Urteil des BVerwG vom 22.01.2008

Soldat, Karte, Druck, Überzeugung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 2 WD 26.06
TDG S 2 (neu) VL 1/06
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren
g e g e n
Herrn Stabsunteroffizier ... S.,
...,
...,
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentli-
chen Hauptverhandlung am 22. Januar 2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
ehrenamtlicher Richter Oberfeldarzt Brumm und
ehrenamtlicher Richter Stabsunteroffizier Willhauk,
Leitender Regierungsdirektor ...
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwältin ...,
als Verteidigerin,
Geschäftsstellenverwalterin ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 2 -
Auf die Berufung des Soldaten wird das Urteil der 2.
Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 10. Oktober
2006 im Ausspruch über die Disziplinarmaßnahme geän-
dert.
Gegen den Soldaten wird ein Beförderungsverbot für die
Dauer von einem Jahr verhängt.
Die Kosten des Berufungsverfahrens und die dem Solda-
ten erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem
Bund auferlegt.
G r ü n d e :
I
Der 28 Jahre alte Soldat wurde ... 2001 zur Ableistung seines Grundwehrdiens-
tes zur ...bataillon ... in K. einberufen. Aufgrund seiner Bewerbung und Ver-
pflichtungserklärung vom 21. Dezember 2001 wurde er am 2. Januar 2002 in
das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Seine Dienstzeit wurde
zuletzt auf acht Jahre festgesetzt. Sie endet mit Ablauf des 28. Februar 2009.
Der Soldat wurde regelmäßig befördert, zuletzt am 28. August 2006 zum
Stabsunteroffizier. Nach seinem Grundwehrdienst wurde der Soldat zum
1. Oktober 2003 zur ...bataillon ... in K. als Nachschubunteroffizier versetzt. In
der Zeit vom 3. bis 27. Februar 2004 nahm er am Unteroffizierlehrgang „Fach-
dienst Nachschub-Truppe“ an der ...schule ... in O. teil, den er mit der Ab-
schlussnote „gut“ bestand. Zum 1. Oktober 2005 wurde der Soldat zur
...bataillon ... in K. als Nachschubunteroffizier und Kraftfahrer CE versetzt.
Eine planmäßige Beurteilung liegt bisher nicht vor. In dem Beurteilungsvermerk
des Inspektionschefs der ...gruppe ... Inspektion der ...schule ... vom
25. Februar 2004 wird ausgeführt:
„HG S. ist ein ruhiger und besonnener Soldat, der erteilte
Aufgaben zur Zufriedenheit seiner Vorgesetzten angeht
und ausführt. Seine Lehrprobe war sorgfältig vorbereitet
und in der Durchführung konnte er ein gutes Ergebnis er-
zielen. Während der Abschlussübung war S. auffallend
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motiviert und verstand, dies auf seine Kameraden zu über-
tragen. Ihm erteile Aufträge erledigte er gewissenhaft.
Physisch und psychisch ist HGUA S. belastbar. Er zeigte
sich einsatz- und leistungsbereit und war in der Lage, im
Team zu arbeiten. Unter Anleitung eines erfahrenen Vor-
gesetzten kann er als Gruppenführer in der AGA einge-
setzt werden.“
In der Sonderbeurteilung vom 9. Januar 2007 durch Hauptmann H., den Kom-
paniechef der ...bataillon ..., erhielt der Soldat bei den Einzelmerkmalen fünfmal
die Wertung „4“ und sechsmal die Wertung „3“. In der „Freien Beschreibung“
wird über den Soldaten ausgeführt:
„Stabsunteroffizier S. ist ein ruhiger, teilweise verschlos-
sen wirkender Unteroffizier. Es fällt ihm schwer, sich zu
öffnen und aus sich herauszugehen. Stabsunteroffizier S.
ist häufig in sich gekehrt, ordnet sich in die militärische
Gemeinschaft zwar ein und auch unter, zeigt aber wenig
Initiative und übernimmt kaum Verantwortung.
Stabsunteroffizier S. ist bei seinen Kameraden akzeptiert.
Stabsunteroffizier S. ist deutlich auf dem Weg der Besse-
rung, zeigt gute Ansätze und entwickelt sich zu einem ver-
lässlichen Unteroffizier. Er braucht aber noch Zeit und
Führung.
Er verfügt über durchschnittliche geistige Anlagen.“
Der nächsthöhere Vorgesetzte stimmte der Beurteilung zu und bestätigte das
vom Kompaniechef beschriebene Leistungsbild.
Vor dem Truppendienstgericht sagte Hauptmann B., ehemaliger Disziplinarvor-
gesetzter des Soldaten, als Leumundszeuge aus, der Soldat habe im dienstli-
chen Bereich immer ordentliche Leistungen erbracht und sei zuverlässig gewe-
sen.
Der Soldat ist seit 3. Dezember 2001 Träger der Schützenschnur in Bronze, seit
12. Dezember 2001 des Leistungsabzeichens in Bronze, seit 30. Dezember
2002 der Einsatzmedaille der Bundeswehr (KFOR) und seit 15. Mai 2003 der
Einsatzmedaille der NATO (KFOR).
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Disziplinar ist der Soldat ausweislich des Disziplinarbuchauszugs vom 4. De-
zember 2006 bislang dreimal in Erscheinung getreten:
Er erhielt am 19. Oktober 2004 eine Disziplinarbuße in Höhe von 200 € wegen
Fernbleibens von der Ausbildung. Des Weiteren erhielt er am 20. Dezember
2004 eine Disziplinarbuße in Höhe von 400 € wegen Fernbleibens von der Aus-
bildung sowie am 22. November 2005 eine Disziplinarbuße in Höhe von 800 €
wegen wiederholten verspäteten Dienstantritts.
Außer der Eintragung des sachgleichen Strafbefehls des Amtsgerichts H. ent-
hält der Zentralregisterauszug vom 19. Juli 2007 eine Verurteilung durch das
Amtsgericht P. vom 31. Januar 2001 zu 20 Tagessätzen zu je 40 DM wegen
Einfuhr explosionsgefährlicher Stoffe ohne Nachweis der Berechtigung zum
Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen.
Der Soldat lebt getrennt von seiner Ehefrau und hat eine Tochter von drei Jah-
ren. Mit seiner jetzigen Lebenspartnerin hat er eine Tochter von vier Monaten.
Nach Auskunft der Wehrbereichsverwaltung Süd - Gebührniswesen - vom
11. Dezember 2006 erhält er monatliche Dienstbezüge in Höhe von 1 867,62 €
brutto und 1 814,96 € netto. Der Soldat hat jedoch vor dem Senat angegeben,
die Bezüge seien eingestellt worden, nachdem er einen Antrag auf Elternzeit
gestellt habe. Der Unterhalt für seine ältere Tochter belaufe sich auf 204 €. Der
Soldat hat nach seinen Angaben Kreditschulden in Höhe von insgesamt ca.
37 000 €, die er in monatlichen Raten zu 435 € zurückzahlt. Die Kreditschulden
entstanden u.a. durch den infolge der Trennung von seiner Ehefrau erfolgten
Kauf einer neuen Wohnungseinrichtung, durch Gerichts- und Anwaltskosten
sowie den Kauf eines Autos.
II
Durch Strafbefehl des Amtsgerichts H. vom 10. November 2004 - 3 Cs 31 Js
16773/04 -, rechtskräftig seit 14. März 2005, wurde gegen den Soldaten wegen
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Betruges gemäß § 263 Abs. 1 und 4, § 248a StGB eine Geldstrafe in Höhe von
20 Tagessätzen zu je 35 € verhängt.
In dem mit Verfügung des Befehlshabers des Wehrbereichskommandos IV vom
20. September 2005 ordnungsgemäß eingeleiteten sachgleichen gerichtlichen
Disziplinarverfahren fand die 2. Kammer des Truppendienstgerichts Süd, aus-
gehend von der Anschuldigungsschrift vom 7. Juli 2006, den Soldaten am
10. Oktober 2006 eines Dienstvergehens schuldig und verhängte gegen ihn ein
Beförderungsverbot für die Dauer von 15 Monaten verbunden mit einer Ge-
haltskürzung in Höhe von einem Zwanzigstel für die Dauer von 24 Monaten.
Die Truppendienstkammer hat folgende tatsächlichen Feststellungen getroffen:
„Vom 4.05.2004 bis 27.01.2006 war der Soldat zur Ausbil-
dung zur ...stelle nach T. kommandiert.
Am 24.09.2004 fuhr er übers Wochenende nach Hause.
Als Beifahrer nahm er seinen Kameraden, den Zeugen K.
bis M. mit. Dieser gab ihm als Benzingeld zu Beginn der
Fahrt 25 €. Kurz vor L. tankte der Soldat für diese 25 € ca.
20 l Superbenzin. Im weiteren Verlauf der Fahrt fuhr der
Soldat an der Raststätte F. nochmals zur Tankstelle und
tankte für 20 €. Anschließend ging er in den Kassenraum,
zahlte jedoch entsprechend seiner vorgefassten Absicht
nicht, sondern ging zurück zum Fahrzeug und fuhr weiter.
Der Soldat ließ sich in der Hauptverhandlung dahingehend
ein, er sei nach dem Tanken zur Toilette gegangen. An-
schließend habe er einen Anruf seiner Frau bekommen.
Nach dem Anruf sei er wahrscheinlich so abgelenkt gewe-
sen, dass er beim Bezahlen des Getränks vergessen ha-
be, dem Kassierer die Nummer der Zapfsäule anzugeben.
Die Flasche Cola habe er mit Bargeld bezahlt. Er habe
dann noch 1,50 € im Geldbeutel gehabt. Er sei wieder auf
die Autobahn gefahren. Nach etwa 10 km sei er von einer
Polizeistreife angehalten worden. Diese habe nach der
Tankquittung gefragt. Hier habe er dann gemerkt, dass er
vergessen hätte zu bezahlen. Es sei ihm seitens der Poli-
zei nicht die Möglichkeit gegeben worden, zur Tankstelle
zurückzufahren, um die Tankschuld zu bezahlen. Vielmehr
sei er festgenommen und auf dem Polizeirevier vernom-
men worden. Er sei dann ‚völlig durch den Wind’ gewesen,
da ihm durch die Polizei eine Nacht in Gewahrsam ange-
droht worden sei. Er habe dann zu allem nur noch ja ge-
sagt und alles unterschrieben, was ihm vorgelegt worden
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sei. Er sei unter großem Druck gestanden. Im Strafverfah-
ren habe ihm sein Rechtsanwalt von einem Einspruch ab-
geraten. Die Aussagen der Polizisten würden sich hin-
sichtlich seiner EC-Karte widersprechen. Die Streifenpoli-
zisten hätten festgestellt, dass er seine EC-Karte dabei-
gehabt hätte.
Dieser Einlassung vermochte die Kammer nach dem Er-
gebnis der Beweisaufnahme nicht zu folgen. Die Kammer
ist zur uneingeschränkten Überzeugung gelangt, dass es
sich dabei um Schutzbehauptungen des Soldaten handelt,
die darauf gerichtet sind, sein Fehlverhalten zu verdecken.
Dies ergibt sich insbesondere aus der glaubhaften Aussa-
ge des Zeugen Polizeihauptkommissar S.
Dieser hat ausgesagt, er habe den Soldaten als Beschul-
digten vernommen. Zu Beginn der Vernehmung habe er
den Soldaten ordnungsgemäß belehrt. Die Vernehmung
sei in lockerer Atmosphäre erfolgt. Er habe den Soldaten
in keinster Weise unter Druck gesetzt. Für ein in Gewahr-
sam nehmen über Nacht hätte bei einem Betrug mit Ver-
mögensschaden von 20 € überhaupt kein Anlass und kei-
ne gesetzlichen Voraussetzungen vorgelegen. Der Soldat
habe auch sogleich unumwunden zugegeben, er sei
schon beim Einfahren in die Tankstelle entschlossen ge-
wesen, nicht zu bezahlen. Er habe nämlich kein Bargeld
mehr gehabt. Auf die Frage, weshalb er nicht mit EC-Karte
bezahlt habe, habe er geantwortet, diese habe zur Zeit
seine Ehefrau. Der Zeuge bekundete weiterhin, er habe
erst zum Abschluss der Vernehmung, nachdem also der
Soldat bereits ein Geständnis abgelegt habe, den Solda-
ten auf die Möglichkeit des § 153a StPO hingewiesen. Es
habe also keinesfalls der Eindruck entstehen können, bei
Ablegen eines Geständnisses werde die Möglichkeit des
§ 153a StPO in Aussicht gestellt. Der Soldat sei ruhig und
beherrscht gewesen, keinesfalls habe er einen verwirrten
Eindruck gemacht.
Die Kammer hat in keinster Weise Anlass an der Glaub-
würdigkeit des Zeugen zu zweifeln. Seine Angaben waren
sachlich, bestimmt und widerspruchsfrei. Er hatte ein gu-
tes Erinnerungsvermögen bis hin zu Details und schilderte
den Vorgang ruhig und flüssig. Ein Interesse des Zeugen
am Ausgang des Verfahrens ist nicht ersichtlich. Es han-
delt sich bei dem Zeugen um einen Polizeihauptkommis-
sar mit 35 Jahren polizeilicher Diensterfahrung, der nicht
den geringsten Anlass hatte, wegen eines Vermögensde-
likts mit 20 € Schaden seine berufliche Existenz in Frage
zu stellen, indem er bei der Vernehmung den Soldaten un-
ter Druck gesetzt hätte.
Das Aussageverhalten des Zeugen war auch frei von
sprachlichen oder inhaltlichen Strukturbrüchen, die auf
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unwahre Bekundungen hindeuten könnten. Bei der Be-
antwortung an ihn gestellter Fragen ist er zu keinem Zeit-
punkt ausgewichen oder in bloße Andeutungen oder leere
Redensarten geflüchtet. Einwänden hat er sich gestellt. So
hat er den Einwand des Soldaten bezüglich der in seinem
Kofferraum aufgefundenen Nummernschilder klargestellt,
dass diese Kennzeichen zwar routinemäßig überprüft
worden wären. Nachdem sich diesbezüglich nichts negati-
ves ergeben hätte, seien sie bedeutungslos gewesen.
Entgegen der Behauptung des Soldaten sieht die Kammer
auch keinen Widerspruch in der Aussage des Zeugen S.
bezüglich der EC-Karte des Soldaten.
Zwar behauptet der Soldat, die Streifenpolizisten hätten
festgestellt, dass er seine EC-Karte dabei gehabt hätte,
und deren Behauptung, er hätte gesagt, sie funktioniere
nicht, sei unwahr.
Die Kammer sah jedoch keinen Anlass, die Hauptverhand-
lung zu unterbrechen und die Streifenpolizisten zu laden,
zumal der Soldat zwar zunächst beantragt hatte, diese Po-
lizisten zu laden, diesen Antrag aber kurz darauf wieder
zurückzog. Denn selbst wenn man von der Darstellung
des Soldaten ausgeht, vermochte dies nicht die Überzeu-
gung der Kammer von der Glaubwürdigkeit des Zeugen S.
zu erschüttern. Dieser hat ja nicht behauptet, der Soldat
habe keine EC-Karte dabei gehabt, sondern lediglich aus-
gesagt, auf seine Frage, weshalb der Soldat nicht seine
EC-Karte benutzt habe, habe dieser geantwortet, die EC-
Karte habe zur Zeit seine Ehefrau. Ob der Soldat tatsäch-
lich die EC-Karte dabei hatte, hat der Zeuge S. dann nicht
überprüft. Der Soldat behauptet ja selbst nicht, dass er sie
dem Zeugen gezeigt hätte. Vielmehr ist es unerklärlich,
weshalb der Soldat die EC-Karte nicht vorzeigt, wenn im
Vernehmungsprotokoll aufgenommen wird „Ich besitze ei-
ne EC-Karte, die aber z.Zt. meine Frau hat“. Soweit der
Soldat angibt, er habe keinen Grund gehabt, den Besitz
der EC-Karte zu verneinen, hat er sich dann aber wider-
sprüchlich verhalten. Dies legt wiederum den Gedanken
nahe, dass der Soldat gegenüber den Streifenpolizisten
angab, seine EC-Karte würde nicht funktionieren. Dieses
widersprüchliche Verhalten lässt sich auch nicht dadurch
erklären, weil der Soldat nach seiner Behauptung ‚völlig
durch den Wind’ und unter großem Druck gestanden hät-
te. Der Zeuge S. hat glaubhaft bekundet, der Soldat sei
ruhig gewesen und die Vernehmung sei in lockerer Atmo-
sphäre erfolgt.
Diese Aussage wird auch gestützt durch die Bekundung
des Leumundszeugen, Hauptmann B. Dieser hat den Sol-
daten als äußerst ruhigen Menschen geschildert, der im-
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mer, auch in großen Stresssituationen ausgeglichen sei
und auch unter Druck immer einen kühlen Kopf bewahre.
Auch der Beifahrer des Soldaten, der Zeuge K. hat bestä-
tigt, dass der Soldat, nachdem sie von den Streifenpolizis-
ten angehalten worden waren, die ganze Zeit über völlig
ruhig geblieben war.
Der Zeuge K. hat auch weiter bekundet, dass nach seiner
Erinnerung der Soldat, als er vom Kassenraum der Tank-
stelle zurückkam, kein Getränk dabei hatte.
Gegen die Einlassung des Soldaten spricht auch noch
Folgendes: Der Zeuge K. hatte dem Soldaten zu Beginn
der Fahrt 25 € Benzinbeitrag gegeben. Genau für diesen
Betrag hatte der Soldat dann bei L. getankt. Es ist nicht
nachvollziehbar, weshalb der Soldat nicht schon hier mehr
getankt hat, wenn er tatsächlich mit seiner EC-Karte hätte
zahlen können. Dies lag doch nahe, denn er kannte den
hohen Benzinverbrauch seines Fahrzeugs - ein BMW der
7er Reihe - und die Fahrstrecke und konnte damit aus Er-
fahrung damit rechnen, dass dies nicht bis nach Hause
ausreichen würde. Ein erneuter Tankstopp an der bekann-
termaßen vielbesuchten Tankstelle F. mit entsprechen-
dem Zeitverlust hätte sich dann erübrigt. Der Soldat hat ja
angegeben, er habe so schnell wie möglich nach Hause
gewollt.
Insgesamt ist deshalb die Kammer zur Überzeugung ge-
langt, dass der Soldat die Tankrechnung mit Vorsatz nicht
beglichen hat.“
Zur rechtlichen Würdigung führte die Truppendienstkammer aus, der Soldat
habe durch dieses Verhalten vorsätzlich gegen sein Pflicht nach § 17 Abs. 2
Satz 2 SG verstoßen, sich außer Dienst, außerhalb der dienstlichen Unterkünfte
und Anlagen so zu verhalten, dass er die Achtung und das Vertrauen, die seine
dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt. Er habe somit ein
Dienstvergehen begangen (§ 23 Abs. 1 SG).
Bezüglich der Ausführungen zur Maßnahmebemessung wird auf die Seiten 8
und 9 des Urteils der Truppendienstkammer verwiesen.
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Gegen dieses ihm am 18. Oktober 2006 zugestellte Urteil hat der Verteidiger
des Soldaten mit Schriftsatz vom 16. November 2006, beim Bundesverwal-
tungsgericht eingegangen am 16. November 2006, eine auf das Disziplinarmaß
beschränkte Berufung eingelegt.
Zur Begründung hat der Verteidiger im Wesentlichen vorgetragen:
Bei dem Strafbefehl des Amtsgerichts H. vom 10. November 2004 seien die
Tagessätze offensichtlich deshalb im unteren Bereich ausgesprochen worden,
da der Soldat nicht einschlägig vorbestraft, der eingetretene Schaden gering
und die Wiedergutmachung zum Zeitpunkt des Erlasses des Strafbefehls regu-
liert gewesen sei. Ausdruck des reumütigen und einsichtigen Nachtatverhaltens
des Soldaten sei auch gewesen, dass er für entstandenen Aufwand der ge-
schädigten Tankstelle 50 € als Ausgleich gezahlt habe.
Die durch das Truppendienstgericht verhängten Disziplinarmaßnahmen stün-
den in keinem Verhältnis zur Schuld des Soldaten und auch im Widerspruch zu
§ 58 Abs. 4 WDO. Obgleich Staatsanwaltschaft und Amtsgericht H. in ihrer
strafrechtlichen Sanktion aus einer Gesamtschau heraus und mit Augenmaß
wohl bewusst eine an der unteren Grenze des Strafrahmens liegende Strafe für
richtig hielten, kontrastiere das angegriffene Urteil geradezu diese Einschät-
zung. Zwar führe das Truppendienstgericht zutreffend aus, dass der Soldat
während des laufenden Verfahrens befördert worden sei, dies rechtfertige je-
doch im vorliegenden Fall nicht die Verhängung von mehreren Disziplinarmaß-
nahmen (Beförderungsverbot und Kürzung der Dienstbezüge). Dies führe im
konkreten Fall zu einem unverhältnismäßigen Ergebnis. Der Soldat werde zum
28. Februar 2009 aus dem aktiven Dienst ausscheiden. Das Beförderungsver-
bot verhindere die Beförderung bis zum Ausscheiden. Dem Soldaten gingen
hierdurch Dienstbezüge in Höhe von ca. 200 € netto monatlich in der Zeit zwi-
schen 1. März 2007 (Zeitpunkt der Beförderung zum Feldwebel nach Besol-
dungsgruppe A 7) und 28. Februar 2009 verloren. Für die Zeit nach dem
28. Februar 2009 habe der Soldat über einen Zeitraum von zwei Jahren An-
spruch in Höhe von 80 % seiner letzten Dienstbezüge. Das Beförderungsverbot
entfalte somit bis zum Jahre 2011 negative finanzielle Auswirkungen für den
Soldaten, hieraus ergebe sich ein finanzieller Gesamtschaden bis zu diesem
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Zeitpunkt in Höhe von 8 640 €. Des Weiteren schlage sich negativ finanziell
nieder, dass durch Gehaltskürzungen in Höhe von einem Zwanzigstel für die
Dauer von 24 Monaten weitere einschneidende finanzielle Verluste in Höhe von
rund 2 160 € allein bei Zugrundelegung der aktuellen Dienstbezüge des Solda-
ten eintreten würden. Dies zeige die Unverhältnismäßigkeit der verhängten Dis-
ziplinarmaßnahmen. Das angegriffene Urteil könne daher keinen Bestand ha-
ben.
III
1. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, ihre Förmlichkeiten sind gewahrt
(§ 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 WDO).
2. Das Rechtsmittel des Soldaten ist ausdrücklich und nach dem maßgeblichen
Inhalt seiner Begründung auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme be-
schränkt worden. Der Senat hat daher die Tat- und Schuldfeststellungen sowie
die rechtliche Würdigung der Truppendienstkammer seiner Entscheidung
zugrunde zu legen und unter Beachtung des Verschlechterungsverbots nur
noch über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden (§ 91 Abs. 1
Satz 1 WDO i.V.m. §§ 327, 331 Abs. 1 StPO).
3. Die Berufung des Soldaten hat Erfolg.
Nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO sind bei Art und Maß der Diszipli-
narmaßnahme Eigenart und Schwere des Dienstvergehens, seine Auswirkun-
gen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die
Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.
a) Bei Anlegen dieses Maßstabes hält der Senat ein Beförderungsverbot im
untersten Bereich für ausreichend.
aa) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Un-
rechtsgehalt der Verfehlungen.
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Das Dienstvergehen des Soldaten hat nach seiner Eigenart durchaus Gewicht.
Dies ergibt sich bereits daraus, dass er mit seinem bindend festgestellten Fehl-
verhalten kriminelles Unrecht (Betrug zulasten der Tankstelle) beging und ge-
gen ihn eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu 35 € festgesetzt wurde.
Die festgestellte Verletzung der in § 17 Abs. 2 Satz 2 SG normierten Pflicht ei-
nes jeden Soldaten, sich außer Dienst außerhalb dienstlicher Unterkünfte und
Anlagen so zu verhalten, dass er die Achtung und das Vertrauen, die seine
dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt, wiegt nicht leicht. Es
geht dabei nicht um eine bloße Nebenpflicht. Denn sie hat wegen ihres funktio-
nellen Bezugs zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte
und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebes erhebliche Bedeu-
tung. Ein Soldat, insbesondere ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner
Kameraden und Untergebenen sowie das Vertrauen seiner militärischen Vorge-
setzten, um seine Aufgabe so zu erfüllen, dass der ordnungsgemäße Ablauf
des militärischen Dienstes gewährleistet ist.
Bei der Bewertung der Schwere des Dienstvergehens ist ferner zu berücksichti-
gen, dass es sich bei dem Soldaten zum Zeitpunkt der Dienstpflichtverletzung
um einen Unteroffizier handelte. Seine Stellung erforderte es, dass er als Vor-
gesetzter, in Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel zu geben hat (§ 10 Abs. 1
SG). Denn nur wenn er dieses Beispiel gibt, kann er von seinen Untergebenen
erwarten, dass sie sich am Vorbild ihres Vorgesetzten orientieren und ihre
Pflichten nach besten Kräften und aus innerer Überzeugung erfüllen. Durch
sein Fehlverhalten, das geeignet war, zur erheblichen Minderung seiner Ach-
tungs- und Vertrauenswürdigkeit sowohl bei Vorgesetzten als auch bei Unter-
gebenen beizutragen, hat er jedoch ein außerordentlich schlechtes Beispiel ge-
geben.
Bei der Bewertung der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens ist aller-
dings auch zu berücksichtigen, dass der dem Vermögen des Dritten (Tankstel-
le) entstandene Schaden lediglich 20 € betragen hat, also dem unteren Bereich
zuzuordnen ist.
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bb) Der Soldat handelte aus eigennützigen Beweggründen, als er sein Auto
betankte, ohne die Benzinkosten bei der Tankstelle zu bezahlen.
cc) Das außerdienstliche Dienstvergehen hatte für die Personalplanung und
- führung keine Konsequenzen. Unmittelbare Auswirkungen auf den dienstli-
chen Bereich waren, wie der Zeuge Hauptmann B. glaubhaft aussagte, nicht
festzustellen. Der Vorfall war in der Einheit nicht bekannt geworden.
dd) Im Hinblick auf das Maß der Schuld ist festzustellen, dass der Soldat seine
Dienstpflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 2 SG mit Vorsatz verletzt hat.
Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er zum Zeitpunkt des Dienstvergehens in
seiner Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB eingeschränkt oder gar im Sinne
des § 20 StGB schuldunfähig war, sind nicht ersichtlich. Sonstige Schuldmilde-
rungs- oder Schuldausschließungsgründe sind gleichfalls nicht erkennbar.
Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die die Schuld des früheren Sol-
daten mindern würden, liegen nicht vor. Sie sind nach der ständigen Recht-
sprechung des Senats (vgl. u.a. Urteile vom 18. März 1997 - BVerwG 2 WD
29.95 - BVerwGE 113, 70 = Buchholz 235.0 § 34 WDO Nr. 28 = NZWehrr 1997,
212 , vom 6. Mai 2003 - BVerwG 2 WD 29.02 -
BVerwGE 118, 161 = Buchholz 235.01 § 107 WDO 2002 Nr. 1 = NZWehrr
2004, 31 m.w.N. und vom 1. Juli 2003 - BVerwG
2 WD 51.02 ) ohnehin nur dann gegeben, wenn die Situation, in der der Soldat
versagt hat, von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet war,
dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und
daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte. Solche Besonderheiten sind
z.B. ein Handeln in einer ausweglos erscheinenden, unverschuldeten wirt-
schaftlichen Notlage, die auf andere Weise als durch die Tathandlung nicht be-
hoben werden kann, oder eine psychische Ausnahmesituation oder eine unbe-
dachte persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und
im Dienst bewährten Soldaten. Eine von den normalen Verhältnissen abwei-
chende Situation ist in der Berufungshauptverhandlung nicht ersichtlich gewor-
den und von dem Soldaten auch nicht konkret geltend gemacht worden.
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ee) Im Hinblick auf die bisherige Führung und die Persönlichkeit des Soldaten
ist zu berücksichtigen, dass er vor der hier angeschuldigten Tat dreimal mit ei-
ner Disziplinarbuße gemaßregelt wurde, denen jeweils eine Verletzung seiner
Dienstleistungspflicht zugrunde lag. Auch ist er bereits - vor dem Eintritt in die
Bundeswehr - strafrechtlich in Erscheinung getreten. So wie es für ihn gespro-
chen hätte, wenn er sich nachbewährt hätte, geht es hier zu seinen Lasten,
dass er aus seinem Fehlverhalten nicht lernte, sondern im Gegenteil weitere
Dienstpflichtverletzungen beging.Andererseits spricht für ihn, dass er nach
Aussage seines damaligen Disziplinarvorgesetzten Hauptmann B. vor dem
Truppendienstgericht in seiner bisherigen Dienstzeit ordentliche Leistungen er-
bracht hat. Zu seinen Gunsten sind weiterhin seine Auszeichnungen zu berück-
sichtigen, ferner der Umstand, dass er zum Tatzeitpunkt erhebliche familiäre
Probleme hatte, zwischenzeitlich jedoch wieder in geordneten familiären Ver-
hältnissen lebt.
ff) Der Senat hat in seiner gefestigten Rechtsprechung (u.a. Urteile vom
26. Juni 1985 - BVerwG 2 WD 5.85 - BVerwGE 83, 28, vom 10. Juni 1987
- BVerwG 2 WD 12.87 -, vom 14. März 1989 - BVerwG 2 WD 41.88 - BVerwGE
86, 133, vom 13. Juni 1989 - BVerwG 2 WD 2.89 -, vom 25. Oktober 1990
- BVerwG 2 WD 26.90 -, vom 2. Dezember 1999 - BVerwG 2 WD 42.99 - Buch-
holz 236.1 § 17 SG Nr. 29 = NZWehrr 2000, 253, vom 17. Februar 2000
- BVerwG 2 WD 45.99 - und vom 23. November 2005 - BVerwG 2 WD 35.04 -
NZWehrr 2006, 125) außerdienstliche Verfehlungen eines Soldaten gegen Ei-
gentum und Vermögen Dritter stets als ein nicht leichtzunehmendes Dienstver-
gehen gewertet und im Regelfall eine laufbahnhemmende Maßnahme in Form
eines Beförderungsverbots zum Ausgangspunkt seiner Zumessungserwägun-
gen genommen. Hierbei macht es grundsätzlich keinen Unterschied, wie das
Vermögensdelikt strafrechtlich zu qualifizieren ist, ob es sich z.B. um einen
Diebstahl oder Betrug, eine Veruntreuung oder Hehlerei handelt. Denn solche
Begehungsformen einer Straftat sind gleichermaßen sozialschädlich.
Ein Tankstellenbetrug ist kein Kavaliersdelikt. Zwar handelt es sich vorliegend
um ein rein außerdienstliches Fehlverhalten ohne unmittelbare Beziehung zum
Dienst. Ein solcher Verstoß gegen die Rechtsordnung offenbart jedoch Charak-
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termängel, die die Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit des Täters regelmäßig
beeinträchtigen, sein Ansehen und seine Autorität bei Vorgesetzten, Kamera-
den und Untergebenen mindern, Zweifel an seiner Zuverlässigkeit und morali-
schen Integrität wecken, insgesamt somit die Beurteilung seiner Persönlichkeit
und damit seine dienstliche Verwendbarkeit beeinflussen. Außerdienstliche Ei-
gentums- und Vermögensdelikte unterscheiden sich allerdings in ihrem objekti-
ven Gewicht und nach der Schuld des Täters so sehr voneinander, dass die
erforderliche Maßnahme nur nach den konkreten Tatumständen und den Be-
sonderheiten des Einzelfalles zugemessen werden kann.
b) Bei der demnach gebotenen Gesamtwürdigung des Fehlverhaltens des Sol-
daten ist zu gewichten, dass er eine Straftat begangen hat. Hierbei gilt aber mil-
dernd zu berücksichtigen, dass der Soldat zwar strafwürdiges Unrecht beging,
bei der Tatbestandsverwirklichung aber nur ein geringes Maß an krimineller
Energie aufbringen musste. Die für die Tatbegehung zu überwindende Hemm-
schwelle war nicht hoch. Die Tathandlung, sowohl bezogen auf den Tank- als
auch den sich anschließenden Bezahlvorgang, vollzog sich weitgehend ano-
nym. Der Soldat konnte, nachdem er die Toilette aufgesucht hatte, ohne mit
seinem „Opfer“ in näheren Kontakt treten zu müssen, den Kassenbereich ver-
lassen und ungehindert davonfahren. Nicht einmal gegenüber seinem Mitfahrer,
der vom Betrug des Soldaten nichts mitbekommen konnte, musste er sich
rechtfertigen.
Gegen ihn spricht, dass er disziplinar vorbelastet ist. Ferner hat der Senat nicht
die Überzeugung gewonnen, dass der Soldat, obwohl er sich dahingehend ein-
gelassen hat, sein Verhalten gegenüber der Tankstelle sei „nicht richtig“ gewe-
sen, sich uneingeschränkt von seinem Fehlverhalten distanziert und nachhaltig
damit auseinandergesetzt hat. Andererseits hat das Dienstvergehen im Hinblick
auf den relativ geringen Schadensbetrag von 20 € schon nach seinem spezifi-
schen Unrechtsgehalt und damit nach seiner „Eigenart und Schwere“ gemäß
dem auch im Disziplinarrecht geltenden verfassungsrechtlich gewährleisteten
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit („Differenzierung nach unten und nach
oben“) kein allzu hohes Gewicht, was sich auf den Ausgangspunkt („Einstu-
fung“) der Zumessungserwägungen in entsprechender Weise auszuwirken hat.
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Hinzu kommen Milderungsgründe in der Person des Soldaten. Der Umstand,
dass der Soldat während des laufenden gerichtlichen Disziplinarverfahrens
nicht hätte befördert werden dürfen, kann ihm im Rahmen der Zumessungser-
wägungen nicht zum Nachteil gereichen, weil er dies nicht zu vertreten hat.
Unter Abwägung aller be- und entlastenden Umstände hält der Senat zur Ahn-
dung des Fehlverhaltens des Soldaten die Regelmaßnahme, ein Beförderungs-
verbot, für geboten. Unter Berücksichtigung insbesondere generalpräventiver
Zwecke, aber auch des Zeitfaktors (zwischenzeitlich sind seit der Tat über drei
Jahre vergangen), erscheint dem Senat ein Beförderungsverbot für die Dauer
eines Jahres angemessen, aber auch ausreichend zu sein. Auch wenn sich
diese Maßnahme erkennbar nicht mehr auswirken wird, weil der Soldat wegen
seiner kurzen Restdienstzeit von ca. einem Jahr, seiner unterdurchschnittlichen
Beurteilung und seinen disziplinaren Vorbelastungen mit einer Einweisung in
die Besoldungsstufe A 7 nicht mehr rechnen kann, wird von der Möglichkeit,
gemäß § 58 Abs. 4 Satz 1 WDO das Beförderungsverbot mit einer Kürzung der
Dienstbezüge zu kombinieren, abgesehen. Nicht verkannt wird dabei, dass die
rechtswidrig - entgegen Nr. 135 ZDv 20/7 - erfolgte Beförderung des Soldaten
während des laufenden Verfahrens, die Auswirkungen eines Beförderungsver-
botes zusätzlich relativiert hat; dies darf aber nicht der Begründung für die Ver-
hängung einer höheren Disziplinarmaßnahme dienen, da der diesbezügliche
Fehler nicht dem Soldaten, sondern dem Dienstherrn zuzurechnen ist. Maßgeb-
lich ist aber vor allem, dass die Schadenshöhe von 20 € äußerst gering ist und
die dem Soldaten aus seinem Fehlverhalten bereits erwachsenen Kosten im
Vergleich dazu überaus hoch sind. Im Zuge des sachgleichen Strafverfahrens
wurde der Soldat nämlich finanziell mit dem über Vierzigfachen des von ihm
angerichteten Schadens in Anspruch genommen. Ihm mittels einer zusätzlichen
Kürzung der Dienstbezüge eine weitere finanzielle Belastung aufzuerlegen wä-
re insbesondere im Hinblick auf seine familiäre und finanzielle Situation unter
Berücksichtigung des Fürsorgegedankens unverhältnismäßig.
Soweit der Soldat gegen die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme allgemein
geltend macht, die dem Dienstvergehen zugrunde liegende Handlung sei be-
reits in dem sachgleichen Strafverfahren durch eine spürbare Geldstrafe hinrei-
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chend geahndet worden, ist grundsätzlich darauf hinzuweisen, dass Strafver-
fahren und Disziplinarverfahren unterschiedliche Zwecke verfolgen. Das Wehr-
disziplinarrecht ist Dienstordnungsrecht; es sichert die Aufrechterhaltung der
inneren Ordnung der Streitkräfte und der Verwirklichung ihres verfassungsmä-
ßigen Auftrages (vgl. Urteil vom 28. Januar 2004 - BVerwG 2 WD 13.03 -
BVerwGE 120, 105 = Buchholz 236.1 § 10 SG Nr. 53 = NZWehrr 2004, 169
). Sein Zweck liegt nicht - wie im Strafrecht - darin,
gegen einen Soldaten Sanktionen zu verhängen, um ihn für begangenes Un-
recht zu bestrafen. Dies ist auch nicht unverhältnismäßig. Dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit hat der Gesetzgeber bereits mit der Regelung im § 16 Abs.
1 WDO entsprochen. Diese ist nämlich kein Anwendungsfall des Verbots der
Doppelbestrafung nach Art. 103 Abs. 3 GG, sondern ein vom Zweck des Diszip-
linarrechts abgeleitetes Verhängungsverbot, das rechtsdogmatisch auf das
rechtsstaatliche Gebot der Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck zurückzu-
führen ist (vgl. dazu die Einzelnachweise zur stRspr bei Dau, WDO, 4. Aufl.
2002, § 16 Rn. 1).
4. Da die Berufung des Soldaten Erfolg hat, sind die Kosten des Berufungsver-
fahrens gemäß § 139 Abs. 1 Satz 1 WDO und die ihm erwachsenen notwendi-
gen Auslagen gemäß § 140 Abs. 4 WDO dem Bund aufzuerlegen.
Golze Prof. Dr. Widmaier Dr. Langer
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