung (§ 123 Satz 3 i.V.m. § 107 Abs. 1 WDO) eigene Tat- und Schuld-
feststellungen zu treffen, diese rechtlich zu würdigen und die sich daraus ergeben-
den Folgerungen zu ziehen.
3. Soweit der Soldat geltend macht, das erstinstanzliche Urteil sei bereits deshalb
aufzuheben, weil die Truppendienstkammer nach der am 3. Juli 2003 um 21.00 Uhr
erfolgten Verkündung des Urteilstenors sich erneut zur Beratung zurückgezogen und
anschließend eine Ergänzung des Urteilstenors verkündet hat, kann dem nicht ge-
folgt werden. Nach den gemäß § 91 Abs. 1 WDO ergänzend anzuwendenden Vor-
schriften der Strafprozessordnung ist eine Berichtigung der Urteilsformel möglich,
solange die Urteilsverkündung noch nicht abgeschlossen ist (vgl. BGH, Beschluss
vom 28. Mai 1974 - 4 StR 633/73 - ; Meyer-Goßner, StPO,
47. Aufl. 2004, § 268 RNr. 9 m.w.N.). Abgeschlossen ist die Urteilsverkündung mit
dem letzten Wort der mündlichen Bekanntgabe der Urteilsgründe (stRspr. des BGH,
u.a. Beschluss vom 28. Mai 1974 - 4 StR 633/73 - ; weitere Nachweise
bei Meyer-Goßner, a.a.O., § 268 RNr. 8). Wie sich dem Protokoll über die Hauptver-
handlung vor der Truppendienstkammer entnehmen lässt, hat sich die Truppen-
dienstkammer „nach Verkündung des Tenors“ (über die Verhängung eines Beförde-
rungsverbotes für die Dauer von 18 Monaten, verbunden mit einer Kürzung der
- 12 -
Dienstbezüge um ein Zwanzigstel für die Dauer von sechs Monaten sowie die dazu-
gehörige Kostenentscheidung) „erneut zur Beratung“ zurückgezogen und nach der
Beratungspause, die von 21.05 Uhr bis 21.10 Uhr gedauert hat, den Urteilstenor um
eine Ziffer 3 ergänzt („Die am 30. Juli 2002 vom ... verhängte Disziplinarmaßnahme
über 1.000 € wird aufgehoben“). Da sich die Truppendienstkammer mithin nach Ver-
kündung des „Tenors“ um 21.05 Uhr erneut zur Beratung zurückgezogen hat und da
diesem Protokoll die aus § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 274 StPO sich ergebende
Beweiskraft zukommt, ist davon auszugehen, dass damit um 21.05 Uhr die Urteils-
gründe noch nicht bekannt gegeben waren und die Urteilsverkündung noch nicht ab-
geschlossen war.
Selbst wenn das Verfahren vor dem Truppendienstgericht insoweit oder aus weiteren
Gründen fehlerhaft gewesen sein sollte, wäre der Senat nicht gezwungen, das Urteil
des Truppendienstgerichts aufzuheben und die Sache an eine andere Kammer des-
selben oder des anderen Truppendienstgerichts zur nochmaligen Verhandlung und
Entscheidung zurückzuverweisen. Namentlich ist das Urteil der Truppendienstkam-
mer nicht deshalb aufzuheben, weil es nicht innerhalb der gesetzlich bestimmten
Frist von fünf Wochen (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 275 Abs. 1 StPO) zu den
Akten gebracht worden ist. Darin liegt zwar ein gravierender Verfahrensfehler. Der
Bundeswehrdisziplinaranwalt hat in seiner Stellungnahme jedoch zu Recht darauf
hingewiesen, dass der erkennende Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung bei
einer solchen Fristüberschreitung von einer Zurückverweisung in die erste Instanz
stets abgesehen hat (Urteile vom 31. März 1978 - BVerwG 2 WD 50.77 - und vom
3. Juli 2001 - BVerwG 2 WD 24.01 -). Zwar handelt es sich vorliegend - anders als in
den beiden genannten Entscheidungsfällen - um ein Berufungsverfahren, in dem vol-
le Berufung eingelegt worden ist. Dies allein ist jedoch kein Gesichtspunkt, der den
Senat zwänge, die Sache gemäß § 121 Abs. 2 WDO zurückzuverweisen. Der Senat
würde jedenfalls im vorliegenden Verfahren selbst bei Vorliegen von Verfahrens-
mängeln von dem ihm durch § 121 Abs. 2 WDO eingeräumten Ermessen keinen
Gebrauch machen. Da der Soldat gegen die Entscheidung des Truppendienstge-
richts Berufung im vollen Umfang eingelegt hat, ist die Sach- und Rechtslage durch
den Senat ohnehin in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht in vollem Umfange neu
zu überprüfen; auf dieser Grundlage hat der Senat dann im Hinblick auf das festzu-
setzende gerichtliche Disziplinarmaß die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen.
- 13 -
An die tatsächlichen Feststellungen und die rechtliche Würdigung der Truppen-
dienstkammer ist er nicht gebunden. Es würde dem im § 17 Abs. 1 WDO normierten
Grundsatz, Disziplinarsachen beschleunigt zu behandeln, jedenfalls im vorliegenden
Falle zuwiderlaufen, wollte der Senat unter Aufhebung der erstinstanzlichen Ent-
scheidung wegen schwerer Verfahrensmängel die Sache an das Truppendienstge-
richt zurückverweisen, obwohl er selbst die notwendigen Prüfungen und Entschei-
dungen im vorliegenden Verfahren zu treffen in der Lage ist.
4. Auf die Berufung des Soldaten ist das angefochtene Urteil der Truppendienst-
kammer jedoch deshalb aufzuheben und das Verfahren ist nach § 123 Satz 3 i.V.m.
§ 96 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 WDO einzustellen, weil das angeschuldigte Dienstver-
gehen des Soldaten nicht die Verhängung einer gerichtlichen Disziplinarmaßnahme
erfordert.
Dabei kann letztlich offen bleiben, ob das gerichtliche Disziplinarverfahren überhaupt
wirksam eingeleitet wurde.
Bei Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens müssen alle Voraussetzungen
vorliegen, unter denen nach dem Gesetz die disziplinare Verfolgung des Soldaten
und des Dienstvergehens zulässig ist. Zu den Voraussetzungen eines zulässigen
gerichtlichen Disziplinarverfahrens gehört eine wirksame Einleitungsverfügung (vgl.
Urteil vom 9. Juni 1970 - BVerwG II WD 37/70 -; Dau, WDO, 4. Aufl. 2002, § 93
RNr. 1), die als Prozesshandlung Bestandteil eines einheitlichen, gesetzlich geregel-
ten Verfahrens ist (Beschluss vom 15. Oktober 1996 - BVerwG 1 WB 36.96 -). Sie
bringt das gerichtliche Disziplinarverfahren in Gang und ist auf die Herbeiführung ei-
ner gerichtlichen Disziplinarentscheidung gerichtet. Darüber hinaus eröffnet ihr Erge-
hen der Einleitungsbehörde u.a. die Möglichkeit, den betreffenden Soldaten vorläufig
des Dienstes zu entheben (§ 126 Abs. 1 Satz 1 WDO), ihm das Tragen der Uniform
zu verbieten (§ 126 Abs. 1 Satz 2 WDO) sowie die teilweise Einbehaltung der
Dienstbezüge anzuordnen (§ 126 Abs. 2 Satz 1 WDO). Nach der Regelung des § 93
Abs. 1 Satz 3 WDO wird die Einleitung mit der Zustellung an den Soldaten wirksam.
Allerdings ist der Soldat „vorher“, also vor Ergehen der Einleitungsverfügung, zu hö-
ren (§ 93 Abs. 1 Satz 2 WDO). Diese durch das Zweite Gesetz zur Neuordnung des
Wehrdisziplinarrechts und zur Änderung anderer Vorschriften (2. WehrDiszNOG)
vom 16. August 2001 (BGBl I S. 2093) in die Wehrdisziplinarordnung - neu - einge-
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fügte Vorschrift stellt die Anhörung des Soldaten vor Ergehen der Einleitungsverfü-
gung nicht in das Ermessen der Einleitungsbehörde, sondern schreibt sie ausdrück-
lich verbindlich vor. Dies folgt bereits aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Re-
gelung („ist vorher zu hören“). Die durch § 93 Abs. 1 Satz 2 WDO vorgeschriebene
Anhörung muss dabei gerade durch die Einleitungsbehörde erfolgen, und zwar un-
geachtet einer bereits vorher erfolgten Anhörung des Soldaten im Rahmen der Er-
mittlungen durch den Disziplinarvorgesetzten nach § 32 Abs. 4 und 5 WDO und im
Vorermittlungsverfahren (§ 92 Abs. 2 i.V.m. § 97 Abs. 3 Satz 1 WDO). Dies ergibt
sich daraus, dass die Regelung des § 93 Abs. 1 Satz 2 WDO durch das
2. WehrDiszNOG gerade ungeachtet der für die davor liegenden Verfahrensstadien
bereits bestehenden Anhörungspflichten in das Gesetz eingefügt worden ist. Außer-
dem folgt dies aus dem Regelungszusammenhang, in dem die Vorschrift steht. Als
Satz 2 schließt sie im Absatz 1 des § 93 WDO unmittelbar an den vorhergehenden
Satz 1 an, der sich allein auf die durch die Verfügung der Einleitungsbehörde erfol-
gende Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens bezieht. Indem Satz 2 des
§ 93 Abs. 1 WDO regelt, dass die Anhörung des Soldaten „vorher“ zu erfolgen hat,
wird klargestellt, dass dies gerade durch die Einleitungsbehörde vor Ergehen der
schriftlichen Einleitungsverfügung zu geschehen hat. Denn § 93 Abs. 1 WDO betrifft
allein Verfahrenshandlungen der Einleitungsbehörde. Die in § 93 Abs. 1 Satz 2 WDO
normierte Verpflichtung, den Soldaten „vorher“ zu hören, ist darauf gerichtet, ihm Ge-
legenheit zu geben, gerade zu der von der Einleitungsbehörde beabsichtigten Einlei-
tungsentscheidung Stellung zu nehmen und hierauf einzuwirken. Der normative
Zweck der Regelung liegt ersichtlich darin sicherzustellen, dass der Soldat in Kennt-
nis der drohenden Einleitungsentscheidung alles vortragen kann, was aus seiner
Sicht für die Ermessensentscheidung der Einleitungsbehörde von Relevanz sein
kann. Gibt der Soldat hierzu eine Stellungnahme ab, ist die Einleitungsbehörde bei
ihrer Ermessensentscheidung gehalten, diese zur Kenntnis zu nehmen und in Erwä-
gung zu ziehen. Es reicht nicht aus, wenn die Einleitungsbehörde lediglich diejenigen
Stellungnahmen des Soldaten berücksichtigt, die er zuvor im Rahmen der Ermittlun-
gen des Disziplinarvorgesetzten oder im Vorermittlungsverfahren (§ 92 Abs. 2 i.V.m.
§ 97 Abs. 3 Satz 1 WDO) abgegeben hat. Die Pflicht, dem Soldaten vor Ergehen der
Entscheidung über die Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens Gelegen-
heit zur Stellungnahme zu geben, besteht auch dann, wenn die Einleitungsbehörde
ihre Entscheidung über die Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens erst
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nachträglich, d.h. nach § 96 Abs. 1 WDO dann trifft, wenn ein Disziplinarvorgesetzter
zuvor wegen der Tat bereits eine Disziplinarmaßnahme verhängt oder eine Diszipli-
narmaßnahme nicht für zulässig oder angebracht gehalten und seine Entscheidung
dem Soldaten bekannt gegeben hat. Denn auch bei einer Entscheidung nach § 96
Abs. 1 WDO trifft die Einleitungsbehörde eine Ermessensentscheidung, die auf die
gleiche Rechtsfolge, nämlich die Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens
gerichtet ist. Dies kommt im Wortlaut des § 96 Abs. 1 Satz 1 WDO unmissverständ-
lich zum Ausdruck, in dem es heißt, die Einleitungsbehörde könne das gerichtliche
Disziplinarverfahren „auch“ einleiten, wenn die im Gesetz normierten Voraussetzun-
gen erfüllt sind. § 96 Abs. 1 WDO erweitert damit die sich aus § 93 Abs. 1 WDO er-
gebende Entscheidungsbefugnis der Einleitungsbehörde, reduziert jedoch nicht die
in § 93 Abs. 1 WDO normierten Anforderungen an eine wirksame Einleitungsent-
scheidung. Damit ist sowohl im Regelfall des § 93 Abs. 1 WDO als auch im Falle ei-
ner vor dem Ergehen einer Einleitungsverfügung nach § 96 Abs. 1 WDO erfolgten
Verhängung einer Disziplinarmaßnahme durch den Disziplinarvorgesetzten zwingend
vorgeschrieben, dem Soldaten zur beabsichtigten Ermessensentscheidung Gele-
genheit zur Stellungnahme zu geben. Da nach dem eindeutigen Wortlaut der Vor-
schrift die Einleitungsbehörde von einer vorherigen Anhörung des Soldaten vor ihrer
Ermessensentscheidung nicht absehen darf, ist eine - wie im vorliegenden Fall - un-
terbliebene Anhörung seit der mit Wirkung vom 1. Januar 2002 erfolgten gesetzli-
chen Neuregelung durch das 2. WehrDiszNOG ein - schwerer - Verfahrensfehler.
Ob dieser schwere Verfahrensfehler zur Unwirksamkeit der Einleitungsverfügung
führt oder bis zum Ergehen der Anschuldigungsschrift nachgeholt und geheilt werden
kann, ist bislang nicht geklärt. Zwar kann nach der (bisherigen) Rechtsprechung des
Senats eine fehlerhafte oder unterbliebene Anhörung der Vertrauensperson nachge-
holt werden (Beschluss vom 8. Januar 1992 - BVerwG 2 WDB 17.91 -
93, 222 = NZWehrr 1992, 70> und Urteil vom 26. April 2001 - BVerwG 2 WD
47.00 -). Diese Rechtsprechung betrifft allerdings nicht den Fall der unterbliebenen
Anhörung des betroffenen Soldaten. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Gesetz-
geber nunmehr in § 93 Abs. 1 Satz 2 WDO mit Wirkung ab 1. Januar 2002 ausdrück-
lich und zwingend eine Anhörung des Soldaten durch die Einleitungsbehörde vor
Ergehen der Einleitungsverfügung angeordnet hat.
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Dem Gesetzeswortlaut des § 93 Abs. 1 Satz 2 WDO lässt sich zur Frage der Auswir-
kungen eines Anhörungsmangels auf die Wirksamkeit der Einleitungsverfügung kei-
ne unmittelbare Antwort entnehmen. Allerdings bezeichnet das Gesetz in § 93 Abs. 1
Satz 3 lediglich die Zustellung der Einleitungsverfügung ausdrücklich als Wirksam-
keitsvoraussetzung, nicht jedoch die abschließende Anhörung des Soldaten.
Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift ist insoweit unergiebig. In der Begründung
des Regierungsentwurfs ist lediglich davon die Rede, die neue Regelung „konkreti-
siert den Anspruch des Soldaten auf rechtliches Gehör für den Fall der Einleitung
eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens“ (BTDrucks 14/4660, S. 34 zu Nummer 65).
Auch der weitere Verlauf der Gesetzesberatungen vermittelt keine näheren Auf-
schlüsse.
Nach dem Regelungszusammenhang und der erkennbaren normativen Zweckset-
zung ist allerdings davon auszugehen, dass dann, wenn einem Soldaten entgegen
§ 93 Abs. 1 Satz 2 WDO keine Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten
Einleitungsverfügung gegeben wird, der Einleitungsbehörde eine vom Gesetz zwin-
gend vorgegebene Entscheidungsgrundlage fehlt, die ihr bei ihrer pflichtgemäßen
Ermessensentscheidung vorliegen muss und die sie zu berücksichtigen hat. Die Er-
messensentscheidung der Einleitungsbehörde ist dann notwendigerweise planwidrig
unvollständig. Der normative Zweck der Anhörungsvorschrift des § 93 Abs. 1 Satz 2
WDO, dass die Behörde ihre Ermessensentscheidung auf der vom Gesetz voraus-
gesetzten vollständigen Entscheidungsgrundlage trifft, kann dann nicht erreicht wer-
den. Eine fehlerfreie Ermessensentscheidung der Einleitungsbehörde kann allerdings
so lange noch zustande kommen, wie die Einleitungsbehörde befugtermaßen ihr Er-
messen hinsichtlich der Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens oder
dessen Einstellung noch ausüben und dabei das Ergebnis einer nachgeholten Anhö-
rung zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen kann. Wie sich aus § 99 Abs. 1
Satz 1 WDO ergibt, kann die Einleitungsbehörde eine Einstellungsentscheidung noch
so lange treffen, bis der Wehrdisziplinaranwalt eine Anschuldigungsschrift dem Trup-
pendienstgericht vorlegt. Mit dem Eingang der Anschuldigungsschrift bei dem Trup-
pendienstgericht werden dagegen die darin erhobenen Vorwürfe rechtshängig. Vom
Beginn der Rechtshängigkeit an ist nicht mehr die Einleitungsbehörde, sondern allein
das Wehrdienstgericht „Herr des Verfahrens“. Die Einleitungsbehörde ist dann nicht
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mehr befugt, das Verfahren durch eine Ermessensentscheidung zu beeinflussen.
Eine vor Ergehen der Einleitungsverfügung entgegen § 93 Abs. 1 Satz 1 WDO un-
terbliebene Anhörung des Soldaten durch die Einleitungsbehörde kann mithin äu-
ßerstenfalls bis zur Vorlage der Anschuldigungsschrift beim Truppendienstgericht
nach § 99 Abs. 1 Satz 1 WDO nachgeholt werden. Geschieht dies nicht, wird also die
Anhörung erst später oder gar überhaupt nicht nachgeholt, fehlt es an einer unver-
zichtbaren Voraussetzung eines zulässigen gerichtlichen Disziplinarverfahrens, so-
dass dieses dann gemäß § 123 Satz 3 i.V.m. § 108 Abs. 3 Satz 1 (1. Alternative)
WDO wegen eines nicht mehr heilbaren Verfahrenshindernisses einzustellen ist (im
Ergebnis ebenso: Dau, a.a.O., § 93 RNr. 3). Die Einleitungsbehörde kann dann nur
noch prüfen, ob sie ein neues gerichtliches Disziplinarverfahren einleiten will, soweit
nicht die Fristen nach § 17 Abs. 2 bis 5 WDO verstrichen sind.
Eine Nachholung der nach § 93 Abs. 1 Satz 2 WDO im vorliegenden Verfahren un-
terbliebenen Anhörung des Soldaten durch die Einleitungsbehörde ist hier nicht er-
folgt. Der Bundeswehrdisziplinaranwalt hat dies in der Berufungshauptverhandlung
ausdrücklich bestätigt. Allerdings hatte der Soldat durch seinen Verteidiger mit
Schriftsatz vom 16. Dezember 2002, also vor der am 27. Februar 2003 erfolgten Vor-
lage der Anschuldigungsschrift vom 24. Februar 2003 beim Truppendienstgericht,
dem Wehrdisziplinaranwalt mitgeteilt, er verzichte „auf abschließendes Gehör“ nach
§ 97 Abs. 3 Satz 1 WDO. Bereits zuvor hatte er mit Schriftsatz vom 2. Dezember
2002 nach erfolgter Einsichtnahme in die Ermittlungsakten auf die entsprechende
Anfrage des Wehrdisziplinaranwalts vom 19. November 2002 erklärt, er verzichte
„auf abschließende Vernehmung“. Damit durfte der Wehrdisziplinaranwalt davon
ausgehen, dass der Soldat in voller Kenntnis des bisherigen Verfahrensganges keine
weiteren Gesichtspunkte zum Sach- und Streitstand, insbesondere zur erfolgten Ein-
leitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens und dessen Fortführung mehr vortra-
gen wollte. Darin könnte der Sache nach ein Verzicht des Soldaten auf die nachträg-
liche Wahrnehmung seines ihm nach § 93 Abs. 1 Satz 2 WDO zustehenden Rechts
auf Anhörung durch die Einleitungsbehörde gelegen haben. Dies bedarf hier jedoch
keiner abschließenden Entscheidung. Denn die vorgenannten Erklärungen vom
2. und 16. Dezember 2002 wurden der Einleitungsbehörde jedenfalls nicht zur
Kenntnis gebracht. Ihr war damit die Möglichkeit genommen, unter Berücksichtigung
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des gesamten Vorbringens des Soldaten eine eigenständige fehlerfreie Ermessens-
entscheidung zu treffen und damit nachzuholen.
Allerdings kann nach der Regelung des § 46 VwVfG die Aufhebung eines Verwal-
tungsaktes, der nicht nichtig ist, nicht allein wegen Verletzung von Vorschriften über
das Verfahren beansprucht werden, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die
Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat (vgl. für den Bereich von Personal-
verwendungsentscheidungen Beschluss vom 27. Februar 2003 - BVerwG 1 WB
57.02 - ). Es bedarf hier keiner abschließenden Prüfung und
Entscheidung der Frage, ob diese Regelung im Wege der Gesetzesanalogie auch
auf das Verfahren bei der Einleitungsbehörde anzuwenden ist. Selbst wenn dies der
Fall wäre und wenn zudem davon ausgegangen werden müsste, dass angesichts
der schriftsätzlichen Erklärungen des - anwaltlich vertretenen - Soldaten vom 2. und
16. Dezember 2002 (Verzicht auf „abschließende Vernehmung“ und „abschließendes
Gehör“) die Verletzung der genannten Verfahrensvorschriften die Entscheidung der
Einleitungsbehörde in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst hat, hat die Berufung
des Soldaten aus den nachstehend unter 5. dargelegten Gründen dennoch Erfolg.
Aus dem gleichen Grunde kann damit hier auch dahinstehen, ob die Vertrauensper-
son gemäß § 4 Satz 1 WDO i.V.m. § 27 Abs. 2 SBG ordnungsgemäß angehört und
ob das Ergebnis der Anhörung gemäß § 4 Satz 2 WDO ordnungsgemäß bekannt
gegeben wurde sowie welche rechtlichen Folgerungen daraus angesichts der schrift-
sätzlichen Erklärungen des Soldaten vom 2. und 16. Dezember 2002 zu ziehen sind.
5. Die Berufung des Soldaten hat Erfolg.
Das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen den Soldaten ist gemäß § 123 Satz 3
i.V.m. § 96 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 WDO einzustellen und das Urteil der Truppen-
dienstkammer aufzuheben, sodass es bei der mit Bescheid vom 30. Juli 2002 durch
den Kommandeur der ... gegen den Soldaten verhängten Disziplinarbuße von
1.000 € verbleibt, deren Vollstreckung auf die Dauer von fünf Monaten zur Bewäh-
rung ausgesetzt worden war. Eine über die verhängte Disziplinarbuße von 1.000 €
hinausgehende gerichtliche Disziplinarmaßnahme ist nicht erforderlich.
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a) Aufgrund der Einlassung des Soldaten, soweit ihr gefolgt werden kann, sowie der
Bekundungen der in der Berufungshauptverhandlung vernommenen Zeugen Ober-
gefreiter der Reserve L., Obergefreiter der Reserve F., Leutnant H., Oberst B. und
Major K. sowie der verlesenen und zum Gegenstand der Verhandlung gemachten
Urkunden und Vernehmungsniederschriften steht zur Überzeugung des Senats fol-
gender Sachverhalt fest:
Der Soldat, der zu diesem Zeitpunkt Offizier bei der ... war, erfuhr am Morgen des
27. Juni 2002 von dem Zeugen H., dem damaligen Führer des I. Zuges, der Zeuge F.
stünde im Verdacht des Betäubungsmittelmissbrauchs. Am selben Morgen hatte der
Zeuge L., der Stubennachbar des Zeugen F., den Verlust einiger seiner Ausrüs-
tungsgegenstände gemeldet. Daraufhin übermittelte der Soldat dem Zeugen H., der
Zeuge F. solle im Laufe des Vormittags ins Dienstzimmer kommen, da er ihn dort
befragen und vernehmen wolle. Bei diesem Gespräch, das gegen 13.00 Uhr am an-
gegebenen Ort stattfand und über das kein Vernehmungsprotokoll geführt wurde,
befragte der Soldat den Zeugen F. nicht nur zu dem entstandenen Verdacht des Be-
täubungsmittelmissbrauchs, sondern auch zu den abhanden gekommenen Ausrüs-
tungsgegenständen des Zeugen L.. Der Zeuge F. bestritt den Konsum von Betäu-
bungsmitteln und trat auch dem Vorwurf entgegen, er habe Ausrüstungsgegenstände
des Zeugen L. entwendet. Auf die Frage des Soldaten, ob er gleich anschließend bei
ihm eine Kontrolle des Spindes durchführen dürfe, erklärte der Zeuge F., er habe
nichts zu verbergen; der Soldat könne sich seinen, des Zeugen, Spind gerne an-
schauen. Dabei ging der Zeuge F. nach seinen Angaben davon aus, dass er seine
Zustimmung zur Kontrolle des Spindes hätte verweigern können und dürfen. Gegen
14.00 Uhr begab sich der Soldat in die Stube des Zeugen F.. Dort forderte er den
Zeugen F. auf, den bereits teilweise geöffneten Spind vollständig zu öffnen sowie
anhand einer verlesenen Liste die darin befindlichen Sachen und Ausrüstungsge-
genstände auszuräumen und auf den Tisch sowie das Bett und den Boden zu legen.
Der Soldat entnahm seinerseits dem geöffneten Spind einen herumliegenden „Blau-
mann“ sowie ein weiteres Bekleidungsstück und machte dem Zeugen F. lautstark
verbale Vorhaltungen im Hinblick auf den Zustand des Spindes. Dabei erregte er sich
vor allem über die in seinen Augen große Unordnung und Verschmutzung des Spin-
des. Ferner tastete er einige Bekleidungsstücke daraufhin ab, ob sich in ihnen Reste
von Haschisch befanden. Er zog aus dem geöffneten Spind zwei Schubladen her-
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aus, in denen Socken und Strümpfe sowie Schuhputzmittel aufbewahrt wurden. Bei
der Kontrolle stellte der Soldat u.a. fest, dass sich im Spind des Zeugen F. einige
Hemden mit der Konfektionsgröße 40 befanden, der Konfektionsgröße des Zeugen
L.
Aus Verärgerung über den Zustand des Spindes und über das Verhalten des Zeugen
F. griff der Soldat diesem mit der rechten Hand an das Revers der Feldbluse. Gleich-
zeitig tätschelte er ihn mehrfach, und zwar mindestens dreimal, mit der Hand auf die
Wange, schob ihn anschließend einen Schritt zurück und sagte dabei sinngemäß, er
solle den Zeugen L. in Ruhe lassen und bis morgen diesem die verschwundenen
Sachen, auch den Schlafsack, zurückgeben. Nach ca. fünf bis sieben Sekunden ließ
er von dem Zeugen F. ab und verließ die Stube. Am nächsten Morgen meldete der
Soldat den Vorfall dem Kompaniechef, dem Zeugen K., der hierüber bereits am Vor-
tage durch den Evangelischen Standortpfarrer informiert worden war, den der Zeuge
F. zuvor angerufen hatte. Noch am Morgen des 28. Juni 2002 entschuldigte sich der
Soldat bei dem Zeugen F. wegen seines Verhaltens. Ein mit Zustimmung des Zeu-
gen F. anderweitig später durchgeführter Drogentest ergab, dass dieser Betäu-
bungsmittel konsumiert hatte.
Der Soldat hat den festgestellten Sachverhalt im Wesentlichen eingeräumt. Durch-
greifende Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit seiner Einlassungen bestehen nicht.
Denn auch der Zeuge F. und der Zeuge H. haben in ihren Bekundungen den Tather-
gang im Wesentlichen so bestätigt. Insbesondere hat der Zeuge F. bekundet, er ha-
be der vom Soldaten durchgeführten Kontrolle des Spindes freiwillig zugestimmt, weil
er nichts zu verbergen gehabt habe. Er habe dem Soldaten selbst angeboten, im
Spind nachzuschauen, ob sich dort dem Zeugen L. abhanden gekommene Gegens-
tände oder Betäubungsmittel befänden. Ihm sei dabei auch bewusst gewesen, dass
er hierzu nicht verpflichtet gewesen sei. Er habe sein Einverständnis mit der Spind-
kontrolle aus freien Stücken erklärt. Allerdings hat der Zeuge F. bekundet, der Soldat
habe seine Wange nicht bloß getätschelt; vielmehr habe ihm der Soldat zwei Ohrfei-
gen versetzt und dabei zuvor mit der Hand deutlich ausgeholt. Dies haben die ande-
ren vom Senat vernommenen Zeugen jedoch nicht bestätigt, sodass mangels an-
derweitiger Aufklärungsmöglichkeiten und Beweismittel dem Soldaten nach dem
Zweifelssatz („in dubio pro reo“) lediglich nachgewiesen werden kann, den Zeugen F.
am Revers festgehalten und mit der Hand für ca. fünf bis sieben Sekunden mehrmals
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auf die Wange getätschelt zu haben. Gegen die Bekundung des Zeugen F., der Sol-
dat habe ihn zweimal geohrfeigt, spricht zudem bereits der Umstand, dass er, der
Zeuge F., selbst, ausweislich der Niederschrift über seine Vernehmung als Zeuge
durch seinen Disziplinarvorgesetzten am 10. Juli 2002 ausgeführt hatte: „Zu Ende
der Durchsicht kam der Oberleutnant ... auf mich zu, packte mich am Kragen der
Feldbluse und tätschelte meine linke Wange. Anschließend verließ er mit dem Ober-
fähnrich H. die Stube.“ Diese Version der Vorgänge ist auch vom Zeugen L. bestätigt
worden. Dieser hatte bereits bei seiner am 10. Juli 2002 durch den Disziplinarvorge-
setzten erfolgten Vernehmung ausweislich der Niederschrift erklärt, er sei zwar nicht
während der Spinddurchsicht in der Stube gewesen, jedoch habe der Zeuge F. nach
der Spinddurchsicht im Gespräch mit anderen Kameraden geäußert, Oberleutnant ...
habe ihn (lediglich) auf die Wange getätschelt. Gleiches hat der Zeuge L. auch in der
Berufungshauptverhandlung bekundet und erklärt, der Zeuge F. habe ihm am Abend
des fraglichen Tages (27. Juni 2002) auf Befragen gesagt, der Soldat habe ihn, den
Zeugen F., „nur getätschelt“. Außerdem ergeben sich aus dem Schreiben des
Evangelischen Standortpfarrers I. vom 19. September 2002, das dieser an den
Kommandeur der ... richtete, gravierende Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der
Behauptung des Zeugen F., der Soldat habe ihn geohrfeigt. In jenem Schreiben, das
der Senat zum Gegenstand der Verhandlung gemacht hat, berichtet der Evangeli-
sche Standortpfarrer über ein vom Zeugen F. mit ihm am 27. Juni 2002 geführtes
Gespräch. Dabei habe der Zeuge F. auf die Frage, was der Soldat „gemacht“ habe,
ihm das Verhalten des Soldaten vorgeführt und erklärt, der Soldat habe „ihm die
Hand auf die Wange gelegt und dann die Finger immer wieder tätschelnd auf die
Wange klopfen lassen.“ Auf die Frage des Standortpfarrers, ob er von dem Soldaten
geschlagen worden sei, habe der Zeuge F. geantwortet: „Nein, aber ich habe mich
irgendwie bedroht gefühlt.“ In der Berufungshauptverhandlung hat auch der Zeuge H.
bekundet, der Soldat habe den Zeugen F. an der Wange lediglich getätschelt; von
einem Ohrfeigen habe er nichts bemerkt. Der Zeuge F. ist zwar auch auf nachträgli-
ches Befragen durch den Senat bei seiner gegenteiligen Behauptung geblieben. An-
gesichts des diesbezüglichen Bestreitens durch den Soldaten und der Aussagen der
Zeugen H. und L. reicht seine Bekundung jedoch nicht aus, um dem Soldaten ein
Ohrfeigen des Zeugen F. nachzuweisen.
b) Der Soldat hat ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG begangen.
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aa) Allerdings ist er von dem von Anschuldigungspunkt 1 erfassten Tatvorwurf frei-
zustellen.
Indem sich der Soldat im Einverständnis mit dem Zeugen F. am 27. Juni 2002 in
dessen Stube begab, den Spind des Zeugen ausräumen ließ und dessen Sachen
kontrollierte, verstieß er weder gegen seine Pflicht zum Gehorsam nach § 11 Abs. 1
SG noch gegen seine Kameradschaftspflicht nach § 12 Satz 2 SG, seine Fürsorge-
pflicht nach § 10 Abs. 3 SG oder gegen seine Pflicht zum achtungs- und vertrauens-
wahrenden Verhalten nach § 17 Abs. 2 Satz 1 SG. Bei dem Vorgehen des Soldaten
handelte es sich nach den vom Senat getroffenen Feststellungen um eine Spindkon-
trolle im Sinne der Nr. 317 der ZDv 10/5. Danach hat eine Spindkontrolle den Zweck,
die Sauberkeit, Ordnung und Einsatzfähigkeit der Bekleidung und persönlichen Aus-
rüstung zu überprüfen. Eine Überprüfung der „Ordnung“ kann sich - wie sich schon
aus dem natürlichen Wortsinn der Regelung ergibt - auch darauf erstrecken, ob die
im Spind befindlichen Gegenstände und Sachen vollständig und für dienstliche Zwe-
cke hinreichend geordnet sind sowie ob sich darunter unter Umständen auch Ge-
genstände befinden, die dort aus dienstlichen Gründen nichts zu suchen haben. Kei-
ne Spindkontrolle sind gemäß Nr. 318 Satz 1 ZDv 10/5 jedoch eine Durchsuchung
oder Beschlagnahme nach den Vorschriften der Wehrdisziplinarordnung und der
Strafprozessordnung, die nach der Regelung in Nr. 318 Satz 2 ZDv 10/5 ausschließ-
lich dafür vorgesehen sind, ein Dienstvergehen oder eine Straftat aufzuklären. Nach
den Vorschriften der Strafprozessordnung (§§ 102 ff. StPO) dient eine Durchsuchung
der Auffindung von Gegenständen, die der Beschlagnahme unterliegen, sowie der
Ergreifung des Beschuldigten für Zwecke der Strafverfolgung (vgl. dazu auch Meyer-
Goßner, a.a.O., vor § 94 RNr. 4). Eine Beschlagnahme bedeutet die förmliche Si-
cherstellung eines Gegenstandes durch Überführung in amtlichen Gewahrsam oder
auf andere Weise. Von diesen Begriffsinhalten geht auch die Wehrdisziplinarordnung
aus (vgl. Dau, WDO, 4. Aufl. 2003, § 20 RNrn. 16 und 18 jeweils m.w.N.).
Der Senat hat nicht feststellen können, dass das Vorgehen des Soldaten in der Stu-
be des Zeugen F. am 27. Juni 2002 auf eine Durchsuchung oder auf eine Beschlag-
nahme nach den Vorschriften der Wehrdisziplinarordnung oder der Strafprozessord-
nung gerichtet war. Denn dem Soldaten ist nicht nachzuweisen, dass er im Spind
des Zeugen F. eine amtliche Suche nach beweglichen Sachen vornahm, die als Be-
weismittel bei Ermittlungen wegen des Verdachts auf ein Dienstvergehen oder einer
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Straftat von Bedeutung sein sollten. Eine Beschlagnahme scheidet schon deshalb
aus, weil sein Vorgehen ersichtlich nicht darauf gerichtet war, einen Gegenstand
wegzunehmen, um ihn in amtliche Verwahrung zu nehmen oder in anderer Weise
sicherzustellen. Die von ihm vorgenommene Spindkontrolle war darauf ausgerichtet,
die Ordnung sowie in diesem Zusammenhang auch die Sauberkeit der Bekleidung
und persönlichen Ausrüstungsgegenstände des Zeugen zu überprüfen. Schon des-
halb war eine vorherige Anordnung des zuständigen Richters gemäß § 20 Abs. 1
WDO nicht erforderlich. Abgesehen davon hatte der Zeuge F., wie er in der Beru-
fungshauptverhandlung glaubhaft bekundet hat, der Kontrolle seines Spindes aus-
drücklich zugestimmt, sodass eine richterliche Anordnung der Durchsuchung auch im
Hinblick auf Art. 13 Abs. 2 GG nicht erforderlich war (vgl. dazu BVerfG, Beschluss
vom 5. Mai 1987 - 1 BvR 1113/85 - ).
Es kann hier offen bleiben, ob der Soldat an dem in Rede stehenden Tag zu einer
Spindkontrolle berechtigt war, obwohl er zu diesem Zeitpunkt nicht (mehr) Zugführer
war. Nach Nr. 317 Satz 2 ZDv 10/5 entscheidet allein der Disziplinarvorgesetzte, wer
zur Spindkontrolle berechtigt ist. Auch wenn der Soldat hier durch den zuständigen
Disziplinarvorgesetzten zur Vornahme der Spindkontrolle nicht ermächtigt gewesen
sein sollte, läge in diesem Verstoß gegen die Regelung in Nr. 317 Satz 2 ZDv 10/5
kein im vorliegenden Verfahren zu ahndendes Dienstvergehen. Denn zum Gegen-
stand der Urteilsfindung dürfen gemäß § 123 Satz 3 i.V.m. § 107 Abs. 1 WDO nur
diejenigen Pflichtverletzungen gemacht werden, die in der Anschuldigungsschrift
dem Soldaten als Dienstvergehen zur Last gelegt worden sind. Die Anschuldigungs-
schrift muss dabei gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 WDO die Tatsachen, in denen ein
- schuldhaftes - Dienstvergehen erblickt wird, und die Beweismittel geordnet darstel-
len. Der dem Soldaten gegenüber erhobene Vorwurf muss in der Anschuldigungs-
schrift so deutlich und klar sein, dass sich der Soldat mit seiner Verteidigung darauf
einstellen kann (stRspr.: vgl. u.a. Urteile vom 14. April 1977 - BVerwG 2 WD 1.77 -
, vom 19. Juli 1995 - BVerwG 2 WD 9.95 -
= Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 4 = NZWehrr 1996, 164 = NVwZ-RR 1996, 213 = ZBR
1996, 58, insoweit nicht veröffentlicht>, vom 6. Mai 2003 - BVerwG 2 WD 29.02 -
= DokBer 2004, 1> und vom 18. September 2003 - BVerwG 2 WD 3.03 -). Eine sol-
che aus rechtsstaatlichen Gründen zwingend gebotene Konkretisierung des Tatvor-
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wurfs ist hinsichtlich einer fehlenden Ermächtigung zur Vornahme der Spindkontrolle
durch den zuständigen Disziplinarvorgesetzten in der Anschuldigungsschrift nicht
erfolgt. Damit scheidet ein Ungehorsam des Soldaten (§ 11 Abs. 1 SG) schon des-
halb aus, ohne dass die Frage näher zu prüfen ist, ob die Regelung in der genannten
Dienstvorschrift einen - vom Soldaten missachteten - Befehl darstellt(e).
In der vom Soldaten vorgenommenen Kontrolle des Spindes des Zeugen F. liegt
auch kein Verstoß gegen die Pflicht des Vorgesetzten zur Fürsorge gegenüber sei-
nen Untergebenen (§ 10 Abs. 3 SG). Aufgrund der in § 10 Abs. 3 SG normierten
Fürsorgepflicht hat jeder Vorgesetzte den Untergebenen nach Recht und Gesetz zu
behandeln. Die Vorschrift verpflichtet den Vorgesetzten darüber hinaus, von seinen
Befugnissen unter angemessener Berücksichtigung der persönlichen Belange des
Untergebenen Gebrauch zu machen. Er muss sich bei allen Handlungen vom Wohl-
wollen dem Untergebenen gegenüber leiten lassen und stets bemüht sein, den Sol-
daten vor Nachteilen und Schäden zu bewahren (stRspr.: vgl. u.a. Urteile vom 6. Juli
1976 - BVerwG 2 WD 11.76 - , vom 13. Februar 2003
- BVerwG 2 WD 33.02 -
und vom 27. Januar 2004 - BVerwG 2 WD 2.04 - m.w.N. sowie die Einzelnachweise
bei Scherer/Alff, SG, 6. Aufl. 1998 sowie 7. Aufl. 2003, jeweils § 10 RNr. 21 m.w.N.).
Da der Zeuge F. ausdrücklich mit der vorgenommenen Kontrolle seines Spindes ein-
verstanden war, ist schon deshalb nicht ersichtlich, dass der Soldat die persönlichen
Belange des Untergebenen nicht in angemessener Weise bei seinem Vorgehen be-
rücksichtigt hätte.
Die Kontrolle des Spindes des Zeugen F. verstieß auch nicht gegen die in § 12
Satz 2 SG normierte Pflicht zur Kameradschaft. Nach § 12 Satz 2 SG sind alle Sol-
daten verpflichtet, die Würde, die Ehre und die Rechte des Kameraden zu achten
und diesem in Not und Gefahr beizustehen. Eine Verletzung dieser Pflicht durch die
Kontrolle des Spindes des Zeugen F. scheidet hier ebenfalls schon deshalb aus, weil
der Zeuge F. sich damit ausdrücklich einverstanden erklärt hatte. Aus dem gleichen
Grunde ist damit auch ein Verstoß gegen die Pflicht zur Achtungs- und Vertrauens-
wahrung (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) nicht erkennbar.
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bb) Dagegen hat der Soldat ein Dienstvergehen begangen, soweit er - wie unter
Nr. 2 der Anschuldigungsschrift angeschuldigt - den Gefreiten F. mit der rechten
Hand am Kragen der Feldbluse packte, daran festhielt und mit der linken Hand mehr-
fach auf dessen Wange tätschelte. Er beging damit eine Tätlichkeit gegenüber dem
Zeugen F. und verletzte so seine Pflichten zur Fürsorge gegenüber einem Unterge-
benen (§ 10 Abs. 3 SG) und zur Kameradschaft (§ 12 Satz 2 SG) sowie zu achtungs-
und vertrauenswahrendem Verhalten im Dienst (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG).
Denn er missachtete mit dieser Tätlichkeit entgegen § 12 Satz 2 SG das Recht des
Zeugen F. auf körperliche Unversehrtheit und fügte ihm so zugleich entgegen § 10
Abs. 3 SG als Vorgesetzter einen nicht unerheblichen Nachteil zu; denn der Zeuge
fühlte sich - zu Recht - durch die rechtswidrige Tätlichkeit des Soldaten in seiner kör-
perlichen Bewegungsfreiheit beschränkt sowie bedrängt und bedroht, auch wenn er
keinen gesundheitlichen Schaden davontrug.
Darüber hinaus liegt auch ein Verstoß gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 SG vor. Diese Vor-
schrift findet im Falle der gleichzeitigen Verletzung anderer Dienstpflichten zwar nur
dann Anwendung, wenn das Verhalten nicht nur der anderen Pflichtverletzungen
wegen ansehensschädigend wirkt. Dem festgestellten Verhalten muss vielmehr un-
abhängig von diesem anderweitigen Pflichtenverstoß bereits die Eignung zur Anse-
hens- oder Vertrauensschädigung innewohnen (vgl. Urteil vom 29. Februar 1972
- BVerwG II WD 103.70 - und Scherer/Alff, a.a.O., 6. Aufl.
1998 und 7. Aufl. 2003, jeweils § 17 RNr. 14). Letzteres ist hier der Fall, weil die
rechtswidrige Tätlichkeit des Soldaten bereits ihrer Art nach nicht der Achtung und
Vertrauen gerecht wurde, die sein Dienst als Soldat erfordert. Denn er missachtete
die - zudem grundrechtlich und strafrechtlich geschützte - körperliche und persönli-
che Integrität eines anderen, ohne hierzu berechtigt zu sein.
Der in der Tätlichkeit gegenüber dem Zeugen F. liegende Verstoß gegen § 10 Abs. 3
SG, § 12 Satz 2 SG und § 17 Abs. 2 Satz 1 SG erfolgte vorsätzlich. Denn der Soldat
wusste und wollte, was er tat. Dies stellt er auch nicht in Abrede.
c) Auch wenn der Soldat damit ein Dienstvergehen gemäß § 23 Abs. 1 SG begangen
hat, ist das gerichtliche Disziplinarverfahren dennoch einzustellen. Nach § 58 Abs. 7
i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO sind bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme Eigenart und
Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die
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Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berück-
sichtigen.
aa) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens
Die Fürsorgepflicht (§ 10 Abs. 3 SG) gehört zu den vornehmsten Pflichten eines Vor-
gesetzten gegenüber seinen Untergebenen, die das - berechtigte - Gefühl haben
müssen, dass sie vom Vorgesetzten nicht nur als Befehlsempfänger betrachtet, son-
dern in ihrer Personenwürde und ihrem Recht auf körperliche Unversehrtheit geach-
tet und mit menschlicher Rücksichtnahme behandelt werden.
Die Kameradschaftspflicht in den Streitkräften ist nicht minder bedeutsam; denn der
Zusammenhalt der Bundeswehr beruht nach § 12 Satz 1 SG wesentlich auf Kame-
radschaft. Die dienstlichen Aufgaben erfordern im Frieden und in noch höherem Ma-
ße im Einsatzfall gegenseitiges Vertrauen sowie das Bewusstsein, sich jederzeit auf-
einander verlassen zu können. Ein Vorgesetzter, der die Rechte seines Kameraden
verletzt, untergräbt den dienstlichen Zusammenhalt, stört den Dienstbetrieb und kann
damit letztlich auch die Einsatzbereitschaft der Truppe beeinträchtigen (stRspr.: vgl.
u.a. Urteil vom 13. Februar 2003 - BVerwG 2 WD 33.02 - m.w.N.).
Auch die in § 17 Abs. 2 S. 1 SG normierte Pflicht, dem Vertrauen und der Achtung
gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erfordert, stellt keine bloße Neben-
pflicht dar, sondern hat wegen ihres funktionalen Bezugs auf den militärischen
Dienstbetrieb erhebliche Bedeutung (st. Rspr.: vgl. u. a. Urteile vom 24. Juni 1992
- BVerwG 2 WD 62.91 -
1993, 91> und vom 18. September 2003 - BVerwG 2 WD 3.03 -).
Die Eigenart der Verfehlungen des Soldaten sind hier dadurch gekennzeichnet, dass
sich der Soldat aus einer Erregung und Verärgerung über das Verhalten des Zeugen
F. und den Zustand dessen Spindes heraus zu seiner Tätlichkeit hinreißen ließ. Dies
darf einem Soldaten, zumal in Vorgesetztenstellung, keinesfalls passieren. Denn
Eingriffe in die körperliche Integrität und die persönliche Würde eines Untergebenen
und Kameraden können und dürfen schon im Hinblick auf § 6 SG sowie die in der
Verfassung gewährleisteten Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2
Abs. 2 Satz 1 GG) und der menschlichen Würde (Art. 1 Abs. 1 GG) sowie der daraus
resultierenden staatlichen Schutzverpflichtungen keinesfalls geduldet werden.
Pflichtverletzungen der vorliegenden Art sind zudem einem ordnungsgemäßen militä-
- 27 -
rischen Dienstablauf abträglich. Selbst dann, wenn ein derartiges Fehlverhalten noch
nicht die Intensität erreicht, die ein strafgerichtliches Einschreiten nach § 31 WStG
notwendig macht, erfordert es jedoch eine nachdrückliche Pflichtenmahnung. Ein
Soldat, und zwar insbesondere ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner Kamera-
den und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner militärischen Vorgesetzten, um
seine Aufgabe so zu erfüllen, dass der geordnete Ablauf des militärischen Dienstes
gewährleistet ist. Die Stellung des Soldaten als Offizier im Dienstrang eines Ober-
leutnants hätte erfordert, dass er als Vorgesetzter in Haltung und Pflichterfüllung ein
Beispiel gibt (§ 10 Abs. 1 SG). Denn nur wer selbst ein beispielhaftes Verhalten
zeigt, kann von seinen Untergebenen erwarten, dass sie sich am Vorbild ihres Vor-
gesetzten orientieren und ihre Pflichten nach besten Kräften und aus innerer
Überzeugung erfüllen. Unter diesem Blickwinkel war sein Fehlverhalten geeignet,
seine Zuverlässigkeit und sein persönliches Ansehen gravierend in Frage zu stellen
und den Dienstbetrieb zu stören.
Andererseits ist zu berücksichtigen, dass der Unrechtsgehalt des Dienstvergehens
hier dadurch gemindert wird, dass die von dem Soldaten gegen den Zeugen F. be-
gangene Tätlichkeit nur von kurzer Dauer war. Die genaue Zeitdauer, während der
der Soldat den Zeugen F. am Revers der Feldbluse packte und festhielt, hat sich
zwar nicht mehr exakt ermitteln lassen. Sie erfolgte zusammen mit dem Tätscheln an
der Wange des Zeugen jedoch insgesamt nicht länger als fünf bis sieben Sekunden.
bb) Auswirkungen
Zugunsten des Soldaten spricht auch, dass er ungeachtet seines Fehlverhaltens zu-
nächst weiterhin in seiner Einheit verwendet werden konnte und dass dieses nach
der Einschätzung seiner Vorgesetzten und der personalbearbeitenden Stelle keine
Wegkommandierung oder Versetzung erforderlich machte. Zu berücksichtigen ist
ferner, dass sein Fehlverhalten keine Schädigung der Gesundheit des Zeugen F.
bewirkte und dass auch sonst kein Schaden an Körper oder Kleidung oder anderem
eintrat.
- 28 -
cc) Beweggründe
Nach den vom Senat getroffenen Feststellungen handelte der Soldat aus einer Situa-
tion heraus, in der er sich über das Verhalten des Zeugen F. und den Zustand des
kontrollierten Spindes stark geärgert und empört hatte. Nach seiner, des Soldaten,
Einschätzung ging der Zeuge F. mit seinem Stubenkameraden, dem Zeugen L., alles
andere als kameradschaftlich um und drangsalierte diesen. Er hatte auch den Ver-
dacht, dass der Zeuge F. dem Zeugen L. Bekleidungs- oder Ausrüstungsgegenstän-
de weggenommen hatte. Ferner war er in großer Sorge, dass der Zeuge F. Betäu-
bungsmittel konsumierte. In dieser Hinsicht war der Soldat deshalb besonders sensi-
bilisiert, weil in seiner Einheit kurz vorher ein anderer Soldat aufgrund des Konsums
von Betäubungsmitteln verstorben war. Dem Fehlverhalten des Soldaten lag nach
den vom Senat getroffenen Feststellungen keine böswillige oder gar menschenver-
achtende Motivation zugrunde. Vielmehr entsprang sie eher einem gewissen Fürsor-
gebemühen, bei dessen Wahrnehmung allerdings die gesetzlichen Grenzen deutlich
überschritten und verletzt wurden.
dd) Maß der Schuld
Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der vorsätzlich handelnde Soldat zum Zeit-
punkt seines Fehlverhaltens in seiner Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB einge-
schränkt war, sind nicht ersichtlich. Auch der Soldat hat dieses nicht geltend ge-
macht.
Die Schuld des Soldaten wird vorliegend dadurch deutlich gemindert, dass er sich
nach den vom Senat getroffenen Feststellungen auf einen Milderungsgrund in den
Umständen der Tat zu berufen vermag. Ein solcher Tatmilderungsgrund liegt u.a.
dann vor, wenn das Handeln des Soldaten unter Umständen erfolgt, die es als unbe-
dachte, im Grunde persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien
und im Dienst bewährten Soldaten erscheinen lassen (stRspr.: vgl. u.a. Urteile vom
1. September 1997 - BVerwG 2 WD 13.97 -
236.1 § 7 SG Nr. 16 = NZWehrr 1998, 83> und vom 28. Oktober 2003 - BVerwG
2 WD 10.03 - jeweils m.w.N.). Eine solche unbedachte, im Grunde persönlichkeits-
fremde Augenblickstat (eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Solda-
ten) ist dann gegeben, wenn der Entschluss zum Tun oder Unterlassen nicht geplant
oder wohl überlegt, sondern spontan und aus den Umständen eines Augenblicks
- 29 -
heraus zustande gekommen ist. Entscheidend ist insoweit, ob der Soldat das Dienst-
vergehen in einem Zustand begangen hat, in dem er die rechtlichen und tatsächli-
chen Folgen seines Verhaltens nicht bedacht hat, wozu ein gewisses Maß an Spon-
tanität, Kopflosigkeit oder Unüberlegtheit gehört (vgl. Urteile vom 19. September
2001 - BVerwG 2 WD 9.01 -
514, insoweit nicht veröffentlicht> m.w.N. und vom 1. April 2003 - BVerwG 2 WD
48.02 -). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Das Fehlverhalten des Soldaten
erfolgte - wie oben in anderem Zusammenhang festgestellt - aus einer Situation her-
aus, in der er sich über den Zeugen F. und den Zustand dessen Spindes stark erregt
und empört hatte. Aus dieser Verärgerung und Empörung heraus kam es zu seinem
spontanen Fehlverhalten, das er vorher weder geplant noch näher überlegt hatte.
Sein spontanes (Fehl-)Verhalten erfolgte „kopflos“ und war vom Augenblick des Ge-
schehens geprägt. Es war dementsprechend auch schon nach wenigen Augenbli-
cken des unmittelbaren Zornausbruchs etwa fünf bis sieben Sekunden später wieder
beendet. Bereits kurze Zeit darauf brachte er gegenüber dem betroffenen Zeugen F.
und anderen Kameraden sowie am nächsten Tag gegenüber dem Kompaniechef,
Major K., unmissverständlich zum Ausdruck, dass er sein Verhalten zutiefst bedaue-
re und dass er selbst es als schlimme Entgleisung betrachte.
Sonstige Milderungsgründe in den Umständen der Tat sind vorliegend nicht ersicht-
lich und auch vom Soldaten nicht geltend gemacht worden.
ee) Bisherige Führung, Persönlichkeit
Für den Soldaten sprechen auch Milderungsgründe in seiner Person. Er ist bisher
weder strafrechtlich noch disziplinar in Erscheinung getreten. Im Dienst zeigte er
durchaus ansprechende Leistungen, die sich in der planmäßigen Beurteilung vom …,
in der Beurteilung vom …, in der Sonderbeurteilung vom … sowie in den Leumunds-
zeugnissen seines früheren und seines gegenwärtigen Disziplinarvorgesetzten in der
Berufungshauptverhandlung niedergeschlagen haben. Die Sonderbeurteilung vom …
sowie die damit in Übereinstimmung stehenden Bekundungen des Zeugen Oberst B.
lassen erkennen, dass die Leistungen des Soldaten in der Zeit nach dem Dienstver-
gehen gegenüber der Beurteilung vom … und auch gegenüber der Beurteilung vom
… noch deutlich besser bewertet worden sind. Denn in der jüngsten Beurteilung vom
… erhielt er einmal die Höchstwertung „7“, fünfmal die Wertungsstufe „6“; im Übrigen
- 30 -
wurden seine Leistungen zehnmal mit der Stufe „5“ bewertet. Seine dienstlichen
Leistungen übertreffen damit erheblich die Anforderungen. Aus diesen Beurteilungen
lässt sich eine wesentliche Leistungssteigerung ablesen, die als Nachbewährung zu
Gunsten des Soldaten berücksichtigt werden kann (vgl. dazu Dau, WDO, a.a.O.,
§ 38 RNr. 10 m.w.N.).
ff) Gesamtwürdigung
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist bei einer durch einen Vorgesetzten
begangenen körperlichen Misshandlung oder ehrverletzenden oder entwürdigenden
Behandlung von Untergebenen eine „reinigende Maßnahme“, also im Regelfall die
Dienstgradherabsetzung, in schweren Fällen sogar die Höchstmaßnahme verwirkt
(vgl. u.a. Urteile vom 29. April 1981 - BVerwG 2 WD 17.81 -, vom 9. April 1986
- BVerwG 2 WD 52.85 - , vom 12. Juli 1990 - BVerwG 2 WD
4.90 - , vom 18. März 1997 - BVerwG 2 WD 29.95 -
, vom 17. März 1999 - BVerwG 2 WD
28.98 -
169> und vom 19. Juli 2000 - BVerwGE 2 WD 6.00 - jeweils m.w.N.).
Im vorliegenden Falle handelt es sich nach den vom Senat getroffenen Feststellun-
gen allerdings um eine Tätlichkeit von relativ kurzer Dauer, wobei keine Gesund-
heitsverletzungen oder sonstige nachhaltige Schäden beim Opfer verursacht wurden;
zudem erfolgte die Tat ohne eine böswillige oder gar menschenverachtende Zielrich-
tung. Das Dienstvergehen hat daher schon nach seiner Schwere und Eigenart, nach
den Auswirkungen und - im Hinblick auf die Beweggründe des Soldaten - nach dem
Maß der Schuld ein gegenüber dem „Durchschnittsfall“ geringeres Gewicht. Da das
Gesetz bei der Maßnahmebemessung eine Differenzierung insbesondere nach der
„Eigenart und Schwere“ des Dienstvergehens verlangt, muss eine solche nicht nur
nach „oben“, sondern im Einzelfall gegebenenfalls auch nach „unten“ erfolgen. Dies
rechtfertigt es, gerade auch im Hinblick auf den auch im Disziplinarrecht geltenden
verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. dazu
auch die neuere Rechtsprechung des Senats für die Fälle eines Zugriffs auf Eigen-
tum und Vermögen des Dienstherrn
5.03 - und vom 18. September 2003 - BVerwG 2 WD 3.03 -
>
oder von Kameraden
) in „unterdurchschnittlichen“
- 31 -
Fällen schon im Ausgangspunkt („Einstufung“) der Zumessungserwägungen von ei-
ner bei körperlicher Misshandlung oder unwürdiger Behandlung im Regelfall gebote-
nen Dienstgradherabsetzung abzusehen. An seiner früheren- insbesondere nach
dem spezifischen Unrechtsgehalt nach „unten“ nicht hinreichend differenzierenden -
Rechtsprechung hält der Senat insofern nicht mehr fest.
Der Senat hat allerdings schon in seiner bisherigen Rechtsprechung dann, wenn der
angeschuldigte Soldat, um Untergebene zu tadeln, diesem jeweils einen leichten
Klaps in den Rücken und in das Genick versetzte, es für erforderlich, aber auch für
ausreichend gehalten, „den erkennbar vorhandenen Willen des betreffenden Solda-
ten zu künftigem pflichtgemäßen Verhalten durch eine Kürzung der Dienstbezüge zu
unterstützen“ (vgl. u.a. Urteil vom 20. Mai 1981 - BVerwG 2 WD 9.80 -
73, 187 [194]>) und hat damit nicht eine Dienstgradherabsetzung zum Ausgangs-
punkt der Zumessungserwägungen genommen. Der Unrechtsgehalt des Fehlverhal-
tens des Soldaten hat vorliegend zudem noch ein relativ geringeres Gewicht als das-
jenige des Angeschuldigten in jenem Falle, weil der Täter damals „in zwei Fällen“,
also wiederholt dem Betroffenen „jeweils einen leichten Klaps“ versetzt und außer-
dem diesem gegenüber „in elf Fällen beleidigende Ausdrücke“ gebraucht hatte.
Angesichts dessen kommt als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen („Einstu-
fung“) vorliegend jedenfalls keine „reinigende Maßnahme“, sondern eine Kürzung der
Dienstbezüge in Betracht.
Im Hinblick darauf, dass nach den Feststellungen des Senats im vorliegenden Falle
jedoch ein Milderungsgrund in den Umständen der Tat eingreift und der Soldat sich
zudem auch auf die dargelegten Milderungsgründe in seiner Person berufen kann, ist
es nach der Überzeugung des Senats unter Berücksichtigung aller für und gegen
den Soldaten sprechenden Gesichtspunkte gerechtfertigt, auch von einer Kürzung
der Dienstbezüge und damit von einer gerichtlichen Disziplinarmaßnahme überhaupt
abzusehen. Dabei hat der Senat bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ins-
besondere auch berücksichtigt, dass der zuständige Disziplinarvorgesetzte in Wahr-
nehmung der ihm zustehenden Disziplinarbefugnis und aus der unmittelbaren
Kenntnis des Soldaten und des dienstlichen Umfeldes heraus die Verhängung einer
Disziplinarbuße in Höhe von 1.000 € für angemessen und ausreichend gehalten hat-
te. Anhaltspunkte dafür, dass der Disziplinarvorgesetzte dabei von einem unzutref-
- 32 -
fenden Sachverhalt oder von sachfremden oder unvertretbaren Erwägungen ausge-
gangen ist, sind nicht ersichtlich.
Hinzukommt, dass der Soldat das in ihn von seinem Disziplinarvorgesetzten gesetzte
Vertrauen in der Folgezeit nach der Tat durch eine deutliche Steigerung seiner
dienstlichen Leistungen sowie durch eine in jeder Hinsicht ordnungsgemäße Erfül-
lung seiner Dienstpflichten gerechtfertigt hat. Dies kommt namentlich in der Sonder-
beurteilung des … vom … zum Ausdruck, in der ausgeführt wird, er sei ein Offizier,
der sich seiner Verantwortung als Soldat und Vorgesetzter und den damit verbunde-
nen Pflichten sehr bewusst sei. Von dieser seiner Einstellung leite er auch sein En-
gagement für die dienstlichen Erfordernisse und den jeweils zugrunde liegenden Auf-
trag ab. Auch sei er sich der Bedeutung seines Beitrages für die Ausbildung und da-
mit die Formung des Führernachwuchses sowie seiner Vorbildfunktion als Offizier
bewusst. Im Umgang mit Untergebenen ziehe er das mehr zurückhaltende stille An-
leiten vor, werde dagegen energisch, wenn er feststelle, dass Hinweise, Ratschläge
und richtungsweisende Führung auf Gleichgültigkeit stießen. Dabei stehe für ihn die
Fürsorge durchaus im Vordergrund. Hier versuche er, „alles Mögliche zu erreichen“
und nehme dabei „keine Abstriche in Kauf“.
Auch nach dem persönlichen Eindruck, den der Senat vom Soldaten in der Beru-
fungshauptverhandlung hat gewinnen können, erscheint es ausreichend, die diszipli-
nare Ahndung auf die durch den Disziplinarvorgesetzten erfolgte Verhängung einer
Geldbuße von 1.000 € zu beschränken. Der Soldat hat schon kurze Zeit nach dem
Vorfall bei dem Zeugen F. um Entschuldigung gebeten. Er hat sich von seinem Fehl-
verhalten glaubhaft distanziert und sich nachhaltig damit auseinandergesetzt. Er be-
dauert es aufrichtig und hat daraus für sich die notwendigen und vom Gesetz gefor-
derten Konsequenzen für eine in jeder Hinsicht ordnungsgemäße Dienstausübung
gezogen. Zur Wiederherstellung und Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen
Dienstbetriebes erscheint - auch unter Berücksichtigung generalpräventiver Zwecke -
eine weitergehende Disziplinarmaßnahme als die mit dem Bescheid vom 30. Juli
2002 verhängte Disziplinarbuße nicht erforderlich.
6. Da das Verfahren eingestellt worden ist, sind die Kosten des Verfahrens (ein-
schließlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens) gemäß § 138 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4
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WDO dem Bund aufzuerlegen, der gemäß § 140 Abs. 1 WDO auch die dem Solda-
ten darin erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen hat.
Prof. Dr. Pietzner Prof. Dr. Widmaier Dr. Deiseroth