Urteil des BVerwG vom 14.11.2007

Soldat, Beendigung des Dienstverhältnisses, Einheit, Pflicht zur Dienstleistung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 WD 29.06
TDG N 9 VL 2/06
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren
gegen
..., ...,
zuletzt: ...
- Pflichtverteidiger:
Rechtsanwalt ...,
... -
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentli-
chen Hauptverhandlung am 14. November 2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth,
ehrenamtliche Richterin Oberstabsveterinär Dr. Hornkamp und
ehrenamtlicher Richter Oberfeldwebel Wolf,
Leitender Regierungsdirektor ...
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt ..., ...,
als Pflichtverteidiger,
Geschäftsstellenverwalterin ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 2 -
Die Berufung des früheren Soldaten gegen das Urteil der
9. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom 27. Juni
2006 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem frühe-
ren Soldaten auferlegt.
G r ü n d e :
I
Der 43 Jahre alte frühere Soldat (geboren am ...) absolvierte mit Erfolg die
zehnklassige allgemeinbildende Polytechnische Oberschule in H. mit befriedi-
gendem Erfolg, durchlief anschließend eine Ausbildung zum Baufacharbeiter
mit der Spezialisierungsrichtung Tiefbauarbeiten und wurde im November 1983
zur Nationalen Volksarmee der DDR als Unteroffizierschüler einberufen. Er
strebte als Berufsunteroffizier eine Verwendung „als Hauptfeldwebel“ (Kompa-
niefeldwebel) an, die er jedoch nicht erreichte, weil er nach seinen Angaben am
5. Dezember 1986 vom Hauptfeldwebel-Lehrgang abgelöst wurde, nachdem er,
so seine Angaben, während seines UvD-Dienstes „Westfernsehen“ angesehen
hatte. Nach anschließender Degradierung vom Dienstgrad eines Unterfeldwe-
bels in den Dienstgrad eines Unteroffiziers wurde er im Jahre 1987 zum Unter-
feldwebel, 1988 zum Feldwebel befördert. Sein letzter Dienstgrad in der Natio-
nalen Volksarmee der DDR war Feldwebel.
Aufgrund seiner Bewerbung vom 26. November 1990 für den Dienst in der
Bundeswehr wurde er mit Wirkung vom 1. Mai 1990 unter Berufung in das
Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit zum Feldwebel ernannt. Auf seinen
Antrag wurde ihm am 11. Januar 1995 die Eigenschaft eines Berufssoldaten
verliehen. Auf seinen Antrag vom 12. März 2003 wurde ihm aufgrund der Ver-
fügung der Stammdienststelle des Heeres vom 28. April 2003 nach dem Perso-
nalstärkegesetz am 11. Juni 2003 wiederum die Eigenschaft eines Soldaten auf
Zeit verliehen. Die dann auf insgesamt 13 Jahre und drei Monate festgesetzte
Dienstzeit endete mit Ablauf des 31. Juli 2004.
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Der frühere Soldat war am 16. Februar 1995 zum Oberfeldwebel befördert wor-
den. Mit Urteil der 9. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom 17. März
1998, rechtskräftig seit dem 30. Juni 1998 wurde er in den Dienstgrad eines
Feldwebels herabgesetzt. Am 3. September 2001 wurde er erneut zum Ober-
feldwebel ernannt. Durch Urteil der 3. Kammer des Truppendienstgerichts Nord
vom 16. Juli 2003, rechtskräftig seit dem 16. September 2003, wurde er wie-
derum in den Dienstgrad eines Feldwebels herabgesetzt.
Nach seiner im Jahre 1991 erfolgten Übernahme in die Bundeswehr wurde der
frühere Soldat zunächst im ...bataillon ... in T. eingesetzt und nach einer kurzen
Verwendung als Panzergrenadierfeldwebel an der ...schule ... in D. im Novem-
ber 1995 zur .../...bataillon ... nach Ha. versetzt. Für die Zeit vom 18. Juni 2003
bis 4. November 2003 wurde er zum Zwecke einer Dienstzeit beendenden be-
rufsfördernden Maßnahme zur Bundeswehrfachschule nach Ha. kommandiert,
um dort das Fachabitur abzulegen; für die Zeit bis zum 31. Juli 2004 wurde er
vom militärischen Dienst freigestellt. Bedingt durch die zum 31. Dezember 2003
erfolgte Auflösung des ...bataillons ... erfolgte dann mit Verfügung der Stamm-
dienststelle des Heeres vom 18. November 2003 seine Versetzung zur
...kompanie ...kommando Ha.
In seiner letzten planmäßigen Beurteilung vom 17. August 2001 wurden seine
dienstlichen Leistungen einmal („Fachwissen“) mit der Stufe „4“, 13-mal mit der
Stufe „3“ und zweimal („Zusammenarbeit“, „Beurteilungsverhalten“) mit der Stu-
fe „2“ („Leistungen entsprechen im Wesentlichen den Anforderungen“) beurteilt.
Seine „Eignung und Befähigung“ wurden zweimal mit „B“ und zweimal („Ver-
antwortungsbewusstsein“; „Eignung zur Menschenführung/Teambefähigung“)
mit „A“ („Eignung und Befähigung sind mit Einschränkungen vorhanden“) be-
wertet. Unter „Herausragende charakterliche Merkmale, Kameradschaft, beruf-
liches Selbstverständnis, Bewährung im Einsatz und ergänzende Aussagen“
heißt es:
„Feldwebel S. identifiziert sich mit dem Soldatenberuf und
ist bemüht, im Sinne der übergeordneten Führung zu han-
deln. Es gelingt ihm aber immer noch nicht, sich in die hie-
rarchische Struktur einzuordnen. Hier muss er mehr Ein-
sicht zeigen und Kritik und Anregungen annehmen. Umso
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mehr wird es ihm dann gelingen, im Kreise der Unteroffi-
ziere seiner Einheit uneingeschränkt anerkannt und res-
pektiert zu werden.
Feldwebel S. versucht sich stets aktiv in die zu bewälti-
genden Aufgaben einzubringen und arbeitet im Rahmen
seiner persönlichen Merkmale uneingeschränkt mit. Im
Leistungsvergleich mit den Feldwebeln und Oberfeldwe-
beln seiner Einheit ist er im unteren Drittel anzusiedeln.
Feldwebel S. stellt in seinem Auftreten und in seinem be-
ruflichen Selbstverständnis noch nicht das Bild des U.m.P.
dar, welches für den erweiterten Auftrag der Streitkräfte
geeignet ist. Einem Auslandseinsatz und damit einer Be-
währung im Einsatz kann zur Zeit nur bedingt zugestimmt
werden. Gleichwohl hat er in letzter Zeit bewiesen, in der
3./... als auch in der 5./..., dass er als Gruppenführer in der
Allgemeinen Grundausbildung sehr wohl in der Lage ist,
ordentliche Ausbildungsergebnisse zu erzielen.“
Der nächsthöhere Vorgesetzte stimmte dieser Beurteilung durch den Kompa-
niechef zu und führte ergänzend aus:
„Oberfeldwebel S. muss sich die kritischen Anmerkungen
und gutgemeinten Ratschläge des erstbeurteilenden Dis-
ziplinarvorgesetzten zu Herzen nehmen, weiter an sich
arbeiten und festigen, damit er das erforderliche Anforde-
rungsprofil eines künftigen PzGrenZgFhr uneingeschränkt
erfüllt; das Potential ist vorhanden.“
Die Förderungswürdigkeit beurteilte er mit „B“ („Eignung und Leistungen des
Beurteilten entsprechen den Anforderungen. Er ist förderungswürdig.“).
Der Auszug aus dem Zentralregister vom 10. August 2006 weist zehn Eintra-
gungen auf:
1) Strafbefehl des Amtsgerichts W. vom 4. März 1997,
rechtskräftig seit 31. Juli 1997, - Az.: 8 Cs 180 Js
11013/96 - über 40 Tagessätze zu je 70 DM Geldstra-
fe und Sperre für die Fahrerlaubnis bis 31. Mai 1998
wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort am
29. Juni 1996
2) Urteil des Amtsgerichts Ha. vom 15. April 1997,
rechtskräftig seit 6. Mai 1997, - Az.: 1812 Js 131/97
(214-159/97) über 30 Tagessätze zu je 80 DM Geld-
strafe und Sperre für die Fahrerlaubnis bis
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28. Dezember 1997 wegen vorsätzlicher Trunkenheit
im Verkehr am 29. Januar 1997
3) Strafbefehl des Amtsgerichts U. vom 14. März 1998,
rechtskräftig seit 16. Februar 1999, - Az.: 2 Cs 55/98,
716 VRS 268/99 -: 20 Tagessätze zu je 50 DM Geld-
strafe wegen Urkundenfälschung am 2. Februar 1993
4) Beschluss des Amtsgerichts W. vom 29. März 2000,
rechtskräftig seit 3. Mai 2000, - Az.: 8 CS 180 Js
11013/96 - über nachträglich gebildete Gesamtstrafe
unter Einbeziehung der Entscheidungen des Amtsge-
richts W. vom 4. März 1997, des Amtsgerichts H. vom
15. April 1997 und des Amtsgerichts U. vom 14. März
1998 von 80 Tagessätzen zu je 70 DM Geldstrafe.
5) Strafbefehl des Amtsgerichts Ha. vom 13. Februar
2002, rechtskräftig seit 29. Juni 2002, - Az.: 2403 Js
752/01 V 214-64/02 - über 50 Tagessätze zu je 30 €
Geldstrafe und Sperre für die Fahrerlaubnis bis
28. Juni 2003 wegen vorsätzlichen Führens eines
Kraftfahrzeuges ohne Fahrerlaubnis
6) Urteil des Amtsgerichts Ha. vom 22. August 2002,
rechtskräftig seit 30. August 2002, - Az.: 2403 Js
888/01 V 624-48/02 - über 50 Tagessätze zu je 50 €
Geldstrafe und Sperre für die Fahrerlaubnis bis 28.
Februar 2003 wegen vorsätzlichen Führens eines
Kraftfahrzeuges ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen
(letzte Tat: 30. Oktober 2001)
7) Urteil des Amtsgerichts Ha. vom 12. September 2002,
rechtskräftig seit 20. September 2002, - Az.: 7303 Js
14/02 V 620-48/02 - über 90 Tagessätze zu je 30 €
Geldstrafe und Sperre für die Fahrerlaubnis bis
20. März 2003 unter Einbeziehung der Entscheidung
des Amtsgerichts Ha. vom 22. August 2002 (Az.:
2403 Js 888/01 V 624-48/02) wegen vorsätzlichen
Führens eines Kraftfahrzeuges trotz Entzugs der
Fahrerlaubnis (letzte Tat: 18. März 2002)
8)
(mit Anschuldigungspunkt 1 im vorliegenden Verfah-
ren sachgleiches Urteil des Amtsgerichts Ha. vom
24. April 2003, rechtskräftig seit 3. Mai 2003, - Az.:
2403 Js 956/02 627-502/02 - zu drei Monaten Frei-
heitsstrafe und Sperre für die Fahrerlaubnis bis 2. Mai
2004; Bewährungszeit bis 2. Mai 2006; wegen vor-
sätzlichen Führens eines Kraftfahrzeuges ohne Fahr-
erlaubnis (letzte Tat: 16. Oktober 2002)
- 6 -
9)
Strafbefehl des Amtsgerichts Ha. vom 18. Juli 2003,
rechtskräftig seit 26. Juli 2003, - Az.: 2405 Js 394/03
628-429/03 - über zehn Tagessätze zu je 20 € Geld-
strafe wegen Erschleichens von Leistungen nach
§ 265a Abs. 1 StGB (letzte Tat: 8. Mai 2003)
10) (mit Anschuldigungspunkt 2 des vorliegenden Verfah-
rens teilweise sachgleicher) Strafbefehl des Amtsge-
richts Ha. vom 25. Juni 2004, rechtskräftig seit dem
12. August 2004, - Az.: 7303 Js 8/04 621-166/04 - zu
120 Tagessätzen zu je 20 € Geldstrafe wegen eigen-
mächtiger Abwesenheit von der Truppe in drei Fällen
(letzte Tat: 9. April 2004)
Der Auszug aus dem Disziplinarbuch vom 30. Juni 2004 weist folgende Diszip-
linarmaßnahmen auf:
1) Getilgte Disziplinarbuße über 100 DM vom 21. Januar
1993
2) Getilgte Disziplinarbuße über 1 000 DM vom 25. März
1993
3) Disziplinarbuße über 750 DM vom 16. Februar 1996
(Nichtausführung eines Befehls)
4) Verweis vom 9. Oktober 1996 (Nichtbefolgung eines
Befehls)
5) Dienstgradherabsetzung durch Urteil des Truppen-
dienstgerichts Nord vom 4. Juni 1998 (Dienstpflicht-
verletzung - Betäubungsmittel -); offenbar gemeint:
Urteil des Truppendienstgerichts Nord - N 9 VL
13/97 - vom 17. März 1998, rechtskräftig seit dem 30.
Juni 1998: Herabsetzung in den Dienstgrad eines
Feldwebels
6) Strenger Verweis vom 7. Juni 2000 (Nichtbefolgung
eines Befehls)
7) Disziplinarmaßnahme vom 15. Mai 2001 (12 Tage
Disziplinararrest), offenbar gemeint: Disziplinarmaß-
nahme vom 17. Mai 2001 über 12 Tage Disziplinarar-
rest
8) Urteil des Truppendienstgerichts Nord vom
19. Februar 2003 (offenbar gemeint: 16. Juli 2003):
Dienstgradherabsetzung zum Feldwebel (Fahren oh-
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ne Fahrerlaubnis am 18. März 2002, 2. August 2001,
30. Oktober 2001 und 18. Juli 2001)
Der ersten disziplinargerichtlichen Verurteilung des früheren Soldaten zur Her-
absetzung in den Dienstgrad eines Feldwebels hatte die 9. Kammer des Trup-
pendienstgerichts Nord am 17. März 1998 folgende tatsächlichen Feststellun-
gen zugrunde gelegt:
„1. Am 5. Mai 1996 führte der Soldat mit seiner Gruppe in
M. einen 12 km-Nachtmarsch durch, bei dem die Soldaten
gefechtsmäßig Abstände einzuhalten und zugewiesene
Bereiche zu beobachten hatten. Die Waffen waren mit
Manövermunition fertiggeladen. Dem Soldaten fiel auf,
dass der Panzergrenadier K. während des Marsches an
seiner Waffe herumspielte und diese im Wechsel sicherte
und entsicherte. Trotz mehrfacher Aufforderung, dieses zu
unterlassen, setzte der Panzergrenadier K. sein Tun fort
und löst schließlich in unmittelbarer Nähre des Soldaten
einen Schuss aus. Daraufhin verabfolgte der Soldat dem
Panzergrenadier K. einen Schlag auf den Hinterkopf, ob-
wohl er wusste, dass eine derartige Maßnahme nicht zu
den erlaubten ‚Erzieherischen Maßnahmen’ gehört.
2. Am 24. November 1996 führte der Soldat mit seiner
Einheit einen Eisenbahntransport von Ha. aus zum Trup-
penübungsplatz B. durch. Der Soldat saß mit den damali-
gen Stabsunteroffizieren B. und O. in einem Abteil. Er hat-
te zu den beiden Stabsunteroffizieren ein etwas engeres
Verhältnis, weil B. ähnliche persönliche Probleme und
ebenfalls seine Wohnung verloren hatte. O. wiederum war
häufig mit B. zusammen. B. und O. verließen nacheinan-
der das Abteil. O. kam dann zurück und bat den Soldaten,
mit ihm zur Toilette zu kommen, auf der B. eine Ha-
schischzigarette rauchte. Den Rest dieser Haschischziga-
rette konsumierte der Soldat, dem es davon nach eigenen
Angaben so schlecht wurde, dass er sich übergeben
musste.
3. Ein anderer Gruppenführer, der den Soldaten und die
damaligen Stabsunteroffiziere B. und O. bei dem verbote-
nen Rauschmittelgenuss auf der Zugfahrt von Ha. nach B.
beobachtet hatte, fühlte sich verpflichtet, seine Beobach-
tungen seinem Zugführer, dem Zeugen Hauptfeldwebel
A., zu melden. Dieser weihte den Kompaniefeldwebel, den
Zeugen Hauptfeldwebel D., ein. Beide riefen den Soldaten
zu sich und machten ihm entsprechende Vorhalte. Dar-
aufhin gab der Soldat nicht nur den Rauschmittelkonsum
in der Zugtoilette zu, sondern gestand den beiden Zeugen
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auch, dass er seit wenigstens einem Jahr mit den beiden
vorgenannten ehemaligen Stabsunteroffizieren Haschisch
in seiner und in deren Stuben konsumiert habe.
4. Am 28. Januar 1997 besuchte der Soldat eine Disko-
thek in Ha. Nachdem er größere Mengen Alkohol zu sich
genommen hatte, fiel ihm in den frühen Morgenstunden
des 29. Januar 1997 gegen 3.00 Uhr ein, dass er seinen
auf einem gebührenpflichtigen Parkplatz abgestellten Pkw
besser auf einen gebührenfreien in 800 m Entfernung
bringen sollte. Aufgrund der Schwierigkeiten, die er schon
beim Anfahren hatte und aufgrund seiner Fahrweise fiel er
einer Polizeistreife auf. Die ihm entnommene Blutprobe
ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,9 Promille.
Das Fehlverhalten des Soldaten war Gegenstand eines
Strafverfahrens. Mit Strafbefehl vom 16. April 1997
- rechtskräftig seit dem 6. Mai 1997 - hat ihn das Amtsge-
richt Ha. wegen Trunkenheit im Verkehr nach §§ 316, 42,
69, 69a StGB zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu
je 80 DM = 2 400 DM verurteilt und ihm die Fahrerlaubnis
entzogen. Eine neue Fahrerlaubnis hat der Soldat bisher
nicht erhalten.
5. Obwohl der Soldat über den Umgang mit Munition be-
lehrt worden war und daher wusste, dass man diese nicht
im Spind oder im Auto aufbewahren darf, sammelte er
nach und nach bei Übungsvorhaben übrig gebliebene Pis-
tolenmanövermunition (9 x19 mm, DM 28 A 1 B 1), anstatt
sie pflichtgemäß den Zuständigen zurückzugeben. Zu-
nächst bewahrte er sie in seinem Spind und später in sei-
nem Pkw auf, wo 133 Patronen anlässlich des Vorfalles
vom 29. Januar 1997 von der Polizei gefunden wurden.
6. Am 29. Juni 1996 befuhr der Soldat in W. abends ge-
gen 20.35 Uhr mit seinem Pkw Audi, polizeiliches Kenn-
zeichen ..., die ...straße aus Richtung ... Straße. Bei dem
Versuch, in eine Grundstückseinfahrt einzubiegen, über-
sah der Soldat einen ihm entgegenkommenden Pkw Fiat.
Bei dem Zusammenstoß entstand am gegnerischen Fahr-
zeug ein Schaden in Höhe von 2 229,19 DM. Der Soldat
stieg zunächst aus und unterhielt sich mit der Unfallgegne-
rin. Dabei bot er ihr an, ihr seine Personalien und die Ver-
sicherungsdaten zu übergeben. Die Unfallgegnerin be-
stand jedoch auf der Hinzuziehung der Polizei. Darauf be-
stieg der Soldat seinen Pkw, angeblich um ihn aus der
Grundstücksausfahrt herauszufahren. Auf der Fahrbahn
angekommen, fuhr er jedoch plötzlich davon, ohne seiner
Unfallgegnerin weitere Feststellungen zu ermöglichen.“
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- 9 -
Die durch das Urteil der 3. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom
16. Juli 2003 - N 3 VL 18/03 - erfolgte erneute Herabsetzung des früheren Sol-
daten in den Dienstgrad eines Feldwebels (Führen eines Kraftfahrzeuges ohne
Fahrerlaubnis in vier Fällen am 18. März 2002, 2. August 2001, 30. Oktober
2001 und 18. Juli 2001) wird u.a. ausgeführt:
„Auch seine privaten Probleme, die die Kammer nachvoll-
ziehen konnte, sind kein Grund, ständig disziplinar- und
strafrechtlich in Erscheinung zu treten. Unter Zurückstel-
lung erheblicher Bedenken konnte es die Kammer gerade
noch vertreten, ihn lediglich wieder nur um einen Dienst-
grad herabzusetzen, um ihn über das Dienstzeitende hin-
aus nicht untragbar auch finanziell zu belasten.
Der Soldat sollte sich aber bewusst sein, dass er bei wei-
terem Fehlverhalten zwangsläufig nicht nur einen Dienst-
grad einbüßen muss, sondern mit einer wesentlich emp-
findlicheren Maßnahme zu rechnen hat.“
Der frühere Soldat ist nach seinen Angaben in der Berufungshauptverhandlung
in zweiter Ehe seit dem 21. Juli 2006 verheiratet. Er ist Vater von drei Kindern
(A, geboren am ...; B, geboren am ...; C, geboren am ...).
Ausweislich der Auskunft der Wehrbereichsverwaltung Ost - Gebührniswesen -
vom 3. August 2006 erhielt der frühere Soldat bei Beendigung des Dienstver-
hältnisses mit Ablauf des 31. Juli 2004 eine einmalige Übergangsbeihilfe in Hö-
he von 12 392,51 €, die jedoch gemäß § 82 Abs. 2 WDO zunächst einbehalten
wurde. Ferner erhielt er auf die Dauer von 36 Monaten (bis zum 31. Juli 2007)
monatliche Übergangsgebührnisse in Höhe von brutto 1 639,73 €, wovon ihm
nach Einbehaltung der gesetzlichen Abzüge und von Unterhaltspfändungen
monatlich netto ca. 944,94 € ausgezahlt wurden.
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- 10 -
Der frühere Soldat durchlief im Rahmen des Berufsförderungsdienstes eine
Ausbildung zum Speditionskaufmann, und zwar zunächst bis zum Mai 2004 am
Bildungszentrum H. der Stiftung ... und sodann in einer anderen Einrichtung in
Emden. Nach seinen Angaben unterzieht er sich in Kürze einer Nachprüfung
zwecks Erwerb eines Abschlusses im Ausbildungsberuf Speditionskaufmann.
Gegenwärtig ist er in einem bis zum 31. Dezember 2007 befristeten Zeitarbeits-
verhältnis im Speditionsbereich tätig und erzielt hieraus monatliche Einkünfte
von ca. 980 Euro netto. Seine Ehefrau ist ganztags berufstätig als Bürofachan-
gestellte.
II
In dem nach zuvor erfolgter Anhörung mit Verfügung des Befehlshabers im
Wehrbereich I durch Aushändigung am 12. Juli 2004 eingeleiteten gerichtlichen
Disziplinarverfahren hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft mit Anschuldigungs-
schrift vom 9. Februar 2006, zugestellt am 18. Februar 2006, dem früheren Sol-
daten folgenden Sachverhalt zur Last gelegt:
„1. Der frühere Soldat führte am 16.10.2002 gegen
9:20 Uhr im Wiederholungsfalle in Ha. auf der Straße S.
den auf ihn zugelassenen Kleinbus mit dem amtlichen
Kennzeichen ... ohne im Besitz der hierfür erforderlichen
Fahrerlaubnis zu sein.
2. Der frühere Soldat nahm am 07.11.2003, vom 18.11.
bis 21.11.2003, am 02.12.2003, vom 04.12. bis
05.12.2003, am 08.12.2003, am 10.12.2003, am
12.12.2003, vom 15.12. bis 19.12.2003, am 02.01.2004,
am 05.01.2004, vom 08.01. bis 09.01.2004, vom 21.01.
bis 23.01.2004, vom 26.01. bis 30.01.2004, vom 02.02. bis
06.02.2004 sowie am 09.02.2004 nicht an der ihm unter
Freistellung vom militärischen Dienst bewilligten Fachaus-
bildung zum Speditionskaufmann am Bildungszentrum H.
der Stiftung ... in Ha. teil und meldete sich auch nicht un-
verzüglich bei seiner Einheit zum Dienst. Damit war er im
vorbezeichneten Zeitraum unerlaubt abwesend.
Die Verpflichtung zur persönlichen Meldung und Dienst-
leistung bei Unterbrechung bzw. Abbruch der bewilligten
Fachausbildung war dem früheren Soldaten bekannt. Zu-
mindest hätte er diese Verpflichtung kennen können und
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15
- 11 -
auch müssen, da er hierüber sowohl in den Fachausbil-
dungsbescheiden des Kreiswehrersatzamtes Ha.
- Berufsförderungsdienst - vom 06.11.2003 und 09.12.
2003 als auch im Freistellungsbescheid der Stammdienst-
stelle des Heeres vom 07.11.2003 ausdrücklich hingewie-
sen worden ist.“
Die 9. Kammer des Truppendienstgerichts Nord hat mit dem angefochtenen
Urteil vom 27. Juni 2006 dem früheren Soldaten das Ruhegehalt aberkannt.
Zu Anschuldigungspunkt 1 hat sie als gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO bindend
die folgenden tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftigen Urteils des
Amtsgerichts Ha. vom 24. April 2003 - Az.: 627-502/02 (2403 Js 956/02)
zugrunde gelegt, mit dem der frühere Soldaten wegen vorsätzlichen Führens
eines Kraftfahrzeuges ohne Fahrerlaubnis zu einer zur Bewährung ausgesetz-
ten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden war:
„Der Angeklagte führte am 16.10.2002 gegen 9:20 Uhr im
Wiederholungsfalle den auf ihn zugelassenen Kleinbus ...
in der Straße S. in Ha., ohne dass er im Besitz der erfor-
derlichen Fahrerlaubnis ist. Aufgrund früherer Verkehrs-
vergehen wurde gegen ihn eine Sperre zur Erteilung einer
Fahrerlaubnis bis zum 30.08.2003 verhängt.
Der Angeklagte hat den Tatvorwurf in Abrede gestellt. Er
ist der Täterschaft aufgrund der glaubwürdigen und glaub-
haften Begründungen der Zeugin Bö., die ihn am Tattage
als Polizeibeamtin kontrolliert hat, überführt.“
Zu Anschuldigungspunkt 2 hat die Truppendienstkammer „aufgrund der im
Hauptverhandlungstermin abgegebenen Geständniserklärung“ folgenden Sach-
verhalt festgestellt:
„Dem früheren Soldaten war bekannt, dass er während
seiner dienstzeitbeendenden Ausbildung als Angehöriger
der ... ...kommandantur Ha. unter Freistellung vom militä-
rischen Dienst bei einer (sei es auch nur vorübergehen-
den) Nicht-Teilnahme an der Fachausbildung sich bei sei-
ner Einheit melden musste, um dort militärischen Dienst
zu leisten. Dennoch nahm der Soldat
- am 07.11.2003,
- vom 18.11. bis 21.11.2003,
- am 02.12.2003,
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- 12 -
- vom 04.12. bis 05.12.2003,
- am 08.12.2003,
- am 10.12.2003,
- am 12.12.2003,
- vom 15.12. bis 19.12.2003,
- am 02.01.2004,
- am 05.01.2004,
- vom 08.01. bis 09.01.2004,
- vom 21.01. bis 23.01.2004,
- vom 26.01. bis 30.01.2004,
- vom 02.02. bis 06.02.2004 sowie
- am 09.02.2004
nicht an der ihm unter Freistellung vom militärischen
Dienst bewilligten Fachausbildung zum Speditionskauf-
mann am Bildungszentrum H. der Stiftung ... in Ha. teil,
ohne sich jeweils unverzüglich bei seiner Einheit zum
Dienst zu melden.“
„Durch sein Verhalten“ habe der frühere Soldat jeweils vorsätzlich seine Pflich-
ten zum treuen Dienen (§ 7 SG) und zum achtungs- und vertrauenswürdigen
Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) verletzt.
Gegen dieses ihm am 5. August 2006 zugestellte Urteil hat der frühere Soldat
mit Berufungsschrift vom 31. August 2006, die beim Truppendienstgericht am
selben Tag eingegangen ist, Berufung „in vollem Umfang“ eingelegt. Zur Be-
gründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Hinsichtlich des Anschuldigungs-
punktes 1 habe er bereits das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Ha. nicht
akzeptieren wollen, da er seine Täterschaft in Abrede stelle. Dieses Urteil sei
aber dennoch ungeprüft in das Urteil der Truppendienstkammer eingeflossen.
Darin liege ein Verstoß gegen das Verbot, wegen derselben Sache zweimal
bestraft zu werden. Insbesondere sei das von ihm im Wiedereinsetzungsverfah-
ren Vorgebrachte nicht gewürdigt worden.
Das „Geständnis“, das sein Verteidiger in der Hauptverhandlung vor der Trup-
pendienstkammer nach Absprache mit ihm abgegeben habe, sei „so nicht
(mehr) haltbar“. Es lägen ihm nunmehr Unterlagen vor, welche bewiesen, dass
er „an mehreren, eventuell sogar (an) allen der vorgeworfenen ausgeurteilten
Terminstagen (...) anders als bisher wohl doch nicht unentschuldigt gefehlt“ ha-
be. Dies habe eine „zunächst überschlägige Prüfung wohl so ergeben“. Danach
19
20
21
- 13 -
solle er sich tatsächlich jeweils rechtzeitig bei seiner zuständigen Einheit ge-
meldet haben. Dies gehe aus Bescheinigungen einiger Dienststellen hervor, die
nunmehr gefunden worden seien. Diese Unterlagen würden zur Zeit gesichtet
und dem Gericht noch zur Verfügung gestellt.
Bis zum Ende der Berufungshauptverhandlung hat der frühere Soldat solche
Unterlagen nicht vorgelegt. Er hat eingeräumt, an den in Anschuldigungspunkt
2 aufgeführten Einzeltagen die Ausbildungseinrichtung nicht aufgesucht und
hierfür keine Entschuldigungen oder sonstige Nachweise vorgelegt zu haben.
Einmal sei er wegen einer Rückenverletzung an einem Tag zu Hause geblie-
ben, am nächsten dann im Bundeswehr-Krankenhaus in Ha. behandelt und an-
schließend zwei Tage „krank geschrieben“ worden. Ein anderes Mal habe er
sich an zwei Tagen einer Zahnbehandlung/Kieferoperation unterziehen müs-
sen. Unterlagen darüber habe er weder bei sich gefunden noch bei den behan-
delnden Ärzten erhalten können.
Angesichts dessen sei er „zu einer unangemessenen hohen Strafe“ verurteilt
worden. Statt einer Aberkennung des Ruhegehalts sei eine Herabsetzung in
den untersten möglichen Dienstgrad angemessen und akzeptabel gewesen.
Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers habe „ja seinen Grund gehabt“. Auch
sein aktueller und sein damaliger Gesundheitszustand seien „überhaupt nicht
gewürdigt worden“.
„Zeitgitter- und Erinnerungsstörungen“ ließen zumindest die Möglichkeit zu,
dass er, der frühere Soldat, während der Zeit der ihm vorgeworfenen Handlun-
gen - wenn sie denn so stattgefunden hätten - „eigentlich im wahrsten Sinne
handlungsunfähig bzw. unfähig war, seine Schuld und die Pflichtwidrigkeit zu
erkennen und damit einzusehen“. Weiterhin sei zwar der Umstand, dass er als
Fachausbildungsteilnehmer kein aktiver Soldat mehr gewesen sei, angespro-
chen, aber nicht ausreichend als Milderungsgrund gewertet worden. Vielmehr
sei dieser Milderungsgrund mit „anderen“ Gründen, vor allem seinen Vorbelas-
tungen aufgerechnet worden.
22
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25
- 14 -
III
1. Die gegen das Urteil am 31. August 2006 eingelegte Berufung des früheren
Soldaten ist zulässig. Sie ist statthaft. Ihre Förmlichkeiten sind gewahrt (§ 115
Abs. 1, § 116 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WDO).
2. Die Berufung ist ausdrücklich und nach ihrem eindeutigen Wortlaut in vollem
Umfang eingelegt worden. Die Ausführungen in der Berufungsbegründungs-
schrift greifen sowohl die Schuldfeststellungen der Truppendienstkammer als
auch die Maßnahmebemessung an.
Der Senat hat daher im Rahmen der Anschuldigung (§ 123 Satz 3 i.V.m. § 107
Abs. 1 WDO) eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen, diese rechtlich zu
würdigen und die sich daraus ergebenden Folgerungen zu ziehen sowie unter
Berücksichtigung des Verschlechterungsverbots (§ 123 Satz 3 WDO i.V.m.
§ 331 Abs. 1 StPO), das angesichts der Verhängung der Höchstmaßnahme
jedoch gegenstandslos ist, ggf. über die angemessene Disziplinarmaßnahme
zu befinden.
3. Die Berufung des früheren Soldaten hat keinen Erfolg. Die Truppendienst-
kammer hat ihm zu Recht das Ruhegehalt aberkannt.
a) Tatsächliche Feststellungen
Anschuldigungspunkt 1: Fahren ohne Fahrerlaubnis am 16. Oktober 2002 ge-
gen 9:20 Uhr in Ha. auf der Straße S. mit dem auf den früheren Soldaten zuge-
lassenen Kleinbus mit dem amtlichen Kennzeichen ...
Insoweit liegen die gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO den Senat bindenden tat-
sächlichen Feststellungen des seit dem 3. Mai 2003 rechtskräftigen Strafurteils
des Amtsgerichts Ha. vom 24. April 2003 - Az.: 627 - 502/02 (2403 Js 956/02) -
vor. Die Voraussetzungen für einen Lösungsbeschluss nach § 84 Abs. 1 Satz 2
WDO sind nicht erfüllt.
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30
- 15 -
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. Urteile vom 12. Februar
2003 - BVerwG 2 WD 8.02 - BVerwGE 117, 371 = Buchholz 236.1 § 7 SG
Nr. 48 = NZWehrr 2003, 214, vom 28. April 2005 - BVerwG 2 WD 25.04 -, vom
13. Juni 2006 - BVerwG 2 WD 1.06 - und vom 14. März 2007 - BVerwG 2 WD
3.06 - NZWehrr 2007, 212) ist die Lösung von den tatsächlichen Feststellungen
eines sachgleichen rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteils auf Fälle be-
schränkt, in denen das Wehrdienstgericht sonst gezwungen wäre, auf der
Grundlage offenkundig unzureichender oder inzwischen als unzutreffend er-
kannter Feststellungen zu entscheiden. Bei der Auslegung der tatbestandlichen
Voraussetzungen des § 84 Abs. 1 Satz 2 WDO muss das gesetzlich normierte
Regel-Ausnahme-Verhältnis beachtet werden. Ausnahmevorschriften sind einer
erweiternden Auslegung nicht zugänglich. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis darf
nicht in sein Gegenteil verkehrt werden. Aus dem Sinn und Zweck der Rege-
lung, im Interesse der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes unter-
schiedliche Feststellungen zu einem historischen Geschehensablauf in ver-
schiedenen rechtskräftigen Entscheidungen zu verhindern, ergibt sich, dass die
Wehrdienstgerichte an die Beweiswürdigung in einem sachgleichen rechtskräf-
tigen Strafurteil grundsätzlich auch dann gebunden sein sollen, wenn sie auf-
grund eigener Würdigung abweichende Feststellungen für möglich halten. An-
derenfalls wäre die Vorschrift des § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO auf Fälle be-
schränkt, in denen das Wehrdienstgericht der Beweiswürdigung des Strafge-
richts ohnehin folgen würde. Das aber wäre weder mit der in § 84 Abs. 1 Satz 1
WDO normierten grundsätzlichen Bindung noch mit dem Gesichtspunkt verein-
bar, dass die Wehrdienstgerichte nach ihrer Zuständigkeit und Funktion keine
Überprüfungsinstanz für Strafurteile sind. Die bloße Möglichkeit, dass das Ge-
schehen objektiv oder subjektiv auch anders gewesen sein könnte als vom
Strafgericht rechtskräftig festgestellt, reicht für einen Lösungsbeschluss nicht
aus. Erhebliche und damit für einen Lösungsbeschluss ausreichende Zweifel an
der Richtigkeit der strafgerichtlichen Feststellungen bestehen jedoch dann,
wenn (1.) die strafgerichtlichen Feststellungen in sich widersprüchlich oder
sonst unschlüssig sind, (2.) im Widerspruch zu den Denkgesetzen oder allge-
meinen Erfahrungssätzen stehen oder (3.) aus sonstigen - vergleichbar gewich-
tigen - Gründen offenkundig unzureichend sind. Offenkundig unzureichend in
31
- 16 -
diesem Sinne sind strafgerichtliche Feststellungen dann (3a), wenn sie in einem
entscheidungserheblichen Punkt unter offenkundiger Verletzung wesentlicher
Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind oder (3b), wenn entschei-
dungserheblich neue Beweismittel vorgelegt werden, die dem Strafgericht noch
nicht zur Verfügung standen oder (3c), wenn die im strafgerichtlichen Urteil vor-
genommene Beweiswürdigung ausweislich der Urteilsgründe nicht nachvoll-
ziehbar ist (vgl. u.a. Urteile vom 12. Februar 2003 a.a.O. und vom 14. März
2007 a.a.O.). Keiner dieser Gründe liegt hier vor.
Allein der Umstand, dass der frühere Soldat im Berufungsschriftsatz und in der
Berufungshauptverhandlung weiterhin seine Täterschaft bestritten und insofern
geltend gemacht hat, entgegen den Angaben der Hauptbelastungszeugin sei
der von ihm am Tattag gefahrene Kleinbus nicht grün, sondern „grün-gestreift“
gewesen, reicht nicht aus, um hinreichende Zweifel an der Richtigkeit der tat-
sächlichen Feststellungen im rechtskräftigen Strafurteil zu begründen. Das Ur-
teil des Amtsgerichts Ha. ist zwar hinsichtlich der Beweiswürdigung sehr knapp
gehalten. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass es sich um ein gemäß § 267
Abs. 4 StPO abgekürztes Urteil handelt. Dies hatte zur Voraussetzung, dass
alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel verzichtet oder innerhalb der
Frist kein Rechtsmittel eingelegt hatten. Dies war hier der Fall. Die im Strafurteil
vorgenommene Beweiswürdigung ist nachvollziehbar, in sich schlüssig und oh-
ne Widersprüche sowie ohne Verstoß gegen die Denkgesetze begründet. Ver-
fahrensfehler sind nicht ersichtlich. Der frühere Soldat hat auch keine neuen,
dem Strafgericht noch nicht zur Verfügung stehende Beweismittel vorgelegt.
Angesichts dessen ist der in der Berufungsschrift erhobene Vorwurf gegen das
Urteil der Truppendienstkammer hinsichtlich des Anschuldigungspunktes 1, die
Truppendienstkammer habe „ungeprüft“ die tatsächlichen Feststellungen im
Urteil des Amtsgerichts Ha. seinem Urteil zugrunde gelegt, ohne Substanz.
Hierzu war die Truppendienstkammer gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 mangels vor-
liegender Voraussetzungen für einen Lösungsbeschluss rechtlich verpflichtet.
Der von der Verteidigung im Berufungsschriftsatz geltend gemachte, allerdings
nicht vorliegende Verstoß gegen das „Verbot einer Doppelbestrafung“ berührt
32
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34
- 17 -
nicht die - zur Verhinderung unterschiedlicher Feststellungen zu einem histori-
schen Geschehensablauf in verschiedenen rechtskräftigen Entscheidungen und
damit im Interesse der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes - gesetz-
lich angeordnete Bindung an die tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils.
Dieser Einwand greift im Übrigen auch deshalb nicht, weil selbst bei einer
Sachgleichheit von Straftat und Dienstvergehen eine jeweils unter strafrechtli-
chen und disziplinaren Gesichtspunkten vorgenommene doppelte Sanktion zu-
lässig ist. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungs-
gerichts (Beschlüsse vom 2. Mai 1967 - 2 BvR 391.64, 263.66 - BVerfGE 21,
378 <384>, vom 2. Mai 1967 - 2 BvL 1.66 - BVerfGE 21, 391 <401 ff.>, vom
22. Juli 1970 - 2 BvL 8.70 - BVerfGE 29, 125 <140 ff.> und vom 12. Oktober
1971 - 2 BvR 65.71 - BVerfGE 32, 40 <48>) und des Senats unterscheiden sich
eine strafgerichtliche Bestrafung einerseits und eine disziplinarrechtliche Ahn-
dung andererseits nach Rechtsgrund und Zweckbestimmung grundlegend von-
einander. Das Wehrdisziplinarrecht ist Dienstordnungsrecht. Es soll die Auf-
rechterhaltung der inneren Ordnung der Streitkräfte sichern und zur Erfüllung
ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben beitragen (vgl. u.a. Urteile vom 28. Januar
2004 - BVerwG 2 WD 13.03 - BVerwGE 120, 105 = Buchholz 236.1 § 10 SG
Nr. 53 = NZWehrr 2004, 169 , vom 22. Mai 2007
- BVerwG 2 WD 13.06 - und vom 25. September 2007 - BVerwG 2 WD 19.06 -).
Während die Kriminalstrafe dazu dient, der Begehung weiterer Straftaten ent-
gegenzuwirken sowie dem Täter die Fähigkeit und den Willen zu verantwortli-
cher Lebensführung zu vermitteln und zu helfen, etwaige soziale Anpassungs-
schwierigkeiten, die mit der Tat zusammenhängen, zu überwinden (vgl. dazu
u.a. Tröndle/Fischer, StGB, 53. Aufl. 2006, § 46 Rn. 2 m.w.N.), ist die diszipli-
nargerichtliche Ahndung ausschließlich darauf ausgerichtet, einen geordneten
und integeren Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen
(stRspr, vgl. u.a. Urteile vom 6. Juli 2000 - BVerwG 2 WD 9.00 - BVerwGE 111,
291 = Buchholz 236.1 § 17 SG Nr. 33 = NZWehrr 2001, 36 und vom 25. Sep-
tember 2007 a.a.O.).
Anschuldigungspunkt 2: Nichtteilnahme an der unter Freistellung vom militäri-
schen Dienst im Rahmen der Berufsförderung bewilligten Fachausbildung zwi-
schen dem 7. November 2003 und dem 9. Februar 2004
35
- 18 -
Insoweit fehlt es zwar an einem sachgleichen rechtskräftigen Strafurteil. Es liegt
allein ein - teilweise sachgleicher - rechtskräftiger Strafbefehl des Amtsgerichts
Ha. vom 23. Juni 2004 - Az.: 621 Ds 7303 Js 8/04 (166/04) - vor. Nur eine
durch strafrichterliches Urteil, nicht aber eine durch Strafbefehl erfolgte Verurtei-
lung begründet jedoch die Bindungswirkung nach § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO
(stRspr, vgl. zuletzt Urteile vom 11. Juli 2002 - BVerwG 2 WD 3.02 -, vom 1. Juli
2003 - BVerwG 2 WD 34.02 - BVerwGE 118, 262 <263 ff.> und vom 27. April
2004 - BVerwG 2 WD 4.04 - BVerwGE 120, 350 = Buchholz 262.1 § 5 ATGV
Nr. 2), sodass sich die Frage eines Lösungsbeschlusses nach § 84 Abs. 1
Satz 2 WDO vorliegend nicht stellt.
Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Berufungshauptverhandlung
steht aufgrund der Einlassungen des früheren Soldaten, soweit ihnen gefolgt
werden konnte, und der zum Gegenstand der Berufungshauptverhandlung ge-
machten Urkunden zur vollen Überzeugung des Senats fest, dass der frühere
Soldat - wie angeschuldigt - in Ha. in der Zeit vom 7. November 2003 bis
9. Februar 2004 an insgesamt 32 Tagen, und zwar
- am 7. November 2003,
- vom 18. bis 21. November 2003,
- am 2. Dezember 2003,
- vom 4. bis 5. Dezember 2003,
- am 8. Dezember 2003,
- am 10. Dezember 2003,
- am 12. Dezember 2003,
- vom 15. bis 19. Dezember 2003,
- am 2. Januar 2004,
- am 5. Januar 2004,
- vom 8. bis 9. Januar 2004,
- vom 21. bis 23. Januar 2004,
- vom 26. bis 30. Januar 2004,
- vom 2. bis 6. Februar 2004 sowie
- am 9. Februar 2004
als damaliger Soldat der Bundeswehr in Kenntnis seiner Dienstpflicht nicht an
der ihm mit Fachausbildungsbescheid vom 6. November 2003 genehmigten
Ausbildung am Bildungszentrum H. der Stiftung ...-Schule teilnahm, dass er für
diese Fehlzeiten keine Nachweise über die Berechtigung seines Fernbleibens
36
- 19 -
gegenüber den zuständigen Stellen vorlegte und dass er sich auch nicht, wie im
vorgenannten Bescheid für diesen Fall angewiesen, zum militärischen Dienst in
seiner Einheit, also der .../...bataillon ..., ..., ... Ha., einfand.
Der frühere Soldat war gemäß Freistellungsbescheid Nr. ... der Stammdienst-
stelle des Heeres vom 7. November 2003 im Rahmen der Berufsförderung für
eine Fachausbildung in der Zeit vom 6. November 2003 bis 31. Juli 2004
- seinem Dienstzeitende - vom militärischen Dienst freigestellt worden, um das
Bildungszentrum der Stiftung ...-Schule in ... Ha. zu besuchen. Er nahm gemäß
dem Fachausbildungsbescheid des Berufsförderungsdienstes beim Kreiswehr-
ersatzamt Ha. vom 6. November 2003 zunächst an einer Trainingsmaßnahme
der vorgenannten Schule teil, welche auf das Berufsbildungsziel Speditions-
kaufmann ausgerichtet war. Der Fachausbildungsbescheid wurde dem früheren
Soldaten mit Einwurf-Einschreiben zugestellt. In diesem Fachausbildungsbe-
scheid wurde er unter Ziffer 5.2 insbesondere darauf hingewiesen, dass er mili-
tärischen Dienst zu leisten habe, soweit er die bewilligte Berufsbildungsmaß-
nahme vor Beendigung des Dienstverhältnisses 1. nicht oder verspätet angetre-
ten oder 2. ihr ohne berechtigten Grund, insbesondere ohne ausdrückliche Ent-
schuldigung durch die Ausbildungsstätte - auch an einzelnen Tagen - fernblei-
ben oder 3. sie vorzeitig beenden würde. In einem solchen Fall habe er sich
unverzüglich bei seinem nächsten Disziplinarvorgesetzten oder bei der im Frei-
stellungsbescheid bestimmten militärischen Dienststelle persönlich zur Auf-
nahme des Dienstes zu melden. Weiterhin wurde er dahingehend belehrt, dass
er verpflichtet sei, die unter den Ziffern 1. bis 3. vorbezeichneten Tatsachen
sowie alle sonstigen neu eintretenden Umstände, die für seine Fachausbildung
von Bedeutung sein könnten, während der Förderungsdauer - auch nach Been-
digung seines Dienstverhältnisses - dem für ihn zuständigen Kreiswehrersatz-
amt - Berufsförderungsdienst - unverzüglich anzuzeigen. Er wurde weiterhin
dahingehend belehrt, dass Verletzungen der vorstehend aufgeführten Pflichten
disziplinar- und gegebenenfalls auch strafrechtlich geahndet werden sowie zum
Verlust der Besoldungsansprüche und zu berufsförderungsrechtlichen Einbu-
ßen führen können. An dieser Trainingsmaßnahme hat der frühere Soldat am
7. November und vom 18. bis 21. November 2003 trotzdem unentschuldigt nicht
teilgenommen. Auf die vorgenannte Trainingsmaßnahme aufbauend wurde
37
- 20 -
dem früheren Soldaten sodann mit Fachausbildungsbescheid des Kreiswehrer-
satzamtes Ha. - Berufsförderungsdienst - vom 9. Dezember 2003, ihm ebenfalls
per Einwurf-Einschreiben zugestellt, eine weitere Berufsbildungsmaßnahme mit
dem Berufsziel Speditionskaufmann bei der ...-Schule für den Zeitraum vom
1. Dezember 2003 bis 31. Mai 2005 bewilligt. Auch mit diesem Fachausbil-
dungsbescheid wurde der Soldat wiederum auf seine vorstehend bezeichneten
Dienst-, Melde- und Anzeigepflichten hingewiesen. Dieser Fachausbildung blieb
er, wie im verfügenden Teil der Anschuldigungsschrift näher dargelegt, unbe-
rechtigt und unentschuldigt fern. Er hat sich insbesondere nicht unverzüglich bei
seinem nächsten Disziplinarvorgesetzten bzw. der im Freistellungsbescheid
bestimmten militärischen Dienststelle persönlich zur Aufnahme des Dienstes
gemeldet. Diese Meldung hätte bis zum 31. Dezember 2003 beim Kompanie-
chef .../...bataillon ... und ab dem 1. Januar 2004 beim Chef ... ...kommando,
jeweils in Ha., erfolgen müssen. Die Stiftung ...-Schule forderte den früheren
Soldaten sodann mit Schreiben vom 15. Dezember 2003 auf, Atteste bzw. Ent-
schuldigungen hinsichtlich seiner Fehlzeiten einzureichen. Das Kreiswehrer-
satzamt Ha. - Berufsförderungsdienst - teilte zudem dem früheren Soldaten mit
Schreiben vom 30. Januar 2004 mit, dass er im Dezember 2003 sowie bereits
in der vorangegangenen Trainingsmaßnahme unentschuldigt gefehlt habe. Der
frühere Soldat wurde außerdem darauf hingewiesen, dass dies seinem derzeiti-
gen Einheitsführer gemeldet werde. Weiterhin wurde er mit Schreiben der Stif-
tung ...-Schule vom 15. Januar 2004 und 28. Januar 2004 hinsichtlich seiner
unentschuldigten Fehlzeiten wiederholt ermahnt. Schließlich wurde der die
Fachausbildung bewilligende Bescheid mit Widerrufsbescheid des Kreiswehrer-
satzamtes Ha. - Berufsförderungsdienst - vom 9. Februar 2004, dem früheren
Soldaten per Einwurf-Einschreiben zugestellt, wegen der unentschuldigten
Fehlzeiten widerrufen. Der frühere Soldat wurde gleichzeitig aufgefordert, sich
unverzüglich bei seinem nächsten Disziplinarvorgesetzten persönlich zur Auf-
nahme des Dienstes zu melden. Der Widerruf erfolgte, weil der Soldat nach
Ansicht der Stiftung ...-Schule das Ausbildungsziel wegen der erheblichen Fehl-
zeiten nicht mehr erreichen konnte.
Der Soldat bestreitet die in Anschuldigungspunkt 2 aufgeführten Fehlzeiten
nicht, sondern hat sowohl vor der Truppendienstkammer durch seinen Verteidi-
38
- 21 -
ger als auch in der Berufungshauptverhandlung persönlich eingeräumt, dass er
an den in Anschuldigungspunkt 2 aufgeführten Tagen nicht zur Fachausbildung
erschienen ist, dafür keine „Entschuldigung“ vorgelegt und sich auch nicht zu
seiner militärischen Einheit begeben bzw. das Kreiswehrersatzamt verständigt
hat. Er hat ausdrücklich zugegeben, weder die ...-Schule noch seinen Diszipli-
narvorgesetzten oder andere zuständige Stellen über die Gründe seines Fern-
bleibens unverzüglich informiert zu haben. In der Berufungshauptverhandlung
hat er - ebenso wie ähnlich schon im Rahmen seiner Anhörung vor Einleitung
des gerichtlichen Disziplinarverfahrens am 27. Mai 2004 und bei späteren Ein-
lassungen - lediglich vorgetragen, er sei im fraglichen Zeitpunkt wiederholt
krank gewesen. So sei er wegen starker Rückenschmerzen im Bereich der Wir-
belsäule von sich aus einen Tag zu Hause geblieben; wegen dieser Beschwer-
den habe er an einem weiteren Tag Ärzte im Bundeswehrkrankenhaus Ha. so-
wie wegen einer Zahn- oder Kiefererkrankung an zwei weiteren Tagen einen
Zahnarzt in der ...-Kaserne aufgesucht. Nach der Behandlung seiner Wirbelsäu-
lenbeschwerden sei er zwei Tage „krankgeschrieben“ gewesen. Diese Einlas-
sungen - ihre Richtigkeit unterstellt - ändern jedoch nichts daran, dass der frü-
here Soldat - wie angeschuldigt - zur im Rahmen der Berufsförderung angeord-
neten Fachausbildung nicht erschienen ist und auch keine Entschuldigungen für
sein Fernbleiben bei den vorgenannten Stellen vorgelegt hat. Der frühere Sol-
dat hat - trotz ausdrücklicher Aufforderung durch die gerichtliche Verfügung
vom 21. August 2007 sowie auch auf entsprechendes Anraten seines Verteidi-
gers und auf mehrfache Nachfragen in der Berufungshauptverhandlung hin -
die im Berufungsschriftsatz angekündigten, nicht näher spezifizierten „Unterla-
gen“ zum Nachweis der Berechtigung seines Fernbleibens ebenfalls nicht vor-
gelegt. Da er schließlich auch in der Berufungshauptverhandlung letztlich nicht
in Zweifel gezogen hat, dass er für die in Anschuldigungspunkt 2 im Einzelnen
bezeichneten Fehltage weder der ...-Schule noch seiner militärischen Einheit
noch einer anderen zuständigen Stelle jeweils auf sein Fernbleiben bezogene
Entschuldigungen vorlegte, hat der Senat keine Veranlassung, von sich aus
den Gründen des Fernbleibens im Einzelnen nachzugehen. Es war Sache des
früheren Soldaten, diese Gründe rechtzeitig gegenüber den dafür zuständigen
Stellen, die ihm durch die vorgenannten Bescheide ausdrücklich mitgeteilt wor-
den waren, nachzuweisen. Solche zeitgerechten Nachweise („Entschuldigun-
- 22 -
gen“) können nicht Jahre danach durch gerichtliche Ermittlungen zu den Hinter-
gründen des Verhaltens des früheren Soldaten gleichsam ersetzt werden.
b) Disziplinarrechtliche Würdigung
Anschuldigungspunkt 1:
Aufgrund der bindenden tatsächlichen Feststellungen im rechtskräftigen Urteil
des Amtsgerichts Ha. vom 24. April 2003 - Az.: 627 - 502/02 (2403 Js
956/02) ist davon ausgehen, dass der frühere Soldat am 16. Oktober 2002 mit
seinem vorsätzlichen Führen eines Kraftfahrzeuges ohne Fahrerlaubnis eine
Straftat gemäß §§ 21 StVG, 56 Abs. 1, 69a StGB beging. Diese Straftat des
früheren Soldaten, der zum Tatzeitpunkt noch der Bundeswehr angehörte, er-
folgte im außerdienstlichen Bereich. Er verstieß damit zwar nicht - wie von der
Truppendienstkammer offenbar angenommen - gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 SG,
jedoch gegen seine Pflicht, sich außerhalb des Dienstes und außerhalb dienst-
licher Unterkünfte und Liegenschaften so zu verhalten, dass er der Achtung und
dem Vertrauen gerecht wurde, die sein Dienstverhältnis erforderte (§ 17 Abs. 2
Satz 2 SG). Denn dieses Achtungs- und Vertrauenswahrungsverbot verlangte
von einem im Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit stehenden Soldaten der
Bundeswehr jedenfalls, im außerdienstlichen Bereich keine Straftat zu bege-
hen.
Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten können durch sein Verhal-
ten schon dann Schaden nehmen, wenn dieses Zweifel an seiner Zuverlässig-
keit und seiner Integrität weckt (vgl. Urteil vom 2. April 1974 - BVerwG 2 WD
5.74 - BVerwGE 46, 244 = NZWehrr 1975, 69 <71 f.>). Darüber hinaus ist hier
zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-
richts generell die allgemeine Gesetzestreue eines Beamten - und nichts ande-
res gilt für Soldaten - eine wesentliche Grundlage des öffentlichen Dienstes ist,
dem nach Art. 33 Abs. 4 GG die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ob-
liegt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Juni 2002 - 2 BvR 2257.96 - DÖD 2003,
37). Deshalb ist auch ein außerdienstlicher Verstoß gegen eine Strafrechtsnorm
allgemein geeignet, das Vertrauen in eine ordnungsgemäße Dienstausübung zu
erschüttern. Ob die weitgehende Fassung des § 17 Abs. 2 Satz 2 SG unter
39
40
- 23 -
rechtsstaatlichen Gesichtspunkten in jeder Hinsicht bedenkenfrei ist, bedarf hier
keiner Entscheidung. Denn jedenfalls eine Dienstpflicht des Inhalts, außerhalb
des Dienstes keine mit Freiheits- oder Geldstrafe bedrohte Straftat zu begehen,
begegnet aus Sicht des Bestimmtheitsgebots keinen verfassungsrechtlichen
Bedenken (vgl. auch Urteile vom 3. April 2003 - BVerwG 2 WD 46.02 -
Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 3 = NZWehrr 2003, 259
veröffentlicht> und vom 12. Juni 2007 - BVerwG 2 WD 11.06 -).
Sein Fehlverhalten erfolgte auch, wie sich aus den tatsächlichen Feststellungen
im rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteil ergibt, vorsätzlich.
Anschuldigungspunkt 2:
Mit seinem von Anschuldigungspunkt 2 erfassten und vom Senat festgestellten
Fehlverhalten beging der frühere Soldat, soweit er insgesamt fünfmal, nämlich
vom 18. bis 21. November 2003, vom 15. bis 19. Dezember 2003, vom 21. bis
23. Januar 2004, vom 26. Januar bis 30 Januar 2004 und vom 2. Februar bis
6. Februar 2004 jeweils mindestens drei Tage lang unentschuldigt nicht zum
Dienst erschien, tatmehrheitlich (§ 53 StGB) jeweils eine Straftat nach § 15
Abs. 1 WStG („eigenmächtige Abwesenheit“). Mit seinen Straftaten verstieß er
gegen seine in § 7 SG normierte Pflicht zum treuen Dienen und zwar in ihrer
Ausprägung als Pflicht zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung (vgl. dazu
u.a. Urteile vom 16. Mai 2006 - BVerwG 2 WD 3.05 - NZWehrr 2006, 252
soweit nicht veröffentlicht> m.w.N. und vom 24. April 2007 - BVerwG 2 WD
9.06 - DÖV 2007, 973).
41
42
- 24 -
Aber auch soweit es sich dabei um Fehlzeiten von jeweils weniger als drei zu-
sammenhängenden Tagen handelte, verletzte er an den jeweiligen Fehltagen
seine Pflicht, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen (§ 7 SG) in Ges-
talt der Anwesenheits- und Dienstleistungspflicht (vgl. dazu Urteile vom 24. April
1980 - BVerwG 2 C 26.77 - BVerwGE 60, 118, vom 5. November 1998
- BVerwG 2 A 2.98 - ZBR 1999, 171, vom 29.Oktober 2003 - BVerwG 2 WD
9.03 - BVerwGE 119, 164 = Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 13 und vom
26. Januar 2006 - BVerwG 2 WD 2.05 - Buchholz 449 § 7 SG Nr. 50
nicht veröffentlicht>; Scherer/Alff, SG, 7. Aufl. 2003, § 7 Rn. 14).
Selbst wenn man davon ausginge, dass der frühere Soldat im Tatzeitraum, wie
von ihm in der Berufungshauptverhandlung geltend gemacht, wegen einer Er-
krankung an der Wirbelsäule und wegen einer erforderlichen Zahn- und Kiefer-
behandlung an insgesamt sechs Tagen durch Krankheit an der Erfüllung seiner
Dienstleistungspflicht gehindert gewesen sein sollte, würde dies nichts daran
ändern, dass er sein Fernbleiben nicht rechtzeitig bei den zuständigen Stellen
entschuldigt hätte.
Die Verstöße gegen § 7 SG erfolgten bewusst und gewollt, mithin vorsätzlich
(vgl. zum Begriff des Vorsatzes u.a. Urteil vom 25. September 2007 - BVerwG
2 WD 19.06 - m.w.N.). Dem früheren Soldaten war, wie er in der Berufungs-
hauptverhandlung auch eingeräumt hat, schon aufgrund der in den Freistel-
lungsbescheiden erhaltenen Hinweise bekannt, dass er verpflichtet war, für je-
den Fall des Fernbleibens von der Fachausbildung der zuständigen Stelle einen
Nachweis über die Berechtigung seines Fernbleibens („Entschuldigung“) unver-
züglich vorzulegen. Ungeachtet dessen entschied er sich dazu, hiervon Ab-
stand zu nehmen und selbst schriftliche Mahnungen, mit denen er an die Not-
wendigkeit der Vorlage der erforderlichen Entschuldigungen erinnert wurde, zu
ignorieren.
Mit seinem Fernbleiben vom Dienst bzw. von der Fachausbildung an den vor-
bezeichneten Tagen verletzte er auch seine Pflicht zum achtungs- und vertrau-
enswürdigem Verhalten im dienstlichen Bereich (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG). Denn
ein solches Verhalten ist geeignet, das Vertrauen des Dienstherrn, seiner Vor-
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gesetzten und Kameraden in seine persönliche Integrität und in seine Bereit-
schaft zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Dienstleistungspflicht zu erschüt-
tern. Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten können durch sein
Verhalten schon dann Schaden nehmen, wenn dieses Zweifel an seiner Zuver-
lässigkeit weckt oder seine Eignung für die jeweilige Verwendung in Frage stellt
(vgl. Urteil vom 2. April 1974 a.a.O.). Dieses ist jedenfalls bei unerlaubtem
Fernbleiben vom Dienst der Fall (vgl. Urteile vom 27. Oktober 1976 - BVerwG
2 WD 41.76 - BVerwGE 53, 201 <203>, vom 29. Oktober 2003 a.a.O. und vom
26. Januar 2006 a.a.O.).
c) Bemessung der Disziplinarmaßnahme
Die von der Truppendienstkammer verhängte Dispziplinarmaßnahme einer
Aberkennung des Ruhegehalts nach § 58 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 3 und
§ 67 Abs. 1 Satz 1 WDO ist angemessen und geboten. Bei Art und Maß der
Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart
und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der
Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des
früheren Soldaten zu berücksichtigen.
aa) Das Dienstvergehen des früheren Soldaten wiegt sehr schwer. Das Gewicht
seines von Anschuldigungspunkt 2 erfassten Fehlverhaltens ergibt sich, soweit
er sich jeweils wegen „eigenmächtiger Abwesenheit“ strafbar machte, bereits
aus dem kriminellen Unrechtsgehalt dieser Straftaten. Dies gilt auch für das von
Anschuldigungspunkt 1 erfasste Fehlverhalten. Aber auch soweit das unerlaub-
te Fernbleiben von der Fachausbildung bzw. vom Dienst keinen Straftatbestand
erfüllte, stellt es dienst- und disziplinarrechtlich ein sehr schwerwiegendes
Dienstvergehen dar.
Mit einem unerlaubten Fernbleiben von der Truppe versagt ein Soldat
- gleichgültig, ob es strafrechtlich als Fahnenflucht (§ 16 WStG) oder als eigen-
mächtige Abwesenheit (§ 15 WStG) zu beurteilen ist oder keinen Straftatbe-
stand erfüllt - im Kernbereich seiner Dienstpflichten. Gerade bei einem aufgrund
freiwilliger Verpflichtung berufenen Soldaten gehören Anwesenheit und Dienst-
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- 26 -
leistung zu den zentralen Dienstpflichten. Die Bundeswehr kann die ihr oblie-
genden Aufgaben nur dann hinreichend erfüllen, wenn nicht nur das innere Ge-
füge der Streitkräfte so gestaltet ist, dass sie ihren militärischen Aufgaben ge-
wachsen ist, sondern auch ihre Angehörigen im erforderlichen Maße jederzeit
präsent und einsatzbereit sind. Der Dienstherr muss sich darauf verlassen kön-
nen, dass jeder Soldat seinen Pflichten zur Verwirklichung des Verfassungsauf-
trages der Bundeswehr nachkommt und alles unterlässt, was dessen konkreter
Wahrnehmung zuwiderläuft (Urteile vom 31. Juli 1996 - BVerwG 2 WD 21.96 -
BVerwGE 103, 361 = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 9 = NZWehrr 1997, 117
m.w.N. und vom 2. Juli 2003 - BVerwG 2 WD 47.02 - Buchholz 235.01 § 38
WDO 2002 Nr. 8 = NZWehrr 2004, 80). Dazu gehören die Pflichten zur Anwe-
senheit und gewissenhaften Dienstleistung (stRspr, vgl. zuletzt Urteil vom
26. Januar 2006 a.a.O.).
Der erkennende Senat hat daher in ständiger Rechtsprechung, was die Einstu-
fung des Dienstvergehens eines unerlaubten, eigenmächtigen Fernbleibens
eines Soldaten von der Truppe angeht, bei kürzerer eigenmächtiger Abwesen-
heit regelmäßig auf die Dienstgradherabsetzung, unter Umständen bis in einen
Mannschaftsdienstgrad, sowie bei Fahnenflucht, längerdauernder oder wieder-
holter eigenmächtiger Abwesenheit regelmäßig auf Entfernung aus dem
Dienstverhältnis erkannt (vgl. Urteile vom 28. April 1978 - BVerwG 2 WD 6.78 -
BVerwGE 63, 66, vom 6. März 1990 - BVerwG 2 WD 36.89 - BVerwGE 86,
258 , vom 24. Oktober 1990 - BVerwG 2 WD 11.90 - und vom 29. Oktober
2003 a.a.O.).
Der Senat hat allerdings das Unterlassen der Rückkehr zur Truppe nach Ab-
bruch oder Unterbrechung einer Fachausbildung stets milder beurteilt als die
eigenmächtige Abwesenheit eines aktiven Soldaten. Ein Soldat, der sich - meist
schon längere Zeit - in der Fachausbildung befindet, ist nicht mehr im gleichen
Maße in die militärische Organisation eingegliedert. Bei dem Entschluss, nach
Abbruch der Fachausbildung der Truppe fernzubleiben, ist daher eine weit ge-
ringere Hemmschwelle zu überwinden als bei demjenigen Soldaten, der sich
aus dem Dienst in der militärischen Gemeinschaft löst. Auch die dienstlichen
Folgen der Abwesenheit sind in beiden Fällen nicht identisch. Das eigenmächti-
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ge Fernbleiben eines Soldaten, der seinen Dienst in einer militärischen Einheit
verrichtet, bringt Unruhe in die Truppe, gefährdet die Disziplin und schafft unter
Umständen sogar Anreiz zur Nachahmung, während ein Unterlassen der Rück-
kehr im Rahmen der Fachausbildung bei der Mehrzahl der Angehörigen der
Einheit mitunter zunächst unbemerkt bleibt und den Dienstbetrieb nicht unmit-
telbar gefährdet oder belastet. Der Dienstposten eines zur Fachausbildung vom
Dienst freigestellten Soldaten ist ohnehin in der Zwischenzeit in der Regel an-
derweitig wieder besetzt worden; und selbst wenn dies noch nicht geschehen
sein sollte, kann der zurückgekehrte Soldat nicht in der gleichen Weise wie ein
anderer Soldat wieder für den regulären Dienst eingeplant werden, weil er zu-
meist die weitere Bewilligung von berufsfördernden Maßnahmen beanspruchen
wird. Der Nachteil, der der Truppe dadurch entsteht, dass ein Soldat im Rah-
men oder nach seiner Fachausbildung nicht zur Truppe zurückkehrt, ist mithin
geringer als derjenige, der in der Truppe durch das eigenmächtige Fernbleiben
eines in der aktiven Dienstleistung in der militärischen Einheit stehenden Solda-
ten eintritt. Aus diesen Gründen hat es der Senat in solchen Fällen in der Regel
bei der nächstniedrigeren disziplinargerichtlichen Maßnahme bewenden lassen
(vgl. dazu Urteile vom 29. Januar 1988 - BVerwG 2 WD 61.87 - m.w.N., vom
6. März 1990 a.a.O. und vom 26. Januar 2006 - BVerwG 2 WD 2.05 - Buchholz
449 § 7 SG Nr. 50).
bb) Die Auswirkungen des Fehlverhaltens des früheren Soldaten sind dadurch
gekennzeichnet, dass er trotz seines unentschuldigten Fernbleibens von der
Fachausbildung und damit vom Dienst weiterhin Gehaltszahlungen seines
Dienstherrn - ohne jede Gegenleistung - in Anspruch nahm und damit in dieser
Form öffentliche Mittel aus eigenem Entschluss gleichsam zweckentfremdete.
Er machte zudem personalwirtschaftliche Maßnahmen insoweit erforderlich, als
seine Zuweisung zur Fachausbildung an die Stiftung ...-Schule aufgehoben
werden musste. Auch das Bekanntwerden der Verfehlungen des Soldaten bei
der ...-Schule, der Polizei und den sonstigen mit der Strafverfolgung und Durch-
führung des Strafverfahrens befassten Organen außerhalb der Bundeswehr ist
zu Lasten des Soldaten zu berücksichtigen (vgl. Urteile vom 13. März 2003
- BVerwG 1 WD 2.03 - Buchholz 235.01 § 84 WDO 2002 Nr. 2 = NZWehrr
2003, 170 m.w.N. und vom 6. Mai 2003
52
- 28 -
- BVerwG 2 WD 29.02 - BVerwGE 118, 161 = Buchholz 235.01 § 107 WDO
2002 Nr. 1 = NZWehrr 2004, 31 ), da der Vorfall
bei Außenstehenden ein schlechtes Licht auf den Ruf der Bundeswehr und ih-
rer Angehörigen warf, in deren Reihen sich der frühere Soldat damals befand.
Letzteres gilt auch für sein von Anschuldigungspunkt 1 erfasstes außerdienstli-
ches Fehlverhalten.
cc) Für das Maß der Schuld des früheren Soldaten fällt die vorsätzliche Bege-
hensweise entscheidend ins Gewicht. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass
er im Sinne des § 20 StGB schuldunfähig war, sind nicht ersichtlich. Gleiches
gilt hinsichtlich der - fehlenden - tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 21
StGB (analog). Der frühere Soldat hat im Berufungsschriftsatz zwar vortragen
lassen, er habe „Zeitgitter- und Erinnerungsstörungen“; diese ließen die „Mög-
lichkeit zu“, dass er im jeweiligen Tatzeitraum „eigentlich im wahrsten Sinne
handlungsunfähig bzw. unfähig war, seine Schuld und die Pflichtwidrigkeit zu
erkennen und damit einzusehen.“ Er hat jedoch in der Berufungshauptverhand-
lung auf Befragen ausdrücklich eingeräumt und glaubhaft bestätigt, dass ihm
- hinsichtlich der von Anschuldigungspunkt 2 erfassten Vorgänge - damals sei-
ne rechtliche Verpflichtung sehr wohl bewusst gewesen sei, im Falle seines
Nichterscheinens zur Fachausbildung bzw. zum Dienst die notwendigen Ent-
schuldigungen unverzüglich vorlegen zu müssen. Er habe es aber einfach nicht
getan. Er sei während seiner langen Dienstzeit immer ein pflichtbewusster Sol-
dat gewesen. Seit einigen Jahren habe er aber aufgrund mehrfach erlebter un-
gerechter Behandlungen, die er durch seine Vorgesetzten erfahren habe, „in-
nerlich mit der Bundeswehr abgeschlossen“ gehabt. Konkrete Anhaltspunkte für
eine psychische oder geistige Erkrankung oder eine sonstige schwerwiegende
seelische Störung im Sinne von §§ 20, 21 StGB hat der - anwaltlich vertretene -
frühere Soldat nicht vorgetragen. Sie sind auch sonst nicht erkennbar gewor-
den. Nach seinen Angaben war er auch im Anschluss an die hier in Rede ste-
henden Fehlzeiten mit Erfolg darum bemüht, seine Ausbildung zum Speditions-
kaufmann bei einer anderen Einrichtung fortzusetzen. Nach Überprüfung der
Sach- und Rechtslage durch die zuständigen Stellen erhielt er dafür nach sei-
nem unwiderlegten Vorbringen auch weiterhin Leistungen des Dienstherrn im
Rahmen der Berufsförderung, ohne dass dabei konkrete Anhaltspunkte für eine
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schwere seelische oder geistige Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB offenbar
geworden wären. Er befand sich nach seinen Angaben auch zu keinem Zeit-
punkt wegen seines seelischen oder geistigen Zustandes in ärztlicher Behand-
lung. Dafür sah und sieht er keine Notwendigkeit.
Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die die Schuld des früheren Sol-
daten mindern würden, sind nicht ersichtlich. Sie wären nach der ständigen
Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. Urteile vom 18. Juni 1996 - BVerwG
2 WD 10.96 - BVerwGE 103, 343 <347> = Buchholz 235.0 § 34 WDO Nr. 15,
vom 1. Juli 2003 - BVerwG 2 WD 51.02 - und vom 13. Juni 2006 - BVerwG
2 WD 1.06 -) nur dann gegeben, wenn die Situation, in der der Soldat versagt
hat, von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet war, dass ein
an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher
auch nicht vorausgesetzt werden konnte. Dazu hat der Senat in seiner gefestig-
ten Rechtsprechung verschiedene - nicht abschließende - Fallgruppen entwi-
ckelt, deren Voraussetzungen vorliegend ausnahmslos nicht erfüllt sind. Als
solche Besonderheiten sind z.B. ein Handeln in einer ausweglos erscheinen-
den, unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage, die auf andere Weise nicht zu
beheben war, ein Handeln unter schockartig ausgelöstem psychischem Zwang
oder unter Umständen anerkannt worden, die es als unbedachte, im Grunde
persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst
bewährten Soldaten erscheinen lassen, sowie ein Handeln in einer körperlichen
oder psychischen Ausnahmesituation (stRspr, vgl. u.a. Urteile vom 1. Sep-
tember 1997 - BVerwG 2 WD 13.97 - BVerwGE 113, 128 <129 f.> = Buchholz
236.1 § 7 SG Nr. 16 = NZWehrr 1998, 83 , vom
16. Oktober 2002 - BVerwG 2 WD 23.01, 32.02 -, BVerwGE 117, 117 <124>
= Buchholz 236.1 § 13 SG Nr. 1, vom 24. November 2005 - BVerwG 2 WD
32.04 - NZWehrr 2006, 127 und vom 24. April
2007 - BVerwG 2 WD 9.06 - DÖV 2007, 973 ).
Die in der Rechtsprechung des Senats anerkannten Milderungsgründe eines
Handelns unter schockartig ausgelöstem psychischen Zwang oder eines Han-
delns in einer ausweglos erscheinenden unverschuldeten wirtschaftlichen Not-
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lage, die auf andere Weise nicht zu beheben war, sind nicht erkennbar. Gegen-
teiliges macht auch der frühere Soldat nicht geltend.
Ebenso wenig ist ersichtlich, dass das Fehlverhalten des früheren Soldaten un-
ter Umständen erfolgte, die es als unbedachte, im Grunde persönlichkeitsfrem-
de Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Solda-
ten erscheinen lassen. Denn der frühere Soldat ist bereits vor seinen hier in
Rede stehenden schuldhaften Pflichtverletzungen in einer Vielzahl von Fällen
straf- und disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten. Er war alles andere als
ein tadelfreier und im Dienst bewährter Soldat.
Konkrete Anhaltspunkte für ein Handeln in einer körperlichen oder seelischen
Ausnahmesituation sind von dem - anwaltlich vertretenen - früheren Soldaten
weder vorgetragen worden noch sonst erkennbar. Allein der Umstand, dass er
nach seinem Vorbringen damals gesundheitliche Probleme hatte und sich we-
gen Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule sowie wegen einer Zahn- und
Kiefererkrankung nach seinen Angaben in ärztliche Behandlung begab, be-
gründet noch keine körperliche oder seelische Ausnahmesituation im dargeleg-
ten Sinne.
Dass das Fehlverhalten des früheren Soldaten aus einer außergewöhnlichen
situationsgebundenen Erschwernis bei der Erfüllung eines dienstlichen Auftra-
ges resultierte (vgl. dazu u.a. Urteil vom 6. Mai 2003 - BVerwG 2 WD 29.02 -
BVerwGE 118, 161 = Buchholz 235.01 § 107 WDO 2002 Nr. 1 = NZWehrr
2004, 31 ), ist ebenfalls nicht ersichtlich.
Gleichfalls fehlt es an jedem konkreten Anhaltspunkt für ein den früheren Solda-
ten teilweise entlastendes Mitverschulden von Vorgesetzten, etwa im Hinblick
auf eine nicht hinreichende Wahrnehmung der Dienstaufsicht (vgl. dazu u.a.
Urteile vom 17. Oktober 2002 - BVerwG 2 WD 14.02 - Buchholz 236.1 § 12 SG
Nr. 19 = NZWehrr 2003, 127 und vom 6. Mai 2003 a.a.O.).
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Auch im Übrigen ist nicht erkennbar, dass die Situation in der der Soldat ver-
sagt hat, von außergewöhnlichen Besonderheiten der dargelegten Art gekenn-
zeichnet war.
dd) Die Beweggründe für das Fehlverhalten des früheren Soldaten sind aus-
weislich seiner Bekundungen in der Berufungshauptverhandlung auch ihm letzt-
lich nicht hinreichend klar. Seine von Anschuldigungspunkt 2 erfassten schwer-
wiegenden Pflichtverletzungen resultierten offenkundig aus seiner damals feh-
lenden hinreichenden Motivation zur Erfüllung seiner dienstlichen Pflichten und
seiner subjektiven Enttäuschung über „die Bundeswehr“ angesichts von ihm so
wahrgenommener ungerechter Behandlungen durch einzelne Vorgesetzte. Sein
von Anschuldigungspunkt 1 erfasstes kriminelles Verhalten im Straßenverkehr
offenbarte seine - auch zuvor - wiederholt gezeigte Bereitschaft, ein Kraftfahr-
zeug ungeachtet einer nicht vorhandenen Fahrerlaubnis zu nutzen.
ee) Die während seiner Dienstzeit von ihm erbrachten dienstlichen Leistungen
lagen ausweislich der vom Senat an Hand der bei den Akten befindlichen und in
die Berufungshauptverhandlung eingeführten dienstlichen Beurteilungen über-
wiegend im unteren Bewertungsbereich. Sie fallen schon deshalb nicht zu sei-
nen Gunsten ins Gewicht. Das dienstliche und außerdienstliche Verhalten des
früheren Soldaten ist zudem dadurch geprägt, dass er seit Jahren in einer Viel-
zahl von Fällen straf- und disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten ist. Dies
offenbart, dass er schon vor seinem hier in Rede stehenden Fehlverhalten über
Jahre hinweg offenkundig nicht bereit war, sich straffrei zu verhalten und seine
Dienstpflichten ordnungsgemäß zu erfüllen. Seine Persönlichkeit ist nach dem
vom Senat in der Berufungshauptverhandlung von ihm gewonnenen persönli-
chen Eindruck augenscheinlich dadurch gekennzeichnet, dass er erlittene Ent-
täuschungen und ihn bedrängende Probleme im dienstlichen und außerdienstli-
chen Bereich nicht in hinreichendem Maße kritisch auf ihre jeweiligen Ursachen
hin analysiert und sich hierauf einzustellen versucht, sondern dass er stattdes-
sen vor allem darum bemüht ist, diese vorschnell und leichtfertig dem Fehlver-
halten anderer zuzuschreiben. Zu einem selbstkritischen Aufarbeiten eigener
Schwächen und Defizite zeigt er bis heute wenig Bereitschaft.
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ff) Bei Würdigung aller für und gegen den früheren Soldaten sprechenden Um-
stände kommt als angemessene Disziplinarmaßnahme im vorliegenden Falle
nur die Verhängung der Höchstmaßnahme, mithin gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2
i.V.m. Satz 1 Nr. 3 WDO die Aberkennung des Ruhegehalts in Betracht.
Welche gerichtliche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall verhängt werden darf,
bestimmt sich nicht nach dem Zeitpunkt der Tat, sondern nach der Rechtsstel-
lung, die der betreffende Soldat im Zeitpunkt der Verurteilung hat (vgl. Urteil
vom 7. Juli 1965 - BDH 2 WD 2.65 -, NZWehrr 1967, 169; Dau, WDO, 4. Aufl.
2002, § 58 Rn. 2b). Dies ergibt sich vor allem aus der Systematik und dem Re-
gelungszusammenhang des § 58 WDO, der als zentrale Vorschrift für alle ge-
richtlichen Disziplinarmaßnahmen ausgestaltet ist. Die Zulässigkeit der vom
Gericht vorzunehmenden Verhängung einer bestimmten Disziplinarmaßnahme
wird in § 58 WDO ausdrücklich jeweils davon abhängig gemacht, welcher Sta-
tusgruppe der betreffende Soldat angehört. Maßgeblich ist dabei der Zeitpunkt
der Anwendung des § 58 WDO durch das Wehrdienstgericht.
Frühere Soldaten, die einen Anspruch auf Dienstzeitversorgung (oder Berufs-
förderung) haben, gelten bis zur Beendigung der Gewährung dieser Leistungen
gemäß § 1 Abs. 3 WDO als Soldaten im Ruhestand (Satz 1). Die Leistungen,
die sie erhalten, gelten als Ruhegehalt (Satz 2). Um im Sinne von § 1 Abs. 3
WDO als Soldat im Ruhestand zu gelten, muss ein Anspruch auf Dienstzeitver-
sorgung (oder Berufsförderung) noch bestehen. Dies ist auch dann der Fall,
wenn - wie im vorliegenden Fall - zwar die Zahlung der monatlichen Über-
gangsgebührnisse (§ 11 SVG) bis zum Dienstzeitende vollständig erfolgt, die
Übergangsbeihilfe aber noch nicht ausgezahlt worden ist, der diesbezügliche
Anspruch mithin also noch nicht erloschen ist. Auch derjenige, dem die Über-
gangsbeihilfe (§§ 12, 13 SVG) gemäß § 82 Abs. 2 WDO teilweise einbehalten
worden ist, hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung im gerichtlichen
Disziplinarverfahren insoweit noch einen (Rest-)Anspruch auf Dienstzeitversor-
gung und gilt mithin als Soldat im Ruhestand im Sinne von § 1 Abs. 3 WDO. Da
der frühere Soldat gleichzeitig Angehöriger der Reserve ist, kommen gemäß
§ 58 Abs. 2 Satz 2 WDO die in § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 WDO bestimmten
gerichtlichen Disziplinarmaßnahmen in Betracht. Eine Kürzung des Ruhege-
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halts (bzw. der Übergangsbeihilfe) oder eine Dienstgradherabsetzung, wie sie
der frühere Soldat angeregt hat, scheiden im vorliegenden Fall jedoch aus.
Auch bei unerlaubtem Fernbleiben vom Dienst bestimmt sich die angemessene
gerichtliche Disziplinarmaßnahme nach dem Zweck des Wehrdisziplinarrechts,
nämlich aus spezial- und generalpräventiven Gründen durch die im Gesetz vor-
gesehene Maßnahme einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb aufrechtzuerhal-
ten oder wiederherzustellen.
Die Verhängung der Höchstmaßnahme ist geboten, wenn der betreffende Sol-
dat mit seinem Fehlverhalten das in ihn gesetzte Vertrauen des Dienstherrn so
schwerwiegend und nachhaltig zerstört hat, dass diesem bei der gebotenen
objektiven Betrachtungsweise eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht
mehr zugemutet werden kann (stRspr, vgl. u.a Urteil vom 9. März 1995
- BVerwG 2 WD 1.95 - BVerwGE 103, 217 = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 2 =
NZWehrr 1995, 161 m.w.N., vom 19. Juli 1995
- BVerwG 2 WD 9.95 - BVerwGE 103, 265 = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 4 =
NZWehrr 1996, 164, vom 7. Mai 1998 BVerwG 2 WD 29.97 - Buchholz 236.1
§ 7 SG Nr. 20 = NZWehrr 1998, 252 und vom 6. Mai 2003 a.a.O.). Die Beant-
wortung der Frage nach der erforderlichen fortbestehenden Vertrauenswürdig-
keit eines Soldaten ist dabei ausschließlich an von den Disziplinargerichten
festzustellende objektive Bewertungsmerkmale gebunden und hängt nicht ent-
scheidend von den - manchmal rein pragmatischen - Erwägungen und Ent-
scheidungen der jeweiligen Einleitungsbehörde oder der Einschätzung der un-
mittelbaren oder früheren Vorgesetzten ab. Ob das Vertrauen in die Zuverläs-
sigkeit und persönliche Integrität des betroffenen Soldaten erschüttert oder gar
zerstört ist, ist nach einem objektiven Maßstab, also aus der Perspektive eines
objektiv und vorurteilsfrei den Sachverhalt betrachtenden Dritten zu prüfen und
zu bewerten (Urteil vom 6. Mai 2003 - BVerwG 2 WD 29.02 - BVerwGE 118,
161 = Buchholz 235.01 § 107 WDO 2002 Nr. 1 = NZWehrr 2004, 31).
Die Höchstmaßnahme der Aberkennung des Ruhegehalts in Gestalt der
Dienstzeitversorgung ist vorliegend nach diesen Maßstäben unabweisbar. Be-
reits die Eigenart und das Ausmaß der Verletzung der Pflicht zur Dienstleistung
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durch den früheren Soldaten erschütterten und zerstörten bei der gebotenen
objektiven Betrachtung das Vertrauen des Dienstherrn in seine persönliche In-
tegrität unwiederbringlich. Wer unberechtigt trotz mehrfacher Ermahnungen
über Monate hinweg an insgesamt 32 Tagen ohne Entschuldigung nicht zum
Dienst bzw. zur angeordneten Fachausbildung erscheint und darüber hinaus
auch nachträglich solche Entschuldigungen nicht beibringt, gibt zu erkennen,
dass er sein Interesse an einer ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Dienstleis-
tungspflicht gänzlich verloren hat. Der frühere Soldat hatte - wie er in der Beru-
fungshauptverhandlung mehrfach zum Ausdruck gebracht hat - bereits seit Jah-
ren „mit der Bundeswehr abgeschlossen“. Auf ihn war (und ist) damit für den
Dienstherrn kein Verlass mehr. Diesen gravierenden Vertrauensverlust hat der
frühere Soldat auch in der Folgezeit nicht auszugleichen vermocht. Dabei fällt
erschwerend ins Gewicht, dass er zum Tatzeitpunkt aufgrund seines Dienstgra-
des als Feldwebel eine Vorgesetztenstellung innehatte. Eine Fortsetzung des
Dienstverhältnisses war dem Dienstherrn angesichts dessen nicht mehr zumut-
bar.
Auch der Umstand, dass sich das unentschuldigte, teilweise nach § 15 WStG
strafbare Fernbleiben vom Dienst nicht während der Verwendung des früheren
Soldaten in einer militärischen Einheit, sondern während der angeordneten
Fachausbildung im Rahmen der Berufsförderung ereignete, gibt vorliegend zu
einer milderen Beurteilung keine Veranlassung. Gegen eine solche Milderung
spricht vor allem, dass der frühere Soldat bereits zuvor zweimal jeweils wegen
eines Dienstvergehens zu einer gerichtlichen Disziplinarmaßnahme (jeweils
Herabsetzung in den Dienstgrad eines Feldwebels) verurteilt worden war. In der
letzten Verurteilung durch das Truppendienstgericht Nord (Urteil vom 16. Juli
2003 - N 3 VL 18.03 -), die nur wenige Monate vor seinem von Anschuldi-
gungspunkt 2 erfassten erneuten Fehlverhalten erfolgte, wurde er ausweislich
der Urteilsgründe unmissverständlich über die Folgen etwaiger weiterer Dienst-
pflichtverletzungen hingewiesen („Der Soldat sollte sich aber bewusst sein,
dass er bei weiterem Fehlverhalten zwangsläufig nicht nur einen Dienstgrad
einbüßen muss, sondern mit einer wesentlich empfindlicheren Maßnahme zu
rechnen hat.“). Auch diese deutliche Pflichtenmahnung reichte offenkundig nicht
aus, um ihn hinreichend zur künftigen Erfüllung seiner Dienstpflichten anzuhal-
69
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ten. Zu seinen Lasten fallen auch seine sonstigen zahlreichen strafrechtlichen
und disziplinaren Vorverfehlungen sowie der Umstand ins Gewicht, dass Milde-
rungsgründe in den Umständen der Tat oder in seiner Person nicht vorliegen.
Hinzu kommt, dass von einer hinreichenden Einsicht und Aufarbeitung seines
Fehlverhaltens bei dem früheren Soldaten bis heute sehr wenig zu erkennen ist.
Dies haben seine Einlassungen in der Berufungshauptverhandlung unzweideu-
tig offenbart. Nach wie vor ist er primär darum bemüht, sein Verhalten zu baga-
tellisieren und die Verantwortlichkeit dafür anderen zuzuweisen. Auf Befragen
durch seinen Verteidiger hat er sich sogar als Opfer eines - nicht näher konkre-
tisierten - „Komplotts“ von Ärzten, Vorgesetzten oder anderen nicht näher be-
zeichneten Personen bezeichnet, ohne dafür irgendeinen konkreten Anhalts-
punkt angeben zu können.
Angesichts seines besonders gravierenden Dienstvergehens und dieser beson-
deren Umstände ist im Hinblick auf die Ordnungsfunktion des Disziplinarrechts
und aus generalpräventiven Gründen die Verhängung der Höchstmaßnahme
unabweisbar. Dadurch wird unmissverständlich deutlich gemacht, dass solch
schwerwiegende schuldhafte Pflichtverletzungen (eines langjährigen Soldaten
auf Zeit) nicht hingenommen werden können, soll ein ordnungsgemäßer
Dienstbetrieb auch während der Zeit der Berufsförderung gewährleistet werden.
Jeder Eindruck einer Bagatellisierung seines Fehlverhaltens muss vermieden
werden.
Die damit für den früheren Soldaten verbundenen finanziellen Nachteile sind für
ihn angesichts seiner von ihm geltend gemachten wirtschaftlichen Situation of-
fenkundig schwerwiegend. Sie sind jedoch die vom Gesetz vorgesehene Folge
seines schuldhaften Fehlverhaltens und vermögen ihn nicht zu entlasten.
4. Da die Berufung des früheren Soldaten keinen Erfolg hat, hat er gemäß
§ 139 Abs.2 WDO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die ihm er-
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wachsenen notwendigen Auslagen ganz oder teilweise dem Bund aufzuerle-
gen, ist gemäß § 140 Abs. 5 Satz 2 WDO unzulässig.
Golze Prof. Dr. Widmaier Dr. Deiseroth